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Wo sind die Großschlachten?

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Riothamus:
Ich sag es nochmal: Alle Arten von Systemen haben ihre Berechtigung. Und über Geschmack lässt sich nicht streiten.

Und betrachtet man das Kriegsspiel von Reiswitz ist es doch eher nicht so komplex, wenn man bedenkt, dass damals ein Offizier die Formationsveränderungen aus dem Eff Eff kannte und auch die Zahlen großteils wissen müsste. Die hatte er sich ja nicht aus dem Finger gezogen. Oft ist eben die einfachere Simulation die bessere.

Für den Sieg bei Pharsalos nennt Cäsar im Grunde zwei Gründe: Dass er die Kavallerie mit Infanterie verstärkte und dass Pompeius den Ansturm unterbrach und ihm so die Wucht nahm. Beides wohl kaum zu simulieren. Zu simulieren ist allenfalls das Regelmäßige.

Was ist dann aber eine Simulation im Unterschied zum Spiel? Es kommt einfach darauf an, zu formulieren, was simuliert werden soll. Jenseits von der Rechenleistung können das nur Einzelaspekte sein. Es kommt also nur darauf an, ob ernsthaft eine Fragestellung vorhanden ist. Dazu kann auch schon das Verstehen der Topologie, der Geographie eines Ortes gehören. Die Meinung einer generellen Unmöglichkeit von Simulationen kann ich daher nicht teilen. Die Frage , wie weit man zu einer tauglichen Simulation gelangt, ist dann eine andere.

Ein anderer Gesichtspunkt ist dann wieder, dass der Umgang mit einem komplexen System, in dem ja auch ein ganz eigener Reiz liegt, nicht mit ganz einfachen Regeln möglich ist. Doch um diesen Reiz schätzen zu können, muss man erst einmal die Arbeit investieren, ein solches System zu beherrschen. Und dazu sind immer weniger bereit. Auch in anderer Hinsicht. Skat, Schach, dicke Bücher werden heute von vielen abgelehnt, weil sie anstrengend und öde seien. Nun, ab einem gewissen Zeitpunkt muss jeder selbst wissen, wie weit er geht.

Aber dass ich gerne Schach und Skat spielen, heißt nicht, dass ich nicht ab und an Spaß an Mensch ärgere Dich nicht und Mau Mau habe. Aber auch bei einfachen Tabletop-Systmen sind wir in der Regel schon komplizierter unterwegs. Die Zeit ist begrenzt und wenn man weite Interessen hat, muss man sich entscheiden, was man in jedem Bereich will.

Da ist sinnlos sich über die Vorlieben anderer zu beschweren. Warhammer ist nicht so meins, aber was andere damit, bzw. daraus machen ist großartig.

Und die Macht des Faktischen bleibt. Wer im Historischen Bereich in 28 mm ausreichend Gegner mit vielen Figuren haben will, muss Napo, ACW oder WW2 spielen. Und sollte möglichst flexibel basieren. Bei 15 mm tippe ich auf den Mittelalterbaukasten für die klassische Antike, Napo und WW2. Eher DBx, bzw. FoW-Basierung für die Flexibilität. (PBI ist da recht frei, die FoW Basierung sollte funktionieren.)

Mit DBA, Song of xyz und Kugelhagel oder Black Powder, evt. noch Saga oder ein anderes Skirmish und AdG sollte doch ein Kompromiss zu den Systemen möglich sein, von denen ein Wargamer in Deutschland zumindest ein paar kennen sollte, damit er auf verschiedenen Ebenen gute Chancen hat, Spieler außerhalb der üblichen Gruppe zu finden. Eigentlich ist das auch wieder kein Kompromiss, sondern wieder die Macht des Faktischen, um FoG, 6te und eben Spiele ab einem gewissen Aufwand des Erlernens reduziert. (WW2 habe ich mal weggelassen. Ob PBI oder FoW oder Bolt Action oder Behind Omaha, da sind die immer wieder genannten Systeme ja noch recht übersichtlich, wenn man die Maßstäbe bedenkt.)

Wenn ich mich einzig und allein auf Napoleon in Ägypten für ein Spiel mit einer Auflage von 100 Exemplaren und 40 oft genutzte Tabellen entscheide und nur erstklassiges Wüstengelände un d Wüsten Basen akzeptiere, weiß ich, dass ich wohl kaum Mitspieler finden werde.

Also ruhig bleiben und nicht davon ausgehen, dass jeder dasselbe für Spaß hält.

Und Der Name der Rose gehört als Film durchaus zur Populärkultur. Wobei das Buch zu den Werken gehört, mit denen man sich unterhaltsam Wissen erarbeiten kann. Daher finde ich die Kritik recht seltsam. Dennoch hat mich Euer kleines Geplänkel auf ein oder zwei Ideen gebracht. Aber dazu an anderer Stelle.

Wellington:

--- Zitat ---Decebalus

auch wenn man sich Feldmarschall nennt, ist 180x120 cm keine Großschlacht.
--- Ende Zitat ---
Mit dem richtigen Figurenmassstab meiner Meinung nach schon.

--- Zitat --- Ja, ich schätze zu 99,9 %, selbst bei der vielgerühmten Auftragstaktik.

Abweichungen vom Befehl waren nur zulässig bei einer grundlegenden Lageänderung, die der Führung nicht bekannt sein konnte.

- ansonsten sofortige Ablösung und ggf. Kriegsgericht
--- Ende Zitat ---
Da dreht sich der gute Richard III und ein paar andere Generäle doch im Grab. Auf der einen Seite wollen wir System die die Unberechenbarkeit und die fehlende Kontrolle auf dem Schlachtfeld simulieren, auf der anderen Seite soll alles 100% nach der Ansage des Oberkommandierenden. Macht für mich keinen Sinn. Und klingt unglaublich spassfrei!
--- Zitat von: \'Thomas Kluchert\',\'index.php?page=Thread&postID=254382#post254382 ---Einspruch! Spätestens seitdem die Technik der Matten mit Akryl bekannt ist, ist ein schöner Untergrund auch für Großschlachten möglich. Das tolle ist sogar, dass man nahtlose Riesenfelder (2,4m breit geht voll) erstellen kann, die nicht viel Platz wegnehmen, da man sie aufrollen kann.
--- Ende Zitat ---
Du hast ja recht, die Grasmatten sind einfach nicht mehr der letzt geile Scheiss wie damals als sie rauskamen. Aber bei unerer Vimeiro Sache hab ich mal getestet wie man mit Büchern (meine gesamte Osprey Sammlung) zum Modellieren der Hügelkette verwenden kann und dann die Grasmatte drüber. Und ich war vom Ergebnis sehr sehr angetan. Ich glaub die Acryl Matten sind nicht flexibel genug.
--- Zitat --- (Das ist etwas, das mich an der deutschen Szene tiiiierisch ankotzt.
Wegen der ständigen \"Gibts das auch auf Deutsch?\"-Rufe sind hierzulande
nämlich etliche richtig gute Spiele völlig unbekannt)
--- Ende Zitat ---
Drastisch ausgedrück, aber ich kann es nachvollziehe
--- Zitat ---Um das historische Tabletop voranzubringen, was wir ja alle wollen,

brauchen wir exaktere Simulation wobei der Führungsvorgang mit einbezogen werden sollte.
--- Ende Zitat ---
Das klingt so nach völlig spaßfreien Micromanagement und voller Kontrolle über das gesamte Spiel. Langweilig ...

Zur Komplexität, Komplziertheit, Genauigkeit der Simulation ...

Wenn ich mit 10 Spielern in vernünftiger Zeit ein Spiel durchziehen will brauch ich relativ einfache Regeln, die komplexen Regeln führen diesem Rahmen einfach für Frust, Langweile und ewigen Nachschlagen.

Und ich hab einfach oft die Erfahrungen gemacht dass oft die einfacheren Regeln (seien es die Kampfsysteme bei Rollenspielen, Brettspiele ala Avalon Hill oder Miniaturen Wargaming) die gleichen Ergebnisse liefern wie die komplexen. Natürlich gibt es da eine Grenze nach unten. Aber die DBA Kampagne neulich war, obwohl ich DBA eigentlich nicht besonders mag, dank der Spieler und des Settings eindeutig einer der Höhepunkte des Wargaming Jahres.

Sir Leon:
Ach Mann...

