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Autor Thema: Diskussionsthema - Der Untergang des Weströmischen Reiches  (Gelesen 16843 mal)

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Mansfeld

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Diskussionsthema - Der Untergang des Weströmischen Reiches
« Antwort #15 am: 06. Mai 2015 - 12:10:31 »

In der Fachwelt spricht man seit der 90er inzwischen von einem Transformationsprozess - Strukturen des weströmischen Staates verschwinden teilweise, teilweise werden sie von nichtrömischen Fürsten in ihr eigenes Herrschaftssystem eingebaut - bestes Beispiel sind die Franken, deren Könige sich anfangs auch als reichsrömische Militärführer definieren. Bzw. ab einem gewissen Zeitpunkt propagieren sie eine Fortsetzung des römischen Herrschaftssystems durch sie. Gleichzeitig bekämpfen sie aber auch andere Machthaber mit dem gleichen Herrschaftsanspruch wie z.B. Syagrius.

Und die hochmittelalterlichen Kaiser sahen sich durchaus weiterhin als römische Kaiser an, und das ist nicht alleine der karolingischen tradition geschuldet.

Andererseits sind viele für einen weströmischen Bürger des frühen 4. Jahrhunderts vertraute Institutionen und Autoritäten um 600 einfach nicht mehr da, oder so umgewandelt (Diözesen sind auf einmal Einheiten der katholischen Kirche und Bischöfe üben Amtsvollmachten von spätrömischen Beamten aus), daß er sie nicht wiedererkennen würde.

Ersetzt Untergang durch Transformation, und dann hat man nicht mehr diese Widersprüche. Der Untergangsgedanke ist eh ein typischer Topos der Geschichtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, die hat den ein wenig zu oft verwendet, weil sie zwnagsweise in nationalstaatlichen Kategorien ihrer eigenen Zeit gedacht haben.
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Gabriel Flavius

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Diskussionsthema - Der Untergang des Weströmischen Reiches
« Antwort #16 am: 06. Mai 2015 - 12:20:08 »

Zitat von: \'Goltron\',\'index.php?page=Thread&postID=192406#post192406
Von daher kann die Frage nach den Ende des Westreiches in meinen Augen auch nur eine politische sein denn ein Staat ist nun einmal vor allem ein politisches Konstrukt und kein wirtschaftliches. Und da finde ich 476 als Jahr immer noch sehr passend. Die Reichsinsignien werden nach Konstantinopel zurückgeschickt weil man sie im Westen nicht mehr braucht. Man unterstellt sich direkt dem Ostkaiser. Niemand von Bedeutung widerspricht dem, im Gegenteil: Odoaker wird sogar in Rang und Titel anerkannt.

Ich denke mal wenn ein Staat seine Sigel abgibt kommt es einer Auflösung gleich. Und wenn Ostrom  Odoaker als neuen Regenten von  Italien anerkannt hat ist damit vieles klar. Würde spontan auch sagen dass das West römische Reich so um 476 n.Chr aufgehört hat zu existieren.  Aber ich schlisse mich da Goltron Meinung an. Das der Untergand des Weströmischen Reiches ein schleichender Prozess war. Die Umstrukturierung des Heeres. Dazu kommt noch die Auflösung des Römischen Heeres. In der Spätantike gab es quasi kein stehendes römisches Heer, sondern mehr Söldner die auch schnell mal die Seiten gewechselt haben. Auch innere Unruhen im Reich haben mit Sicherheit zum Untergang beigetragen. Dazu noch der Drück an den Grenzen mit Einfälle von Goten und Hunnen ins Reich.

Das sind mit Sicherheit alles zusammen Prozesse die letztendlich das Reich geschwächt haben und über längere Zeit zum Untergang geführt haben. Ich persönlich vermute aber auch das die Spaltung in Ost und West mit einer der ersten Schritte waren die das Römische Reich schwächten. Denn damit war auch die Einheit weg.
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Tumbertor

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Diskussionsthema - Der Untergang des Weströmischen Reiches
« Antwort #17 am: 06. Mai 2015 - 14:23:56 »

Hi,

neuerdings wurde der transformatorische Ansatz ( Ãœbergang und kein Untergang ) wieder in Frage gestellt.

Dazu sollte man \"Der Untergang des Römischen Reiches\" von Bryan Ward-Perkins lesen.

