Durch den Treffer an der rechten Seite wurde Alun´s Flugzeug
beinahe halbiert - die nachfolgende ATA-Rakete knallte direkt in ihr
herumgeschleudertes Heck und löste das mehrfach redundante
ANASTASYA-System aus. Das gesamte Cockpit löste sich mittels kleiner
Sprengsätze aus dem Bug des Flugzeugs und brandete mit vier kleinen
Vektordüsen aus der unmittelbaren Gefahrenzone raus. X-23-Piloten sind
selten und gefragt - so wurde Seitens der Konstrukteure alles technisch
Mögliche dafür getan, ihr Überleben zu sichern. Und aus diesem Grund
heißt das X-23-Cockpit auch Schneewittchensarg.
Loo hatte weniger
Fürsorge von seiner Maschine zu erwarten - diese dafür aber um so mehr
von ihm. Er mochte seine Maschine - und so tat er alles Mögliche daran,
den massiven Stahlpfeil so sicher wie möglich runterzubringen - und
tatsächlich konnte er, während er weiter wie ein Stier hochzog und die
Bremsflächen ausfuhr... eine Forststraße ausmachen, die sich - wie viele
andere Straßen auf Tuvalu - schnurgerade durch die Landschaft zog. Mit
ein Grund für diese breiten und geraden Straßen sind die riesigen
Fernlaster und Holztransporter, die sie befahren. Also sah er zu, daß er
dort runterkam, wo er sein Fahrwerk auch benutzen konnte.
Als
das IFM (Impact Foam Material) schließlich durch Zugabe von reinem
Sauerstoff (eigentlich zur Wiederbelebung in Ohnmacht gefallener Piloten
gedacht) in sich zusammenfällt und die stark getönte Cockpithaube sich
öffnet, sieht Alun, wo die zwei Fallschirme sie und ihre Rettungskapsel
hingebracht haben - und sie sah zum ersten Mal, wie es hier, nahe am
Äquator, eigentlich aussieht. Oh, sie hat schon oft Pflanzen gesehen -
auf der Erde gab es auch welche. Zier- und Nutzpflanzen in den
Arkologien der Makropolen - und unverwüstliches anderes und meist
unansehnlich dorniges Zeugs draußen - draußen ist da, wo es nichts zu
holen gibt und wo niemand lebt. Draußen war auch da, wo es verwilderte
Hundemeuten gab - und wo Spezialeinheiten trainierten. Oder eben
Testpiloten. Und draußen war auch da, wo Firmen... Experimente machten.
Unschöne Experimente.
Aber hier ist draußen... anders.
dieses Bild vergrößernAnklicken, um die volle Größe zu sehen(Zeit für etwas home-improved Aquarell-Kunst, harhar...)
Die
Landschaft hier hatte etwas für die Vollsynthetin Unnatürliches.
Abgesehen von den weiterhin anhaltenden Kampfgeräuschen weiter weg war
es hier friedlich. Sie war in einem Urwald gelandet, in dem es riesige
Ackerschachtelhalme und Baumfarne gab. Es roch frisch und kühl -
irgendwie - seltsam. Für jemanden, der noch nie einen Wald nach einem
Regenschauer gerochen hat, ist es schwer definierbar... Alun konnte auch
sehen, daß sich Gräser- und Blütenpflanzen, die von der Erde importiert
worden waren nun langsam auch hier ausbreiteten. An sich bestand
Tuvalu´s vorwiegender bodendeckender Bewuchs aus Moosen und
Bärlappgewächsen - diese aber waren auch als über 40 Meter hohe Bäume
vorhanden. Aber nun waren Blütenpflanzen da - und mit ihnen kamen
Schwebefliegen und Bienen.
Hier, innerhalb des Schattens der anderen
Baumgiganten konnte Alun auch einige der ersten Gebäude sehen, die hier
für die Holzverarbeitung je gebaut worden waren. Auf einigen
freiliegenden Hügeln Richtung Meer standen blaugraue Wellblechgebäude
und auch einige Hallen aus dem gleichen Material - inmitten einer grünen
Wildnis bezeugten sie, daß sie schon lange stillgelegt waren.
Dann
wurde Alun bewußt, wie anders es hier war - als eine gut 60 cm lange,
stark grünmetallisch wie ein Rosenkäfer schimmernde Kugelassel einfach
über ihren linken Fuß krabbelte. Bei genauerer Betrachtung gab es hier
viele Unterschiede - wie Libellen von Habichtgröße zum Beispiel...
Oder aber antike, verbeulte Kampfjets, die etwas unsicher schlingernd auf alten Fernstraßen landeten.
War das nicht das Ding von vorhin?
Alun packte sich ihr Survival Kit und machte sich auf den Weg.