Ich bin in einem Tabletop-Verein mit ca. 35 Mitgliedern. Gespielt wird da alles mögliche, der Schwerpunkt liegt aber auch hier auf Skirmishern, was ich ganz natürlich finde, denn jeder muss sein Zeug ja immer durch die Stadt (oder mehrere Städte) zum Spielort fahren, da sind dann auch noch andere Vereinsmitglieder, die auch spielen wollen. Hinzu kommt, dass wir eine sehr breite Sozialstruktur haben. Und wenn man ein Spiel eben schon mit 5-10 Modellen spielen kann und das Gelände eh vom Verein kommt, dann ist das auf jeden Fall günstiger, als wenn ich eine Armee aus 300 Modellen auf die Beine stellen muss. Trotzdem gibt es aber auch größere Spiele bei uns, die sind aber eher selten. Das sind Flames of War, Honours of War und Longstreet. Die Spielerschaft dieser Systeme setzt sich eher aus 5-10 Leuten zusammen, wobei die 5 der harte Kern, die 10 eher Gelegenheitsspieler sind, die dazu noch was im Keller haben.
Ich gehöre auf jeden Fall zu den Vertretern großer Schlachten. Das mache ich deutlich lieber, als kleinere Spiele. Allerdings komme ich sicher nicht auf diese Figurenmassen, wie einige andere Großschlachtenspieler. Für unseren AWI bestehen die Regimenter nur aus 16 Modellen, leichte Infanterie aus 8, Reiterei aus 5 Modellen. Muss halt reichen. Im Alltag bekomm ich die Sachen sonst nicht zum Spielort und da auch nicht genug Platz zusammen, um das wirklich sinnvoll spielen zu können.
Allerdings muss ich sagen, dass ich auch Skirmisher sehr schätze. Und zu vielen Themen passen große Schlachten auch einfach nicht so gut. Den letzten Überfall der Dalton-Brüder kann ich mir jedenfalls nicht als Großschlacht vorstellen. ;)

Unser Weg bei historischen Groprojekten ist dabei immer gleich. Wir reden ne Runde, meist hat jemand oder jeder schon eine Idee. Dann wird das besprochen, Fraktionen verteilt etc- Oft einigen wir uns auf eine Basierung oder Regimentsgrößen, noch bevor das Regelwerk feststeht. Das wird in aller Regel dann getestet, wenn wir schon was bunt haben. Es kommt selten vor, dass wir nach dem Lesen noch mehrere Anläufe brauchen. Bisher haben wir uns da immer recht gut einigen können. Worauf ich hinaus will ist aber, dass das alles nur deshalb so gut und harmonisch läuft, weil wir den Dialog eng halten. Reden hilft. :)

Barbarus:
Ich will dann noch mal etwas ansprechen, das bisher keine Beachtung erhielt...


Eigentlich von Anfang an, also vom ersten Tag des \"Wargamerdaseins\" an, haben mich die Spielregeln fasziniert und ich deshalb die meisten Regelbücher, die ich in die Hände bekam, gekauft, gelesen und ins Regal gestellt.
Ich sammle also Regelwerke.
Und seit ein paar Jahren schreib ich auch selbst Regeln.

Dadurch ist mir etwas klar geworden: Je mehr Realismus und Komplexität ein Regelwerk in einer simplen, abstrakten Regel zusammenfassen kann, desto besser ist es.

Das ist etwas, das einfach nur viele \"Simulationsbefürworter\" nicht verstehen (können). Da fehlt ihnen (noch?) das Abstraktionsvermögen.

Beispiel:
Wenn ich mit Regeln die Moral der Truppen auf dem Feld und ihre Neigung zur Flucht abbilden will, und dafür zwei Regelsysteme ersinnen kann, eines davon hochkomplex und \"realistisch\" in dem Sinne, dass es sehr detailiert die Eigenheiten, das Training, die Disziplin verschiedener Armeen und verschiedener Einheiten innerhalb der Armeen abbildet, und das andere System simpel und abstrakt ist, indem es nur eine einzige Regel nutzt um diese Dinge zu beschreiben, aber bei beiden Lösungsansätzen das gleiche Ergebnis herauskommt, dann ist eindeutig die abstrakte, simple Variante die bessere!

Viele Befürworter der Simulation begehen den Fehler, das Wesen der Schlacht in den Einzelheiten ihres Fortschreitens zu vermuten, dabei ist das Ergebnis entscheidend.

Sprich: gute Regeln rollen das Ganze von hinten auf.