Ein Kritik zu dem Buch :

\"Bryan Ward-Perkins unternimmt es, das in den letzten Jahrzehnten in der historischen Forschung erarbeitete Bild der Spätantike und des Frühmittelalters zu revidieren. Er möchte der traditionellen (bekannteren) Ansicht, daß der Untergang des weströmischen Reichs eine gewaltige Kulturkatastrophe war, gegen neuere, kulturgeschichtlich inspirierte Deutungen eines geradliningen Übergangs wieder zur Geltung verhelfen. (...)

Vornehmlich durch die Auswertung von Keramik-Funden stellt Ward-Perkins fest, daß die hochspezialisierte spätantike Wirtschaft teils schlagartig zusammenbrach, teils auch langsam niederging. In einigen Teilen des weströmischen Reichs fielen die Lebenverhältnisse auf einen prähistorischen Stand zurück, der noch unter dem vor der römischen Eroberung lag. (...)

Das Ende des Roms war ein schmerzhafter Einschnitt mit dramatischen Folgen. Ward-Perkins wendet sich gegen eine Geschichtssicht, in der Misserfolge und Katastrophen wegdiskutiert werden.\"

Gruß
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WCT

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Diskussionsthema - Der Untergang des Weströmischen Reiches
« Antwort #18 am: 06. Mai 2015 - 17:12:10 »

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2007-3-022.pdf

Von der Fachwelt wurde das ganze jedoch eher verworfen.
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severus

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Diskussionsthema - Der Untergang des Weströmischen Reiches
« Antwort #19 am: 06. Mai 2015 - 17:18:55 »

Zitat
Auch wenn ich den Post von Greymouse sehr interessant finde beginnt er
etwas am Thema vorbeizureden was die nachfolgenden Poster auch sehr
konsequent fortsetzen.
Das Problem besteht darin, für uns eine Zäsur festlegen, die keinesfalls aus der Zeit selbst stammt, sondern lediglich eine Setzung unsererseits ist. Unter einem gewissen Blickwinkel bietet sich tatsächlich die Absetzung des Romulus Augustulus an. Es ist nämlich endgültig das Ende des Prinzipats im Westreich. Mehr aber auch nicht. Zäsuren wählt man anhand der Geschichte, die erzählt werden soll.

Zitat
Das Ende des Roms war ein schmerzhafter Einschnitt mit dramatischen
Folgen. Ward-Perkins wendet sich gegen eine Geschichtssicht, in der
Misserfolge und Katastrophen wegdiskutiert werden.
Ich hab die Argumentation Ward PErkins weiter oben schon angedeutet. Meines Erachtens baut er aber einen Popanz auf. Nämlich, dass die Kritiker des tradierten Bildes vom Untergang des Römischen Reiches den Zusammenbruch von Handel und Wandel und von Zivilisation negiert hätten. Sein Befund bleibt aber den Beweis von Kausalität zwischen dem Befund eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs im 5.Jh. und dem Ende des Reiches schuldig. Dies sind erstmal Korrelationen.

Die Ursachen für den Zusammenbruch können aber auch schlicht darin liegen, dass auf dem Boden des Westreiches massive Machtkämpfe getobt haben. Waren diese Machtkämpfe nun ursächlihc durch das Ende des Reiches verursaht oder war deas Ende des Reiches nur ein Symptom?
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Tumbertor

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Diskussionsthema - Der Untergang des Weströmischen Reiches
« Antwort #20 am: 07. Mai 2015 - 07:31:45 »

Zitat von: \'WCT\',\'index.php?page=Thread&postID=192444#post192444
Von der Fachwelt wurde das ganze jedoch eher verworfen.

Hi WTC,

danke für den link, Heather ist natürlich auch ein wichtiger Vertreter der \"Revisionisten\".

Ich glaube, die Diskussion über den \"Untergang des Weströmischen Reiches\" und den Ansturm der \"Migranten\" ( so werden sie neuerdings im Englischen genannt ) ist wohl auch deswegen so leidenschaftlich aufgeflammt, weil sich darin kryptisch Ängste und verzweifelter Zweckoptimismus der Gegenwart spiegeln.

Wer weiß, was uns in den nächsten 100 Jahren so blüht, Transformation wäre noch das angenehmste.

Gruß
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Mansfeld

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Diskussionsthema - Der Untergang des Weströmischen Reiches
« Antwort #21 am: 07. Mai 2015 - 09:27:26 »

Interessanter Buchtipp, werde ich mal reinschauen, aber wenn er tatsächlich hauptsächlich auf Keramikanalysen aufgebaute Theorien zur spätantiken Wirtschaft benutzt, bewegt er sich - milde gesagt - auf sehr dünnem Eis.
Archäologische Quellen sind immer nur Stichproben bestehender Gesellschaften, und die Deutung, was eine konkrete materielle Fundlage zum gesellschaftlichen Kontext aussagen kann, ist sehr sehr schwierig und sollte sehr vorsichtig betrieben werden.

Mal angesehen davon, daß die vorhandenen schriftlichen Quellen kein dermaßen katastrophales Bild zeichnen. Und auf die Meinung der Zeitgenossen sollte man eigentlich immer etwas geben.
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Yogsothoth

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Diskussionsthema - Der Untergang des Weströmischen Reiches
« Antwort #22 am: 09. Mai 2015 - 13:56:27 »

Hallo!

Dies ist wirklich eine extrem mitreißende Diskussion! Die Frage nach den Gründen für den Untergang des Weströmischen Reiches ist für mich eine der Schlüsselfragen in der Geschichte überhaupt.

Schon seit Gibbon ist die westliche Welt vollkommen zu Recht von der Frage fasziniert, ob man aus dem Zerfall der klassischen antiken Zivilisation nicht auch Rückschlüsse für die Betrachtung unserer Zeit ziehen kann oder sogar muss. Natürlich sind immer wieder allzu plumpe Analogien gezogen worden, aber bestimmte Muster drängen den Vergleich ja geradezu auf.

Der jeweilige Umgang mit dieser Frage zu verschiedenen Zeiten ist an sich wiederum sehr aussagekräftig bezüglich des jeweils gerade vorherrschenden Zeitgeistes. Während der Aufklärung war das Christentum die entscheidende Ursache, während des 19. Jahrhunderts fabulierte man von \"jungen germanischen Völkern\", die das morsche Rom hinweggefegt hätten und in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Einwirkung barbarischer Invasionen immer weiter heruntergespielt.

Ich sehe auch eine aktuelle Neubewertung v.a. durch angelsächsische Historiker, allen voran Peter Heather. Nachdem zuletzt die Transformationsthese so weit zugespitzt wurde, dass man sich fragte, ob von einem \"Untergang\" überhaupt die Rede sein kann, sieht man jetzt wieder eine verstärkte Betonung der mitunter auch gewaltsamen Umbrüche.

Ich denke über zwei Dinge muss man sich nicht streiten, weil diese ohnehin klar sind. Erstens gab es geographisch und zeitlich viele unterschiedliche Entwicklungen in diesem Prozess, man kann nicht Afrika, England und Italien in einen Topf werfen. Zweitens gibt es nicht EINE Ursache, natürlich handelt es sich um eine extrem komplexe, multikausale Entwicklung.

Aber grundsätzlich stimme ich Heather in wesentlichen Punkten zu, man hat es wohl in der Tat mit einem massiven Zivilisationsbruch zu tun. Innerhalb relativ kurzer Zeit wandelte sich nicht nur die politische Struktur, sondern auch die gesamte Alltagskultur. Das v.a. in den 70er bis 90er Jahren vorherrschende Bild von \"weitgehend friedlicher Transformation\" halte ich für etwas euphemistisch.

Die entscheidende Phase liegt wohl im späten 5. Jahrhundert, ungefähr zur Zeit als Sidonius Apollinaris geschrieben hat. Ob man Odoaker nun noch mit als Weströmer rechnet, oder schon als barbarischen Nachfolger, macht eigentlich keinen großen Unterschied. Ich finde das traditionelle Datum von 476 n. Chr. daher als Richtwert ganz gut. Der justinianische Versuch der Rückeroberung konnte in Italien ja eben nicht an eine fortdauernde Identifikation der Italiker mit dem Imperium anknüpfen, daher würde ich sagen, dass das Weströmische Reich zu dieser Zeit bei den Zeitgenossen kein Thema mehr war.

Und Tumbertor hat etwas auch aus meiner Sicht sehr Wichtiges herausgestellt: Die Erforschung des Themas ist heute teilweise von deutlichen Befindlichkeiten aufgrund der aktuellen Migrationsproblematik überlagert. So wie für die Althistoriker der 30er Jahre jeder Gote ein \"arischer\" Vorfahr der modernen Deutschen war, ist heute für viele selbstverständlich der \"Barbar\" ein harmloser Migrant, der nur die Gesellschaft des Weströmischen Reiches multikulturell -oder als aufgrund eines demographischen Wandels dringend benötigte Fachkraft- bereichert hat. ;)

Gruß,


Yogsothoth
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Diskussionsthema - Der Untergang des Weströmischen Reiches
« Antwort #23 am: 09. Mai 2015 - 14:34:32 »

Zitat
Grundsätzlich hat Tumbertor etwas auch aus meiner Sicht sehr Wichtiges
herausgestellt: Die Erforschung des Themas ist heute teilweise von
deutlichen Befindlichkeiten aufgrund der aktuellen Migrationsproblematik
überlagert. So wie für die Althistoriker der 30er Jahre jeder Gote ein
\"arischer\" Vorfahr der modernen Deutschen war, ist heute für viele
selbstverständlich der \"Barbar\" ein harmloser Migrant, der nur die
Gesellschaft des Weströmischen Reiches multikulturell -oder als aufgrund
eines demographischen Wandels dringend benötigte Fachkraft- bereichert
hat. ;)
Nicht nur heute. Das war schon immer so in der Geschichtsschreibung. ÜBrigens ist nicht allein das Bild des tatkräftigen Barbaren, der die erschlafften Römer hinweggefegt hat ein Bild der national geprägten Geschichtsschreibung des 19. Jh. Auch die Übertragung moderner Staatsbildngsprozesse ist so eines. Das mit den tatkräftigen Barbaren findet sich immerhin schon bei Tacitus.

Mommsen z.B. hat seine römische Geschichte so komponiert, dass sie analog zur deutschen Reichsgründung mit Augustus ihren Gipfel erreicht. Nachdem endlich über die Etappen Eroberung der Halbinsel und Bezwingung des Puniers, die Überwindung innerer Zwistigkeiten ( Bundesgenossenkrieg, Bürgerkriege) endlich unter Augustus die Pax Romana Einzug gehalten hat. Mommsen unterstellt den Italikern z.B. eine dringenden Wunsch nach nationaler Einheit analog zu den nationalistischen Strömungen in Deutschland im 19. Jh.

Meiner Meinung nach ergibt die Frage nach dem Untergang des römischen Reiches nur dann einen Sinn, wenn man genau diese Sicht wie Mommsen et al sie hatten, annimmt. Die ist aber unhistorisch. Denn das Lebenszentrum der antiken Menschen war die Polis im weitesten Sinne( damit man den Begriff auch im nichtgriechischen Raum anwenden kann). Noch nicht einmal Italien war völlig romanisiert, bis heute nicht. Noch heute gibt es griechischsprachige Dörfer in der Magna Grecia. Wen die Literaturquellen einen Untergang beschreiben, so ist dies die Sicht der römischen Aristokratie, die tatsächlich im Laufe der Jahrhunderte ihr Dominat zerbröseln sah.

Das heißt übrigens nicht, dass im Umkehrschluss alles friedlich verlief und es eine friedliche Einwanderungs -und Assimilierungswelle gegeben habe. Im Gegenteil. Aber genauso wie auch nicht während des Dreissigjährigen Krieges ganz Deutschland ständig von marodierenden Heeren heimgesucht wurde, wird das Gebiet des weströmischen Reiches überall gleichzeitig von marodierenden Barbarenhorden geplündert und besiedelt worden sein. Und nur weil auf einmal nicht mehr die gesamte römische Welt miteinander Handel getrieben hat, muss das lokal auch das Ende römischer Herrschaft und Kultur gewesen sein. Die Gemeinden haben sich, wo sie es konnten wieder autarker gemacht. Das geht selbstverständlich auch mit einer Abnahme der Warenqualität einher, wie sie hoch arbeitsteilige Kulturen hervorbringen können.
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steffen1988

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Diskussionsthema - Der Untergang des Weströmischen Reiches
« Antwort #24 am: 09. Mai 2015 - 17:02:37 »

Stimmt, in Süditalien gbt es noch die minderheitensprache \"Greko, da wurde früher vermutet es handle sich um überreste der Griechischen Bewohner in der Zeit nachdem Ostrom/Byzanz SÜditalien wieder zurückerobert hatte. Neueste Forschungen haben Hinweise gefunden wonach die Sprachreste aus Pre-Römischer Zeit stammen.

