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Autor Thema: Pikeniere im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert  (Gelesen 7135 mal)

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steffen1988

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Pikeniere im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert
« am: 08. Februar 2017 - 18:33:29 »

Kann mir jemand weiterhelfen. Wann haben welche Staaten die Pikeniere abgeschafft. Aktuell sind mir folgende bekannt:

Hannover 1695
Bayern 1786
Preussen 1689
Frankreich 1703
Spanien 1704
England 1705
Österreich 1705
Niederlande 1708
Russland 1723
Schweden 1725

Wie sieht es bei Sachsen, Dänemark-Norwegen und Portugal aus. Ist dazu was bekannt?
« Letzte Änderung: 01. Januar 1970 - 01:00:00 von 1487243887 »
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Riothamus

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Pikeniere im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert
« Antwort #1 am: 08. Februar 2017 - 19:21:35 »

In Brandenburg-Preußen schaffte Friedrich III. 1689 die Piken bei den Infanterieregimentern ab, 1691 bei den restlichen Regimentern. Schon zuvor hatten die Pikeniere zusätzlich eine Pistole getragen. Pikenierharnische sind dort zuletzt 1674 erwähnt.

Schon zuvor hatte der Große Kurfürst die Steinschloßflinte eingeführt, um gleich die nächste Frage zu beantworten. 1672-1675 bei den Dragonern. (Um 1670 wurde die Papierpatrone eingeführt. 1683 sind die ersten Bajonette in Brandenburg erwähnt.)

Heinrich Müller, Das Heerwesen in Brandenburg und Preußen von 1640-1806 - Die Bewaffnung, Berlin 2001, S.67, 72, 73 , 104.
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Riothamus

Riothamus

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Pikeniere im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert
« Antwort #2 am: 08. Februar 2017 - 19:58:53 »

Österreich ersetzte im Türkenkrieg 1689 die Piken durch den Schützen beigegebene 1,80 m lange Schweinsfedern mit Haken als Gewehrauflage. Die später verfügte Abschaffung der Piken anderenorts wurde wohl 1701-1705 umgesetzt.


Sonst finde ich auf die schnelle
Frankreich 1703,
England 1705,
Niederlande 1708 und
Russland 1721
als Zeitpunkt der endgültigen Abschaffung. Es ist aber auch die Einführung der Bajonette und von Feuerwaffen für die Pikeniere zu beachten. Es geht Dir ja um die Regeln.

1769 sollen die Russen letztmals Schweinsfedern (im Unterschied zur Jagdwaffe Saufeder so genannt) gegen die Türken benutzt haben.

In Frankreich sind die Bajonette (im Beleg zum Vorpost zu finden) 1689 eingeführt.


Ich nehme an, die kleinen Differenzen oben haben mit verzögerter Umsetzung zu tun.


Georg Ortenburg, Waffen der Kabinettskriege 1650-1792, S. 42 f. (Ich sehe gerade, Ortenburg zitiert dazu Delbrück.)

Das Fürstbistum Paderborn brauchte die Piken nicht abschaffen. 2 stehende Kompanien als Grundstock für das Reichskontingent wurden wohl erst im 18. Jahrhundert aufgestellt. Zuvor wurden bei Bedarf Söldner angeworben. Dabei hielt man sich an das vom Kreis geforderte.
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Riothamus

steffen1988

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Pikeniere im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert
« Antwort #3 am: 08. Februar 2017 - 20:32:30 »

Oh, danke. Das ist ausführlicher als erwartet.

Weist zu zufällig wann in Frankreich bei den Pikenieren die Helme und die Harnische abgeschafft wurden?
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Riothamus

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Pikeniere im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert
« Antwort #4 am: 08. Februar 2017 - 20:57:36 »

Leider nein. Es ist auch die Frage, ob sie jemals offiziell damit gerüstet waren. Ich schaue morgen nochmal. Auch zu den anderen Nationen. Aber Österreich und Preussen sollen bei den Piken die ersten gewesen sein. In Frankreich versuchte man es nach der Ausrüstung der Infanterie mit den von Vauban erfundenen Tüllenbajonetten 1688 oder 1689. (Damit konnte man noch einen Schuss abfeuern, aber nicht nachladen. Das ging erst mit Bajonetten mit abgewinkeltem Arm um 1700, was bei manchen Armeen den Wechsel bis dahin verzögert hat.) Aber das mit Frankreich muss ich nochmal nachlesen.

So Kreistruppen gemeinsam aufgestellt wurden gab es Abmachungen dazu. So kamen die Regimentsstücke beim Paderborner Bataillon aus Münster. Bezüglich der kleineren Deutschen Staaten mag es da Möglichkeiten zum Nachforschen geben.
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Draconarius

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Pikeniere im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert
« Antwort #5 am: 08. Februar 2017 - 21:04:54 »

Zitat von: \'steffen1988\',\'index.php?page=Thread&postID=243369#post243369
Bayern

Bei den regulären Regimentern 1686 - Landfahnen evenutell später. Spundbayonette seit 1683 in Benutzung.

Allerdings: Gerade in der frühen Zeit gibt es sehr viele Parallelentwicklungen, was Uniform und Ausrüstung angeht. Kürassiere haben oft auf Helm und Brustplatte verzichtet, so dass deren Nutzung immer wieder per Erlass angemahnt werden musste etc.
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steffen1988

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Pikeniere im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert
« Antwort #6 am: 08. Februar 2017 - 21:16:29 »

Zu Rüstung bei französsichen Pikenieren hab ich wiedersprüchliche Informationen. Es gibt moderne Illustrationen und Zeitgenössiche Beschreibungen französischer Pikeniere um 1670-1680 (teilweise auch um 1690) mit Harnisch und dem Morion-Typ ähnlichen Helmen, die es schon im Dreissigjährigen Krieg gab. Zeitgenössiche Kupferstiche aus der Zeit um 1680-1690 zeigen aber Ausnahmlos französische Pikeniere mit breitkrempigen Hüten und Harnisch. Ich hab aber auch schon gelesen das die Schweizergarde bei Pikenieren noch um 1700 Helme vorgeschrieben haben soll, wobei nicht klar ist ob das nur für Anlässe wie Paraden der Fall war oder auch Regulär im Feld.

Vauban ist einer der beiden französische Generäle die Oberbefehlshaber sowohl im Holländischen Krieg als auch im Pfälzischen Erbfolgekrieg waren?
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DonVoss

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Pikeniere im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert
« Antwort #7 am: 08. Februar 2017 - 21:52:03 »

Haben die Russen nicht 1812 noch Piken gegen Napoleon eingesetzt?

https://encrypted-tbn2.gstatic.com/images?q=tbn:ANd9GcSlkDpciXYukT0GjHq4wL6JiTtdK9oO_xANRPYzpIVbBC8czMZk

Die Amis haben 1812 auch noch Piken in einem regulären Regiment integriert.

https://encrypted-tbn0.gstatic.com/images?q=tbn:ANd9GcSAYm8UBDVjNd8s24p_VPf7hi6BZ9Sqw_2inrUtFdtCucgCYcdW

... :thumbsup: :thumbsup: :thumbsup:

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el cid

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Pikeniere im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert
« Antwort #8 am: 08. Februar 2017 - 21:56:42 »

dazu auch ein Thread aus dem League of Augsburg Fighting Talk Forum:


https://www.leagueofaugsburg.com/fightingtalk/viewtopic.php?f=6&t=6111
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Riothamus

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Pikeniere im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert
« Antwort #9 am: 08. Februar 2017 - 22:15:35 »

Zu Vauban ließ am Besten bei Wikipedia nach. Der Artikel heißt Sébastien Le Prestre de Vauban. Er war der Bedeutendste Ingenieur, Festungsbaumeister und Erfinder seiner Zeit. Er war auch General, sogar Marschall von Frankreich und führte mehr als 50 Belagerungen durch. Während des Holländischen Krieges wurde er aber erst zum Maréchal de Camp befördert.

Einige seiner Festungen gelten unter dem Namen \'Les Fortifications de Vauban\' als Weltkulturerbe.

Edit: Und auch bei der Preussischen Landwehr waren Piken angedacht, sollen aber nicht zum Einsatz gekommen sein.
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Riothamus

Riothamus

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Pikeniere im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert
« Antwort #10 am: 08. Februar 2017 - 22:19:55 »

El Cid, der Link funktioniert nicht.
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Riothamus

el cid

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steffen1988

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Pikeniere im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert
« Antwort #12 am: 09. Februar 2017 - 13:53:14 »

Was mir in diesem Zusammenhang noch eingefallen ist sind die nur in Österreich und Spanien eingesetzten Rondartschiere. Wann wurden die eigentlich abgeschafft?

Riothamus

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Pikeniere im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert
« Antwort #13 am: 09. Februar 2017 - 18:19:54 »

Sturmhaube der Pikeniere in Frankreich:

Vor 1670 gab es keine vorgeschriebenen Uniformen. Das schließt nicht aus, dass einzelne oder der Großteil der Regimenter nach Gusto des Kommandeurs/Inhabers einheitlich gekleidet waren. Als Beispiel können schon die Haustruppen und Garden dienen. Dabei ist natürlich fraglich, bis wann von Livrée, ab wann von Uniform gesprochen werden sollte.

1670 wurden für die Garden und Fremdtruppen Uniformen eingeführt, 1690 dann allgemein. Bemerkenswert ist, dass dabei deutsche Einflüsse bemerkbar sein sollen, etwas, das unter Ludwig XIV. in Frankreich sicher selten war. Das muss ich bei Gelegenheit nachschlagen, die Angabe bei Knötel/Sieg ist Jany, Geschichte der Kgl. Preuß. Armee. Bd. I, S. 340, Anm. 504. Leider ist Jany noch nicht digital zu finden, wenn ich richtig gegoogelt habe.

