Imo braucht eine Kampagne zuerst mal ein klares Ziel - dh. es muß entweder eine klare Siegbedingung geben, oder eine klar definierte Dauer. Und dieses Ziel muß so gestaltet werden, daß das Spiel bis zum Ende offen bleibt. Weiteres sollte sie nicht zu kompliziert gehalten sein - die misten Spieler wollen Tabletop spielen und nicht stundenlang Excellisten führen.
Was meiner Erfahrung nach der stärkste Kampagnenkiller ist, ist der realistische Ansatz, daß eine Partei durch Siege immer stärker wird. Zwar empfindet man das im ersten Moment als gerecht und/ oder logisch, in der Praxis bedeutet das aber der beste Spieler geht relativ früh in Führung, wird dadurch gestärkt und wird noch schwerer zu schlagen. Und mit jedem weiteren Sieg von ihm klafft die Schere zwischen den Spielern weiter auseinander - die ohnehin stärkste Partei wird immer mehr gebufft - das killt dann sehr schnell die Motivation bei anderen.
Ich nehme da gern Golf als Beispiel her - je besser der Spieler, desto schwieriger das Handicap - etwas was man auch bei vielen Arcadespielen sehen kann. Das mag zwar unrealistisch sein, aber es ermöglicht ein Spiel auf \"Augenhöhe\", das dann für alle fordernd ist und daher im Endeffekt Spaß macht. Denn auch in der Spieler in der Siegerspirale hat nicht unbedingt Spaß - wenn man eh schon der stärkere ist, auch noch mit einer doppelt so starken Armee zu spielen, wird schnell langweilig. (Außer man ist ein unpackbarer Selbstdarsteller)
Eine Kampagne, die alle Teilnehmer (oder zumindest die meisten) langweilt, weil es frustrierend ist gegen eine überwältigende Übermacht anzurennen, bzw. keine Herausforderung mehr ist mit der Übermacht alles was kommt zu panieren, stirbt dann sehr schnell den Tod durch Langeweile. Ideen, wie man die Balance regeln und die Partie offenhalten kann, kann man sich in vielen (vor allem Mehrpersonen-) Brettspielen anschauen - die Schwierigkeit ist es einfach den Balanceakt zu finden, daß das Spiel nicht auf eine Seite kippt, aber Siege doch irgendwie \"belohnt\" werden sonst killt man im Endeffekt die Motivation genauso. Denn wenn die Spieler den Eindruck haben, es ist eh egal wie das Gefecht ausgeht, fehlt der Ansporn zu Gewinnen (und dafür auch mal was zu riskieren)
Auch was die Detaillierung betrifft, tappt man leicht in die \"Realismusfalle\". Natürlich klingt es im ersten Moment großartig, wenn man Dinge wie Fog of War, Marschierverluste, Aufklärung, Versorgungsprobleme und was die Realität sonst noch so bereithält berücksichtigt werden. Aber auch hier verflüchtigt sich meiner Erfahrung nach der Enthusiasmus sehr schnell, wenn man nach einem miesen Arbeitstag heimkommt und sich eigentlich am liebsten brain-afk auf die Couch legen und sich von seinem Lieblingsmedium berieseln lassen würde, und stattdessen 2 Stunden, aus denen bedingt durch Motivationsmangel dann auch noch 3 werden, hinsetzen muss, um Marschbefehle zu schreiben, Verluste abzubuchen und die Ergebnisse der Aufklärung in die Karte einzuzeichnen, damit am nächsten Tag die geplanten Spiele stattfinden können. Man will ja nicht den anderen den morgigen Abend verderben.
Meist folgt dann auch noch die Ernüchterung, daß man eigentlich nicht das macht, was man eigentlich will - nämlich mit bunten Maxerln spielen, sondern das was man eigentlich nie wollte: Buchhaltung in einer Tabellenkalkulation. (Buchhalter, die ihren Job lieben, mögen mir jetzt bitte verzeihen

)
Auch hier ist imo weniger auf Dauer mehr, und man sollte sich gut überlegen auf welche der vielen Aspekte, die ein Feldzug hat, man sich konzentrieren möchte.
Wiederum gilt es den Mittelweg zu finden. Einerseits sollen die Kampagnenelemente interessant sein und zum Geschehen am Tisch beitragen (sonst bräuchte man sie ja nicht), aber sie sollten auch nicht zuviel Zeit in Anspruch nehmen. (damit man auch wenn Beruf/ Familie/ Freunde mal stressen einen schnellen Zug machen kann) Ausserdem sollten die Kampagnendetails einfach und übersichtlich genug sein, daß man auch nach mehreren Tagen/ Wochen/ welchen Abstand man für seine Spiele auch immer anberaumt hat, sich gleich wieder zurechtfindet und man die Kampagne nicht jeden realen Tag \"leben\" muß um den Faden nicht zu verlieren.
Ein Beispiel für ein gut durchdachtes Kampagnensystem ist imo Planetary Empires aus dem Realm of Nottingham. Das Spiel verfolgt ein klares Ziel (wer zuerst eine bestimmte Anzahl von Feldern erobert hat gewonnen) es gibt strategisch wichtige Felder, die einem entweder am Tabletop in Form von zusätzlichen Punkten/ Allierten oder bei Bewegungen auf der Karte bzw der Besetzung von Feldern helfen. Dabei ist noch nett, daß für die verschiedenen Völker, diese Felder unterschiedlich nützlich sind und man sich entscheiden kann ob ich mir ein Fabriksfeld kralle, um meine Armee zu stärken, oder lieber einen Energiegenerator um dem Gegner den Buff vorzuenthalten - auch wenn er mir selber direkt nur wenig bringt.
Balanciert wird das zusätzlich, daß vor einer Schlacht die Felder, der Spieler verglichen werden und aus der Differenz ein Punktewert errechnet wird, um den die auf der Karte stärkere Partei weniger Punkte erhält, da ihre Truppen weiter verteilt sind. Je näher man dem Spielziel kommt, desto schwerer wirds also, was die Partie im Idealfall bis zum Schluß spannend hält, weil die im Rückstand befindlichen Spieler, wieder aufholen sollten. Je näher sie zum Führenden kommen, desto schwerer wirds allerdings wieder, weil sie ja ihre Vorteile gleichzeitig wieder abgeben müssen...
Ansonsten ist der Regelteil grad 3 oder 4 Seiten incl. Bilder und wirklich nicht schwer im Kopf zu behalten, bzw. selbst nach einem halben Jahr Pause ist man gleich wieder \"drin\"
man mag den mangelnden Realismus und Deteilgrad beklagen, aber Planetary Empires bzw. Mighty Empires II Kampagnen, waren bislang die einzigen, die ich erlebt habe, die den Teilnehmern bis zum Schluß Spass gemacht haben und die fertiggespielt wurden, ohne daß der Spielleiter, die Teilnehmer mit der Neunschwänzigen vor sich her treiben mußte um die Kampagne \"durchzupeitschen\"

Edith: Das alles bezog sich jetzt nur auf Kartenkampagnen, narrative Kampagnen und Treecampaigns haben natürlich wieder andere Gesetzmäßigkeiten
