Die Gefechtstage!
Lieber Graf,
Nun ging es also los.
Die Nacht war kurz gewesen und morgens ließen sich keine Ordonanzen finden.
Aber ohne mampf kein Kampf, wie der gemeine Füsilier zu sagen pflegt. Also
klopften wir beim nächstgelegen Gehöft an und baten um etwas Frühstücksproviant.
Bereitwillig fast duckmäuserisch gaben sie uns von ihrem eigenen Mahl die Hälfte ab.
Landestypisch gab es einen sauer eingelegten Fisch, der seltsam zusammengerollt
war und mittels einer Holzstäbchenkonstruktion gehalten wurde. Im Inneren befand
sich eine winzige Salzgurke. Eine aus Bauernschläue heraus entwickelte,
fantastische Idee, die ich mir demnächst auf meinen Namen patentieren lasse. Eine
Bezahlung lehnten sie jedoch ängstlich ab, denn wenn der Baron von der Deichreihe
davon erführe, müssten sie wegen Steuerhinterziehung schwere Repressalien
befürchten. Mit dem Baron war wohl nicht zu spaßen. Er hatte seine Deichreihe eben
fest im Griff…
Nachdem wir zum HQ zurückgekehrt waren, empfing uns schon die Meute der
Herrscher und das Diplomatengesinde. Dicht gedrängt standen wir im Foyer herum
und die Anspannung einiger sowie die Vorfreude anderer, stieg proportional zur
Dichte des Tabakqualms in der Luft. Die Düfte Westindiens und der amerikanischen
Südstaaten kannte ich bereits, doch da waren noch ganz unbekannte Düfte aus
Afghanistan und Marokko dabei, sehr exotisch. So exotisch wie der bunte Haufen
aus aller Welt. Offenbar hatte der englische König auch eine Ladung neuartigen
Tabaks von der ostindischen Company erhalten. Soll ursprünglich aus Hinterindien
stammen, aber über China nach London gekommen und jetzt der letzte Schrei in der
Upperclass sein. Ich bestellte sogleich zwei Füßchen für unseren Generalstab … und
ein paar chinesische Pfeifchen dazu. Doch jetzt war es soweit:
Die Tore zum Gefechtssaal öffneten sich. Mit Punkt-schlag 12 Uhr der Glocke
strömten die Herrscher zu ihren, mit Fahnen festlich dekorierten Gefechtsständen.
Ja, so muss das Aussehen:
Majestätisch erhob sich inmitten des Saals ein gigantischer Kriegstisch. Man stellte
sich mit stillen inbrünstigen Gebete davor und träumte davon am Ende des Tages
den Tisch zu erklimmen und in breitbeiniger Siegerpose den Weltensieg zu
verkünden. Mit Schwert und Schild versteht sich.
Jetzt aus der Erinnerung:
(- die Akten hierüber sind beim Rückzug verloren gegangen)
In den ersten zwei Runden wurde noch kein Krieg erklärt. Begeistert schob man
Truppen hin und her und bastelte an der Infrastruktur, flüsterte ein wenig mit den
Nachbarn herum und gab sich ansonsten siegesgewiss. Von der allgemeinen
Begeisterung nicht angesteckt waren die Generalstäbler und Adjutanten, der
demnächst kriegführenden Mächte. Es galt nach längst ausgearbeiteten minuziösen
Plänen die Armeen zu aktivieren. Diese Aufmarschpläne waren so zusagen
unwiderruflich. Ein Fehler in der ursprünglichen Versammlung der Armeen ist im
ganzen Verlauf des Feldzuges kaum wieder gut zu machen. Eine jetzige Änderung
hätte ein allgemeines Chaos hervorgerufen, und nichts mussten die Generalstäbler
mehr fürchten als eine solche plötzliche Änderung der politischen Situation. So
verschwand meine Generalstablerin und Adjutantin Claudia von de Krög für 6
Stunden, um zu verhindern, dass ich mich etwa für etwas anderes entscheiden
könnte.
Um den Tisch herum standen die nervösen Feldherren, oft zu ihren Gefechtsständen
hin- und herlaufend um anschließend im Dreieck an abgelegene Orte im Foyer
Geheimgespräche zu führen. Am Gefechtsfelsrand ging es zu wie im Tollhaus. Da
wurde regelrecht mit den Ellbogen gearbeitet und stellenweise musste ich zwischen
Armbeugen hindurch spähen, um zu sehen was meine eigene Truppen taten. Da
tauchten Könige an Stellen auf, an denen sie gar nichts zu suchen hatten und aus
lauter Neugierde, dem Befehlshabenden in diesem Abschnitt die Sicht versperrten.
Gaffen aus niederen Gründen sollte bestraft werden…
Früher konnte ein Feldherr von einem Hügel herab die Schlacht überblicken und aus
der Situation heraus seine Befehle geben. Das nächste Mal, wenn mich nicht ein
Virus darnieder wirft, werde ich Sandsäcke aufschichten lassen und mit einem
Feldstecher bewaffnet die Sache besser überblicken können. Ohnehin war es für
mich aufgrund der Arbeitsbelastung unmöglich den Verlauf der Entwicklung auf
anderen Kriegsschauplätzen zu verfolgen. War auch nicht so wichtig. Wie durch ein
Brennglas fokussierte ich mich ganz auf Frankreich und das unmittelbare Umfeld. Die
weite Welt verschwamm in der Ferne. Schade.
Nach meiner Strategie schob ich nun meine besten Truppen an die spanischen
Niederlande heran und konzentrierte sie dort. Aus Strategie wurde die Operation.
Aber halt! Der auf seine Art sympathische, aber strenge König von Preußen drängte
gar zu aufdringlich zu der abgesprochenen Offensive. Die Mobilmachung meiner
Truppen war aus meiner Unerfahrenheit der Führung von Massenheeren verzögert
gewesen. Ich brauchte noch Zeit, um mindestens ein Kräfteverhältnis von 1: 3 zu
schaffen. Der Spanier hatte immerhin zwei Festungen und außergewöhnlich viele
Truppen in meinem Kampfabschnitt stationiert. Damit war alles klar. Er wusste um
den Wert seiner Provinz und hatte nicht vor sie kampflos jemanden zu überlassen.
Es könnte sogar sein, dass er vorhatte einen Zweifrontenkrieg gegen Frankreich zu
führen. Vielleicht mit einer dritten Front, etwa im Verbund mit Preußen oder Italien,
oder der Schweiz, oder den Korsen, oder sogar England, oder alle zusammen? Wir
werden sehen, dass ich mit meinen Vermutungen gar nicht allzu sehr daneben lag.
Das ewige Drängen der Preußen war doch sehr lästig geworden und ich glaubte, die
Ungeduld des Königs könne sich am Ende gegen mich wenden. Gut, bis jetzt war
noch kein Angriff auf die Spanier erfolgt, doch wenn er sich die Sache anders
überlegen sollte, standen meine verstärkten Truppen gut positioniert im Nordosten.
Solle er nur kommen! Aber das war ja nicht Sinn der Sache. Inzwischen gab es ein
Gefecht im Mittelmeer zwischen den Mauren und den Engländern, was ich mit
Interesse verfolgte, denn von den Engländern war weit und breit an unseren Küsten
nichts zu sehen. Das war auch gut so. Allerdings operierten sie geheim in den
Weiten des Ozeans und waren generell zu allem fähig. Aufgepasst!
Ich trieb es also mit Geduld an die Spitze des Machbaren. Und dann, glaube ich, in
der dritten Schlachtenrunde war ich soweit und erklärte dem spanischen König den
Krieg. Was dann losbrach, war bemerkenswert. Zunächst einmal überraschte mich
die Reaktion des spanischen Königs. Aber darauf gehe ich später noch ein.
