Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Sklaven!
Jugula ist ja nun ein paar Tage auf dem Markt und manch einer hat es schon gespielt oder bastelt fleißig an Figuren und Arenen in gar merkwürdigen Maßstäben.
Für alle anderen, die sich für das Thema im Allgemeinen oder dieses Regelsystem im Speziellen interessieren, probiere ich mich mal an meinem ersten Review und hoffe, dass sich der Daumen nicht senkt.
WAS SPIELT MAN DA?Die Frage mag zunächst seltsam erscheinen, ist aber berechtigt.
Jugula ist kein gewöhnliches Tabletop. Manche mögen es auch eher als Brettspiel ansehen, da es auf vorgegebenen Feldern (8x8 wie bei einem Schachbrett) gespielt wird. Nennen wir es der Einfachheit halber ein Miniaturenspiel.
Der nächste wichtige Aspekt sind die Karten, die zur Spielmechanik gehören und separat erworben werden müssen. Diese ersetzen im laufenden Spiel einerseits die Würfel, andererseits sind sie die wichtigste, wenn auch nicht einzige taktische Ressource der Spieler. Durch sie kommt ein zusätzlicher spielerischer Aspekt hinzu - wer mit den sogenannten Deck Building Games vertraut ist, wird sich sofort zuhause fühlen. Mehr dazu später.
Das Spiel ist für zwei bis vier Spieler konzipiert, wobei jeder gegen jeden antritt. Es sind Einzelspiele möglich, aber etwa die Hälfte des Buches ist dem Kampagnen-Modus gewidmet, in dem jeder Teilnehmer als Lanista seine Gladiatorenschule (Ludus) leitet und seinen Ruhm zu mehren sucht.
WAS BRAUCHT MAN?- Figuren: genau 4 Gladiatoren pro Spieler
- ein Jugula-Kartendeck pro Spieler (~ 9 Euro)
- das Regelwerk (~ 25 Euro)
- ein paar Marker
- ein Spielfeld mit 8x8 Feldern (dem Regelwerk liegt ein gefaltetes bei)
WIE LÄUFT SO EIN SPIEL AB?Vorweg: Gespielt habe ich es selbst noch nicht, aber ein Spielbericht wird hoffentlich bald folgen. Da die Regeln jedoch sehr klar definiert und, wo hilfreich, illustriert sind, gehe ich auf die Mechanik als solche ein und werde versuchen, mich mit Wertungen vorerst zurückzuhalten.
Jeder Spieler hat vier unterschiedliche Gladiatoren-Typen (Dopplungen sind nicht erlaubt, so kann und muss man einen Mix für den eigenen Spielstil finden), die aus insgesamt zwölf unterschiedlichen Ausrüstungsoptionen (je sechs leichte und schwere Varianten) gewählt werden können. Der römische Gladiatorenkampf folgte festen Mustern und eines davon waren die Archetypen, die sich in der Arena gegenüberstanden. Der Retiarius mit seinem Netz dürfte jedem bekannt vorkommen, während man sich schon etwas mit der Thematik befasst haben muss, um beim Sagittarius gleich den Bogen rauszuhaben (höhö).
Für jeden Typen ist eine Karte im Deck enthalten, deren eine Seite die unversehrte Version zeigt, während die andere einen verwundeten Gladiator mit entsprechenden Mali darstellt; bei einer zweiten Wunde ist Schicht und die Figur wird entfernt. Gladiatoren haben einen Bewegungswert in Feldern und jeweils Modifikatoren, mit denen sie leichte oder schwere Gegner angreifen oder sich gegen diese verteidigen; manch ein Typus hat noch eine Sonderfähigkeit.
In Jugula sind die Gladiatoren eigentlich Mittel zum Zweck. Auch jenseits der Kampagne ist es eher der Wettstreit der Lanistae, die gewieft ihre Karten ausspielen und damit die folgenden Dinge tun können - aber stets nur eine der Optionen, man hat also die Qual der Wahl:
- eine bestimmte Anzahl der eigenen Gladiatoren bewegen
- eine bestimmte Anzahl Attacken ausführen
- seinen Vox Populi-Wert um einen bestimmten Betrag erhöhen (die Beliebtheit beim Publikum bietet Boni)
- eine auf der Karte formulierte besondere Aktion durchführen
- neue Karten vom Stapel ziehen (je nach Wert mehr oder weniger; ist es die letzte Karte auf der Hand, muss man dies tun)
- \"würfeln\" (jede Karte hat ein Würfelsymbol - wie beispielsweise bei Malifaux hat man die Wahl, ob man eine Karte von der Hand nimmt und das Ergebnis kennt, oder ob man sich lieber auf sein Glück verlässt und vom Stapel zieht, um die eigene Hand zu bewahren)
- eine Prima Jugula-Karte seinem Stapel hinzufügen
Wie bei einem Deck Building Game kann man versuchen, sich bessere Karten in den Stapel zu holen, denn auf die besseren Karten der Kategorie Prima Jugula hat man zunächst keinen Zugriff. Außerdem ermöglichen manche Karten es, die schlechteren Exemplare aus seinem Stapel zu entfernen. Man optimiert also, wenn man etwas Energie darauf verwendet, seine Kampfkraft und taktischen Optionen. Muss man aber nicht. Ebensowenig muss man seinen Vox Populi-Wert steigern - vielleicht ist es jetzt eher an der Zeit, diesem vorlauten Thraex mal ordentlich eine vor den Helm zu zimmern! Es ist ein stetes Abwägen der eigenen Optionen, da man immer nur eine davon auswählen kann, dann ist wieder der Gegner dran.
Aber die Gladiatoren kommen natürlich nicht zu kurz. Das Manövrieren auf den Feldern, die Zonen (derer fünf hat ein jeder Kämpfer; klingt aber komplizierter als es ist, wenn man mal das Bildchen dazu gesehen hat!) und das Zusammenspiel der Stärken und Schwächen der Klassen - all das macht Jugula zu einem vollwertigen taktischen Miniaturenspiel. Und letztlich gewinnt man eben nur, indem man in der Arena eine bestimmte Menge an Verwundungen verursacht. Der Pöbel will Blut sehen!
Das Kampagnen-System fügt noch einige Diener im Hintergrund hinzu, die im Ludus bestimmte Aufgaben übernehmen und ebenso in ihren Fähigkeiten gesteigert werden können wie die Gladiatoren, die nun Erfahrung sammeln.
Der Lanista sammelt derweil Bekanntheit und wird vielleicht irgendwann in größeren Arenen antreten (lassen) können. Das bringt auch mehr Geld. Ach ja, Geld: Man kann dieses sogar leihen oder verleihen, inklusive Zinsen. Gladiatoren und Diener kann man kaufen und verkaufen. Es kommt also in der Kampagne noch eine rudimentäre Wirtschaftssimulation mit hinzu, aber auch diese fällt sehr unkompliziert aus und rückt einmal mehr in den Fokus, dass man hier eben als Lanista die Geschicke seiner Familie leitet.
WIE IST DAS OFFIZIELLE SPIELMATERIAL?Das Regelbuch (vollfarbig, Softcover) umfasst 64 Seiten. Diese sind ansprechend gestaltet und vor allem übersichtlich. Schmückende Bilder von Gladiatoren oder Szenen aus Arenen sind immer wieder eingestreut, aber wichtiger sind die sinnvollen und deutlichen Bildbeispiele für die wenigen komplexen Situationen des Spiels.
Gleich zu Beginn gibt es einen Index und Glossar, an entsprechender Stelle werden wieder die Effekte der Karten erläutert, das Buch endet mit verschiedenen Appendizes und einer Schnellübersicht (inklusive der Studio Tomahawk-typischen Tabelle der zehn Dinge, die man im Eifer des Gefechts gerne vergisst). Die wenigen Marker und das Blatt für den eigenen Ludus kann man sich hinten kopieren - oder einfach bei Studio Tomahawk herunterladen.
Die Texte sind verständlich und gleichzeitig locker bis süffisant geschrieben. Wer Serien wie Rome oder Blood and Sand gesehen hat, kennt diese jovial-robuste Gang- und Tonart ja aus dem Fernsehn.
Die Karten machen einen hochwertigen Eindruck und sind, wie auch das Regelwerk (*hust* - siehe unten), zweisprachig: Die Texte sind sowohl in französischer als auch englischer Sprache enthalten. Das stört nicht und ist für den Hersteller sicherlich sinnvoll, um nicht unnötig mit Kartensets in mehreren Sprachen kalkulieren zu müssen. In jedem Deck sind dreimal zwölf Karten enthalten: Jeder Gladiatoren-Typus, jede Jugula- und Prima Jugula-Karte ist jeweils einmal vorhanden.
Das im Buch enthaltene Spielfeld ist zweckmäßig und keineswegs schlecht, aber man sollte auch nicht zu viel davon erwarten.
Es gibt darüber hinaus noch eine hochwertige Variante als Spielmatte zu erwerben, aber diese besitze ich nicht.
(Ebensowenig die von Gripping Beast neu aufgelegten Gladiatoren, aber Figuren für historische Settings halte ich für so generisch, dass ich da keine zwangsläufige Verbindung herstellen möchte - wie beispielsweise bei einem Spielplan mit 8x8 Feldern und Vox Populi-Leisten.)
GIBT ES KRITIKPUNKTE?Ohne das Spiel selbst gespielt zu haben, möchte ich nur auf die augenfälligen Sachen eingehen. Ob das Ganze nun zu viel mit Karten zu tun hat und man zu wenig Püppchen schubst, ist ohnehin eine Frage des persönlichen Geschmacks. Mir zumindest gefällt die Idee, dass die Gladiatoren nicht gleich auf die Gegner losstürzen müssen, sondern stattdessen erst einmal etwas Show gemacht wird. Die Jungs und Mädels warn halt die Rockstars ihrer Epoche, da gehört etwas Posen schon dazu (Vox Populi) und manchmal belauert und umkreist man sich eben erst (metaphorisch, wenn man seine Optionen eben über bessere Karten optimiert, während die Figuren sich mal ein paar Züge lang nicht bewegen).
Manche werden wieder den Preis bemängeln. So viel Geld für verhältnismäßig wenige Seiten oder Karten. Das mag stimmen, aber man kauft ja nicht das Papier, sondern das Spiel - und da steckt eben mehr dahinter. Außerdem hat man dann alles, was man benötigt, bis auf vier Figuren pro Nase - und auch diese kosten nicht die Welt. Es handelt sich also um ein ingesamt ziemlich günstiges Spiel.
Aber wie steht es eigentlich um die Qualität der Texte? Nun ja...
Ich sollte an dieser Stelle erwähnen, dass ich mein Geld (und die viel zu vielen Zinnfiguren) seit nun doch einiger Zeit mit Übersetzungen und mittlerweile Korrekturen verdiene und da entsprechend wenigstens Mindestansprüche habe. Kurz gesagt: Ein Lektorat hat nicht - oder nur schlampig - stattgefunden.
An vielen Stellen ist das nicht weiter wild. Die obige Anspielung auf zwei französische Elemente im eigentlich englischen Buch - geschenkt. Das ist ja fast schon drollig und auch wirklich kein Problem an der jeweiligen Stelle. Dass Charaktere ihren Namen ändern, dass ein Stern-Symbol kein Helm-Symbol ist und dass die Gladiatorenränge mehr als einmal durcheinander geraten - das kriegt man schon noch selbst auf die Kette.
Ärgerlich wird es, wenn in der Erläuterung der Karten identischer Text mal als \"kann\" und mal als \"muss\" ausgelegt wird. Hier kommt man nicht umhin, das (extrem werbeverseuchte) Forum von Studio Tomahawk aufzusuchen und nachzufragen, was jetzt eigentlich gemeint ist.
Dennoch: Ich würde es jederzeit wieder kaufen!
In diesem Sinne: Wir sehen uns in der Arena.
NACHTRAG: NACH DEM ERSTEN SPIELDas erste Spiel fand unlängst statt. Gespielt haben vier andere Personen, je zwei haben sich ein Set geteilt (gemeinsame Karten und ein Team aus je 3 Männlein, 1 Weiblein). In jedem der Teams war eine Spielerin, die zwar mit Brett-, nicht aber Tabletopspielen vertraut war. Ich saß daneben, half beim Erinnern und der Auslegung der Regeln, gab hin und wieder Tipps und dämliche Kommentare zum Besten :thumbsup:
Beide Seiten hatten je einen Thraex und Hoplomachus, dazu kamen hier Provocator und Retiarius, dort Murmillo und Dimachaerius.
Beide Seiten bewegten sich zunächst nach vorn und tauschten ein paar Schläge aus, merkten dann aber schnell, dass ohne Vox Populi und vielleicht ein paar stärkere Karten wirklich mehr als etwas Raumgewinn unwahrscheinlich wäre. Auch wurde festgestellt, dass nur noch eine Karte auf der Hand absolut tödlich enden konnte, da der Gegner zwei freie Züge haben kann, eigene Karten vorausgesetzt. Also wurden ein paar Runden damit verbracht, taktisch hochzurüsten - wobei zwischenzeitlich immer wieder Bewegung hereinkam.
Es war schön zu sehen, wie beide Teams sich daran gewöhnten, bei guten Karten in der passenden Situation die Initiative zu ergreifen und sich ansonsten eher defensiv zu verhalten.
Ein Fehler einer Seite vom Spielbeginn rächte sich später. Sie hatten sich ziemlich an die Wand drängen lassen und mussten mehr Ressourcen aufwenden, sich wieder Platz zu verschaffen. Das gelang, aber ermöglichte ein Flankenmanöver, und plötzlich starb ein Gladiator in nur einem Zug, weil er - von \"Rear\" aus attackiert - nur in mit Gladiatoren (eigenen wie gegnersichen) besetzte Felder hätte zurückweichen können. Die Attacke verursachte also zwei Wunden.
Ich denke also, dass man mit etwas Erfahrung aus dem Spiel noch viel mehr herausholen kann. Ein kurzes Studium der Karten - normale wie auch Prima Jugula - gibt eben noch kein gutes Gefühl für die Optionen und Wahrscheinlichkeiten (auch wenn einer der Spieler wusste, dass die letzte Karte im Stapel die \"1\" sein musste - ein Dilemma, weil nur noch zwei Karten auf der eigenen Hand waren). Und die langfristigen Auswirkungen der Manöver überraschen einen Anfänger natürlich mehr als einen Veteranen. Oder welchen Gladiator man am besten gegen welchen schickt...
Aber auch so war es schon eine mordsmäßige Gaudi!
