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Autor Thema: Ethik und Wargaming  (Gelesen 8270 mal)

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Schmagauke

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Ethik und Wargaming
« Antwort #60 am: 11. September 2015 - 20:57:16 »

Ich widerspreche da in einem Punkt, Decebalus, aber das hat wohl mit meiner persönlichen (und leider noch zu seltenen Denkweise) zu tun:
Ich fühle mich nicht aus einer bestimmten Gesellschaft stammend (auch wenn dem natürlich so ist).

Ich gewöhne mir immer mehr ab, in Nationalitäten, verschiedenen Gesellschaften etc zu denken.
Wir sind im 21. Jahrhundert angekommen und es ist überfällig, daß wir beginnen, von UNS zu denken, von uns MENSCHEN.
Nicht \"wir Deutschen\" und \"die Syrer\" oder \"unsere Gesellschaft\" und \"deren Gesellschaft\".

Ich vergleiche das gerne mit einer Art Kastendenken.
\"Wir Deutschen\" sind ja so viel anders als \"die da\".

Es ist genau dieses nationale Denken, das Unterteilen der MENSCHHEIT in Gruppen und Zonen und Untergruppen und Unterzonen, das immer und immer wieder zu den bekannten Problemen führt.

Wir dürfen die Geschichte niemals vergessen oder aus den Augen verlieren, wir müssen immer aus ihr lernen.
Ich habe für mich gelernt, daß das ständige Rumreiten auf \"wer hat welche schlimmen Dinge verursacht\" immer wieder dazu führt, daß von \"wir\" und \"die anderen\" die Rede ist.

Ich will kein \"wir\" und \"die anderen\" mehr, ich will nur noch \"WIR\". Damit wären 90% der Probleme der Welt erledigt (Utopia, ich bleibe ein hoffnungslos kühner Optimist...).
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Werit

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Ethik und Wargaming
« Antwort #61 am: 11. September 2015 - 21:01:27 »

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​\"The Stonewall Brigade - A noble body of patriots\"
General Thomas J. Jackson

Camo

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Ethik und Wargaming
« Antwort #62 am: 11. September 2015 - 22:10:06 »

*Mod-Mäntelchen schwenk* Wir bleiben bitte brav, keine Anfeindungen oder dergleichen. Bisher klappt das prima, aber bleibt bitte auch so.

Und nun ohne Mod-Mäntelchen:
Die Figuren sind nur das - Figuren. Ein geformter Klumpen eines gewissen Materials. Kein Soldat, kein Panzer, kein Yeti. Dieser Klumpen lebt nicht, begeht keine Greueltaten und stirbt auch nicht. Damit sehe ich im Püppchenschieben keine größere ethische, moralische oder gewaltverherrlichende Gefahr als beim Schach. Das begann seine Karriere ja auch als taktische Simulation.
Von daher gibt es für mich persönlich kein No-Go-Thema... zumindest wenn es um die Darstellung von bewaffneten Auseinandersetzungen gibt.

Die Beschäftigung mit der Geschichte ist aber ein extrem spannender Teil dieses Hobbies, den ich sehr genieße, auch wenn ich mich dabei immer \"verlaufe\" und mir so neue Flöhe ins Ohr setze. Trotzdem werde ich nicht damit aufhören, sehr zum Bedauern meiner Göttergattin.  :cool:

Was den Teil mit der \"Verantwortungsfrage\" betrifft... auf das dünne Eis begebe ich mich nicht. Wenn mich jemand fragt, ob ich das materielle Erbe meiner Großeltern und Urgroßeltern abgelehnt habe... bei meinen Großeltern ja, bei meinen Urgroßeltern gab es da keine Chance, die Familienhöfe und der Gasthof in den alten preußischen Gebieten sind für immer verloren für uns. Trotzdem \"entziehe ich mich nicht der Geschichte\", ich trage immer die Verantwortung, etwas Derartiges nicht wieder passieren zu lassen, soweit es mir möglich ist. Meine Großeltern haben im WW2 mitgekämpft, meine Eltern sind als Kinder aus Preußen geflohen und haben Geschwister sterben sehen. Sie tragen keine Verantwortung für das Grauen und haben genug gelitten. Sie haben aber dafür gesorgt, dass ich mit Überlebenden sprechen konnte und ein ungeschöntes Bild der Zeit bekommen konnte. Dafür danke ich ihnen und werde das bei meinem Kind genau so machen. Aber weder meine Eltern oder ich haben damals abgedrückt, damit tragen wir keine persönliche Schuld. Nur die Verantwortung als Überlebende und Nachkommen, es nicht wieder zuzulassen... und damit verabschiede ich mich aus der \"Verantwortungsdiskussion\".
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Noch sind wir zwar keine gefährdete Art, aber es ist nicht so, dass wir nicht oft genug versucht hätten, eine zu werden.
(Douglas Adams)

severus

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Ethik und Wargaming
« Antwort #63 am: 11. September 2015 - 22:14:54 »

Zitat


Ich kann keine Verantwortung für Dinge übernehmen, die ich nicht hätte verhindern können!
Ich trage Verantwortung dafür, das solche Dinge nie wieder passieren!

Das würde ja bedeuten, das ich für die Verbrechen vom Anbeginn der Welt bis Heute verantworlich bin!
Sehr gut gesprochen. Allerdings und das ist meiner Meinung nach das eigentlich Erschreckende an der Judenvernichtung. Es waren nicht etwa perverse Massenmörder, die Spaß am Quälen hatten, die das Ganze ins Werk gesetzt haben. Es waren biedere Familienväter, die abends im Kreis der Familie heile Welt gespielt haben. Das Erschreckende an dieser industriellen Auslöschung alles Andersartigen, war, dass Sadisten nicht notwendig waren, dieses Grauen zu organisieren und am Laufen zu halten. Der unmittelbaren Kriegsgeneration war dies völlig bewusst. Denn es geschah vor aller Augen. Im Nachhinein gab es aber interessierte Kreise, die das sehr sehr erfolgreich umgedeutet haben. Die Auschwitz auf den sadistischen Mengele reduzierten oder Buchenwald auf Ilse Koch und ihren vermeintlichen Lampenschirm aus Menschenhaut. Diese Sadisten gab es und sie haben das Leiden der Insassen noch erhöht. Aber eben nicht grundsätzlich erst ermöglicht. Auschwitz war eine Todesfabrik, in dem jeder ein kleines Rädchen war. Austauschbar. Die Einen hatten immerhin die Möglichkeit sich an die Front versetzen zu lassen. Andere hatten nur die Möglichkeit, mitzutun oder selbst ins Gas zu gehen.

Im DHM in Berlin ist eine sehr eindrucksvolle Gipsplastik zu sehen, die Ablauf der Vergasung extrem plastisch darstellt. Alles hat seine Ordnung.

Die extreme Durchschnittlichkeit der allermeisten Täter verursacht das Unwohlsein weil Jedem, der sich damit näher befasst, klar wird, wie leicht es hätte sein können, sich als Rädchen in diesem Getriebe wiederzufinden. Genau deswegen ist man hierzulande sehr dankbar für diese Narration von irren Nazibestien. Genau deswegen reagiert man so allergisch auf Alles, was an diesem Narrativ rüttelt. Und zwar weit über die Grenzen des eigentlichen Vernichtungsbetriebes hinaus


 

Zitat
Ich will hier nicht leugnen, dass Krieg (und insbesondere moderner Krieg) eine Tendenz zum Überschreiten der Linie, zum Übergriff auf den Exzess hat. Aber entscheidend ist doch, dass Krieg erstmal tatsächlich ein Wettstreit ist. Oder wie es Clausewitz formuliert: \"der Versuch dem anderen den eigenen Willen aufzuzwingen\". Vergewaltigung und Massaker sind für diesen \"ideellen\" Krieg völlig unerheblich. Und diesen Wettstreit-Krieg spielen wir doch, oder? Auch wenn wir Waffen-SS 1944 spielen, dann spielen wir doch, ob man die Ardennen-Offensive gewinnen kann, und nicht, ob man bei Malmedy möglichst viele Kriegsgefangene erschiesst.
Nein der Krieg trägt immer den Exzess in sich. Und solange es das Völkerrecht gibt, gab es auch Verstöße dagegen. ES Blödsinn, zu glauben, der Krieg ließe sich durch ein Regelwerk in eine härtere Form von Rugby verwandeln. Das hat schon nicht zwischen Nationalstaaten funktioniert. Und funktioniert heute erst recht nicht. Denn die Nationalstaaten verweigern den typischen Gegnern in ihren Konflikten systematisch den Kombattantenstatus.

Um das CLausewitzzitat mal einzuordnen. Es geht darum, dem Gegner seinen Willen aufzuzwingen. Das erreicht man erstens durch die Zerschlagung seiner Streitkräfte aber auch durch Schrecken. Und Vergewaltigung und Plünderung und neuerdings auch wieder Schauhinrichtungen zielen genau darauf ab. Den Kampfwillen des Gegners brechen. Dieser Aspekt des Krieges war immer vorhanden. Er ist meines Erachtens sogar wesentlich. Wenn Kriegsparteien sich einer Selbstbegrenzung in ihrer Gewaltanwendung unterwarfen, dann taten sie dies aus einer Nützlichkeitserwägung heraus. Ich glaube, wir haben mittlerweile überhaupt keine Vorstellung mehr vom Schrecken des Krieges. Denn wir sehen meist wohlgeordnete Militärkonvois und im Hintergrund ein paar Rauchwolken. Was wir nicht sehen: Soldaten, die auf der Suche nach Nahrung das Saatgut der Bauern für das nächste Jahr samt Wintervorräten aus dem Keller holen. Die, weil es kalt ist, ganze Häuser abreißen, um an Feuerholz zu kommen. Wir sehen nicht die Ströme von Kriegsversehrten.

 Aber du hast recht, genau darum geht es beim Tabletop nicht. Es geht darum, Einheiten zu bewegen und sie in ihrer Taktik funktionieren zu lassen. Erst auf dieser Ebene ist es möglich, das Ganze als unterhaltsamen Wettstreit anzusehen. Und daran ist auch nichts Verwerfliches. Ich möchte zum Beispiel nicht die Schießerei beim Abzug der Erhardt Brigade nach gescheitertem Kappputsch nachstellen. Oder solche Massenerschießungen in den ukrainischen Wäldern.
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Florian

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Ethik und Wargaming
« Antwort #64 am: 11. September 2015 - 23:19:42 »

nur mal kurz zu der sache mit der verantwortung:

die verantwortung die wir hier in deutschland haben ist aus den bereits genannten gründen (materieller gewinn bei der ausplünderung der juden und sonstiger \"anderer\" durch viele \"volksgenoosen\", der bis heute nachwirkt, geklaute kunst, opfer mit einem anrecht auf entschädigung durch einen staat, der sich selbst als RECHTSNACHFOLGER der 3. reiches betrachtet etc.) konkreter auch an bestimmten materiellen fragen festzumachen. und natürlich ist in der weltgegend, in der die verbrechen begangen wurden die erinnerung an diese verbrechen präsenter.

aber eine allgemeine verantwortung aller menschen, ganz egal wo, ergibt sich aus dem schieren wissen, dass etwas wie auschwitz möglich ist. und die wiederholung dieses möglichen zu verhindern, dass ist die verantwortung aller menschen.

wargaming oder nicht hat damit wenig zu tun, wohl aber jede art von verharmlosung des geschehenen. und das kann natürlich auch im wargaming geschehen (gerade in regelwerken, szenariobänden etc.)
« Letzte Änderung: 01. Januar 1970 - 01:00:00 von 1442090666 »
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wir meinten alles ironisch, auch die ironie.

Tumbertor

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Ethik und Wargaming
« Antwort #65 am: 13. September 2015 - 13:57:32 »

Die neuere Sozialanthropologie hat in einer Reihe von Versuchen gezeigt, dass große Anteile unserer Population ( möglichweise 2/3) ihre moralischen Werte überweigend aus der Anpassung an Ihre Bezugsgruppe beziehen, also dem Konformitätsdruck folgen. Harald Welzer hat gezeigt, wie diese Werte von 1933 an stetig und langsam in eine Richtung verschoben wurden, die uns heute als inhuman erscheint. Der Trick war offenbar, die Veränderungder Werte langsam vorzunehmen und immer genügend Masse an Bevölkerung ideologisch mit zu nehmen.

Als sich nach 1945 die gesellschaftlichen Vorgaben änderten, hatte die selbe Gruppe nicht die geringsten Probleme, sich den neuen Gepflogenheiten \"aus tiefster Überzeugung\" anzupassen, und sie tun es wohl auch heute noch. Die Übrigen sind zu Lebzeiten Querulanten, Einzelgänger und \"Spinner\", nach Ihrem Tod manchmal Heilige.
« Letzte Änderung: 01. Januar 1970 - 01:00:00 von 1442147142 »
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Goltron

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« Antwort #66 am: 13. September 2015 - 14:48:24 »

Ich möchte Decebalus an dieser Stelle für seine Beiträge danken und voll und ganz zustimmen.
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Ethik und Wargaming
« Antwort #67 am: 15. September 2015 - 13:27:36 »

Im Wargaming empfinde ich eigentlich nie, dass ich mich besonders damit auseinander setzen muss, ob dies oder jenes ethisch passt. Wer mich kennt, weiß dass ich ne kleine Geschichts-Macke habe. Manch einer hält mich auch für nen Pedanten; da spielt das bisschen Figuren über nen Tisch schieben nun auch keine große Rolle mehr. Die Figürchen sind ja eh nur Platzhalter, genauso gut könnte ich auch Holzsteinchen wie in Brettspielen wie CCN oder \"Maria\" verwenden. Da ich/wir nicht zum Malen komme/n, lasse ich sogar lieber malen soweit ich es mir leisten kann. Also geht es mir nur um die Optik.

Wahrscheinlich ist das auch nicht so das Problem, weil ich im Reenactment unterwegs bin und da seit etwa 15 Jahren auch im musealen Bereich. Klar stelle ich \"nur\" 18.Jh. bzw. Napoleonik dar, aber auch da gibt es Gradwanderungen. Das fängt mit der auszustäupenden Frau, die nur ihre Waren in \"meinem\" Dorf nicht verkaufen darf an und hört mit dem im 18.Jh. üblichen Judenleibzoll und ähnlichen Schikanen auf. Wie soll man das vermitteln? Das sind ernsthafte Themen und dürfen nicht in Hanswurstiaden enden. Darf man sowas ausblenden, nur weil es schwierig ist?

Wargaming hingegen finde ich recht easy. Man(ich) möchte sich/mir eigentlich primär die zeitgen. Taktiken und Strategien vergegenwärtigen. Da ich eh gern spiele (auch Karten) ist das spielerisch zu tun sehr naheliegend.
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Davout

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Ethik und Wargaming
« Antwort #68 am: 16. September 2015 - 22:05:36 »

Zitat von: \'Schmagauke\',\'index.php?page=Thread&postID=201708#post201708
Wir dürfen die Geschichte niemals vergessen oder aus den Augen verlieren, wir müssen immer aus ihr lernen.

Ein äußerst edles Ziel, das dem Menschen die Begabung zur Vernunft zubilligt. Das mag vielleicht manch Einzelner so für sich halten, doch kommt irgendwann auch die verzweifelte Erkenntnis, dass die Menschheit sich zum Großteil stur weigert aus ihrer Geschichte zu lernen. An den Auswirkungen dieser kollektiven Bewerbung um den Darwin-Award können Einzelne letzlich leider auch nichts ändern. Das mag jetzt vielleicht resigniert wirken, aber gerade die aktuellen internationalen Entwicklungen beweisen das wieder einmal allzu deutlich.

Grüße

Gunter
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