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Die Lineartaktik im Spiegel zeitgenössischer Ordnungsvorstellungen

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Goltron:
Nein, ich halte das gar nicht für überraschend. Tatsächlich deckt sich das genau mit meiner Meinung: Eine Kolonne die auf Infanterie in Linie ohne Unterstützung zumarschiert wird einfach zusammengeschossen. Ich bin deshalb auch zu dem Schluß gekommen das die \"Angriffskolonne\" als Kampftaktik erst sinnvoll nutzbar war als man sie in Verbindung mit Infanterie im zerstreuten Gefecht als Schirm und ggf. Artillerie zur Aufweichung der Linie eingesetzt hat. Wobei ich den Vorteil der Kolonne auch vorallem darin sehe mehr Truppen auf weniger Raum an den Feind heranführen zu können. Das die Kolonne vor dem eigentlichen Gefecht wieder zur Linie umformiert wurde ist mmn umstritten, mir erscheint es auch schwer vorstellbar das in Musketenreichweite des Gegners zu tun.

Eine weitere Frage wäre aber ob leichte Infanterie in dieser Rolle im 18.Jhd. nicht oder nur kaum eingesetzt wurde weil man diese Möglichkeit nicht erkannte oder weil die Technik der Schusswaffen das nicht zuließ (oder weil andere Gründe die Rekrutierung von solchen Truppen nicht ermöglichte).

Pappenheimer:

--- Zitat von: \'Goltron\',\'index.php?page=Thread&postID=213219#post213219 ---
Eine weitere Frage wäre aber ob leichte Infanterie in dieser Rolle im 18.Jhd. nicht oder nur kaum eingesetzt wurde weil man diese Möglichkeit nicht erkannte oder weil die Technik der Schusswaffen das nicht zuließ (oder weil andere Gründe die Rekrutierung von solchen Truppen nicht ermöglichte).
--- Ende Zitat ---
Die leichte Infanterie scheint mir gegen sich gehabt zu haben, dass sie schwer zu führen war. Noch schwerer war sie offensichtlich in das Gesamtkonzept der Lineartaktik mit sehr unterschiedlicher Anzahl von Bataillonen pro Brigade integrierbar. Die Hauptkritik, die bei den mit ihren Panduren im Österr. Erbfolgekrieg enorm erfolgreichen Österreichern, auftaucht, ist eben die mangelnde Disziplin. Franz von der Trenck war ein sehr erfolgreicher Anführer, der obwohl mehrfach hintereinander für seine Tapferkeit nach Wien für Beförderung vorgeschlagen immer wieder hintenangesetzt wurde, weil er für viele Insubordinationen und Plünderungen berüchtigt war. Was davon auf sein Konto oder das seiner Soldaten ging, ist offenbar umstritten. Fakt ist, dass sich die leichte Infanterie eben als Vorhut oder Schirm der Haupttruppen damals durchaus bewährte. Ich spiele ja Szenarien, die auf Berichten über solche Kampfweisen 1742-44 beruhen. Die Befehlshaber der leichten Truppen mussten oftmals vor der eigentlichen Armee auf eigene Faust Entscheidungen treffen, während der x-beliebige Generalfeldwachtmeister beständig mit seinem Generalfeldzeugmeister oder gar Feldmarschall Rücksprache halten konnte. Dieses Agieren auf eigene Faust war nötig, führte aber praktisch laufend dazu, dass die Kommandeure der leichten Infanterie in Gegensatz zu ihren Oberkommandeuren kamen. Mit zu enger Bindung in das normale Heer aber, verloren die leichten Truppen rasch an Schlagkraft (man denke an die Umformung der Panduren vor dem SYW). Ein Teufelskreis. Außerdem entwickelte sich erst im 18.Jh. die Strukturierung der Armee. Im Siebenjährigen Krieg kamen selbstständig agierende Divisionen auf, deren Kommandeuren vom Oberkommando ausreichende Freiheiten zugestanden wurden. Zuvor war der wichtigste Verband die Brigade von denen mehrere einen Flügel bzw. das Zentrum bildeten. Diese Flügel, idealerweise anfangs im Österr. Erbfolgekrieg (wie bei Mollwitz)  wie im English Civil War (!) noch überwiegend oder ausschließlich aus Kavallerie bestehend, wurden von einem höheren General oder Feldmarschall kommandiert. Die vor der Linie eventuell agierenden Vorposten waren m.E. überwiegend nicht mehr als das, was wir schon in den Schützen finden, die 1632 in der Schlacht bei Lützen vor der Linie postiert wurden.

Die Vorteile der österr. lt. Inf. wurden ja auch in Frankreich begriffen und man versuchte sie zu kopieren. Wenn man sich aber anschaut, dass die sozusagen \"Blaupause\" Gschrey im direkten Aufeinandertreffen auf die österr. Konkurrenz den Kürzeren zog - praktisch immer, soweit mir geläufig, dann versteht man die große Hürde, die einer effizienten leichten Infanterie im Wege stand. Der Schützenschwarm integriert in ein taktisches Konzept wie in der Napoleonik scheint mir ein Ergebnis praktisch jahrhundertelanger Experimente und Erfahrungen. Kontrollierbar, weil in die Brigade oder sogar ins Bataillon integriert (die franz. lt. Inf. der Koalitionskriege ließ z.B. bisweilen nur die ersten beiden Glieder tiraillieren), aber doch beweglich.

Goltron:
Ja, das deckt sich mit meinen Vorstellungen. Das Problem mit der mangelnden Disziplin der Plänkler wird in dem Buch von Martin Guddat zur preußischen Infanterie auch öfters erwähnt. Die Frage ist hier aber natürlich auch ob dieser Mangel nur im Auge der Befehlshaber dieser Zeit existierte und die leichte Infanterie auch im 18.Jhd. Leistungsfähiger gewesen wäre, ob sich das Problem später durch ein höheres Augenmerk auf Ausbildung und Ansehen erledigt hat oder ob es einen möglicherweise gesellschaftlichen (höheres Nationalbewusstsein?) oder technischen (genauere Musketen?) gibt. Fände ich durchaus interessant wenn da jemand tiefe Einblicke hat.

Die Österreicher scheinen ihren Vorteil bei den leichten Truppen gegenüber den Franzosen in den napoleonischen Kriege aber abgegeben zu haben. Zwar werden gerade die Jäger und Grenzer durchaus immer wieder Lobenswert erwähnt, aber erstere waren zu wenige und letztere wurden oft falsch eingesetzt. In einem Osprey zur österreichischen Infanterie ist öfter die Rede davon das diese zu stark gedrillt wurde und dieser Mangel trotz Anstrengungen von Erzherzog Karl auch nicht ganz beseitigt werden konnte. Andersrum habe ich aber auch schon von der Disziplinlosigkeit der französischen Truppen gelesen.

Pappenheimer:
Die Frage ist jetzt, was Du mit Disziplinlosigkeit meinst. Napoléon erwartete von seinen Untergebenen oftmals das Unmögliche, wie eben dass sie praktisch von Wasser und Luft lebten - d.h. nicht versorgt wurden, aber auch nicht stehlen sollten*. Disziplinlosigkeit heißt für mich aber primär, wenn man sich gegen die Disziplin vergeht, auch wenn es eine andere Option gäbe. Nehmen wir den Sturm auf eine Stadt. Wenn es keine Gründe gab, dass es in ein wildes Plündern überging, dann war das i.m.A. Disziplinlosigkeit. Disziplinlos war es allerdings evtl. auch, wenn ein Regiment aufgefordert wurde sich zurück zu ziehen, aber stur blieb. Das ist übrigens auch ein Aspekt, der mir in den letzten Jahren aufgefallen ist. Die sozialistische Geschichtsschreibung behauptet immer, man habe damals die Fuchtel gebraucht, weil die Soldaten unmotiviert waren. Dabei habe ich unzählige Beispiele gefunden, wo aus freien Stücken Todesverachtung gezeigt wurde, auch aus Gruppenzwang. Die Ehre allein scheint schon Antrieb genug gewesen zu sein und das trifft nicht nur auf die Offiziere, sondern eben auch auf die Mannschaften zu. Den größten Schwachsinn habe ich in der einen Austerlitz-Doku gehört, dass der Nachteil der Österreicher ein Mangel an Motivation und eine falsche Einstellung des Offizierskorps gewesen sei. Dabei finden sich gerade bei den Österreichern vielzählige Beispiele, wo einfache Soldaten bis hin zur Zivilbevölkerung und das nicht nur in Tirol Aggressoren zurückwarf und eben den angeblich, weil freiheitlich gesonnenen, Franzosen in nichts nachstand. Von daher hätte es bestimmt auch nicht am nötigen Zusammenhalt gemangelt.

* Das fanden zum Glück für uns Künstler wie Seele so malerisch, dass bevorzugt unterversorgte, plündernde Franzosen im 1. Koalitionskrieg dargestellt wurden. Die Ursachen für die schlechte Versorgung trotz kurzer Nachschublinien liegt auf der Hand: Korruption der Regierung (Directoire), Kapitalflucht (Emigration des Adels), wirtschaftlicher Niedergang (eigener Schuss ins Bein: Verteufelung der Seidenkleidung - wenn man selber Marktführer in der Seidenindustrie in Europa ist! :wacko:  )...

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