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Autor Thema: Bedeutende Schlachten der Weltgeschichte  (Gelesen 2768 mal)

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Poldi

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Bedeutende Schlachten der Weltgeschichte
« am: 04. März 2018 - 14:17:27 »

Hallo Leute,
ich habe gerade einen Bericht über die Schlacht von Cannae gelesen.

Zitat:
\"Am Morgen des 2. August 216 v. Chr. steht die Sonne bleifarben am apulischen Himmel. Der Wind jagt Erde aus trockenen Feldern in feinen Nebeln über die Ebene. Ein Tag zum Sterben - und gestorben wird an diesem Tag so zahlreich und so grausam wie nie zuvor in Europas Geschichte und vielleicht auch seither niemals wieder.
Es ist der Tag der bis dahin größten Schlacht der Antike und der militärisch folgenreichsten der Weltgeschichte. Der Tag von Cannae...
...Niemals werden in Europa an einem einzigen Tag in einer einzigen Schlacht so viele Männer sterben wie in Cannae - nicht einmal in Verdun oder Stalingrad. Kein Duell auch wird jemals die Strategen so lange militärisch beeinflussen. Noch General von Schlieffen plant den deutschen Angriff auf Frankreich 1914 nach dem Modell von Cannae, noch der US-General Norman Schwartzkopf nennt für die Invasion des Irak im Golfkrieg von 1991 Hannibal als Vorbild...\"

Cannae scheint also eine der bedeutendsten Schlachten der Weltgeschichte zu sein. Was sind Eurer Meinung nach ebenfalls bedeutende Schlachten der Weltgeschichte?
Ich bin mal gespannt was für eine Auflistung zustande kommt.  ^^
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Riothamus

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Bedeutende Schlachten der Weltgeschichte
« Antwort #1 am: 04. März 2018 - 15:53:24 »

Jene Schilderung erscheint mir denn doch sehr übertrieben. Und allein die Zahlen sind wohl schon zu korrigieren. Die Folgen hatten keine Dauer und der Ablauf ist keineswegs so sicher überliefert, wie oft dargestellt.

Actium, Fontenoy 841, Lechfeld, Hastings, Bouvines und Waterloo waren z.B. folgenreiche, bedeutende Schlachten.

Gewöhnlich bestimmt erst die Reaktion auf eine Schlacht ihre Bedeutung. Kann ein Sieg ausgenutzt werden oder nicht?

Hannibal gelang es nicht, seine Siege für einen Gesamtsieg auszunutzen. Wegen der großen römischen Verluste konnte der Sieg nicht einfach verpuffen.

Mit der Flucht bei seiner Gegner bei Actium hätte nur ein Zufall Octavian noch aufhalten können. Durch die Verluste bei Fontenoy kam es u.a. zu einem Traditionsbruch. Und wie viele andere Schlachten auch, wurde sie als Gottesurteil gesehen. Auf dem Lechfeld wurde -jenseits der Ergebnisse der Verfolgung- sichtbar, dass der Preis für einen Überfall auf das Reich gestiegen war. Bei Hastings ging es wieder recht gründlich dem Führungspersonal an den Kragen. Bouvines zeigte ein geändertes Kräfteverhältnis. Bei Waterloo wurde die Machtgrundlage Napoleons vernichtet. Wobei sich hier wieder fragt, welchen Anteil daran die Schlacht und welchen die geschickte Verfolgung hatte.

Man kann es aber immer auch anders sehen: War es die Schlacht oder das ungeschickte Verhalten seiner Gegner in der Folge, die Octavian ab diesem Zeitpunkt als Sieger erscheinen lies? Waren die Verluste bei Fontenoy wirklich so bedeutend, oder war der Generationswechsel längst im Gange? Wäre die neue Organisation allein wirklich abschreckend für die Ungarn gewesen? Und waren die Folgen von Hastings nicht regional beschränkt und der Wandel kam durch weitere fast gleichzeitige Ereignisse und Veränderungen zu Stande? (Stamford Bridge, Entstehen der Nordischen Reiche, Untergang von Haithabu, ...) War die Wirkung von Bouvines nicht recht bescheiden und vieles dabei bloß Symbol, und auch das nur dann, wenn man es vom Nachhinein betrachtet? Zu Waterloo ist es ja schon gesagt.

Das kann man verallgemeinern. Und dann wird die Frage nach bedeutenden Schlachten recht müßig, wenn man das Ganze nicht recht eng auf Themen beschränkt.

Ich meine, dazu gäbe es schon einen Thread hier, den ich aber nicht finde. Vielleicht war das aber auch in einem anderen Forum.
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Gruß

Riothamus

tattergreis

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Bedeutende Schlachten der Weltgeschichte
« Antwort #2 am: 04. März 2018 - 15:57:52 »

Mineiraço 2014 wog schwer.
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Maréchal Davout

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Bedeutende Schlachten der Weltgeschichte
« Antwort #3 am: 04. März 2018 - 20:04:09 »

Die Bedeutung von Cannae in der Weltgeschichte wird wohl vor allem aufgrund der Rezeption dieser Schlacht veranschlagt.
Zitat von: \'Poldi\',\'index.php?page=Thread&postID=268563#post268563
Kein Duell auch wird jemals die Strategen so lange militärisch beeinflussen.
Beispiele sind in dem Zitat. Da geht es also weniger darum, ob Hannibal die Niederlage militärisch oder politisch nutzen konnte.

Vielleicht in spannender Gedanke, dass viele Schlachten dadurch bedeutsam werden, dass durch sie ein Mythos konstruiert wird. Tannenberg 1914 war militärisch im größeren Bild auch nicht wichtig, aber wurde als Mythos ausgebaut.
Die Spartaner haben aus der Thermopylen-Schlacht gegen Xerxes unglaublich viel Achtung von den anderen Griechen in den nächsten Jahrzehnten erfahren. Wenn Cannae Einfluss auf das Handeln von Entscheidungsträgern auch mehr als 2000 Jahre später hat, ist das schon eine beindruckende Wirkmacht.
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Riothamus

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Bedeutende Schlachten der Weltgeschichte
« Antwort #4 am: 04. März 2018 - 21:26:43 »

Wie gesagt, wenn man es beschränkt.

Die Wirkmacht lag bei Cannae in der Interpretation der Berichte über die Schlacht. Wenigstens das ist Delbrück hier zuzugestehen. Vgl. z.B. das, was Flach, Römische Geschichtsschreibung über Schlachten sagt. Delbrücks Problem lag darin, dass die Orte der Schlachten erst untersucht wurden, als er sich positioniert hatte und er sich recht oft für den falschen Ort entschieden hat.

Bei Cannae kommt hinzu, dass diese Frage wegen des großen Areals, dass durch die Kampfhandlungen berührt wurde, bis heute nicht wirklich geklärt ist. Die oft zitierten Widersprüche der unterschiedlichen Funde ergeben sich nur, wenn man das nicht berücksichtigt.

Es ist hier also längst nicht entschieden, welcher Darstellung und welcher Interpretation gefolgt werden kann. Somit ist hier nur ein Mythos wirkmächtig, der sich aus der Geschichtsschreibung entwickelte. (Was dann auch in gewisser Weise für Delbrück gilt: Seine Interpretation beruht darauf, das er die Schlacht vom Ergebnis her rekonstruiert, nachdem er die Berichte zum großen Teil verworfen hat. Generell gerät er oft selbst in die Fehler, die er gerade noch kritisiert hat.)

(Und beim Mythos fiele mir die Hunnenschlacht als ähnlich produktiv ein.)

Das oben war aber nicht \'gegen\' Cannae gerichtet, sondern generell gegen die üblicherweise in heutigen Darstellungen übernommene Propaganda bei der Rekonstruktion von Schlachten. Selbst bei Waterloo gibt es bis heute Streit zu zentralen Punkten, obwohl es wohl die am besten dokumentierte Schlacht vormoderner Zeiten ist. Cannae ist in vielem ein Sonderfall. Man nahm die Schlacht als Beipiel der kompletten Vernichtung der Gegenseite, was nebenbei bemerkt aber nicht der Fall war. Aufgrund dessen versuchte man dann das vermeintliche Beispiel zu kopieren, was dann bis zum Kesselschlagen im 2. Weltkrieg wirkte. Doch geht das nur auf die Interpretation zurück, also auf eine Reaktion zurück. Das wäre nur anders bei eindeutigen Berichten oder zumindest eindeutig zu interpretierenden Berichten. Aber hier haben wir nur ein Raten. Zuletzt las man von Widersprüchen der Funde zu den Entfernungsangaben aller antiken Berichte. Schon das zeigt, dass ein Übereinstimmen der Interpretationen mit der Schlacht in jedem Fall nur auf Zufall beruhen kann. Die Berichte zu dieser Schlacht sind mittlerweile ein klassisches Beispiel für die Fallstricke antiker Geschichtsschreibung, die als die betrachteten Interpretationen entstanden auch noch gar nicht genügend untersucht waren:

Hier wirkte Mythos und Ausschreiben der Geschichte, nicht die Schlacht über einen Bericht.
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Gruß

Riothamus

PeryRhodan

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Bedeutende Schlachten der Weltgeschichte
« Antwort #5 am: 04. März 2018 - 22:30:59 »

Zitat von: \'Maréchal Davout\',\'index.php?page=Thread&postID=268581#post268581
Vielleicht in spannender Gedanke, dass viele Schlachten dadurch bedeutsam werden, dass durch sie ein Mythos konstruiert wird.
Es gibt ja auch Bespiele anhand der geschichtlichen Ereignisse der Mythos eben nicht konstruiert werden musste.

1066 mit Hastings z.B. hat es Wilhelm der Eroberer mit wahnsinnig viel Glück geschafft, die Eroberung England relativ unkompliziert zu gestalten. Letztlich brauchte er danach nur eine Handvoll Wochen und ein paar Scharmützel um dann an Weihnachten zum König von England zu werden.

Ähnlich die Schlacht von Sedan 1870. Die Kapitulation der französischen Truppen und die Gefangennahme des Kaisers Napoléon III hat nun einmal den kompletten Krieg entschieden.
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Bedeutende Schlachten der Weltgeschichte
« Antwort #6 am: 04. März 2018 - 22:49:00 »

Oftmals ist es auch wichtig was Ausschlag gebend war für den erfolgreichen Schlachtverlauf und dessen Wirkung in der Taktik, Waffen, Logistik in Folge.

Oder Politisch.....zb Schlacht von Tours/Poirtes, Schlacht von Nancy 1477, Arbedo. Drei unterschiedliche nachfolgen in der Geschichte Politisch/Militärisch/Kulturell.

Denke das wird ne elends lange Liste von wichtigen Schlachten die die Weltgeschichte veränderten.
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Poliorketes

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Bedeutende Schlachten der Weltgeschichte
« Antwort #7 am: 05. März 2018 - 10:59:59 »

Poldi, das liest sich so, als gäbe es jetzt BILDhistory!
Um die Bedeutung von Schlachten einzuordnen, muß man ihre militärisch-politischen Folgen von den sagen wir psychologisch-kulturellen Folgen unterscheiden. Cannae hat ja mal gar nichts entschieden, aber wenige Schlachten haben einen derartigen Nachhall. Ähnliches gilt für Tannenberg. Sedan dagegen läßt sich winderbar als komprimiertes Erinnerungsereignis nutzen, obwohl die Einkreisung von Metz  genauso wichtig war.

Ãœberhaupt sind viele der als Wendepunkte der Geschichte genannten Schlachten nur deswegen so bekannt, weil sie in ihrer Zeit ein Schockerlebnis auslösten. Echte Wendepunkte sind rar: Zama, Kynoskephalai, Magnesia und Pyrna haben die Grundlage des römischen Weltreiches geschaffen. Issos und Gaugamela kann man als die entscheidenen Schlachten der Antike schlechthin ansehen, da sie für 1.000 Jahre die Vorherrschaft westlicher Kullturnationen im Mittelmeerraum brachten. Maranga 363 und Ninive 627 hätten ähnliche Auswirkungen haben können, aber dazu hätte Julian deutlich siegen und überleben (Maranga) und die Araber ihren Auftritt auf der Weltbühne verschlafen müssen (Ninive). Als Schlachten epochaler Bedeutung kann man dann wieder Jarmuk 637 und Nehavend 642 ansehen, die den Arabern den ganzen nahen Osten einbrachten, ebenso Rio Guadalete 711 für Westeuropa. In den Kontext passen auch Tarain 1192 und die 2. und  3. Panipat 1556 bzw. 1761 sowie Karnal 1739 als Kulmunationspunkte der muslimisch-indischen Geschichte.
Für die mittelalterliche Geschichte sind Lechfeld und Cotrone als Anfang und Ende der ottonischen Hegemonie nennenswert.
Im Europa des 2. Jahrtausends gibt es meiner Ansicht nach überraschend wenig Schlachten epochaler Bedeutung, dazu sind die politischen und kulturellen Grenzen 1000 Jahre lang zu stabil geblieben. Mir fallen insbesondere die 3 türkischen Siege von Nikopolis 1496, Varna 1444 und Mohacs 1526 ein und natürlich deren Gegenstück Kahlenberg 1683. Dann haben Breitenfeld 1631 und Lützen 1632 die konfessionelle Spaltung Europas zementiert und Poltawa kann man als Wendemarke für die Vorherrschaft im Ostseeraum sehen.
Für Amerika muß man natürlich Tenochtitlan 1521 und Cajamarca 1532 zählen.
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Pappenheimer

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Bedeutende Schlachten der Weltgeschichte
« Antwort #8 am: 05. März 2018 - 11:30:08 »

Poltawa finde ich auch recht bedeutend. Schweden wurde danach für immer aus dem Mächtekonzert unfreiwillig verabschiedet.

Mollwitz wird von Reed Browning als die Entscheidungsschlacht angesehen. Tatsächlich steht sie am Beginn zum Aufstieg Preußens zur Großmacht.
Eine Entscheidungsschlacht muss keine große Schlacht sein. Aber letztlich zeigte sich hier und wie dann auch in der Folge, dass Österreich nicht in der Lage war Preußen militärisch zu schlagen (Ausnahmen wie Kolin würde ich jetzt mal ignorieren).
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emigholz

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Bedeutende Schlachten der Weltgeschichte
« Antwort #9 am: 05. März 2018 - 15:18:35 »

Evtl meint Poldi aber auch einfach das durch zb Cannae die Art der Kriegsführung mal wieder eine deutlichere Wende nahm. Das vorgehen Hannibals, den Gegner zur nahezu völligen Vernichtung auf einem relativ offenen Schlachtfeld zu locken, war bis dahin eben nicht erwartet worden. So ist jeder erfolgreiche Einsatz einer neuen Taktik oder Waffe (zb Langbogen) ein Wendepunkt. Ich denke Poldi muss da einfach etwas genauer werden.
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Hanno Barka

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Bedeutende Schlachten der Weltgeschichte
« Antwort #10 am: 05. März 2018 - 16:20:31 »

Wie Rio schreibt ist es sehr oft die Interpretation/ Rezeption einer Schlacht, die sie bedeutsam (oder auch nicht) erscheinen lässt. Oft werden Schlachten für einen bestimmten Verlauf der Geschichte verantwortlich gemacht, obwohl ein kausaler Zusammenhang zumindest zweifelhaft ist, oft wird durchaus kausalen Folgen keine Bedeutung beigemessen. Die Frage ist dann auch noch wie genau sich die betreffende Schlacht dann ausgewirkt hat.

Dürnkrut und Jedenspeigen wird vor allem als die größte Ritterschlacht in Europa gesehen, anderseits gelangte durch diese Schlacht Österreich in den Besitz der Habsburgfamilie, die sich damit vorerst unter den \"großen\" Fürstenfamilien des Reichs etablieren konnte und damit die Grundlage für die Hochzeit von Maximilian und Maria von Burgund 200 Jahre später bildetet, aus der in Folge das Habsburgimperium erwuchs. Kausaler Zusammenhang? Irgendwie schon, aber erst nach 200 Jahren wirklich spürbar...

Schlacht von Lissa: Die hatte zwar keine politischen Konsequenzen, aber beeinflusste die Schiffsbauingineurstechnik extrem. 20 Jahre lang rüsteten alle großen Flotten ihre Schiffe mit (sinnlosen) Rammspornen aus, die meisten Marinen hatten sogar Schiffe im Einsatz, deren Haupteinsatzzweck das Rammen war, und die nur geringe Geschützbewaffnung aufwiesen (um dadurch schneller zu sein). Niemand erkannte, daß das erfolgreiche Rammanöver Tegetthoffs mit dem er die Re d\'Italia versenkte, ein purer Zufallstreffer war und die Panzerschiffe zu dieser Zeit weder schnell noch wendig genug waren, um einen Gegner erfolgreich rammen zu können.

Gettysburg und Lee\'s Invasion in Pensylvania: Gettyburg wurde während des Bürgerkrieges sowohl im Süden als auch im Norden als knapper Sieg der Konföderierten gesehen, da Meade am 4. Tag (den heute viele einfach ignorieren) nicht angriff. Die vorherrschende Interpretation war damals, daß Lee der Union wieder mal die Schnauze blutig geschlagen und ihr den Schneid abgekauft hatte. Man war im Süden generell mit der Invasion sehr zufrieden, denn sie hatte ihr Primärziel, den Norden vom Territorium der CSA fern zu halten erfüllt. Es schmerzte mehr, daß sich Maryland nicht der Konföderation angeschlossen hatte, als daß die Unionsarmee bei Gettysburg nicht \"schwer\" geschlagen wurde. Man war mit dem Resultat sogar so zufrieden, daß man Longstreets Corps nach Westen verlegte, wo es bei Chickamauga eine entscheidende Rolle spielte, da man in Richmond sicher war, daß der Norden im Osten in diesem Jahr keine größeren Operationen mehr starten würde. Und während die Schlacht von Gettysburg heute zum Allgemeinwissen gehört, kennen nur meist Geschichtsinteressierte die zeitgleiche Schlacht von Vicksburg, deren militärische Auswirkungen ungleich größer waren.
Erst nach dem Krieg wurde Gettysburg zum Wendepunkt des Bürgerkriegs stilisiert, zuerst von den Vertretern des Lost Cause und später dann von der Mehrheit der Geschichtsschreiber. Seitdem ist es die Highmark der Konföderation ;)

Bei vielen Schlachten ändert sich die Interpretation auch im Lauf der Zeit, ich denke bedeutende Schlacht ist das geschichtliche Pendant zum geographischen Begriff Kontinent. Irgend ist man sich ja einig, daß es sie gibt und jeder verwendet den Begriff. Allerdings gibt es keine exakte wissenschaftliche Definition was ein Kontinent nun ist und dementsprechend hat unser Planet fünf, sechs oder sogar sieben Kontinente - je nachdem wo man zur Schule gegangen ist :D
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Bedeutende Schlachten der Weltgeschichte
« Antwort #11 am: 05. März 2018 - 18:42:16 »

Vieles wurde hier schon richtig herausgestellt.

Insgesamt darf man die militärische Einzelentscheidung in der Schlacht auch nicht überbetonen. Oftmals wird der Ausgang einer Schlacht als Wendepunkt für irgendetwas gesehen, nur weil er mit einer größeren Entwicklung in ein Narrativ gestellt wird. So evtl. auch in Pappenheimers Beispiel?
Zitat von: \'Pappenheimer\',\'index.php?page=Thread&postID=268624#post268624
Poltawa finde ich auch recht bedeutend. Schweden wurde danach für immer aus dem Mächtekonzert unfreiwillig verabschiedet.
Bin da kein Fachmann.

Oft sind aber auch größere wirtschaftliche, auf Rohstoffen, Geographie, Populationsdynamiken und Handel beruhende Faktoren für ein Absinken oder Aufsteigen von Mächten, Nationen etc. verantwortlich. Mit einer Schlacht lässt sich so ein Wandel auch zeitlich so trügerisch schön auf einen Punkt bringen. Wenn man sich nur auf Kriegsgeschichte und keinen weiteren Blick in der Militärgeschichte konzentriert, könnte man manche größeren Zusammenhänge vielleicht auch übersehen. Es gibt natürlich auch, wie hier schon genannt, Schlachten, wo an dem Tag tatsächlich direkt politisch-militärisch viel entschieden wurde. Oft wäre allerdings eine größere Dynamik ohnehin in eine Richtung weitergegangen, ob an einem Tag X nun dies oder das passiert wäre.
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Poliorketes

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« Antwort #12 am: 05. März 2018 - 19:24:42 »

Hanno, Dein Beispiel mit Gettysburgh trifft es sehr gut - im Rückblick etscheint die Schlacht als der Wendepunkt, was aber für Zeitgenossen anders aussah. Umgekehrt ist es z.B. mit Chalons/Katalaunisvhe Felder. Ein Riesenfanal, obwohl eigentlich die Ausgangslage sich kaum geändert hat, Attilas Tod im Folgejahr war der eigentliche Wendepunkt. Oft ist es ja auch so, das eine eigentlich zweitrangige Schlacht durch den Tod eines Herrschers erst Bedeutung erlangt, weil sein Reich anschließend auseinanderbricht oder im Bürgerkrieg versinkt.
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Bedeutende Schlachten der Weltgeschichte
« Antwort #13 am: 05. März 2018 - 19:39:51 »

Zitat von: \'emigholz\',\'index.php?page=Thread&postID=268635#post268635
Ich denke Poldi muss da einfach etwas genauer werden.

Nun, in dem von mir gelesenen Bericht über die Schlacht von Cannae stellt der Autor diese als bedeutend dar.

Zitat: \"...Niemals werden in Europa an einem einzigen Tag in einer einzigen Schlacht so viele Männer sterben wie in Cannae - nicht einmal in Verdun oder Stalingrad. Kein Duell auch wird jemals die Strategen so lange militärisch beeinflussen. Noch General von Schlieffen plant den deutschen Angriff auf Frankreich 1914 nach dem Modell von Cannae, noch der US-General Norman Schwartzkopf nennt für die Invasion des Irak im Golfkrieg von 1991 Hannibal als Vorbild...\"

Man mag sich darüber streiten ob diese Aussage nicht etwas zu dick aufgetragen ist, Tatsache ist aber, daß Canae bis heute wie auch Waterloo als Sinnbild für die totale Niederlage steht.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist sicherlich auch die Perspektive aus der man das Ereignis betrachtet. So wird mit Sicherheit die Schlacht von Borodino in der russischen Geschichtsschreibung einen anderen Stellenwert einnehmen als in der englischen wo aus dieser Epoche sicherlich Vitoria, Trafalgar und natürlich Waterloo bedeutender sein werden.

Hanno Barka gibt ein gutes Beispiel mit Gettysburg und Vicksburg. Gettysburg ist viel bekannter, ja gilt als die Schlacht des amerikanischen Bürgerkriegs, aber hatte diese Schlacht wirklich so einen entscheidenden Einfluß?

Dürnkrut und Jedenspeigen mag die größte Ritterschlacht Europs gewesen sein, aber wer kennt diese Schlacht denn heute noch (abgesehen von Fachleuten)?

Was irritiert ist vielleicht der Begriff \"bedeutend\" denn den kann man völlig unterschiedlich interpretieren. Aber das war auch meine Absicht. So kann jeder eine Schlacht nennen und begründen warum diese aus seiner Sicht bedeutend war (geniales taktisches Manöver, neue Waffentechnik, unvorhergesehenes Ereignis etc.)
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Pappenheimer

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Bedeutende Schlachten der Weltgeschichte
« Antwort #14 am: 06. März 2018 - 12:36:33 »

Zitat von: \'Maréchal Davout\',\'index.php?page=Thread&postID=268647#post268647
Insgesamt darf man die militärische Einzelentscheidung in der Schlacht auch nicht überbetonen. Oftmals wird der Ausgang einer Schlacht als Wendepunkt für irgendetwas gesehen, nur weil er mit einer größeren Entwicklung in ein Narrativ gestellt wird. So evtl. auch in Pappenheimers Beispiel?
Zitat von: \'Pappenheimer\',\'index.php?page=Thread&postID=268624#post268624
Poltawa finde ich auch recht bedeutend. Schweden wurde danach für immer aus dem Mächtekonzert unfreiwillig verabschiedet.
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Oft sind aber auch größere wirtschaftliche, auf Rohstoffen, Geographie, Populationsdynamiken und Handel beruhende Faktoren für ein Absinken oder Aufsteigen von Mächten, Nationen etc. verantwortlich. Mit einer Schlacht lässt sich so ein Wandel auch zeitlich so trügerisch schön auf einen Punkt bringen. Wenn man sich nur auf Kriegsgeschichte und keinen weiteren Blick in der Militärgeschichte konzentriert, könnte man manche größeren Zusammenhänge vielleicht auch übersehen. Es gibt natürlich auch, wie hier schon genannt, Schlachten, wo an dem Tag tatsächlich direkt politisch-militärisch viel entschieden wurde. Oft wäre allerdings eine größere Dynamik ohnehin in eine Richtung weitergegangen, ob an einem Tag X nun dies oder das passiert wäre.
Poltawa ist aus zwei Gründen eine Entscheidungsschlacht.
1. Der schwedische König setzte bis dahin - und wenngleich auch später - auf eine extrem aggressive Kampfweise. Mit der Aufstellung und den Verschanzungen fanden die Russen bei Poltawa das offensichtlich beste Mittel bei evtl. schlechteren Truppen der Taktik der Schweden die Stirn zu bieten. Nummerische Übermacht hatte sich ja sowohl bei den Polen und Sachsen als auch bei den Russen nicht als ausreichend erwiesen.

Eine Methode zu suchen die qualitative Unterlegenheit irgendwie taktisch auszugleichen finden wir dann auch später, wenn der Maréchal de Saxe sich bei Fontenoy verschanzt oder Daun ähnliches durch eine geschickt gewählte Stellung bei Kolin tut. (Auch Wallensteins Lager bei Nürnberg geht in die Richtung. Obwohl persönlich nicht anwesend gewesen, hatte er aus Tillys Fehlern bei Breitenfeld und Rain am Lech gelernt. Gustav Adolf musste daran gehindert werden die überlegene Artillerie auszuspielen.)

2. Karl verlor damit seine kampferprobten und auch in der schwedischen Taktik erfahrenen Soldaten. Die waren ja auch ein Faktor bei allen Schlachten zuvor gewesen. Welche Infanterie sonst hält solange durch feindliches Feuer einzustecken im Vertrauen darauf, dann den Feind zu überrollen?
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