In der Schweiz und Norditalien gibt Heute übrigens noch die Rätoromanischen Sprachen. Diese Sprachen von denen es drei gibt sind voneinander Issoliert und weißen nur schwachen EInfluss des Lateins auf, was auf eine Geringe Romanisierung hinweist.

Zitat
Und nur weil auf einmal nicht mehr die gesamte römische Welt miteinander
Handel getrieben hat, muss das lokal auch das Ende römischer Herrschaft
und Kultur gewesen sein. Die Gemeinden haben sich, wo sie es konnten
wieder autarker gemacht. Das geht selbstverständlich auch mit einer
Abnahme der Warenqualität einher, wie sie hoch arbeitsteilige Kulturen
hervorbringen können.

Das um 410 von Rom aufgegeben Britanien war zwar auch nicht zu 100 % romanisiert aber bei den Brito-Romanischen Königreichen sieht man die starke EInflüsse in Sprache und Namen. Die Briten im Süden (sofern sie von den Sachsen noch nicht Zwangsgermanisiert wurden) sahen sich noch im 6.Jahrhundert als Römer.

Die stark Romanisierten Berber und Mauren in Nordafrika waren auch noch zu Zeiten der Islamischen Expansion von römischer Kultur geprägt.
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Hanno Barka

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Diskussionsthema - Der Untergang des Weströmischen Reiches
« Antwort #25 am: 10. Mai 2015 - 09:30:28 »

Die \"Transformationstheorie\" leugnet weder den Untergang des römischen Reiches, noch daß gewaltsame Ereignisse im Spiel waren. NIemand behauptet, daß die Lebensumstände im \"orbis terrarum\" um 300 die gleichen waren wie um 600. Die Frage ist ob es einen bestimmten Zeitpunkt gab wo sich Alles (oder zumindest das meiste) auf einen Schlag änderte. Wie gesagt der Unterschied zwischen 300 und 600 ist recht augenfällig, aber wie schaut der Unterschied zwischen 450 und 500 aus? hat sich da wirklich soviel geändert um 476 als \"die Zäsur\" hinzustellen? Heil  und friedlich war die römische Welt 476 schon lange nicht mehr und auch nach 500 war nicht alles zivilisationslose Barberei.

Auch wenns wieder mal ein Abschweifen ist aber es kommt mir ein bissl vor die Musikjahrzehnte der Popmusik. Die 70er - die 80er. Wir lieben es in Kategorien zu denken :) Ja 1975 hat sich die Hitparade anders angehört als 1985, aber ist ein Song von 1979 wirklich so anders als einer von 1981? Und hat die Ermordung John Lennons den Untergang des Disco verursacht? In wie weit war das Concert in Central Park ein \"major contributor\"?
Ok - nehmt das bitte cum magno grano Salo, aber manchmal sehe ich da gewisse Ähnlichkeiten im Denkmuster.
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severus

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Diskussionsthema - Der Untergang des Weströmischen Reiches
« Antwort #26 am: 10. Mai 2015 - 10:07:55 »

@ Greymouse. Dein Beispiel veranschaulicht gut, was das Problem mit Zäsuren ist. Sie sind nachträgliche Setzungen der Geschichtswissenschaft. Zumindest meistens. Und sie haben selten etws mit der Sciht der Zeitgenossen zu tun.

Deswegen sind Zäsuren nicht völlig sinnfrei. Sie helfen, die Chronologie zu strukturieren. Man sollte dabei immer im Hinterkopf haben, dass es sich nicht um reale Einschnitte handelt, sondern um Hilfsmittel.
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Goltron

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« Antwort #27 am: 10. Mai 2015 - 10:22:25 »

So sehe ich das auch. Man sollte auch nicht vergessen das es sich beim ganzen \"Untergang\" Westroms ja nicht um einen kulturellen Kampf Römer gegen Barbaren gehandelt hat. Deshalb ist es in meinen Augen grundsätzlich falsch mit dem Datum ein plötzliches Umschlagen der Zivilisation in Barbarei zu verbinden. Es bringt die Entwicklungen in diesem Zeitraum in meinen Augen aber gut auf den Punkt, stellt wenn man so will so etwas wie einen Höhepunkt vor dem langsamen abflauen des Umbruchs dar.