Das Ergebnis der Schlacht XY aus dem Jahre XYZ war \"X&%ZYZ\".
Welche SIMPLEN Regeln kann man jetzt schreiben, damit bei einem Nachspielen der Schlacht mit diesen Spielregeln das gleiche Ergebnis (höchstwahrscheinlich) herauskommt?

Wenn dem nämlich so ist, dann hat man bei den simplen, abstrakten Regeln die gleichen Entscheidungen zu treffen, wie auch bei den komplexen, \"realistischen\" Regeln, um zum selben Ergebnis zu gelangen.
Jedoch kommt man über die simplen, abstrakten Regeln schneller zum Ergebnis.


Eigentlich ist es sehr ähnlich wie der Vergleich zwischen Addition und Multiplikation.
Man kann natürlich hingehen und folgendes rechnen:
5 + 5 + 5 + 5 + 5 + 5 = 30
Man kann aber auch einfach hingehen und das rechnen:
6 x 5 = 30

Da geht nichts verloren.


Das ist in meinen Augen der Schlüssel zu nem guten Wargame.
Denn mit solchen Regeln ist ein Spiel realistisch, in dem Sinne, dass es zum realistischen Ergebnis führt, und so simpel und zugänglich, dass man es in einer annehmbaren Zeit durchspielen kann und auch Neulinge die Mechanismen des Spiels erfassen können.

Das zu erreichen, verlangt aber eben diesen gewissen Level der Abstraktion.

Black Guardian:

--- Zitat ---

Und seit ein paar Jahren schreib ich auch selbst Regeln.



Dadurch ist mir etwas klar geworden: Je mehr Realismus und Komplexität
ein Regelwerk in einer simplen, abstrakten Regel zusammenfassen kann,
desto besser ist es.

Das ist etwas, das einfach nur viele \"Simulationsbefürworter\" nicht
verstehen (können). Da fehlt ihnen (noch?) das Abstraktionsvermögen.8
[---]

Viele Befürworter der Simulation begehen den Fehler, das Wesen der
Schlacht in den Einzelheiten ihres Fortschreitens zu vermuten, dabei ist
das Ergebnis entscheidend.


--- Ende Zitat ---
Darauf möchte ich gern nochmal eingehen, hier kommt ein wichtiger Aspekt zur Sprache, den ich gestern auch schon ansprechen wollte.
Mit dem kleinen Unterschied, dass ich es nicht nur auf das Ergebnis fixieren würde.

Ich habe mal im Studium gelernt, dass Modelle (d.h. mathematische Modelle, Simulationen, sprich auch Spielsysteme) Abstraktionen der Realität sind, mit denen eine Aussage nachgestellt und darüber ein besseres Verständnis über die mögliche Funktionsweise eines hochkomplexen Systems erreicht werden können. Dann habe ich im Rahmen des selben Studiums gelernt, wie man solche Modelle NICHT baut: Man denkt sich ein Ergebnis aus, das man für erstebenswert hält und baut den Rest des Modells so, dass es dieses Ergebnis liefert, egal ob die Annahmen und Inputs völliger Blödsinn sind.

Die richtige Reihenfolge aus meiner Sicht:

* Eingrenzen dessen, was man modellieren will (z.B. Moral, Rückzug und Flucht im Gefecht)
* Recherche zum Thema (Bücher lesen, Experimente, statistische Auswertungen)
* Auswahl der wichtigen Input-Parameter für das System (z.B. Feuer, Nahkampf, zahlenmäßige Überlegenheit, Flanken- und Rückenangriffe, ....)

* Modellierung eines möglichst simplen Mechanismus, der die Input-Parameter zum recherchierten/beobachteten historischen Ergebnis verarbeitetFür Spielsysteme ist mir dabei folgendes noch wichtiger als das Ergebnis:

Plausibilität und Spielgefühl.

Die Mechanik muss einerseits Sinn ergeben im Kontext des Spiels und Hintergrundes (die Inputparameter müssen untereinander gewichtet im Zusammenspiel sinnvolle Ergebnisse liefern). Dann passt auch das Spielgefühl und die Simulation wird glaubwürdig.

Aber Barbarus hat recht: Mit je weniger Aufwand ich diese Wirkung erreiche, desto besser! Oft werden Spiele durch Wegnehmen von Komplexität sogar noch besser als durch weitere Komplexität. Das ist meine Erfahrung aus hunderten Testspielen mit einem selbstgebauten System.

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