Verblüffenderweis‘ erklärten sich kurz darauf alle möglichen Völker in Nah und Fern
den Krieg. Gefechtsbericht Risikospiel 2019
Der Stein des Anstoßes war - für mich jedenfalls eindeutig – in meiner
Kriegserklärung Spanien gegenüber zu suchen. Die übermenschliche Spannung
löste sich und nun ging es richtig los. Einer musste ja anfangen und das war ich.
Hemmungslos ergossen sich Scharen von wilden Reitervölkern in die Weiten der
östlichen Steppen. Beduinenvölker brachen ihre Zelte ab und folgten uralten
Handelsrouten durch die südlichen Wüsten Arabiens und des Maghrebs. Die Völker
des Balkans versammelten sich auf kargen Pässen im Gebirge, während sich
ostslawische Völker riesige Schneisen, gleich Rollbahnen, durch die Urwälder ihres
Landes bahnten. Grimmige Krieger des Nordens durchschritten abgeholzte
Waldflächen, die durch einen nie dagewesenen Flottenbau seit der Wikingerzeit
entstanden waren. Die Deiche brachen, nicht nur sinnbildlich, sondern auch ganz
real.
Nämlich hier. Bei mir. In Flandern….
Die Schlacht in Flandern
und was danach geschah
Bei der öffentlichen Ausrufung, der Kriegserklärung an Spanien, saß der spanische
König wie üblich, konzentriert wie immer, über seinen Papieren. Ganz in seinen
Gedanken vertieft bekam er zuerst gar nicht mit, dass er gemeint war.
Als er realisierte was vor sich ging, schien er doch ernstlich überrascht zu sein.
Was mich wiederrum überraschte.
Hatte er den Aufmarsch meiner Truppen übersehen? Hatte er selbst doch keine
Offensivgedanken Frankreich gegenüber? Der sonst so ruhige und besonnene König
sprang vom Gefechtsstand auf und marschierte auf mich zu und sagte mit lauter
Stimme:
„Das gibt Rache, das gibt Rache!“
Am Kriegstisch angekommen, besah er mit einem Blick die Situation und wandte sich
an mich. Laut knurrend drohte er:“ Dich mach ich fertig, dich mach ich fertig, wirst
schon sehen.“
Er nahm es also persönlich. Soll vorkommen im Krieg…
Das umstehende Auditorium reagierte vollkommen unterschiedlich. Ich glaubte zu
bemerken, dass einige der Gentlemen recht konsterniert ob diesem Affront waren.
Etwas peinlich betreten schauten sie drein.
Die Anderen, unter ihnen auch der preußische König, blickten regungslos, aber sehr
ernst auf die Karte. Der anwesende Rest der Truppe, und hier vor allen Dingen die
Jüngeren feixten und johlten. Schelmisch freuten sie sich wie die Kinder, die einer
alten Oma ein Streich gespielt hatten. C‘est la vie!
Ein amerikanischer General im Bürgerkrieg sagte einmal:
„Rache ist niemals Bestandteil militärischen Denkens.“
GENAU! Der Rachegedanke führt nur zu irrationalen Handeln und behindert die
Strategie. Und die vornehmste Aufgabe der Strategie ist das Resultat rationellen
Denkens der Führung eines Königsreich. Persönliche Befindlichkeiten, wie so oft
geschehen, haben keinen Platz in der Anlage eines Feldzuges.
Der von uns begonnene Feldzug – „Flandernschlacht“ genannt – sah als erstes Ziel
Wallonien, Brabant und eben Flandern vor. Auf dem Weg zu Nordseeküste lagen
beträchtliche Hindernisse vor uns. Die Spanier hatten dort nicht nur eine
beträchtliche Streitmacht stationiert, sondern auch zwei Festungen in meinem
Kampfabschnitt. Ich selbst schickte den Großteil meiner kaiserlichen Garde an die
Front und mein örtlicher Kampfkommandant, ein zäher Hund, wurde außerdem von
begeisterten Freiwilligenregimentern unterstützt, die als Reserveeinheiten fungierten.
Junge Burschen mit viel Elan, aber ohne jegliche Kampferfahrung.
Die Kaisergarden stürmten vorwärts. Die Elite der Franzosen sollte gleich zu Anfang
eine unwiderstehliche Kraft sein, um die Masse der regulären Regimenter zu
schonen. Ich versprach mir davon eine schnellere Niederwerfung des Feindes. Dem
war nicht so.
Die Spanier nahmen sich die Künste der genialen Deich- und Wasserbauer Hollands
zu Hilfe. Sie öffneten die Fluttore an der Küste und schlossen sie bei Ebbe. Weite
Landstriche wurden überflutet zudem regnete es in Strömen. Die Folge war eine fast
unüberwindliche Wasserwüste, die aber von unseren Truppen durchquert werden
musste. Ach übrigens, man kann sich vom Wert der Arbeit holländischer
Wasserbauer direkt hier in den Glückstädter Marschen überzeugen.
Zu der an sich einfachen militärischen Rechnung mit eine bekannten und
unbekannten Größe, sprich dem eigenen und dem feindlichen Willen, tritt ein dritter
Faktor auf, der sich vollends jeder Voraussicht entzieht: All die Einwirkungen, welche
man Zufall, Verhängnis oder höhere Fügung nennen mag, die der Mensch weder
schafft noch beherrscht.
Da hätte man genauso gut würfeln können. Ja, tatsächlich! Man würfelt mit dem
Gegner! Unglaublich, aber wahr!
Glauben Sie mir, lieber Graf, der spanische König jubelte nach jedem taktischen
Erfolg, ausgelöst durch die höhere Zahl seiner Augen auf den Würfeln. Ich glaube, er
wäre auch auf den Tisch gesprungen und hätte noch den nackten Torero mit dem
roten Tuch gegeben. Da schien mir doch das spanische Temperament hervor zu
brechen. In der Schlacht lebte der Mann förmlich auf.
„Und trotzdem ist dadurch die Kriegführung der blinden Willkür nicht verfallen. Ein
Wahrscheinlichkeitskalkül müsste ergeben, dass alle Zufälligkeiten schließlich
ebenso oft zum Schaden oder Vorteil des einen wie des anderen Teiles gewesen
sind, und der Feldherr, welcher in jedem Einzelfall, wenn nicht das Allerbeste, so
doch das verständige anordnet, hat immer noch Aussicht sein Ziel zu erreichen.“
Die Spanier kämpften hart und entschlossen. Die Kaisergarde schmolz dahin. Die
regulären Regimenter hatten bei der Eroberung der Festung Brügge enorme
Verluste. Jetzt nur nicht nachgeben. Weiter! Bei der Stadt Ypern beim Dorfe
Langemarck gab es ein wahres Gemetzel an den Freiwilligenregimentern. Der
örtliche Kampfkommandant, nun der „Blutsäufer“ genannt, schickte als letzte
Reserve unsere patriotische Jugend durch knietiefen Schlamm mit einem „Vive la
France“ auf den Lippen in die Knochenmühle. Voraus gegangen war eine Order, die
mit den Worten endete: „Nun kämpft mal schön…!“
Er wurde fast füsiliert, doch durch meinen Einspruch hin lediglich zum Zivilisten
degradiert. Das strategische Ziel war trotz immenser Verlust erreicht und der Gegner
wurde weich, zudem die Preußen zeitversetzt im Osten angriffen und große Teile
Hollands besetzten.