Ich habe ein Buch das sich mit den Bajuwaren und deren Ethnogenese beschäftigt und ich erinnere mich vage das es dort so dargestellt wird das sich die Lebensumstände Ende des 5./Anfang des 6. Jhd tatsächlich stärker verändert haben als es davor oder danach der Fall war. Zurückzuführen ist das auf den Zusammenbruch der römisch-militärischen Ordnung deren Auswirkung lokal mehr oder weniger stark verzögert werden können.
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WCT

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« Antwort #28 am: 10. Mai 2015 - 15:05:26 »

@ Goltron Handelt es sich dabei um Typen der Ethnogenese unter besonderer Berücksichtigung der Bayern I, Herwig Wolfram[u.a.](Hgg.), Wien 1990 ?
Diesbezüglich kann ich empfehlen (da auch online abrufbar): Hörtl, Elisabeth: Burgundiones -Ethongenese und Ansiedlung, unveröffentlichte Diplomarbeit, Wien 2012
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Thaddäus

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Diskussionsthema - Der Untergang des Weströmischen Reiches
« Antwort #29 am: 10. Mai 2015 - 22:09:55 »

Hallo zusammen,

eine interessante Diskussion. Soweit ich die Diskussion verfolgt habe, stellt sich mir eher die Frage, ob es nicht schlicht darum geht, wie jeder Einzelne der Diskussion den Begriff „Untergang“ definiert. Es wird meiner Meinung nach eher darum gestritten, ob es nun ein Niedergang, Untergang oder eine Transformation sein soll.

Für mich steht eindeutig fest, dass es im Gebiet des Römischen Reiches (um es mal neutral zu formulieren) einige große Veränderungen gegeben hat und wäre uns eine Zeitreise möglich, sich dem „Besucher“ im 3 Jahrhundert ein deutlich anderes Bild zeigen würde, als im 6. Jahrhundert. Es hat sich also definitiv einiges getan und darüber streiten sich die Diskutanten hier auch offensichtlich nicht. Ein genaues Datum festzulegen, stellt für mich jedoch nicht zwingend diese starre Einordnung dar, wie es gerne in früheren Zeiten von Historikern gemacht wurde, sondern dient simpel und einfach dazu, gewisse Ereignisse besser definieren und einordnen zu können.

Was die Argumentation einiger Teilnehmer hier angeht, so möchte ich jedoch mal einen weiteren, neuen Blickwinkel in die Runde werfen. Für mich ist es immer wichtig, ob ein Argument – ob nun historisch oder in anderen Zusammenhängen – wirklich auch dann standhält, wenn man die einzelnen Teile des Argumentes ersetzt. Was möchte ich damit sagen? Angenommen, es wird die These vertreten, dass das römische Reich nicht untergegangen ist, sondern eher von einer Transformation gesprochen werden soll – denn für den einzelnen Bauern hat sich nahezu nichts geändert (höchstens über einen Zeitraum von Jahrhunderten) und lediglich für die adlige Oberschicht gab es diverse Transformationen des Systems, während Kultur und Verwaltung auf der unteren Ebene weitgehend unangetastet blieb. Ebenso waren die Gewalteinwirkungen einzelner kriegerischer Auseinandersetzungen immer lokal beschränkt und haben nicht dauerhaft das ganze Reich erfasst. Deshalb kann man also nicht von einem Untergang des römischen Reiches sprechen, sondern eher von einer Transformation. Ersetzt man nun die Elemente dieses Arguments mit Entsprechungen anderer Ereignisse und halten sie weiterhin stand, so wäre für mich das Argument als aussagekräftig anzusehen.

Um zeitlich keine zu großen Sprünge zu machen, gehen wir doch einfach ein paar hundert Jahre zurück – und sprechen nun von der Transformation der römischen Republik. Denn einen Untergang hat es nicht gegeben. Für die adlige Schicht hat sich zwar etwas geändert, die wirren der Kriege haben jedoch nicht alle Bauern im Reich getroffen, die Selbstverwaltung hat sich kaum geändert und kulturell hat sich sicherlich weiterhin jeder als Teil Roms gefühlt. Selbst das neue Staatsoberhaupt hat mit großen Mühen eine Kontinuität zur Republik gesucht. Ist also die Republik überhaupt nicht untergegangen? Für mich kann man durchaus den Begriff „Untergang“ bei der Republik anlegen und das Imperium Romanum und sein Untergang, ist für mich mit einem ähnlichen Blickwinkel zu betrachten. Auch wenn sich für den einzelnen „kleinen Bürger“ vielleicht nicht viel geändert hat, so wurden doch grundlegende Strukturen zerstört oder komplett verändert, so dass man das, was man vorher als A definiert hat, später nur noch als B wiedererkennt.

