Wir haben in den letzten Tagen auch ein paarmal gespielt, und ich bin recht angetan.
Das Buch hatte unser lokaler HĂ€ndler auf Verdacht bestellt, und irgendwie ist\'s bei mir gelandet. Meine \"Pirates of the Dingsda\"-Schiffchen sind leider vor vielen Jahren mal einem FrĂŒhjahrsputz zum Opfer gefallen, also musste Ersatz her. Die vom Autor empfohlenen GHQ-Schiffe (und die maĂstabsgleiche, hĂŒbschere Alternative von Langton) sind nett, aber ich wollte nicht schon wieder was bestellen und dem Zinnberg hinzufĂŒgen, solange noch napoleonische Bayern, SAGA-Warband Nummer vier bis sechs, Florentiner Condottiere, 15mm Antigoniden, ein Berg Infinity-Miniaturen und gefĂŒhlte weitere zwei Zentner Zinn und Plastik auf Farbe warten. Zudem finde ich bei Zinn-Schiffchen immer die Segel etwas klumpig, und Messingsegel sind auch nicht billig. Die Sails-of-Glory-Pötte fand ich haarstrĂ€ubend unhĂŒbsch und preislich zum Abgewöhnen, und die Plattfiguren von CG sind auch nicht meine Vorstellung von Modellschiffchen, so dass ich nach Sichtung des Herstellerfelds kurz davor war, es wieder hinzuschmeiĂen.
Dann bin ich zufĂ€llig ĂŒber die Papierschiffchen aus dem Blog von Jeff Knudsen gestolpert - und es war um mich geschehen. 1:900 funktioniert mit den Regeln noch ohne Modifikation, ist maĂstĂ€blich sehr dicht an den Pirates-Steckschiffen (ohne festes MaĂ) und den SoG-Pötten (1:1000 glaub ich?) dran, und die Schiffe sehen fast unschlagbar gut aus. AuĂerdem kann ich mal einfach basteln und muss - auĂer Masten und Rahen - nichts anmalen.
Das Spiel tut exakt das, was es auch verspricht, und das ist exakt das, was ich mir gewĂŒnscht habe. Segelschiffgefechte, die sich schnell spielen, stark herauszoomen, sich irgendwie richtig anfĂŒhlen und gute Unterhaltung bieten. Was exakt auf den Schiffen vorgeht, bleibt mir als Admiral verborgen, aber ich bekomme ein gutes GefĂŒhl dafĂŒr, wie eine Schlacht verlĂ€uft (anders als bei z.B. DBA, das ich sehr gerne spiele, aber wo ich selten vorher sagen kann, ob etwas gut oder mistig laufen wird).
Pro aus meiner Sicht:
- Leicht zu lernen, schnell zu spielen, aber mit taktischem Entfaltungsspielraum.
- Sinnvoll spielbar bereits mit einer Fregatte, aber mit mehreren Spielern und mehreren Dutzend Linienschiffen ebenfalls gut zu managen.
- Kein Clutter; eine Liste passt auf einen Zettel, und auĂer \"Anker\"-Marken benötigt man nur etwas Watte-Rauch fĂŒr das Markieren von \"Breitseite abgefeuert\" und \"Schaden\", so dass das Spiel sehr gut aussieht.
- Kein PlankenzĂ€hlen, SegelflĂ€chenmanagement, Kanonenrechen, Munitionsdilemma o.Ă€., sondern Konzentration auf den Zusammenhalt der Flotte. Wer es lieber detaillierter mag, fĂŒr den gibt es andere, wirklich feine Spiele.
- GĂŒnstiges, auch fĂŒr HĂ€ndler gut beziehbares Regelwerk; das sichert Mitspieler.
Cons aus meiner Sicht:
Keine an sich. Lediglich mein innerer KnöpfchenzÀhler findet etwas zu bemÀkeln, was dem Regelwerk an sich aber keinen Abbruch tut:
Bei den spielbaren Flotten des Regelwerks und den aufgefĂŒhrten Nationen hat der Autor teils gepennt oder komisch recherchiert. Hintergrund ist die dargestellte Epoche von 1775 bis 1815, die das Regelwerk in Anspruch nimmt. ZunĂ€chst bietet das Regelwerk nĂ€mlich durchaus auch die Russen an, dann aber keine Schweden und keine Osmanen, womit man seine Russen also ohne osmanische Feinde oder osmanische VerbĂŒndete höchstens allein gegen Franzosen im Mittelmeer schippern lassen kann. Zweitens haben auĂer den Amis und den (fĂŒr diese Zeitspanne eher fiktionalen) Piratenflotten keine Nationen Zugriff auf kleinere Schiffe unterhalb der Fregatte. Drittens, und jetzt kommt\'s, ist bei den Linienschiffen, die man spielen kann, manches etwas fischig: Das Regelwerk benutzt die britischen \"Rates\" zur Einteilung der Schiffe. Bei Durchsicht der Flotten stieĂ ich als interessante Nation auf die Portugiesen und die Russen. Neben den allgegenwĂ€rtigen 3rd und 4th rates (und den zwei Fregattentypen 5th und 6th rate) haben diese zwei Flotten nĂ€mlich 1st rates in ihrer Liste, die sich durch attraktive Spielmerkmale von der Konkurrenz abheben und interessant klingen. BemĂŒht um historische Flotten und authentische Namen fĂŒr meine Schiffchen habe ich mich also in Recherchen gestĂŒrzt und verdutzt festgestellt, dass weder Portugal noch Russland im fraglichen Zeitraum Schiffe mit 100 oder mehr Kanonen an Bord unter Segel hatten. Wo nimmt der Autor diese Schiffe her? Vielleicht habe ich aber auch einfach nicht grĂŒndlich genug recherchiert und mache hier ein Fass auf, das keines ist. Und fĂŒr \"was-wĂ€re-wenn\" taugt es j atrotzdem; warum sollte man der reichsten Krone dieser Tage, Portugal, nicht einen fiktiven 100-Kanonen-Pott fĂŒr die eigene Flotte zugestehen, wenn Nachbar Spanien in dieser Zeit in groĂer Zahl Schiffe mit 100 oder 112 Kanonen in\'s salzwĂ€ssrige Feld schickt? Kleiner Makel also, und soll meiner Freude ĂŒber das Spiel keinen DĂ€mpfer verpassen.
Ăber Schweden und Osmanen wĂŒrde ich mich trotzdem freuen. Vielleicht macht da ja mal jemand eine gut durchdachte Flottenliste, oder der Autor besinnt sich und liefert nach.
Wer das Spiel mal ausprobieren möchte, kann das in Bochum gerne nach Absprache tun, Flotten und Spieltisch sind im örtlichen Laden, von dem ich auch das Regelwerk bezogen habe. Hausbesuche mache ich wegen der filigranen Schiffe aber keine. Aktuell habe ich fĂŒnf britische und sieben spanische Schiffe gebaut, und ich bastle jetzt an einer Piratenbande und einem russischen Verband.
Mir hat es wirklich gefallen. Und das ist kein Schönreden einer gekauften Graupe, sondern ich finde es wirklich, wirklich hĂŒbsch und gelungen. Ich habe mir schon deutlich teurere Regelbuchreihen oder Wargame-Projekte zugelegt, die ich wirklich kacke fand und finde, und bei denen ich das auch ehrlich sage (z.B. kann ich mich um\'s Verrecken nicht fĂŒr FoG:Napo begeistern, wenn ich mit denselben Figuren auch Lasalle spielen kann, obwohl ich fĂŒr beides die Regeln gekauft habe). Fighting Sail ist kein Fehlkauf gewesen, sondern bereitet mir aktuell viel Freude, und es sind in meinem Empfinden gut angelegte 15 Euro.