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Ethik und Wargaming
Drake Corbett:
Ethik und Kriegsspielen. Hm.
Ich selbst muss mich immer wieder Fragen lassen, wie kann man denn als Familienvater und erwachsener Mensch mit Spielzeugpanzern spielen? Meine Antwort: Weils Spass macht!
Wie kann man als aufgeklärter Mensch denn Nazipanzer bemalen?
Weil se hübsch sind.
Ich habe einen Bekannten (Mitte 30, 2 Kinder, Angestellter) der seine deutsche Flames of War Armee im Keller unter Verschluss halten muss, weil seine Frau ihn sonst wahrscheinlich verlassen würde.
Ja, ich habe in all den Jahren auch schon Leute getroffen die keine Russen spielen konnten, weil der Urgroßvater in Stalingrad gefallen ist.
Warum eigentlich?
Warum ist das bemalen von Waffen-SS-Soldaten moralisch bedenklich?
Warum ist das bemalen von spanischen Nationalisten bedenklich?
Bin ich ein besserer Mensch wenn ich Plastiksoldaten bewege die in amerikanischen Farben bemalt sind? Oder bin ich ein schlechterer Mensch wenn ich Plastiksoldaten in Erbstarn über eine Plastikoberfläche schiebe?
Warum ist es moralisch bedenklich Kreuzzüge zu spielen?
Meine These: Es gibt Leute da draussen die nehmen dieses SPIEL (und nichts anderes ist es nämlich) um Welten zu ernst. Wenn ich bei WAB verliere, prügle ich keine Moslems im Anschluss auf der Strasse.
Oder wenn ich bei Fow mit der 17.SS Panzergrenadierdivision verliere, zünde ich kein Ausländerheim an. Allein dass einem das subtil unterstellt wird in manchen Postings ist schon der Wahnsinn an sich, aber die Diskussion ist nicht neu.
Prinzipiell gilt für mich: Es ist ein SPIEL. Der Sinn und Zweck eines Spiels ist Freude. Klar befasst man sich mit der Geschichte drum herum, oft denke ich mir \"Wahnsinn, das hat ja viele Menschen das Leben gekostet\". Aber mehr auch nicht. Ich kann doch nicht den Anspruch haben die Geschichte durch ein Spiel zu verändern (den Eindruck habe ich bei Manchen, ala, mit Deutschen darf man gar nicht gewinnen).
Wo es bei mir aufhört ist dann übertriebene Gewaltdarstellung oder den exzessiven Greul des Krieges (Hitlerjugend Minis von Warlord z.B.) denn das gehört nicht zum Spiel.
Aber um es mal Provokant zu Formulieren (Ich finde diesen Thread ja gut): Ist das rausschmeissen eines Mitspielers bei Mensch ärgere dich nicht, denn moralisch vertretbar? Sollte man nicht in eine Konversationszone geschickt werden und über das beanspruchte Feld diskutieren? :D :D
The Desertfox:
--- Zitat von: \'Dave\',\'index.php?page=Thread&postID=201620#post201620 ---Hintergrund der Frage sind die entsprechenden Armeelisten bei Flames of war (vgl. Armebücher \"Red Bear\" und \"Grey Wolf\"), in welchen die Deutschen u.a. eine Sicherungskompanie mit Feldgendamerie, Sturmtigern etc. aufstellen kann.
--- Ende Zitat ---
Das war einer der vielen Gründe für mich mit FoW aufzuhören. Der Blickwinkel anderer Nationen ist da unserem gegenüber sehr verschieden (ohne Wertung). Ich für meinen Teil habe da die Konsequenz gezogen. Allerdings hab ich auch WW2 minis der Waffen XX, die ich als solche bemalt habe und auch mit spiele (Bin da wohl entweder selber nicht Konsequent genug), allerdings habe ich meine Einheiten auch immer nach historischen Vorbildern aufgebaut und mich auch intensiv mit ihnen beschäftigt, was sich jetzt anhört wie eine schlechte Ausrede...
noch zum Warschauer Aufstand. Es gibt ein polnisches Brettspiel über die Pfadfinder als Meldegänger während des Aufstandes, in Kooperation mit dem Museum in Warschau entstanden. Ich war erstmal geschockt, allerdings wird so auch nichts vergessen (zumindest in Polen nicht) und man mit Kindern diesen teil der Geschichte disskutieren, erklären.