Hartnackig und vor allem schnell schlugen sie zu, wenn ich auch den Eindruck hatte,
dass die emporschnellenden Verluste den Preußen mehr zu schaffen machten als
die Unsrigen. Sie brachen die Offensive ab. Die gnadenlose letzte Konsequenz des
Vernichtungskrieges war, wie ich später erkannte, durch eine diplomatische
Intervention, ausgelöst von Seiten der Preußen verhindert worden. Während ich
meine Truppen sammelte, verstärkte, zum letzten finalen Stoß ansetzte, sah ich mit
großen Erstaunen die Spanier ungehindert abziehen. Freie Fahrt über die
verbliebenen Häfen Hollands!
Wie konnte das Geschehen?
Ohne mich zu informieren trieb der Preußenkönig sein eigenes Spiel. Skrupellos gab
er den Spaniern sogar noch eine Ablöse, damit sie abziehen. Ungeachtet des Blutes,
das unsere braven Grenadiere zu Ehren Frankreichs König und seiner Absprache
hergaben.
Na, so ein Früchtchen!
Von einer gerechten Aufteilung der spanischen Niederlande war keine Rede mehr.
Drei Provinzen blieben mir: Flandern, der Brabant und Wallonien. Ich stellte ihn zur
Rede und wurde mit einem Achselzucken abgetan. Schlimmer noch: Er verstärkte
seine Präsenz am Rhein mit den Worten, er wisse ja nicht, was ich jetzt vorhabe. Die
meisten Sorgen machte ich mir allerdings über die nicht vernichteten Truppen
Spaniens, die unweigerlich an meiner Grenze im Süden zu Spanien
wiederauftauchen würden. Mit eiskalten Kalkül hatte der alte Fuchs von
Preußenkönig mich übers Ohr gehauen. Ich wünschte ihm insgeheim den
Hundebandwurm und die Tollwut an den Hals. Ich wusste ja, dass ihm seine Hunde
im Schloss Bellevue zu Potsdam lieber waren als die Menschen seiner Umgebung.
Ich verbrachte die Nacht gedanklich in Dünkirchen zur Auffrischung meiner
Erinnerung zukünftiger Ereignisse…
Nach dem Abzug der Spanier aus den Niederlanden, war vollkommen klar, was jetzt
folgen würde. Der massive Angriff der Spanier über den Pyrenäenkamm hinweg war
zu erwarten gewesen. Mit geballter Wucht prallten die Armeen aufeinander. Es
gelang den Spaniern in der Gascogne und im Languedoc einige Provinzen/Bezirke
zu erobern. Beide Seiten hatten große Verluste. Aber hier im Gegensatz zur
Flandernschlacht hatte sich etwas verändert.
Mein lieber Graf,
Fortuna und Justitia arbeiteten zusammen!
Justitia hielt die Waage und Fortuna hielt meine Hand beim Werfen der
Schlachtenwürfel. Die Waagschale angefüllt mit Soldatenglück neigte sich mir zu.
Glück im Krieg hat schon immer eine unwägbare Rolle im Kriegshandwerk gespielt.
Aber Glück ist nicht planbar und darf niemals Teil strategischer oder taktischer
Planungen sein. Und dennoch kann Glück schlachtentscheidend die Geschicke
eines Feldherrn beeinflussen. Es kann leicht ein tüchtiger Befehlshaber von einem
weniger tüchtigen geschlagen werden. Trotzdem hat wohl auf Dauer der Tüchtige
das Glück auf seiner Seite. Wie auch immer, durch einige taktische Abwehrerfolge
unserer Truppen waren dem Spanier die Verluste zu hoch. Er brach die Offensive ab.
Er hätte mehr tun können. Tat es aber nicht…
Im ersten Augenblick war ich etwas irritiert. Warum griff er nicht weiter an?
Was steckte dahinter?
Ich hatte zwei Erklärungen parat:
Obwohl der König mit offenkundiger Freude, mit Feuer und Flamme, ins Gefecht ging
und man meinen könnte, er sei ein Feldherr, der zum Äußersten gehen würde, war
dem nicht so. Starke Verluste der eigenen Truppe waren ihm ein Gräuel. Er verlangte
den Armeen nicht das Letzte ab. Ich glaube, er hätte mich zu diesem Zeitpunkt in
eine ernsthafte Krise stürzen können. Stattdessen ließ er ab, und begnügte sich mit
dem was er erreicht hatte.
Der König Spaniens war auch ein Freund von Zahlen, Statistiken und Analysen.
Sobald diese vom kalkulierten Soll abwichen, wurde er weich. An sich eine gute
Eigenschaft, aber im entscheidenden Augenblick, kann es einem schnellen, klaren
Sieg entgegenstehen. Aber das wirtschaftliche und das militärisch
taktisch/strategische Denken stehen sowie immer zur Diskussion. Ein Dilemma. Auf
den König als gleichzeitigen Befehlshaber lastet eine große Verantwortung. Wehe
dem!
Wie sich im Verlauf der Kriege herauskristallisierte, hatte der König noch eine andere
herausragende Eigenschaft, nämlich die eines begnadeten Diplomaten, welche ich
später mit größtem Respekt entgegentrat.
Die andere Erklärung war, dass Spanien seine ursprünglichen Pläne verfolgte. Die
Eroberung Italiens von Süden her, einen Bund mit Korsika, und die Mauren sollten in
Nordafrika stillhalten. Das erklärt auch sein Angebot eines temporären
Waffenstillstands.
Er glaubte, er habe mich nun genug eingeschüchtert und könne nun seine anderen
Aktionen starten. Hier war noch lange nicht das letzte Wort gesprochen, das war jetzt
für beide klar. Ich stimmte zu, denn inzwischen tat sich so einiges im Westen…
Brief an Hyazinth Graf von Horrorwitz Gen. Stb. Abtl. B
Lieber Graf,
Am gleichen Abend ging ich kurz nach der ersten Pyrenäenschlacht in Begleitung
meiner Adjutantin zur Stadt hin. Auf Höhe des Rathauses, gleich bei der Stadtwache
entdeckte ich mein Begehr. Dort war sie. Eine auf Tuch verewigte Glücksgöttin
Fortuna im Wappen der Stadt Glückstadt, stehend mit wehenden Haar auf der
Erdkugel. Sie wehte hoch am Wind, der Saum vom ewigen Westwind zerfetzt, blickte
sie geradezu stolz auf mich herab. Ganz ergriffen bat ich die fischköppigen Wachen
die Fahne – für einen Moment nur - herunterlassen. Dank meiner Autorität taten sie
das auch prompt. Ich konnte einfach nicht an mich halten und drückte ihr Herz voller
Dankbarkeit an meines. Ich versprach wiederzukommen…Ich sollte sie nie
wiedersehen…
Am selben Abend zu später Stund‘ hörte ich bei der Heimkehr im HQ Stimmen und
Gelächter aus dem Gefechtsraum. Ich ging hin und da saßen einige der Kriegsherren
in froher Runde um den Kriegstisch herum. Meist jüngere Vertreter der Zunft.
Gesellig ging es hier zu und ich beschloss mich ein Weilchen dem auszusetzten. Auf
diese Weise konnte man einiges erfahren und endlich mal ein ungestörten Blick auf
die östlichen Kriegsschauplätze werfen. Beides verbindend ließ ich mich zur
Auflockerung einigen Getränken und Gesprächen hinreißen und so wurde daraus ein
sehr aufschlussreiches Mitternachtsstelldichein. Lauter nette Leute, das kann ich
Ihnen sagen. Jeder individuell und eigen. Wenn man jeden so nimmt, wie er ist, dann
muss man jeden mögen. Langsam verstand ich deren Denkweise. Das war sehr
lehrreich. Insbesondere der Maure und der Schwedenkönig stachen hervor. Gut
gemeinte Ratschläge wechselten mit ungestümen strategischen Vorschlägen,
Bündnisvorstellungen und allgemeinen Lebensweisheiten.