Ich hab vor zwei Wochen endlich mal das gerade eine halbe Stunde mit dem Auto von mir entfernte Artilleriewerk Simserhof besucht, und ich kann es jedem WW2-Freak nur empfehlen.
1. Es ist riesig - so viel ich weiss, war es das viertgrößte Werk der ML. Wenn man sich den Grundriß anschaut, und dann mal beim direkt Davorstehen versucht, die Dimensionen auf die reale Landschaft zu übertragen, wird einem schon schwummerig. Für die Tour samt Filmvorführung, Bahnfahrt durch den Munitionsbereich und die anschließende Führung im Mannschaftsbereich sollte man locker zweieinhalb Stunden veranschlagen. Und dann hat man vielleicht 25% der Anlage gesehen.
2. Es ist unheimlich und beklemmend, und wer mag sowas nicht?
3. Es ist alles noch so gut wie Original - wenn man in Werkstätten, Arztzimmer und Mannschaftsunterkünfte reinschaut, stehen da keine Replikate, es sind die Originalfeldbetten mit Originaldecken und Originallampen usw. Ebenso die Maschinerie, man merkt eigentlich nur an einigen vereinzelten Kameras und Energiesparlampen in Originalfassungen, daß es 2014 und nicht 1939 ist.
4. Es ist perfekt - als Grenzbewohner hab ich von unseren gallischen Freunden ja sowieso schon eine höhere Meinung als das besonders in US-Medien gerne zelebrierte \"cowarldy Frenchies\", allerdings sind sie schon etwas schludriger als deutsche Perfektionisten. An dem Artilleriewerk sieht man aber, was dabei rauskommt, wenn sie es mal richtig ernst meinen - bei dem Ding wurde wirklich an alles gedacht! Ich war mit drei Freunden dort, alle Wargamer, einer dazu ehemaliger Hauptmann der Jäger und ein anderer Lieutenant der Wachmannschaften ber USAF (als Deutscher, ja das geht). Unser gemeinsames Fazit: \"Damit hätte ich mich nie anlegen wollen\". Und es ist nicht nur taktisch völlig ausgeklügelt, das geht weiter über die Artilleriebeobachtungsperiskope, die Worst-Case-Fluchttunnel, der giftgasabwehrende Überdruck, die Stromversorgung...
5. Der Museumsshop: Leute, geht als Wargamer nur dort rein, wenn ihr gerade den Bausparvertrag ausgezahlt bekommen habt. Nicht, weil der so teuer wäre, sondern weil das militärhistorische Angebot umwerfend ist. Okay, man sollte französisch lesen können, aber wenn einen diese Hürde nicht schreckt, kann man sich einen lebenslangen Vorrat an Informationsmaterial über französisches, deutsches und WW2-alliiertes Militär zulegen. Ich hab mir ein paar Bände über französische Armeeuniformen im 1. und 2. Weltkrieg im Osprey-Format mitgenommen, und fahre da vielleicht demnächst einfach mal so zum Shoppen vorbei.
Der schwächste Teil bei dem ganzen ist noch die Filmvorführung am Anfang. Sie ist zwar insgesamt nicht schlecht, so einige kleinere Macken hat sie aber. Bei der Karte Europas vor 1939 hat Deutschland komischerweise schon die Ostgrenzen nach Oder-Neiße-Manier, und Österreich wird immer wieder als erstes Opfer der Nazis bezeichnet. Naja, vielleicht hat der Filmemacher eine permanente Lieferung Sachertorten dafür von den Ösis bekommen
Hier übrigens die offizielle Website:
http://www.simserhof.fr/site/ P.S.: Man gewinnt auch einen enormen Respekt vor französischen Rentnerinnen, denn die Madame, die uns geführt hatte, sah zwar so harmlos aus wie die Dorfapothekerin, kann aber Granatwerfer und LMGs durchladen und Artillerie feuerleiten :blink_1: