Fast schon wieder ein Jahr her, dass es hier was zu schreiben gab... :blush2:
Review: Beneath the Lilly Banners 3: War of three Kings
Regelwerk für den Neunjährigen Krieg 1688-1697 und hier insbesondere den Krieg in IrlandMehr oder weniger pünktlich zur diesjährigen TACTICA 2018 war die Vorabversion des o.g. Regelwerkes von der League of Augsburg fertig und wurde dort auch präsentiert.
Ich persönlich konnte zwar nicht mitspielen, aber das Feedback der Clubkollegen war positiv.
Da ich schon die Fortschritte seit längerer Zeit verfolge, wusste ich dass einige Mechanismen von Donnybrook übernommen wurden, ein Regelsystem das ich sehr gerne spiele und wegen seiner Flexibilität und Einfachheit mag.
Also haben wir bei den Vorbestellungen mitgemacht und kamen am 28.03.2018 auch dazu, ein Testspiel zu machen. Figuren für den Zeitraum den das Regelwerk abdeckt, haben wir in 15mm vorrätig. Das ist zwar nicht die Standard-Figurengröße des Regelwerkes (28mm) ließ sich aber ohne Schwierigkeiten verwenden.
Das Regelsystem beschränkt sich in erster Linie auf den Krieg in Irland und bezieht sich auf die drei Könige Ludwig XIV. von Frankreich genannt der „Sonnenkönig“, König James II. und König Wilhelm III. von Oranien, nach der sog. Glorious Revolution.
Es ist aber flexibel genug, dass es wohl für alle Konflikte ab der Mitte des 17.Jahrhunderts bis ca. Ende 1720 verwendet werden kann.
Das Buch:Es handelt sich um ein Hardcover mit stattlichen 184 Seiten. Auffällig ist eine mit vielen wunderschönen Figurenbildern aufgemachte Ausstattung. Allerdings ist der Fließtext ein wenig sperrig zu lesen. Man merkt m.M.n., dass es trotz allem ein Machwerk von Spielern ist, nicht von professionellen Regelschreibern und Textsetzern. Vor allem Tabellen im Querformat nerven, wenn man das Buch drehen muss. Glücklicherweise sind diese Tabellen im herunterladbaren Referencesheet im Hochformat gedruckt.
Trotz aller Brillianz sind die Figurenbilder in der Masse doch schon recht bekannt und dadurch fast ein wenig eintönig, da sie alle vom Autorenduo stammen. Auf ihrem Blog, im Donnybrook-Regelwerk und in diversen Wargames-Zeitschriften waren sie schon hinreichend zu bewundern. Ein paar Bilder von anderen Spielern/Malern wäre abwechslungsreicher.
Wobei das natürlich schon Gejammer auf sehr hohem Niveau ist.
Die Regeln:Ich finde das Regelbuch mit den genannten Einschränkungen recht gut lesbar und verständlich. Die Kapitel sind logisch aufgebaut und relativ leicht zu finden. Allerdings fehlt ein Stichwortverzeichnis, was bei speziellen Fällen dann doch lästiges Blättern nach sich ziehen kann.
Es gibt keine Armeelisten, wobei bekannt ist, dass die Autoren solche nicht besonders mögen. Sie stellen ihre Truppen gerne nach historischen oder fiktiven Gefechten und Szenarien auf. Es gibt aber ein rudimentäres Punktesystem, so dass man wenigstens beide Seiten halbwegs ausbalancieren kann.
Auch Szenarien sind nicht enthalten, was ich persönlich jetzt nicht vermisse, da ich auf den üblichen Aufwasch der offenen Feldschlacht, Last Stand oder einem Durchbruchs-Szenario verzichten kann.
Was positiv auffällt, ist die Liebe zum Detail für viele Situationen. Es gibt Optional-Regeln für Mörser, Beschuss von Festungen und Schiffen, Pelotonfeuer, gepanzerte Kavallerie, etwas in Brand schießen, Munitionsnachschub, spanische Reiter, Faschinen, Sturmleitern, Straßenkämpfe etc. pp.
Man merkt, dass die Autoren ein universelles Regelwerk haben wollten, das ohne Hausregeln wahrscheinlich für (fast) jedes Szenario verwendet werden kann.
Auch scheint immer wieder die langjährige Spielerfahrung durch und wie manche Sachen im Hinblick auf gute Spielbarkeit umgesetzt wurden.
In anderen Teilen sind die Regeln aber auch ein gutes Stück altmodisch. So gibt es zum Beispiel Situationen für Viertel-Züge, etwas, das ich seit WRG 6.Ed. nicht mehr gelesen habe.
Das Spiel:Es gibt keine vorgeschriebene Armeegröße. Eine Linieninfanterie besteht im 28mm Maßstab aus 3 Basen mit 6 Minis, also 18 Figuren, Kavallerie hat 2 Basen mit 3 Reitern, also 6 Minis.
Wir hatten pro Seite 3-4 Kanonen und drei Brigaden mit jeweils 2-4 Einheiten, jeweils mit Brigadekommandeur und einem sog. Supreme Commander.
Es ist also schon ein richtiges Rank&File System und daher auch normalerweise entsprechend figurenintensiv.
Eine nette Idee ist, dass man vor der Schlacht die Fähigkeit seines Oberkommandierenden auswürfelt, was dazu führt, dass ein schlechterer Kommandant weniger Einheiten pro Spielzug mit Befehlen ausstatten kann. Die Anzahl an Befehlen wird prozentual zur Anzahl der vorhandenen Einheiten ermittelt, was späterhin zu längerem Kopfrechnen und schlussendlich zum Einsatz eines Taschenrechners führte.
Wir nutzen die Schuss- und Bewegungsweiten für 28mm, welche uns jetzt aber auch für 15mm nicht sehr falsch vorkamen.
Ein aus Warhammer-Tagen bekanntes Feature ist das verbotene pre-measurement beim Angriff und schießen, d.h. man muss sorgfältig die Entfernung schätzen, wenn man sein wertvolles
First Fire nicht auf längere Reichweite verschwenden will.
Dies bringt ein paar interessante Entscheidungen: schieße ich früh und verballere mein
First Fire evtl. auf ineffektive Reichweite, oder schieße ich nicht und habe später evtl. so viele Verluste, dass meine erste Salve auch nicht mehr ihre Maximalwirkung entfaltet.
Die Faktoren kamen uns jetzt im ersten Spiel eher komplex vor, da sie eine Kombination aus Boni/Mali auf das Wurfergebnis, aber auch Bonuswürfel oder Abzug bei der Anzahl der zu werfenden Würfel sind.
Gegen Spielende kamen wir aber immer schneller und besser mit den Trefferwurf- und Moraltabellen klar. Es darf also spekuliert werden, dass man das sich bei häufigerem Spielen vielleicht doch recht schnell aneignet, zumal die absolute Anzahl an Modifikatoren jetzt nicht besonders groß ist. Die Qualität der einzelnen Einheiten wird in erster Linie durch unterschiedliche Würfel dargestellt (Rekruten W6, Reguläre W8, Veteranen W10, Elite-Veteranen sogar W12).
Unser Testspiel:Das Spiel an sich verlief wenig spektakulär. Ich führte die Kaiserlichen zusammen mit Svens Briten gegen die Franzosen, die von Tabris und rikgrund kommandiert wurden.
Die Anfangsaufstellung, rechts die Grande Alliance, links die Franzosen. Die Zinnmarker sind die erteilten Befehlsmarker.
Links hatten die Franzosen eine gute Defensivstellung gegen meinen Reiterflügel, da sie Dragoner im Wald, Miliz-Pikeniere auf der Fläche und Schützen in einem ummauerten Feld hatten. Rechts meine 4 Kürassier-Schwadrone.
Da konnten meine Kürassiere wenig erreichen und ich verlor auch 2 ½ Schwadrone ohne nennenswerte gegnerische Verluste.
Im Zentrum hatten beide Seiten ihre Linieninfanterie. Mangels Befehlen mussten wir stehen bleiben, während die Franzosen heranrückten. Das führte sie aber nur in die Reichweite unserer Kanonen und als sich die Musketenschützen mit First Fire auf effektive Reichweite beharkten, litten die Franzosen mehr. Trotzdem gab es auch hier keinen Durchbruch.
Die Entscheidung brachten die Briten unter Svens Kommando, als sie mit Furie die wenige französische Reiterei zurückwarfen und dann zerlegten...
Britische Kavallerie zerlegt ihre französischen Gegner.
...während die britischen Geschütze und Dragoner die Veteranen der Garde Suisse zusammenschossen.
Da die Briten so in der Position waren, von der Flanke das französische Infanteriezentrum zu bedrohen, während unsere Infanterie stabil davor stand, beendeten wir nach ca. 4 Std. das Spiel mit einem klitzekleinen Sieg für die Grande Alliance.
Fazit:Ein Regelsystem mit viel Liebe zum Detail und Hingabe zu dem abgedeckten Konflikt.
In Teilen vielleicht etwas sperrig, aber wahrscheinlich nach mehrmaligem Spielen wesentlich flüssiger.
Viele schöne Figuren- und Geländebilder für das Setting, die schon fast den Kauf rechtfertigen.
In Armeegröße aber kein besonders schnelles Regelsystem und wahrscheinlich nur mit wenigen Einheiten (z.B. 1 Brigade mit 2-4 Einheiten) was für „mal schnell zwischendurch“ also generell weniger Beer&Pretzel-tauglich.
Der Preis von 30-40 Euro liegt im Rahmen der üblichen Konkurrenz (z.B. Black Powder, Pike&Shotte).
Wegen dem sehr eingeschränkten Setting in erster Linie vermutlich hauptsächlich für Liebhaber der Epoche interessant.
Alles in allem brachen jetzt keine Begeisterungsstürme für das Regelsystem aus. Aber es war einheitliche Meinung, dass es verdient, öfter bespielt zu werden. Vielleicht das nächste mal im spanischen Erbfolgekrieg oder Großen Nordischen Krieg... Figuren sind vorhanden, fehlt nur noch Zeit für den nächsten Spieltermin.