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Autor Thema: Berliner Maßstab - Kriegsspiel statt Tabletop  (Gelesen 6154 mal)

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Wilhelmshöher

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Berliner Maßstab - Kriegsspiel statt Tabletop
« am: 02. September 2017 - 14:33:57 »

Betrachtet man die deutsche Miniaturenkriegsspiel Szene, so fällt sofort ins Auge, dass kaum jemand dieses Hobby als das bezeichnet, was es letztlich ist: ein Miniaturenkriegsspiel. Stattdessen liest man nahezu ausnahmslos vom Tabletop-Hobby – ein Begriff, der mit dem Gegenstand in seiner Gänze nur wenig zu tun hat und der somit dem Wesen des Kriegsspiels fern bleibt. Diese Diskrepanz treibt mich seit langer Zeit um, weswegen ich ihr im Folgenden nachgehen möchte, um dann anschließend den Begriff des Miniaturenkriegsspiel zu rehabilitieren und ich will vorwegnehmen, dass ich dies in mehrfacher Hinsicht für erforderlich erachte.

Der Begriff zur Weltmacht
Bevor ich mit meinen Überlegungen beginne zwei Anmerkungen, die ich an dieser Stelle für notwendig erachte. Es wäre vermessen zu behaupten, dass wir der Komplexität einer jeglichen Tätigkeit oder Dings durch dessen Begriff im Alltagsgebrauch gerecht werden könnten oder, dass die Begriffe nicht widersprüchlich zu ihrem Inhalt sein können. Die Dinge sind nun mal wesentlich komplexer als ihre Begriffe. Trotzdem ermächtigt uns erst die sprachliche Konkretisierung den Dingen und Tätigkeiten überhaupt irgendwie gerecht zu werden. Andernfalls würden wir nämlich in eine groteske Beliebigkeit der Sprache gelangen und stünden vor einem ähnlichen Problem wie die Turmbauer zu Babel.
Darüber hinaus mag angenommen werden, dass es sich bei Tabletop um einen Eigennamen handeln könnte und dieser als solcher nicht kritisiert werden müsste. Dem möchte ich entgegenhalten, dass der Begriff Tabletop keineswegs der Willkür einer simplen Namensgebung unterliegt, sondern, sehr wohl mit dem Inhalt des Miniaturenskriegsspiels bereits zusammenhängt, nur eben nicht der Besonderheit des Gegenstands gerecht wird.
Wenn wir über die uns umgebenden Verhältnisse und Dinge reden, so tun wir das zumeist so, dass etwas Besonderes aus dem Allgemeinen herausgestellt wird. Nennwörter sollen einen Gegenstand oder ein Wesen auf einen möglichst genauen Begriff bringen.
Beim Tabletop gibt es hier jedoch einen Bruch und das Besondere wird mit etwas Allgemeinen verschleiert. Anstatt nämlich das als Begriff zu verwenden, was das Miniaturenkriegsspiel von anderen Tätigkeiten unterscheidet, wird ein Wort herangezogen, welches letztlich überhaupt keine Tätigkeit bezeichnet, sondern bloß einen total beliebigen Gegenstand.
Tatsächlich spielt man beim Tabletop auf, zu Deutsch, Tischoberflächen, aber der Begriff unterscheidet die Tätigkeit nicht grundsätzlich von anderen. Eine Tischoberfläche wird nämlich ebenso verwendet, wenn ich mit meiner Großmutter Kaffee und Kuchen genieße oder wenn ich den vorliegenden Text schreibe. Sie ist also diversen Tätigkeiten und auch Gegenständen gemein und somit ein gänzlich unpräziser Begriff für alles, was keine Tischplatte ist.
Ein kurzer Vergleich soll meine Aussage noch verdeutlichen: Ralfs Lehrerin fragt ihn, was er gerne in seiner Freizeit macht und er antwortet: „Ich mache gerne Rasen.“ Eine irreführende Aussage, denn Ralf spielt gerne Fußball. Beim Fußball wird zwar auf einem Rasen gespielt, aber dies ist genauso gut für alle anderen Feldsportarten der Fall. Sie haben den Rasen gemein und er präzisiert den Fußball nicht. Was den Fußball jedoch von anderen Sportarten unterscheidt ist, dass ein Ball mit dem Fuß und nicht etwa mit der Hand bewegt wird.
Gleiches gilt für das Miniaturenkriegsspiel. Es wird mit Miniaturen Krieg gespielt und nicht bloß (auf einer) Tischoberfläche.
Warum ist trotzdem der leidige Begriff des Tabletop in Deutschland so verbreitet ist?


Der große Sprung um die Ecke
Im Folgenden ein paar Beobachtungen zu der Verwendung des Begriffs Tabletop.
Obwohl der Begriff Tabletop dem Englischen entlehnt wurde, so wurde trotzdem nicht der im englischsprachigen Raum geläufigste Begriff des Wargame ins Deutsche geholt. Dies ist in sofern noch verwunderlicher, da die meisten Produkte und zwar sowohl Miniaturen und Regeln, als auch Magazine und Internetportale für das Hobby aus dem englischsprachigen Raum kommen und diese zum Großteil den Begriff des Wargame, Miniature Wargame und, ja, auch Tabletop Wargame verwenden. Dass also das englische Wort Tabletop den Deutschen, aber auch Spielern aus anderen Ländern, nicht einfach vom Himmel in den Kopf fiel ist offensichtlich. Herauszustellen ist hierbei jedoch, dass das Wort Tabletop im Tabletop Wargame letzteres nur präzisiert, also darauf hinweist, dass nun genau dieses Wargame im Besonderen auf Tischoberflächen gespielt wird und nicht auf dem Fußboden wie das Wellssche Little Wars. Dem ist hinzuzufügen, dass aus Tabletop Wargame im deutschen nicht Tabletop Kriegsspiel oder gar Tischkriegsspiel wurde. Nein, der wesentliche Begriff nämlich Wargame wurde im deutschen Sprachgebrauch fallen gelassen.
Der andere umfassendere Begriff aus dem Englischen, nämlich Miniature Wargame, wurde ebensowenig für die Germanisierung herangezogen, was in der Hinsicht bemerkenswert ist, da Miniature das Wargame im Hinblick auf den Zeitaufwand und Fokus, der den Miniaturen gewidmet wird, tatsächlich mehr präzisiert als es Tischoberfläche tut.
Es ließe sich nun behaupten, dass den meisten Leuten der Begriff Tabletop Wargame oder  Miniature Wargame im umgangssprachlichen Gebrauch einfach zu lang und eine Kürzung nötig gewesen sein mag. Hierbei ist allerdings anzumerken, dass selbst dort, wo genug Raum und Zeit für die gesamte Bezeichnung ist, also beispielsweise in Untertiteln von Internetseiten oder auch im deutschen Wikipedia Eintrag für Tabletop weiterhin auf Wargame oder Kriegsspiel verzichtet und einfach nur Tabletop verwendet wird. Dass also Tabletop Wargame, Miniature Wargame oder auch Kriegsspiel in Gänze durch Tabletop ersetzt wurde.
Da das Reiswitzsche Kriegsspiel ein deutsches ist und mindestens bis in den Zweiten Weltkrieg der Begriff verwendet wurde, ist klar, dass der Begriff Kriegsspiel als solcher auch hierzulande verbreitet war und im Laufe der Jahre einfach abhanden gekommen ist oder aber durch den Begriff Tabletop verdrängt wurde. Der Frage, wie es dazu kam, werde ich mich im folgenden Abschnitt widmen.  