Für den ein oder anderen mag der Begriff Untergang dann jedoch vielleicht nicht passend sein, da der Zeitraum im Falle des Imperium Romanum zu groß ist – für mich spielt das jedoch keine große Rolle. Was den Untergang eines Reiches angeht, sollte man vielleicht nicht die Maßstäbe anlegen, die wir aus Mitte des 20. Jahrhunderts kennen. Ein Untergang kann durchaus langsam, schreitend voran gehen und muss nicht in einer allesvernichtenden Apokalypse münden!

Per Definition geht es bei der ganzen Diskussion um den „Untergang des Römischen Reiches“ – und auch wenn man in der Antike natürlich kein modernes Bild eines Staates anlegen kann, so geht es doch irgendwie am Ende darum, ob das Gebilde, welches man als „Staat“ benennen könnte, aufgehört hat zu existieren und ob die Gründe dafür eher destruktiv oder nicht waren. Im Falle Roms hat für mich dieses Gebilde definitiv auf destruktive Weise ein Ende gefunden und daher kann man durchaus von einem Untergang sprechen… vielleicht ist Niedergang auch ein passender Begriff. Transformation ist aber deutlich zu euphemistisch.

Auch wenn ich keine wirklichen Argumente zu dem Thema aus historischer Sicht beigetragen habe, halte ich es einfach für sehr wichtig, die ganze Diskussion zunächst einmal auf dieser Ebene zu führen.
Das der Untergang des Römischen Reiches vielschichtig war und man sicherlich nicht Tag X des Jahres Y als genaues Datum benennen kann, steht für mich außer Frage. Ein Datum als grobe Richtlinie zu nehmen, um dieses Thema einfach besser greifbar zu machen, halte ich jedoch für Sinnvoll und das Jahr 476 zu nehmen, birgt durchaus gute Argumente. Bei vielen Veränderungen gibt es einfach einen Punkt, ab dem man A nur noch als B erkennt und solch einen Punkt grob zu bestimmen, halte ich für absolut angebracht. Ansonsten könnte man sämtliche Epocheneinteilungen aufheben und sieht die Geschichte einfach als immerwährende Transformation (was sie wohl auch tatsächlich auf eine gewisse Weise ist). Da der Mensch jedoch in Kategorien und Schubladen denkt und unser ganzes Denken von Diskriminierungen (im eigentlichen Wortsinn) bestimmt ist – sind wir fast schon gezwungen, Dingen einen Namen zu geben und für eine Schublade passend zu Definieren. Die Ereignisse, die sich auf dem Gebiet des Imperium Romanum irgendwann zwischen 300 und 600 n. Chr. abgespielt haben, finden bei mir ganz gut in der Schublade „Untergang“ Platz und als grobes Datum der Orientierung ist das Jahr 476 schon eine ganz gute Wahl.

Ich hoffe mein Beitrag war nicht zu langatmig und vorbei am Thema – aber wenn man nicht auf dieser Ebene eine Einigung erzielt, wird man sich wohl nie einig bei dieser Diskussion.

Gruß,

Thaddäus

P.S.: Bitte folgendes nicht allzu ernst nehmen:
Ob man auch von der Transformation des Titanic sprechen kann? Schließlich wurde sie nicht aus unserem Raum-Zeit-Kontinuum gerissen, sondern liegt nun einfach an einem anderen Platz in einer anderen Form. Einen genauen Zeitpunkt kann man auch nicht definieren – denn beginnt der Untergang nun mit der Entscheidung des Kapitäns, zu schnell zu fahren, oder bereits bei der Fehlkonstruktion der Schwimmkammern oder erst als das Schiff in zwei Hälften zerbricht? Man sollte Dinge einfach durchaus mal beim Namen nennen und ein destruktives Ende einer Sache kann man gerne als „Untergang“ bezeichnen.
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