Pikeniere trugen danach Brustpanzer, aber nicht mehr die Sturmhaube. Für die Schweizer mag das anders geregelt worden sein. Also hing es für die Linie vor 1690 vom Regiment, evt. sogar vom einzelnen Mann ab. Nicht auszuschließen, dass der Helm mitunter nur auf dem Schlachtfeld oder auf dem Schlachtfeld und bei der Parade getragen wurde. Belegbare Aussagen dürften sich auf einzelne Regimenter beziehen.

Weiteres zu Frankreich:

Schon ab Ende des 30jährigen Krieges verbreiten sich Spundbajonette. (Wohl ursprünglich die Improvisation einer Saufeder bei der Jagd und vielleicht zunächst einfach vom einzelnen Mann beschafft, wie heutzutage Tomahawks bei den US-Truppen.)
1683 wurde die Kartusche (\"Papierpatrone\") eingeführt.
1688 oder 1689 Einführung des Tüllenbajonetts
1700-1703 hängt die Abschaffung der Piken mit der Einführung des zweifach abgewinkelten Bajonetts zusammen, dass das Nachladen erlaubte.
Erst 1720 wird das Aufklappen der Krempeln zu Dreispitzen vorgeschrieben. Da mag die Mode schneller als die Vorschrift im Heer angekommen sein.
Erst 1729 wurde die Uniform der Offiziere vorgeschrieben. Jedenfalls offiziell. Es dürfte zumindest innerhalb eines Regiments Gewohnheiten gegeben haben.

Bemerkungen zu den Schweizern:
1. Es müssen die sog. Cent-suisses, die Hundert-Schweizer, als Haustruppen von den Schweizer Garden unterschieden werden.
2. Schweizer könnten nur aufgrund eines Vertrags mit der Schweiz angeworben werden. Ich würde da ohne Kenntnis der Verträge Mindestanforderungen an die Ausrüstung nicht ausschließen, die dann Modernisierungen verzögerten.

Manchmal wird man bei den üblichen Verdächtigen fündig:

Knödel/Sieg, Farbiges Handbuch der Uniformkunde, Bd.2, S. 27. Die beiden Bände sind oft hilfreicher als die Funcken-Bände. Insbesondere werden nicht nur die wichtigen Staaten dargestellt. Und sie sollten für 3 oder 4 € zu finden sein, wie die Funcken-Bände, die natürlich Raum für die Darstellung der Uniform einzelner Regimenter bieten, dafür einige offensichtliche historische Fehler transportieren. Der Knötel/Sieg wiederum stammt aus den Dreißiger Jahren. Und zu den einzelnen Zeiten und Nationen gibt es fraglos Besseres und Teureres. Aber von der Einführung der Uniformen bis zur Zwischenkriegszeit (Knötel/Sieg), bzw. von 1700 bis 1900 (Funcken), sind das schon Bemalvorlagen und Informationsquellen mit gutem Kosten-Nutzen-Faktor. Wobei die hier angeschnittenen Fragen natürlich schon den Rahmen sprengen.
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Riothamus

Riothamus

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Pikeniere im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert
« Antwort #14 am: 09. Februar 2017 - 19:38:14 »

Rontartschiere:

Österreich reduzierte erst 1670 die Pikeniere auf 1/3 des Regiments. Da sind noch Rontartschiere erwähnt:
88 Musketiere, 48 Pikeniere und 8 Rontartschiere. (Ortenburg, Waffen der Kabinettskriege, S. 95. Das Datum ist nicht angegeben, aber die Reform Montecuccolis war 1670.)

Zur Abschaffung habe ich nichts Ausdrückliches gefunden. Jedenfalls sind die 8 Rontartschiere später als Musketiere gezählt: 96 auf 48 Pikeniere.

Zu Spanien habe ich nichts gefunden. Ich tippe auf die Umstellung von Tercios auf Regimenter 1704. Jedenfalls für die offizielle Abschaffung. Es können die Stellen ja auch schon vorher eingespart, oder als bloße Auszeichnung benutzt worden sein. Da die Stangenwaffen nach und nach verringert wurden, mögen sie aber auch irgendwann abgeschafft worden sein. (Für die komplette Abschaffung der Piken auf 1704 zu tippen liegt nahe, aber ob es nicht auch hier einen Übergang mit Schweinsfedern gab?)

Mal schauen, ob ich da noch etwas finde.

Die Habsburger waren aber nicht die Einzigen, die Rontartschiere beschäftigten. Das war ja nur eine Form der als Vorkämpfer dienenden Doppelsöldner. Nur haben andere sie früher abgeschafft. Sie wurden ja obsolet, als die Pikeniere nicht mehr gegen andere Infanterie vorgingen.
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Riothamus