Krieg und Frieden
Wie weiter oben bereits erwähnt verschleiert der Begriff des Tabletop dessen eigentlichen Inhalt und ich behaupte, dass genau aufgrund dieser Verschleierung der Begriff auch so geläufig ist. Wer sich als Kriegsspieler bezeichnet wird von den meisten Menschen zunächst mit Argwohn betrachtet werden und auf Widerstand und Ablehnung treffen. Die Auseinandersetzung mit Gewalt, Tod, Leid und Zerstörung wirkt auf viele Leute abstoßend. Dass Krieg und alles, was mit diesem einhergeht, schlecht ist und menschliches Leid unbedingt verhindert werden muss, steht ganz außer Frage. Die Schlechtigkeit von Krieg und die Ablehnung dessen bedeutet für viele Menschen jedoch, dass Krieg aus dem Bewusstsein schlichtweg ausgeschlossen und abgespalten wird. Wer dann allerdings an Krieg und Gräuel freiwillig denkt, setzt diese angeblich bereits fort, macht sich dieser mitschuldig und steht unter Generalverdacht der Kriegsverherrlichung.
Gerade in Deutschland ist die vermeintliche Zuwendung zum Frieden nach den zwei verlorenen Weltkriegen des letzten Jahrhunderts und der damit einhergenden Barbarei in jede Pore der Gesellschaft eingedrungen. Was sich nicht zuletzt darin bemerkbar macht, dass angefangen von Anarchisten bis hin zum völkisch-identitären Mob nach Frieden gerufen wird.
Dem Gedanken, dass Krieg in der menschlichen Geschichte notwendig war, um beispielsweise das Leben anderer zu schützen oder um Unabhängigkeit von fremden Herren zu erlangen und dass dies weltweit immer noch notwendig ist, wird dabei vollkommen ausgeblendet. Zu gemütlich ist die eigene Friedlichkeit vor der Haustür und  letztlich doch zu erträglich das Leid der anderen in weiter Ferne, gebannt auf Bildschirme und Zeitungspapier. Angesichts dieser Verhältnisse ist es dann kaum verwunderlich, dass bereits das Wort Krieg in vielen Leuten einen Abwehrreflex auslöst. Schlimmer noch, wenn dem Krieg das Spiel, also ein mit friedlicher Kindheit und einer grundsätzlichen Gewaltlosigkeit assoziiertes Wort, hinzugefügt wird. Es kollabieren dann in den Köpfen die Vorstellungen von Sittlichkeit und zivilem Anstand und es folgt als Antwort mindestens Fassungslosigkeit. Hierbei handelt es sich jedoch um einen hanebüchenen Idealismus, der letztlich mit Aberglaube am ehesten Beschrieben werden kann. Kriegsspiel ist nämlich nicht Krieg, es ist nicht Gewalt, es wird nichts zerstört und auch niemandem Leid zugefügt. Die einsetzende Logik der Empörten ist eine ausgelutschte Kamelle von Ursache und Wirkung, die impliziert, dass der bloße Gedanke an das eine zu einer vollkommen anderen tatsächlichen Handlung führen könnte. Wer sich jedoch damit auseinandersetzt wie vergangene oder imaginierte Kriege vonstatten gingen oder gehen könnten, setzt sich eben nicht damit auseinander, genau diese Kriege nun auch zu führen. Genauso könnte man behaupten, dass das Wetter morgen gut werden könnte, wenn nur heute der Teller aufgegessen wird oder dass in der kommenden Zeit 7.000.000 Deutsche einen Mord begehen werden, nur weil sie am letzten Sonntag im Fernsehen gesehen haben, wie jemand umgebracht wurde.
Dass bislang noch kein Kriegsspieler wirklich versucht hat, die Normandie zu verteidigen, die Franzosen aus Leipzig zu verjagen oder den Drakenwald von marodierenden Orks und Ziegenmenschen zu befreien, müsste nach oben beschriebener Idee der Konfliktvermeidung nun verwundern. Tut es jedoch nicht, da oben beschriebens Verständnis der Komplexität der Welt in dieser Hinsicht und vielleicht auch in anderer mehr einer losen Aneinanderreihung von Glaubenssätzen folgt. Die Sehnsucht nach dem Frieden sitzt so tief, dass kaum jemand wirklich an diesen und somit auch an Krieg denken mag und letztlich zumindest der eigene Seelenfrieden mit der Verbannung des Krieges aus den Köpfen erkauft wird.
Mit dem Begriff Tabletop wird also kaschiert, was eigentlich betrieben wird. Nämlich die von vielen gefürchtete Auseinandersetzung mit dem Krieg. Mit dem Begriff vom Püppchenschubsen wird dem Ganzen dann im Zweifelsfall sogar noch die Krone der Infantilisierung aufgesetzt.

Zur Rehabilitierung des Kriegsspiels
Im Vorangegangen habe ich in aller Kürze thematisiert, wie ein Begriff so gedacht werden kann, damit er nicht reiner sprachlicher Willkür ausgesetzt ist, welche Begriffe vom Hobby des Miniaturenkriegsspiels existieren und auch warum es einen Reflex gegen die Begriffe gibt, die dem Hobby mit seinen Besonderheiten am nächsten kommen. Daran anschließend nun noch ein paar Gedanken, warum man jene Begriffe nun wirklich auch verwenden sollte.
Miniaturenkriegsspiel ist das deutsche Wort, welches dem zuweilen Tabletop genannten Hobby am nächsten kommt. Das Hobby wird damit explizit auf den Begriff gebracht und mit nur einem Wort ist der Großteil von dem gesagt, was gemeint ist. Jegliche weitere Erklärung kann dann an die im Wort enthaltenen Bestandteile erfolgen und es müssen nicht erst neue Wörter eingeführt werden, die mit Tabletop schlichtweg noch nicht begriffen wurden. Wem das Wort zu sperrig ist, kann auch getrost das Wort Kriegsspiel verwenden und ist damit immer noch näher am zu benennenden Gegenstand. Genauso verhält es sich mit der englischen Variante des Wargame, egal ob Miniature oder Tabletop.
Des weiteren ist es Unfug so zu tun, als könnten Tatsachen durch Abspaltung und Distanzierung aus der Welt einfach verschwinden und ganz im Gegenteil kann man mit der Verwendung des Begriffs Kriegsspiel auch Leute in ein Gespräch verwickeln, welches für beide Seiten erkenntnisreich sein kann.
In Anbetracht dessen, dass auf den letzten Berliner Maßstab unter anderem die Hobbyoffensive folgte, bin ich gespannt, was hieran anknüpfen wird.

In diesem Sinne,

Moritz
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If you\'re not alert, sometime, a German son-of-an-asshole-bitch is going to sneak up behind you and beat you to death with a sock full of shit! - Georgie Patton

tattergreis

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Berliner Maßstab - Kriegsspiel statt Tabletop
« Antwort #1 am: 02. September 2017 - 14:57:39 »

Ernsthaft jetzt?
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Do you identify as Black? That is a serious question!

Riothamus

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Berliner Maßstab - Kriegsspiel statt Tabletop
« Antwort #2 am: 02. September 2017 - 16:17:01 »

Mit Kriegsspiel verbinde ich Simulationen, wie sie zu militärischer Ausbildung dienen könnten. Im Sinne des Reisswitzschen Kriegsspiels eben. Wargame wäre für mich eine seltsame Rückübertragung. Im Sinne der Wissenschaft wäre es seit der Kaskade von Regelvereinfachungen, die im Grunde schon mit Little Wars begann, nicht korrekt von Kriegsspiel zu sprechen.


(Mal ganz abgesehen, welches Fass an Konflikten man damit aufmachen kann. Und das schon ganz ohne, dass die sogenannte Political Correctness ins Spiel gebracht wird.)


Der Begriff Tabletop ist nicht ideal. Das steht außer Frage. Für Tabletop gilt mir, was auf dem Tisch gespielt wird. Das wurde Little Wars nicht. Und dazu sind die Anforderungen ans Spielfeld heute meist zu groß.

Im Grunde müsste ein neuer Begriff her. Ein - im Grunde nicht mal korrektes- Miniaturenkriegsspiel dürfte nicht griffig genug sein. (Es ist nicht korrekt, weil es ein \"Kriegsspiel mit Miniaturen\" wäre und das Kriegsspiel ja schon keine korrekte Anwendung auf das Hobby finden kann.

Dennoch bleibt es ein Simulationsspiel. Simuliert wird nicht die Strategie, sondern die Taktik. Ein Taktisches Simulationsspiel. Ein Taksim, analog zum Cosim gebildet. Durch die Analogie auch sofort als Spiel zu erkennen.

Jetzt haben wir nur das Problem, dass die Übergänge von Kriegsspiel zu Taksim fließend wären.

Ob Kriegsspiel ein verwendbares Begriff ist, darf ja in diesem Forum nach dem jüngsten Maulkorberlass nicht mehr erörtert werden. Es kommt auch gar nicht darauf an, dass Wilhelmshöher den Begriff unproblematisch findet und ich dort zustimmen kann. Es ist entscheidend, was die Verwendung des Begriffs bei anderen auslöst. Würde er massiv vertreten, sähen wir uns schnell einer Verbotsdebatte gegenüber. Weiser dürfte es sein, durch geschicktere Wahl eines noch nicht besetzten Begriffs Gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen. Dann kann darauf hingewiesen werden, dass Krieg nicht einer Beschäftigung und keiner Verdrängung bedarf, um ihn zu fassen, richtig damit umzugehen und ihn letztendlich zurückzudrängen. Heute wird vielen Problemen mit Ignoranz begegnet warum sollten wir das fördern, wenn es zudem unseren Hobby schadet, wenn auch vielleicht nicht so sehr, wie oben beschrieen.
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Gruß

Riothamus

Riothamus

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Berliner Maßstab - Kriegsspiel statt Tabletop
« Antwort #3 am: 02. September 2017 - 16:23:33 »

Es muss wohl ergänzt werden, dass jedes Spiel in gewisser Weise eine Simulation ist. Das wird in Deutschland oft vergessen, wo \'Spielen\' von vielen abgelehnt wird, obwohl es notwendig ist, um geistig gesund zu bleiben. Oder besser ausgedrückt: Jeder spielt, auch wenn er es nicht merkt. Wer nicht spielt, dem fehlt ein Teil menschlicher Funktionalität.
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Gruß

Riothamus

Robert E. Lee

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Berliner Maßstab - Kriegsspiel statt Tabletop
« Antwort #4 am: 02. September 2017 - 16:31:05 »

Leider immer noch nicht angenehm zu lesen  ;)  , zum Inhalt nur soviel, wo kein Kläger da kein Richter, ich sehe weder Problem noch Notwendigkeit und werde nicht anfangen etwas zwangsweise einzudeutschen nur um vielleicht dem ein oder anderen auf die Nerven gehen zu können.
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gwyndor

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Berliner Maßstab - Kriegsspiel statt Tabletop
« Antwort #5 am: 02. September 2017 - 17:22:56 »

Die Diskutierfreudigkeit der Jugend....da bin ich mittlerweile gelassener. Was heissen soll, dass ich in frueheren Zeiten ebenfalls problemlos Naechte ueber solche Dinge nachgedacht habe  ^^ .
Die Diskussion hat fuer mich ungefaehr die selbe Wertigkeit wie die Frage, warum in Deutschland das Mobiltelefon Handy heisst - ein englisch klingender Begriff, der bei Englaendern nur zu Kopfschuetteln fuehrt.  :wacko_1:
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\"My Lord, I have a cunning plan!\"

Pedivere

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Berliner Maßstab - Kriegsspiel statt Tabletop
« Antwort #6 am: 02. September 2017 - 18:09:58 »

ja Moritz, ziemlich gut, aber unnötig wortreich beschrieben.

Genauso wie der aus dem Englischen falsch entlehnte Begriff Tabletop das wargaming verschleiert.
Ich persönlich habe das auch beobachtet und  finde es merkwürdig und benutze sowieso \"wargaming\", da ich in englischsprachigen foren poste und verstanden werden möchte.
die deutschsprachigen werdens schon verstehen.

Ist es wichtig? mir egal, wer die Dinge lieber nicht beim Namen nennt wird schon sehen was er davon hat. Ich rede lieber Klartext.
Ich denke es ist interner Hobby-Lingo aus der Generation die damit aufgewachsen ist daß mit \"Kriegsspielzeug\" spielen abnorm sei und verroht.
so kann man nach außen das Hobby nennen und muß sich nicht schämen oder merkwürdige Blicke ertragen, denn der englisch Kundige weiß daß tabletop games einfach nur Tischspiele sind.
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ach was!

Riothamus

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Berliner Maßstab - Kriegsspiel statt Tabletop
« Antwort #7 am: 02. September 2017 - 19:40:04 »

Ja, in der ersten Stunde lernten wir, wie unchristlich das sei und in der zweiten erklärte der nächste Lehrer, wie man korrekt Teile aus Gußrahmen lößt. Was soll ich sagen: Wir konnten uns nicht auf eine Zeit einigen und der Englischlehrer musste seine Hoffnungen aufgeben,uns so zur Lektüre Englischer Texte zu animieren. Hätte er mitbekommen, dass wir darüber nachdachte nicht, hätte er uns sicher in eine Richtung gestoßen. Manchmal ist es deprimierend, was auf der Schule an Gelegenheiten verpasst wurde.

Wie gesagt, ich hätte lieber einen anderen Begriff wegen der Unterscheidbarkeit. Dass es damit einfacher ist, ist ein Bonus. Und Taksim ist natürlich nicht ganz ernst gemeint. So etwas sollte sich aus dem Sprachgebrauch ergeben.

Ich habe im Forum schon Wargaming und Wargame durch Tabletop ersetzt, weil ich hier Diskussionen vermeiden wollte. Dabei gefallen mir die Anglizismen nicht. Aber in letzter Zeit muss ich feststellen, dass mir manchmal welche aus der Feder rutschen. Das macht mir mehr zu schaffen als ob Kriegsspiel oder Tabletop gesagt wird.

Die Rede von historischen Simulationsspielen finde ich jedenfalls nicht überzeugend. Denn Umschreibungen nutzt man nur, wenn man etwas für zweifelhaft hält. Wer sagt, dass man nicht Schwarzer sagen soll, ist für mich Rassist. Das ist eben anerzogen. Aber man muss auch nicht alle Provokationsmöglichkeiten austesten.

Da uns, meiner Ansicht nach ein Begriff fehlt, ist die Diskussion berechtigt. Ein weichgespülter Begriff ist aber auch nicht richtig. Und da wir sicher schnell auf 100 Namen kommen, ist es sinnlos zu versuchen hier setzend tätig zu werden. Ich denke, wir sollten es beim Blues belassen und wie Pedivere beim jeweiligen Sprachgebrauch bleiben.
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Riothamus

Grenadier Christian

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Berliner Maßstab - Kriegsspiel statt Tabletop
« Antwort #8 am: 02. September 2017 - 19:45:42 »

Meines Erachtens ist es durchaus eine Frage der öffentlichen Wahrnehmung.

Auch wenn es natürlich ein Leben vor Games Workshop gab, muss man doch zugestehen, dass die Blütezeit des Wargaming-Hobbys in Deutschland mit dem starken Marketingauftritt von GW ab ca. 1995 begann. Und GW hat sich, meiner Einschätzung nach aus Marketinggründen, bewusst gegen die Verwendung von \"Kriegsspiel\" entschieden, und das hängt m.E. ganz eindeutig mit der enorm negativen Konnotation von \"Kriegspiel\" und \"Kriegsspielzeug\" in Deutschland, insbesondere ab den 1970er Jahren zu tun. Zum einen also ein \"Alleinstellungsmerkmal\", was in GWs Marketingkonzept seit ca. 1994 ja immer wichtiger wurde, zum Anderen eine Abgrenzung von unpopulären Themenkomplexen.

Persönlich sehe ich den Terminus \"Kriegspiel\" eher auf die \"professionelle\" Variante gemünzt, während \"Miniaturenspiel\" das spezielle Gebiet zugleich spezifisch als auch allgemein umreißt, denn Sachen wie z.B. das Batman-Miniaturenspiel oder Piratengeschichten sind ja doch auf einer sub-kriegerischen Ebene angesiedelt.

Ich glaube nicht, dass man sich einen Gefallen damit tut, etablierte Begrifflichkeiten auf Teufel komm raus umstoßen zu wollen, insbesondere wenn die Alternative so negativ konnotiert ist.
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Plastikgeneral

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Berliner Maßstab - Kriegsspiel statt Tabletop
« Antwort #9 am: 03. September 2017 - 13:04:05 »

Wir leben halt in einer Zeit, wo alles mit Krieg und Waffen böse ist.
Man stelle sich vor, eine Packung Tiger im Supermarkt zu kaufen und auf das Band zu legen. Für Ottonormalverbraucher  sicherlich peinlicher als Kondome oder den Playboy zu kaufen. Im russischen Supermarkt in Wilmersdorf steht das in Kinderhöhe an der Kasse bei den Süßigkeiten. Unsere zugezogenen Mitbürger sehen die Dinge viel entspannter und werden die Zukunft prägen. Also einfach abwarten  :D
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Driscoles

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Berliner Maßstab - Kriegsspiel statt Tabletop
« Antwort #10 am: 03. September 2017 - 13:14:18 »

Hallo Plastikgeneral,
bitte unterlasse diese platten Witze in einem Thread der schon genug Schärfe beinhaltet.
Danke
Björn
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Neidhart

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Berliner Maßstab - Kriegsspiel statt Tabletop
« Antwort #11 am: 03. September 2017 - 13:34:15 »

Man kann es sich einfach machen und einen etablierten und produktiven Begriff benutzen oder man führt einen neuen ein, weil einem der alte Begriff zu ungenau ist. Wenn ich Blood Bowl und Flames of War unterscheiden will, da ist es wohl wichtig ob ich Miniaturenspiel oder Kriegsspiel sag, für wenn gänzlich unbedarften ist dafür \"Brettspiel mit Modelleisenbahnmännchen\" immer noch klarer.

Ich bin ja in Berlin aufgewachsen, 50m vom heutigen South Side entfernt. Ich hatte Glück und hab in einem schicken Neubau gewohnt, viele Freunde von mir haben aber in irgendwie schlecht gewarteten Altbauten gewohnt und da waren die Wasserleitungen echt mies weshalb es immer Wasser aus Flaschen gab. Wenn man dann im Sommer so lauwarmes leicht abgestandenes Selters kriegt, da wird man schon irgendwie aggressiv und muss sich irgendwie auskotzen. Wir sind dann immer los und haben Hagebuttensamen bei anderen in die TShirts gestopft. Aber verbal kann man das ja auch... Ist unheimlich befreiend sowas aber man sollte auch wissen wieviel Pulver man streut wenn man später mit den anderen noch spielen will. Die sprachlichen Unterschiede herauszustreichen find ich interessant, allgemeines um sich schlagen nur öde.
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Artan

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Berliner Maßstab - Kriegsspiel statt Tabletop
« Antwort #12 am: 03. September 2017 - 13:55:36 »

Zitat von: \'Wilhelmshöher\',\'index.php?page=Thread&postID=257590#post257590
Betrachtet man die deutsche Miniaturenkriegsspiel Szene, so fällt sofort ins Auge, dass kaum jemand dieses Hobby als das bezeichnet, was es letztlich ist: ein Miniaturenkriegsspiel. Stattdessen liest man nahezu ausnahmslos vom Tabletop-Hobby – ein Begriff, der mit dem Gegenstand in seiner Gänze nur wenig zu tun hat und der somit dem Wesen des Kriegsspiels fern bleibt. Diese Diskrepanz treibt mich seit langer Zeit um, weswegen ich ihr im Folgenden nachgehen möchte, um dann anschließend den Begriff des Miniaturenkriegsspiel zu rehabilitieren und ich will vorwegnehmen, dass ich dies in mehrfacher Hinsicht für erforderlich erachte.

Der Begriff zur Weltmacht
Bevor ich mit meinen Überlegungen beginne zwei Anmerkungen, die ich an dieser Stelle für notwendig erachte. Es wäre vermessen zu behaupten, dass wir der Komplexität einer jeglichen Tätigkeit oder Dings durch dessen Begriff im Alltagsgebrauch gerecht werden könnten oder, dass die Begriffe nicht widersprüchlich zu ihrem Inhalt sein können. Die Dinge sind nun mal wesentlich komplexer als ihre Begriffe. Trotzdem ermächtigt uns erst die sprachliche Konkretisierung den Dingen und Tätigkeiten überhaupt irgendwie gerecht zu werden. Andernfalls würden wir nämlich in eine groteske Beliebigkeit der Sprache gelangen und stünden vor einem ähnlichen Problem wie die Turmbauer zu Babel.
Darüber hinaus mag angenommen werden, dass es sich bei Tabletop um einen Eigennamen handeln könnte und dieser als solcher nicht kritisiert werden müsste. Dem möchte ich entgegenhalten, dass der Begriff Tabletop keineswegs der Willkür einer simplen Namensgebung unterliegt, sondern, sehr wohl mit dem Inhalt des Miniaturenskriegsspiels bereits zusammenhängt, nur eben nicht der Besonderheit des Gegenstands gerecht wird.
Wenn wir über die uns umgebenden Verhältnisse und Dinge reden, so tun wir das zumeist so, dass etwas Besonderes aus dem Allgemeinen herausgestellt wird. Nennwörter sollen einen Gegenstand oder ein Wesen auf einen möglichst genauen Begriff bringen.
Beim Tabletop gibt es hier jedoch einen Bruch und das Besondere wird mit etwas Allgemeinen verschleiert. Anstatt nämlich das als Begriff zu verwenden, was das Miniaturenkriegsspiel von anderen Tätigkeiten unterscheidet, wird ein Wort herangezogen, welches letztlich überhaupt keine Tätigkeit bezeichnet, sondern bloß einen total beliebigen Gegenstand.
Tatsächlich spielt man beim Tabletop auf, zu Deutsch, Tischoberflächen, aber der Begriff unterscheidet die Tätigkeit nicht grundsätzlich von anderen. Eine Tischoberfläche wird nämlich ebenso verwendet, wenn ich mit meiner Großmutter Kaffee und Kuchen genieße oder wenn ich den vorliegenden Text schreibe. Sie ist also diversen Tätigkeiten und auch Gegenständen gemein und somit ein gänzlich unpräziser Begriff für alles, was keine Tischplatte ist.
Ein kurzer Vergleich soll meine Aussage noch verdeutlichen: Ralfs Lehrerin fragt ihn, was er gerne in seiner Freizeit macht und er antwortet: „Ich mache gerne Rasen.“ Eine irreführende Aussage, denn Ralf spielt gerne Fußball. Beim Fußball wird zwar auf einem Rasen gespielt, aber dies ist genauso gut für alle anderen Feldsportarten der Fall. Sie haben den Rasen gemein und er präzisiert den Fußball nicht. Was den Fußball jedoch von anderen Sportarten unterscheidt ist, dass ein Ball mit dem Fuß und nicht etwa mit der Hand bewegt wird.
Gleiches gilt für das Miniaturenkriegsspiel. Es wird mit Miniaturen Krieg gespielt und nicht bloß (auf einer) Tischoberfläche.
Warum ist trotzdem der leidige Begriff des Tabletop in Deutschland so verbreitet ist?


Der große Sprung um die Ecke
Im Folgenden ein paar Beobachtungen zu der Verwendung des Begriffs Tabletop.
Obwohl der Begriff Tabletop dem Englischen entlehnt wurde, so wurde trotzdem nicht der im englischsprachigen Raum geläufigste Begriff des Wargame ins Deutsche geholt. Dies ist in sofern noch verwunderlicher, da die meisten Produkte und zwar sowohl Miniaturen und Regeln, als auch Magazine und Internetportale für das Hobby aus dem englischsprachigen Raum kommen und diese zum Großteil den Begriff des Wargame, Miniature Wargame und, ja, auch Tabletop Wargame verwenden. Dass also das englische Wort Tabletop den Deutschen, aber auch Spielern aus anderen Ländern, nicht einfach vom Himmel in den Kopf fiel ist offensichtlich. Herauszustellen ist hierbei jedoch, dass das Wort Tabletop im Tabletop Wargame letzteres nur präzisiert, also darauf hinweist, dass nun genau dieses Wargame im Besonderen auf Tischoberflächen gespielt wird und nicht auf dem Fußboden wie das Wellssche Little Wars. Dem ist hinzuzufügen, dass aus Tabletop Wargame im deutschen nicht Tabletop Kriegsspiel oder gar Tischkriegsspiel wurde. Nein, der wesentliche Begriff nämlich Wargame wurde im deutschen Sprachgebrauch fallen gelassen.
Der andere umfassendere Begriff aus dem Englischen, nämlich Miniature Wargame, wurde ebensowenig für die Germanisierung herangezogen, was in der Hinsicht bemerkenswert ist, da Miniature das Wargame im Hinblick auf den Zeitaufwand und Fokus, der den Miniaturen gewidmet wird, tatsächlich mehr präzisiert als es Tischoberfläche tut.
Es ließe sich nun behaupten, dass den meisten Leuten der Begriff Tabletop Wargame oder Miniature Wargame im umgangssprachlichen Gebrauch einfach zu lang und eine Kürzung nötig gewesen sein mag. Hierbei ist allerdings anzumerken, dass selbst dort, wo genug Raum und Zeit für die gesamte Bezeichnung ist, also beispielsweise in Untertiteln von Internetseiten oder auch im deutschen Wikipedia Eintrag für Tabletop weiterhin auf Wargame oder Kriegsspiel verzichtet und einfach nur Tabletop verwendet wird. Dass also Tabletop Wargame, Miniature Wargame oder auch Kriegsspiel in Gänze durch Tabletop ersetzt wurde.
Da das Reiswitzsche Kriegsspiel ein deutsches ist und mindestens bis in den Zweiten Weltkrieg der Begriff verwendet wurde, ist klar, dass der Begriff Kriegsspiel als solcher auch hierzulande verbreitet war und im Laufe der Jahre einfach abhanden gekommen ist oder aber durch den Begriff Tabletop verdrängt wurde. Der Frage, wie es dazu kam, werde ich mich im folgenden Abschnitt widmen.

Krieg und Frieden
Wie weiter oben bereits erwähnt verschleiert der Begriff des Tabletop dessen eigentlichen Inhalt und ich behaupte, dass genau aufgrund dieser Verschleierung der Begriff auch so geläufig ist. Wer sich als Kriegsspieler bezeichnet wird von den meisten Menschen zunächst mit Argwohn betrachtet werden und auf Widerstand und Ablehnung treffen. Die Auseinandersetzung mit Gewalt, Tod, Leid und Zerstörung wirkt auf viele Leute abstoßend. Dass Krieg und alles, was mit diesem einhergeht, schlecht ist und menschliches Leid unbedingt verhindert werden muss, steht ganz außer Frage. Die Schlechtigkeit von Krieg und die Ablehnung dessen bedeutet für viele Menschen jedoch, dass Krieg aus dem Bewusstsein schlichtweg ausgeschlossen und abgespalten wird. Wer dann allerdings an Krieg und Gräuel freiwillig denkt, setzt diese angeblich bereits fort, macht sich dieser mitschuldig und steht unter Generalverdacht der Kriegsverherrlichung.
Gerade in Deutschland ist die vermeintliche Zuwendung zum Frieden nach den zwei verlorenen Weltkriegen des letzten Jahrhunderts und der damit einhergenden Barbarei in jede Pore der Gesellschaft eingedrungen. Was sich nicht zuletzt darin bemerkbar macht, dass angefangen von Anarchisten bis hin zum völkisch-identitären Mob nach Frieden gerufen wird.
Dem Gedanken, dass Krieg in der menschlichen Geschichte notwendig war, um beispielsweise das Leben anderer zu schützen oder um Unabhängigkeit von fremden Herren zu erlangen und dass dies weltweit immer noch notwendig ist, wird dabei vollkommen ausgeblendet. Zu gemütlich ist die eigene Friedlichkeit vor der Haustür und letztlich doch zu erträglich das Leid der anderen in weiter Ferne, gebannt auf Bildschirme und Zeitungspapier. Angesichts dieser Verhältnisse ist es dann kaum verwunderlich, dass bereits das Wort Krieg in vielen Leuten einen Abwehrreflex auslöst. Schlimmer noch, wenn dem Krieg das Spiel, also ein mit friedlicher Kindheit und einer grundsätzlichen Gewaltlosigkeit assoziiertes Wort, hinzugefügt wird. Es kollabieren dann in den Köpfen die Vorstellungen von Sittlichkeit und zivilem Anstand und es folgt als Antwort mindestens Fassungslosigkeit. Hierbei handelt es sich jedoch um einen hanebüchenen Idealismus, der letztlich mit Aberglaube am ehesten Beschrieben werden kann. Kriegsspiel ist nämlich nicht Krieg, es ist nicht Gewalt, es wird nichts zerstört und auch niemandem Leid zugefügt. Die einsetzende Logik der Empörten ist eine ausgelutschte Kamelle von Ursache und Wirkung, die impliziert, dass der bloße Gedanke an das eine zu einer vollkommen anderen tatsächlichen Handlung führen könnte. Wer sich jedoch damit auseinandersetzt wie vergangene oder imaginierte Kriege vonstatten gingen oder gehen könnten, setzt sich eben nicht damit auseinander, genau diese Kriege nun auch zu führen. Genauso könnte man behaupten, dass das Wetter morgen gut werden könnte, wenn nur heute der Teller aufgegessen wird oder dass in der kommenden Zeit 7.000.000 Deutsche einen Mord begehen werden, nur weil sie am letzten Sonntag im Fernsehen gesehen haben, wie jemand umgebracht wurde.
Dass bislang noch kein Kriegsspieler wirklich versucht hat, die Normandie zu verteidigen, die Franzosen aus Leipzig zu verjagen oder den Drakenwald von marodierenden Orks und Ziegenmenschen zu befreien, müsste nach oben beschriebener Idee der Konfliktvermeidung nun verwundern. Tut es jedoch nicht, da oben beschriebens Verständnis der Komplexität der Welt in dieser Hinsicht und vielleicht auch in anderer mehr einer losen Aneinanderreihung von Glaubenssätzen folgt. Die Sehnsucht nach dem Frieden sitzt so tief, dass kaum jemand wirklich an diesen und somit auch an Krieg denken mag und letztlich zumindest der eigene Seelenfrieden mit der Verbannung des Krieges aus den Köpfen erkauft wird.
Mit dem Begriff Tabletop wird also kaschiert, was eigentlich betrieben wird. Nämlich die von vielen gefürchtete Auseinandersetzung mit dem Krieg. Mit dem Begriff vom Püppchenschubsen wird dem Ganzen dann im Zweifelsfall sogar noch die Krone der Infantilisierung aufgesetzt.

Zur Rehabilitierung des Kriegsspiels
Im Vorangegangen habe ich in aller Kürze thematisiert, wie ein Begriff so gedacht werden kann, damit er nicht reiner sprachlicher Willkür ausgesetzt ist, welche Begriffe vom Hobby des Miniaturenkriegsspiels existieren und auch warum es einen Reflex gegen die Begriffe gibt, die dem Hobby mit seinen Besonderheiten am nächsten kommen. Daran anschließend nun noch ein paar Gedanken, warum man jene Begriffe nun wirklich auch verwenden sollte.
Miniaturenkriegsspiel ist das deutsche Wort, welches dem zuweilen Tabletop genannten Hobby am nächsten kommt. Das Hobby wird damit explizit auf den Begriff gebracht und mit nur einem Wort ist der Großteil von dem gesagt, was gemeint ist. Jegliche weitere Erklärung kann dann an die im Wort enthaltenen Bestandteile erfolgen und es müssen nicht erst neue Wörter eingeführt werden, die mit Tabletop schlichtweg noch nicht begriffen wurden. Wem das Wort zu sperrig ist, kann auch getrost das Wort Kriegsspiel verwenden und ist damit immer noch näher am zu benennenden Gegenstand. Genauso verhält es sich mit der englischen Variante des Wargame, egal ob Miniature oder Tabletop.
Des weiteren ist es Unfug so zu tun, als könnten Tatsachen durch Abspaltung und Distanzierung aus der Welt einfach verschwinden und ganz im Gegenteil kann man mit der Verwendung des Begriffs Kriegsspiel auch Leute in ein Gespräch verwickeln, welches für beide Seiten erkenntnisreich sein kann.
In Anbetracht dessen, dass auf den letzten Berliner Maßstab unter anderem die Hobbyoffensive folgte, bin ich gespannt, was hieran anknüpfen wird.

In diesem Sinne,

Moritz
Ich gebe dir durchaus Recht, wobei diese Diskussion nicht neu ist, denn sie ist ja auch schon oft genug bei Computer-Shootern usw. aufgekommen. Manche Friedenspädagogen in der BRD bekommen Heulkrämpfe, wenn sie nur an die bösen Kriegsspiele denken. Sie argumentieren, dass Doom- oder Warhammer-Spieler morgen ihre Mitschüler mit der Pumpgun hinrichten, weil sie am Abend zuvor gezockt haben. Für mich totaler Schwachsinn, denn unsere (gegenwärtige) Gesellschaft von Konsumenten und Fernsehguckern ist friedlicher als jemals zuvor.
Dschinghis Khan hat jedenfalls keine Computerspiele gespielt und die grausamen Landsknechte des 30jährigen Krieges hatten keine Warhammer-Püppchen im Regal. Wir heute zum Teil schon. Ich jedenfalls spiele ganz klar Krieg, wenn ich meine Römer, Space Marines oder Orks auf dem Tisch aufmarschieren lasse. Und es juckt mich nicht die Bohne, ob das pazfistischen Schwächlingen gefällt oder nicht. Was das Marketing von \"Tabletop-Herstellern\" betrifft, kann ich natürlich verstehen, dass sie in ihrer Werbung nicht von \"Kriegsspielen\" reden. Damit würden sie sich in der BRD-Gesellschaft nur unnötigen Ärger einhandeln. Allerdings kann man vor allem Games Workshop nicht vorwerfen, zu \"zurückhaltend\" mit Krieg und Gewalt umzugehen - da tun sie wirklich ihr Bestes...

\"Während wir, die Priesterschaft der Erde, die rechte Hand des Göttlichen Imperators sind, so ist die Inquisition seine linke. Während wir uns zu Billionen über die Erde verteilen, verschwindet ihre Zahl im
Dunkel des Weltalls. Während wir überall in unseren vielfältigen Roben zu sehen sind, bewegen sie sich unerkannt auf der Spur finsterer Ziele.
Wir haben unsere Meister und sie haben ihre, aber wir alle dienen dem Imperium auf unsere Weise. Behindere sie nicht - jegliche Behinderung bedeutet einen verdienten Tod. Suche nicht nach ihnen - sie mögen keine
Fremden. Beneide ihre Freiheit nicht - diese Freiheit wurde mit Zwängen erkauft, die du dir nicht vorstellen kannst. Fürchte sie, denn sie sind entsetzlich! Jeder trägt die Bürde des Todes, ist verantwortlich für die
Exterminierung von Welten und die Vernichtung der Schwachen. Billionen von Seelen schneiden in ihr Bewußtsein und suchen sie im Schlaf heim.
\"Warum wir... Warum mußten wir sterben, wir Hunderte von Tausenden von Millionen von Milliarden von Toten.\" Sie dürfen kein Mitleid empfinden, denn Mitleid würde sie zerstören, Ich sage euch: \"Habt Mitleid mit
denen, welche die linke Hand des Imperators sind, denn sie können selbst kein Mitleid empfinden, genau wie wir Tränen für den Imperator weinen, der in seiner ewigen Agonie selbst keine Tränen vergießen kann.\" (Imperiale Inquisition)

:animierte-smilies-militaer-084:
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Riothamus

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Berliner Maßstab - Kriegsspiel statt Tabletop
« Antwort #13 am: 03. September 2017 - 14:06:35 »

@ Plastikgeneral: Das ist, denke ich, nicht ganz richtig beobachtet. Es kommt auf den Zusammenhang an. Wenn es um Kinderspielzeug geht, kann ich die Empörung nachvollziehen. Aber wenn ich schräg angeschaut werde und \"Modellbau\" anführe, erledigt sich das doch in aller Regel. Sage ich \"Tabletop\", muss ich das noch erklären. Und sage ich \"Kriegsspiel\" darf ich mich nicht beschweren, wenn jemand aggressiv wird. Das Wort hat außerhalb des militärischen Bereichs eine negative Konnotation und wirkt provozierend. Ein kleiner Bezug zu Schach und H.G.Wells, den gerade die angeblich ach so friedliche deutsche Linke kennt, ist hingegen hilfreich.

Was jemand nicht kennt, betrachtet er in der Regel skeptisch. Statt Vorurteile zu bestärken hilft da nur erklären. Dann wird auch schnell beim Begriff Kriegsspiel differenziert, was wir in diesem Thread auch tun müssen.

Denn in der Alltagssprache hat Kriegsspiel eine andere Bedeutung als in unserem Hobby. Wer das nicht berücksichtigt, braucht sich nicht zu wundern, wenn es seltsame Reaktionen gibt. Ich habe mal einem Ingenieur erläutert, welche historischen Quellen es zu einem Thema gibt. Er meinte, man könne nicht nur abschreiben. Ihm war eben nicht bewusst, dass Quelle in der Geschichtswissenschaft ein wohldefinierter Begriff ist und Quellen die Grundlage allen Wissens über die Vergangenheit sind. Auch dem steht nämlich die Bedeutung in der Alltagssprache gegenüber.

Kriegsspiel wird teils sogar als \'kriegsverherrlichende militärische Früherziehung\" verstanden. Da hilft es nicht weiter, auf einem altehrwürdigen Begriff zu bestehen, um sein tun zu erklären: Wer das tut wird falsch verstanden. Es muss doch so geredet werden, dass das Gegenüber keinen Übersetzer braucht. Da hat sich der Nutzer einer Fachsprache dem allgemeinen Sprachgebrauch anzupassen. Daher ist Pluto weiterhin ein Planet. Der Versuch, die Änderung in die Alltagssprache zu bringen, zeugt nur davon, dass unsere Naturwissenschaftler nicht mit Sprache umgehen können, zumal nach den Regeln der deutschen Sprache auch ein Kleinplanet ein Planet ist. In dem Fall sind vielleicht ein paar Germanisten erheitert. Beim Kriegsspiel ist man schnell bei justiziablen Vorfällen. Und die Differenzierung von Kriegsspielzeug und Kriegsspiel ist für die Öffentlichkeit, auch wenn es nach den Regeln der deutschen Sprache Bezeichnungen für ganz verschiedene Dinge sein können, die Germanisten also gelassen bleiben, eben genauso schwer einzusehen wie im anderen Fall die unmögliche Definition für die Physiker.

Also müssen auch wir in der Alltagssprache verstehbar bleiben. Ich kann jedem erklären, dass er vom Kriegsspiel und von dem, was wir Wargaming nennen, falsche Vorstellungen hat, vorausgesetzt, ich rede so, dass er mich versteht. Und da kann ich eben nicht im Kaufhaus sagen: \"Für\'s Kriegsspiel.\", den Kragen hochkrempeln und mit einer neutralen Tüte verschwinden. Da kann ich mir genauso gut den Spruch: \"Ich bin Kriegstreiber.\" auf\'s T-Shirt drucken lassen. Da sage ich erkläre ich doch besser, unsere Sprache ausnutzend, dass das für Tabletop gekauft wird, womit ein in England verbreitetes Figurenspiel gemeint sei, dass der Pazifist H.G.Wells aus militärischen Simulationen entwickelt hat, um die Unberechenbarkeit des Krieges zu zeigen. Oder, dass es für eine historische Simulation sei. Dann ist die Vorstellung schon mal in der richtigen Richtung.

Dass Kriegsspiel in unserem Bereich noch eine andere Bedeutung hat, wird Otto Normalverbraucher erst erfahren, wenn er sich etwas damit beschäftigt hat.

Übrigens wäre nicht Kriegsspiel der ursprüngliche Begriff, sondern \'Schach\' wurde mit Zusätzen versehen. Und wie schon angedeutet meint \'Spiel\' bei Reisswitz \'Simulation\'. Da hat sich wie bei den Merkwürdigkeiten die Sprache weiterentwickelt, in diesem Fall ging allerdings nur eine Bedeutung des Wortes verloren. Vielleicht würde er es heute \"Konfliktsimulation\" nennen, wenn der Begriff nicht schon besetzt wäre.

Hier haben wir dann das Problem, dass ein großer Teil der Spieler eine Simulation dezidiert als zu komplex und zu aufwendig ablehnt. Wir brauchen also drei Begriffe: Die professionelle militärische Simulation, das als vereinfachte Simulation gedachte Spiel und das Figurenspiel zur bloßen Entspannung.
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Gruß

Riothamus

Artan

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Berliner Maßstab - Kriegsspiel statt Tabletop
« Antwort #14 am: 03. September 2017 - 14:14:49 »

Zitat von: \'Riothamus\',\'index.php?page=Thread&postID=257694#post257694
@ Plastikgeneral: Und sage ich \"Kriegsspiel\" darf ich mich nicht beschweren, wenn jemand aggressiv wird.
Hä? Ich dachte, man wird nur aggressiv, wenn man zuvor Kriegsspiele gespielt hat...? 8)
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