Wie gesagt, es ist schon ein Unterschied, ob du jetzt langärmeluiges Kettenhemd, Dreiecksschild, Kettenbeinlinge und modernen Helm mit Gsichtsschutz hast, oder kurzärmeliges kettenhemd, Mandelschild, konischen Helm und keinen Beinschutz.
Überhaupt muss man aufpassen, bei \"Ritter\" schwingen heutztage ganz viele Vorstellungen mit, die sich erst Ende des Mittelalters und Anfang der Renaissance gebildet haben. Wer in das Thema richtig einsteigen will, sollte u.a. mal Bumkes \"Höfische Kultur\" lesen. Man muss sich gerade bis Anfang 13. Jh. mal ganz schnell von der Vorstellung Ritter=Adel verabschieden, so ungewöhnlich sich das auch erst einmal anhört. Daß Adel identisch mit Ritterschaft ist, ist u.a. ein Produkt staufischer Machtgruppenpolitik, bis 1200 kannst du sehr wohl ein lehnstragender berittener Krieger, Ritter genannt, sein, ohne deswegen zum Adel gerechnet zu werden. In Deutschland ist das mit den Ministerialen besonders ausgeprägt, aber auch in Frankreich und England noch sehr stark vorhanden.
\"Eliteritter\" sind Leute aus dem Adelsstand (bei Löwenherz bedeutende Barone), die in ritterlicher Aufmachung in den Kampf ziehen, aber bedeutend besser finanziell ausgestattet, mit den besten Waffen, und mit guten Pferden (sehr wichtiger Punkt), sowie einem erfahrenen Gefolge, das ebenfalls gut ausgerüstet und kampferfahren ist. Und das man auch versorgen kann. Ein einfacher Reiterkrieger / Ritter ohne besonderen Elitestatus hat alten Kram, vielleicht mal ein Ersatzpferd und drei unbewaffnete Bedienstete. Aufgrund seiner Situation muss er auch vorsichtiger kämpfen, haut also auch nicht so rein.
Übrigens sollte man sein Bild von mittelalterlicher Kampfweise nicht aus dem ollen Delbrück mehr beziehen, der ist fast in allen Punkten längst überholt, empfehlen kann ich nach dem neuesten Stand der Forschung John France (hat einiges zu dem Thema geschrieben), und anhand einer bestimmten Schlacht erklärt Ulrich Lehnart in \"Die Schlacht von Worringen\" sehr detailliert den Stand des Militärwesens gegen Ende 13. Anfang 14. Jh. (aber sowas nie auf Sachen übertragen, die ein bis zwei Jahrhunderte davor oder danach liegen, da ändert sich so einiges!)
Insgesamt kann man für das Gebiet der Mediävistik nur empfehlen, jedes fest verankerte Klischee gründlich zu überprüfen, das Mittelalter ist in seiner frühen und hohen Phase sehr viel anders, als wir allgemein glauben. Fast alle Mittelalterklischees sind entweder aus dem Ende des Mittelalters und dem Anfang der Neuzeit entlehnt (Hexenverfolgung, systematische Folter) oder gleich romantische Mythen aus dem 19. Jahrhundert (Keuschheitsgürtel)...
Dummerweise lehnt einer großer Teil meiner Freunde inzwischen ab, zusammen mit mir \"Mittelalter\"-Filme anzuschauen, außer, mein Mundwerk wird getapet :laugh1: