Bis wann, bzw. wo genau die Speere der Reiter zu werfen waren ist genauso wie die Frage, ob sie über oder unter dem Arm geführt wurden, ein alter Streit - noch aus der Zeit vor Delbrück. Die Speere waren zur Wikingerzeit jedenfalls noch nicht so schwer, dass nicht beides möglich gewesen wäre. Und Steigbügel hatten die Normannen auch schon.
Es mag durchaus so gewesen sein, wie die Bildquellen zeigen: Es kam alles drei vor. Auf dem Teppich von Bayeux dominieren die geworfenen und über dem Arm gehaltenen Speere. Diese Stickerei wurde von adligen Damen angefertigt und es ist natürlich zu fragen, wie aktuell es war und ob es durch -vielleicht nicht ganz moderne- Reiterspiele und Geschicklichkeitsübungen inspiriert war, die in der Realität der Schlacht damals nicht mehr vorkamen. Allerdings war damals definitiv jedes 'Burgfräulein' mit dem Anblick übender Reiter vertraut (und so mancher Miniaturen anfertigende Mönch war einst selbst für den Kampf ausgebildet worden). Eher sind es darstellerische Probleme der Zeit, die zu Ungenauigkeiten und falsch abgekupferten unnatürlichen Posen der Hersteller führen.
Ich würde davon ausgehen, dass der über dem Arm gehaltene Speer zu der Zeit, als die Generation der Schlacht bei Hastings aufwuchs noch dominierte. Zudem werden oft so leichte Speere gezeigt, dass sie durch Miniaturenhersteller mit Rücksicht auf die Stabilität kaum so gezeigt werden dürften. Die Waffen sind auch nur wenig länger als ein Mann.
Da die Schlacht, der Tod von Harald Hardrada und die Endgültige Zerstörung Haithabus im selben Jahr als Daten für das Ende der Wikingerzeit gelten, würde ich für das Wikingersaga solche Posen nicht als falsch bezeichnen.
Speerwerfen:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/30/Bayeux_Tapestry_scene55_William_Hastings_battlefield.jpgSpeer über dem Arm haltende Reiter:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/47/Normans_Bayeux.jpgSachkritik zum Reiterkampf des Mittelalters ist heikel. Man ging davon aus, dass nur der ein Reiterkrieger werden könne, der das Reiten (gemeint ist: mit Waffen) schon in der Kindheit gelernt habe. Eine Voraussetzung, die heute kein Reiter aufweisen kann - in Ländern mit Schulpflicht ist solch stundenlanges Training nicht möglich, und dürfte zudem dem Kindeswohl widersprechen. Dann ist jeweils zu fragen, ob die getesteten Waffen und die getestete Waffenhaltung wirklich die von den Quellen gemeinten sind. Und schließlich ritt man damals ganz andere Tiere. Ich erinnere hier an das -bei dieser Frage allerdings kaum relevante- verschwinden der Zelter. Die isländischen Pferde, die den Tölt noch beherrschen, habe sich längst dem kalten Klima der Insel angepasst.* Und auch die Berber-Pferde sind mittlerweile ganz anders aus den berühmten Pferden der Numider herausgezüchtet, die noch die Eigenschaften der Pferde im Frühmittelalter mitbestimmten. Dann die Frage, welche damalige Pferderasse die Krieger in den Kampf trug. Und die Konstruktion der Schilde. Auch das ist eine alte Frage. Wenn wir die Bildwerke ernst nehmen, war zumindest die Mehrheit der Schilde gewölbt. Es gibt auch Miniaturen, auf denen Konstruktionsdetails zu sehen sind, die aber sogar viele Archäologen und erst recht die Hersteller völlig ignorieren. Dann der Streit um Aussehen und Funktion damaliger Rüstungen. Und dann die Widersprüche der Quellen: Kämpften die Reiter schon regelmäßig gegen Fußvolk oder demonstrierten sie nur, wie eine spätere Zeit es genannt hätte?
Immerhin ist sicher, dass diese Posen Quellen der Zeit nachgebildet sind. Und das ist doch auch schon etwas.
* Ganz zu schweigen, dass ein Ritter gewohnt war, längere Strecken so zu reiten, während das heute (in höherem Tempo) als gefährlicher Extremsport betrieben wird.