Schwierige Sache.
Maréchal Davout:
--- Zitat von: \'Blüchi\',\'index.php?page=Thread&postID=201638#post201638 ---Die Ethik ist stehts im Wandel.......schaut man nur mal im Spielwarenladen...thema \"kriegsspielzeug\"
--- Ende Zitat ---
Naja, was in der Gesellschaft als richtig oder falsch bzw. \"Darf man das?\" diskutiert wird, ist nicht immer moralisch relevant.
Man sollte sich fragen, welche Gründe dafür und dagegen sprechen, dass eine Handlung moralisch erlaubt, geboten, verboten etc. ist.
Hier könnte man Kants kategorischen Imperativ heranziehen, wobei der auch anfechtbar ist, weil es nicht immer relevant ist, was wäre, wenn alle etwas machen würden bzw. was wäre, wenn mein Tun zur Maxime einer allgemeinen Gesetzgebung werden würde.
Genereller könnte man eher auf die möglichen Folgen einer Handlung schauen (Folgenethik) oder auf eine zugrunde liegende moralische Pflicht (Pflichtethik).
Relevant könnte die Frage sein, ob wir mit unserem Hobby Militarismus bzw. eine Begeisterung für Krieg fördern. Das scheinen viele außerhalb des Hobbys zu behaupten, aber hier wurden viele gute Argumente dafür angeführt, dass das nicht der Fall ist.
Ich denke, dass eine problembewusste Beschäftigung mit einem Komplex der bessere Umgang ist, als eine Tabuisierung. Interessant ist, dass dieser Diskurs in der Geschichtswissenschaft auch geführt wurde bzgl. Militärgeschichte. In jenem Diskurs wird dem Militär richtigerweise auch für so viele gesellschaftliche und andere Aspekte Bedeutung zugemessen, dass eine Ausparung des Militärischen nur einen lückenhaften bzw. verzerrten Blick auf die Geschichte gewähren könnte.
Black Guardian:
Mal sehen, wo fangen wir an...
Ich glaube die Frage nach der Zulässigkeit von Themen im Wargaming ergibt sich aus der sehr konkreten Kombination von Krieg und Spiel in diesem Medium - und den scheinbaren Widersprüchen, die sich damit auftun. In Deutschland haben wir geprägt durch den 2. Weltkrieg und die ständige Gefahr eines nuklearen Holocausts im kalten Krieg eine sehr kritische und im internationalen Vergleich sehr pazifistische Einstellung. Und das ist auch gut so.
Auf der anderen Seite steht das Spiel - ein Wort, das in seiner Verwendung im deutschen eine völlig andere Bedeutung hat, als es im englischen Original als \"game\" gebraucht wird. Im englischen ist ein Game nicht notwendigerweise ein Kinderspiel, ein Medium um Spaß zu haben oder Freude zu erleben - \"Game\" kann auch im Sinne eines Wettbewerbs verstanden werden.\"The Great Game\" zB als historischer Konflikt / Wettbewerb um Vorherrschaft Russlands & Großbritanniens in Zentralasien - oder \"Game of Thrones\", um ein aktuelleres Beispiel zu geben - es gibt einen Guten Grund warum dieser Titel nicht als \"Spiel im den Thron\" übersetzt wurde, nicht nur weils bescheuert klingt, sondern weil es völlig sinnentstellt ist. In Deutschland ist \"spielen\" die Domain von Kindern, Jugendlichen und Nerds. Erwachsene machen \"ernste\" Dinge.
Entsprechend schwingt dem Wort \"Spiel\" in seiner heutigen Benutzung immer eine Form von Verniedlichung oder Mangel an Ernsthaftigkeit mit.
Nimmt man nun ein Thema wie Krieg und bringt das ganze in Verbindung mit Verniedlichung oder Mangel an Ernsthaftigkeit kommt schnell die Assoziation auf, man würde das Thema verharmlosen oder gar glorifizieren.
Vergleicht man die Wirkung von \"Kriegsspiel\" mit anderen Wortlauten wie \"Schlachtensimulation\", \"Strategische SImulation\" oder \"Gefechtssimulation\". Versucht doch demnächst mal statt \"wir spielen mit Plastikpanzern\" zu erläutern, dass ihr \"eine historische Schlacht nachstellt\".
Schon der Klang der Worte erzeugt viel weniger Widerspruch (weil es sich immer um eine Kombination \"ernster\" Themen handelt) als die Verwendung von Krieg und Spiel in einem Atemzug. Und damit entfällt auch die Frage \"darf man das?\".
Soweit erstmal zum Nachdenken, vielleicht später mehr zum Thema \"Spaß haben beim Wargaming vs. ernste historische Simuatlion\".
Nischenspieler:
Ist ein interessantes Thema.
Was mir hier auffällt ist dass bei den meisten Posts hier schon sehr in die Tiefe gegangen wird und Themenspezifisch argumentiert wird.
In meinen Augen kann man die Diskussion leicht auf eine höhere Ebene ziehen, ohne über die Farbe von Uniformen, oder dem Alter deren Träger zu philosophieren.
Im Grunde gilt für mich beim Wargaming, wie bei allem anderen im Leben auch, ich darf in meinem stillen Kämmerlein, in meinen eigenen vier Wänden machen was ich will, wenn ich dabei niemandem zu nahe trete.
Die moralischen Grenzen und Bedenken eines jeden Einzelnen werden, wenn auch teils ähnlich geordnet, im Detail doch unterschiedlich ausfallen. Ist diese Grenze erstmal abgesteckt, ist diese auch zu respektieren. Ohne weit ausholen zu müssen, bleibe ich mal bei zwei Schauplätzen der Moderne:
- der Erste findet den WK2 mit all den Nazis zu grauenhaft und spielt deswegen lieber Moderne Kriegsführung; da schreit der zweite, dass dieses Thema ihm viel zu nahe geht und er lieber Stukas anmalt; der dritte bekommt da plötzlich große Probleme Nazi zu spielen und um sein Gewissen rein zu halten spielt er halt nur die Russen; darüber kann der vierte nur den Kopf schütteln.
Die Liste liesse sich beliebig fortführen. Alle vier Beispiele sind reale Personen, die bodenständig im Leben stehen und halt ihre moralische Grenze gefunden haben. Was wir jetzt davon halten ist vollkommen irrelevant für die vier.
Aber (und nun kommt der Punkt auf den ich hinaus will), niemand von denen macht mir Vorwürfe daraus, dass ich im WK2 mehrere Seiten sammel und spiele und dazu auch noch einen modernen Konflikt erdacht habe [kleiner Hinweis an dieser Stelle; ich habe einen fiktiven Konflikt für mein Setting zuhause erdacht. Da war ich nämlich an meiner persönlichen moralischen Grenze angekommen].
Solange ich mein Hobby nicht täglich Betroffenen aufzwänge, die durch Krieg und Gewalt irgendeine Form eines Traumas haben, lasse ich mir keine Vorwürfe machen. Ich will doch nur spielen.
Das Beispiel mit der Ehefrau vor der man seine Soldaten verstecken muss mag extrem sein, passt aber an dieser Stelle ganz gut, da es um Respekt und Rücksichtnahme auf moralisches Werteempfinden geht. Jeder hat doch irgend jemandem im Bekanntenkreis, der es irgendwie nicht so toll findet was wir da machen. Dem muss man halt nicht jedesmal damit auf den Sack gehen und gut ist.
Mein persönliches Fazit zu der bisherigen Debatte bleibt; jeder kann für sich selbst entscheiden wo es für ihn zu viel wird, aber dann zieht er sich aus diesem Thema bitte raus und hält anderen nicht den Zeigefinger vor\'s Gesicht.
P.S.: Der Warschauer Militäraufstand ist schon ein interessantes Thema, wenn jemand aus dem Raum Rhein-Main-Neckar Lust hätte den auf Platoonebene zu machen, bitte melden ;)
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