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Autor Thema: Pikeniere im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert  (Gelesen 7267 mal)

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Riothamus

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Pikeniere im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert
« Antwort #45 am: 09. März 2017 - 18:05:00 »

Die von mir angegebenen Zahlen stammen von Originalen aus dem Berliner Zeughaus. Die Stärken musste ich anhand der Bilder selbst messen und habe sie am Ende der Schaftfedern, die übrigens das Abschlagen der Spitzen verhindern sollten, abgenommen. Dadurch muss es auch bei einem evt. Austausch der Schäfte dem Originalzustand nahe kommen. Dort waren die Stangen natürlich dünner als dort, wo man sie handhabte.

Wie gesagt, zeigen die Bilder Stangen, die etwas dicker als zwei Finger sind. Das bringt uns auf 4 bis 5 cm. Die Menschen waren ja nicht kleiner, sie waren nur wegen der anderen Zusammensetzung und Menge der Ernährung nicht so groß gewachsen und schlanker. Noch dazu sind die alten Schätzungen nach Rüstungen aufgrund der leeren Rüstungen vorgenommen worden, was zu einer zu geringen Annahme der Größe führte. Trotz des schlankeren Wuchses werden trainierte Pileniere sicher keine zu dünnen Finger gehabt haben, weshalb ich weiterhin von 4-5 cm ausgehe.

Allerdings ist Holz längst nicht so instabil wie von Utgaard beschrieben. Wanderstöcke sind kaum Daumendick und biegen sich dennoch nicht, wenn man sich darauf stützt. Das Problem sind die beim Fechten auftretenden Kräfte. Wir müssen da eher an Stiele von Schaufeln, Spalthämmern und Spitzhacken denken, wobei letztere die Stärke nur in Richtung der Belastung erreichen. Und damit sind wir eben bei der von Dürer und Co. gezeigten Stärke. Nun wurde bis ins 19. Jh. hinein meist nicht abgebildet, was man sah, sondern was das Wesen des Gegenstands war. Was z.B. der Grund dafür ist, dass Formationen mit Piken immer gleich dargestellt wurden und auch noch von den Künstlern benutzt wurden, als die Piken längst abgeschafft waren. Aber Kaiser Maximilian bestand, wie bekannt ist, im Gegensatz zur Gewohnheit der Zeit auf realistischer Darstellung und auch Dürer ist dafür bekannt, während Wallhausen aufgrund des Zwecks der Abbildungen die Proportionen nicht verändern konnte. Und so werden einige Darstellungen Dürers als Quellen für Fomationen, z.B. für den Keil der Reiter benutzt. Wobei sich die Auffassung von realistischer Darstellung von unserer heutigen unterschied. So sind die Piken im Triumphzug Maximilians überzeichnet, wodurch man die unterschiedliche Stärke und die Schaftfedern gut sehen kann.

Wir brauchen also nicht wild zu spekulieren. Die gemessenen Stärken dürften mit den größeren Stärken in der Mitte in Einklang zu bringen sein. Was uns zu der Frage bringt, wo die 3,5 cm bei Brzezinski gemessen wurden. Ich tippe da auch auf das Ende der Schaftfedern. Das ist immerhin eine von der aktuellen Pike unabhänigige Größe. Interessant wäre die größte Stärke und wo sie sich befindet. Bei Nachfragen sollte also nicht einfach nach der Stärke gefragt werden. Dabei ist übrigens auch die Holzart interessant.
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Gruß

Riothamus

Utgaard

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Pikeniere im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert
« Antwort #46 am: 10. März 2017 - 09:02:49 »

Ich weiß jetzt nicht ganz, was Dein Satz in Bezug auf mich soll - ich hatte hier nicht von theoretischen/historischen, sondern praktischen Erfahrungen geschrieben und im Gegensatz zu den ca. 1,50m Wanderstock wirken schon auf einen 3m langen Zweihandspeer ganz andere Kräfte, von der Länge einer Pike ganz zu schweigen ;)

Fakt ist, wenn wir auf die 2-wöchigen Kampflager nach Dänemark gefahren sind (googelt mal nach Moesgard z.B.) hatten wir Langwaffen-Kämpfer immer mindestens 2 Ersatzschäfte dabei, weil mindestens einer schon die Training unter der Woche nicht überstanden hat.
Selbst wenn man natürlich bei Stößen auf den Mann extrem dosiert arbeiten muß (weswegen nur erfahrene Kämpfer, die lange mit Langwaffen trainiert haben Speere führen - im Gegensatz zum historischen Einsatz, wo der Speer die Waffe auch für Milizen waren, weil sie auch in Händen unausgebildeter Kämpfer extrem effektiv waren), sind Stöße auf Schilde, um einen Schildwall zu öffnen schon härter geführt worden, da wirken schon ordentliche Kräfte auf den Schaft.
Zusammen mit der Abwehrarbeit des Gegners, der mit Schwerten/Äxten versucht, die Speere nach unten zu schlagen, hat der Schaft eine gute Chance, zu Bruch zu gehen, glaub mir.

Ich denke deswegen immer noch, 6-7cm sind das Minimum, aber ggf. hatten die länger gelagerte Esche zur Verfügung, die Schäfte waren im vorderen Teil mit roher Haut/Leinen zur Stabilisierung umwickelt etc. pp. - ich hatte ja extra von praktischen Erfahrungen geschrieben.
« Letzte Änderung: 01. Januar 1970 - 01:00:00 von 1489137483 »
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Blüchi

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Pikeniere im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert
« Antwort #47 am: 10. März 2017 - 09:31:30 »

Glaube auch das die maximal stärke zwischen 6-7,5 gelegen haben muss....bei durchgängig 5cm knicken die bei einem zusammentreffen auf einem Kürass ein. Es kommt ja auch nicbt auf die dicke der Finger an sonder auf die länge...um das holz richtig zu umgreifen können...tippe auf 5cm im halte Bereich , 6-7,5 in der mitte und verjüngend zur Spitze hin auf rund 3-4cm. So sollte sie flexibel sein und nicht komplett durch hängen beim ausrichten....irgendwo hab ich mal gelesen das an den enden der Stangen auch metall Beschläge angepracht wurden um das brechen zu verhindern bzw auch das abschlagen durch Schwerter usw. Btw so kommen wir leider nicht wirklich weiter....ein Anruf bei einem geacbeitem Zeughaus wäre die Lösung....wie geschrieben....das in Graz hat die größte Sammlung Weltweit.
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Riothamus

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Pikeniere im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert
« Antwort #48 am: 10. März 2017 - 18:41:54 »

Ich bleibe da gewohnheitsmäßig bei den Quellen.

@ Utgaard: Ich bezog mich nur auf Deine Angabe, dass sich die Stangen unter dem bloßen Gewicht der Spitze biegen würde, was sich daraus ergibt, dass ich für die Benutzung stärkere Kräfte proklamierte. Wenn die Stange vertikal steht, biegt sich nichts, und wenn sie horizontal liegt auch nicht. Wenn sie horizontal am Ende gehalten wird, kommt das Eigengewicht der Stange hinzu.
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Riothamus

Utgaard

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Pikeniere im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert
« Antwort #49 am: 10. März 2017 - 19:15:13 »

Alles klar, dann hab ich dich falsch verstanden ;)

steffen1988

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Re: Pikeniere im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert
« Antwort #50 am: 01. September 2019 - 09:10:33 »

Um das Thema mal wieder aufzuwärmen.

Laut dem Buch THE SAXON MARS AND HIS FORCE. THE SAXON ARMY DURING THE REIGN OF JOHN GEORGE III 1680 – 1691, sollen Sächsische Regimenter, die gegen die Türken ins Felde zogen, mit Piken aus Österreichischen Depots ausgerüstet worden sein?

Wie war das eigentlich, wurde bei Regimentern vor 1697, die Spundbajonette erhielten automatisch auch die Pikeniere abgeschafft?