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Autor Thema: Plänkeln im 18.Jh.  (Gelesen 2744 mal)

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Pappenheimer

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Plänkeln im 18.Jh.
« am: 09. März 2018 - 10:58:49 »

Zitat von: \'Maréchal Davout\',\'index.php?page=Thread&postID=266997#post266997
Zitat von: \'Pappenheimer\',\'index.php?page=Thread&postID=266990#post266990
Es geht darum, dass leichte Infanterie im kleinen Krieg vielleicht eine Größe darstellte, aber in Großen Schlachten für Kav. und Co ne leichte Beute waren.
Ja, wieviel wurde denn in Feldschlachten überhaupt geplänkelt? Für die napoleonische Zeit ist mir bekannt, dass Russen, Ösis etc. erstmal gar nicht geplänkelt haben (auch wenn sie Einheiten hatten, die als Leichte bezeichnet wurden) und die Franzosen mit ihren Voltigeuren etc. neben den Briten die Ausnahme und Neuerung waren. Trotzdem haben natürlich franz. Legers genau wie russische Jäger in Bataillonen in Linie gekämpft und lassen sich auch mit Fug und Recht so darstellen.
Da könnte man ja glauben, dass früher im 18. Jahrhundert in der Feldschlacht Plänklerdarstellung komplett zu vernachlässigen sein könnte. Da solche Einheiten evtl. von den Kommandeuren schön in festen Formationen belassen wurden. Wie ist es?
Alex Burns hat dem Thema einen Blogpost gewidmet: http://kabinettskriege.blogspot.de/2018/02/how-often-did-regular-troops-fight-as.html

Da etwas sehr speziell gibt es in einfacheren Tabletop-Regelwerken keine besondere Berücksichtigung des Fakts, dass auch Linieninfanterie immer wieder plänkelte.

Hier meine Bemerkungen aus dem Projekte-Thread:
Zitat
Erstmal das Einfachste. Die Entwicklung der der Linieninfanterie organisatorisch angegliederten leichten Inf. in der franz. Armee.
Mitte des 18.Jh. (also um 1740 und dann auch im Siebenjährigen) gab es in jedem Regiment bei den Franzosen sogenannte Piquets. Das waren ausgewählte Leute, welche im Grunde Aufklärungsdienste übernahmen. Uniformmäßig sahen sie genauso aus wie die Füsiliere, also die Masse der Infanterie. Daneben gab es noch Grenadiere, die zu meiner Zeit (1740er) fast identisch ausschauten wie Füsiliere nur mit Säbeln statt Degen bewaffnet. Später bekamen sie dann zusehends Bärenfellmützen, aber das ist ein anderes Thema.
Im späten 18.Jh. kam dann die Idee auf der Linieninfanterie spezielle leichte Infanterie beizugeben. So hatte dann jeweils das 2. Bataillon statt einer Grenadierkompanie eine Kompanie Chasseurs (Jäger), die ebenso wie die Grenadiere einen Elitestatus genossen.
Offenbar war das Ergebnis nicht irgendwie überzeugend. Ich denke, hinzu kam, dass man erkannte, dass genauso gut Grenadiere und Füsiliere plänkeln konnten, v.a. da die Chasseurs eh von der Ausrüstung her genauso ausschauten wie die normale Linieninfanterie. Jedenfalls wurden dann kurz vor den Koalitionskriegen die Jägerkompanien bei den Linienregimentern wieder abgeschafft und durch Grenadierkompanien ersetzt.

Geplänkelt wurde im Österr. Erbfolgekrieg ähnlich wie in den späteren Kriegen des 18.Jh. - vielleicht den in Amerika ausgenommen wegen dem anderen Gelände. Man schickte Piquets oder leichte Infanterie voraus um taktisch wichtige Posten vor dem Feind zu besetzen. Wenn Wälder vorhanden waren wie bei Fontenoy der Bois de Barry war es naheliegend diese mit leichten Truppen zu besetzen, da dort die Linieninfanterie eh nicht in gewohnter Weise kämpfen konnte. Auch Dörfer wurden von Vorauskommandos besetzt. Bei Rocoux 1746 gingen beispielsweise langwierige und für den Schlachtverlauf durchaus wichtige Plänklergefechte der eigentlichen Schlacht voraus (Arquebusiers de Grassin und Fusiliers de la Molière gegen Kroaten und Panduren). Wer dabei einen wichtigen Posten erobern konnte, evtl. auch wenn die vorgeschobenen Piquets rechtzeitig Unterstützung von Linientruppen erhielten, hatte einen nicht zu unterschätzenden Vorteil in der Schlacht. Leichte Infanterie war oft wichtig, wenn das Gelände den Einsatz von Kavallerie verbot, dann konnte man mit leichter Infanterie auch den Feind umgehen und von der Flanke beschießen und somit eine ehedem solide wirkende Stellung ins Wanken bringen wie bei Pfaffenhofen (siehe meinen Schlachtbericht: http://www.sweetwater-forum.de/index.php…&threadID=20717 ). Ich halte leichte Infanterie im Österr. Erbfolgekrieg egal ob in Schlesien oder in Flandern für einen ganz ganz wichtigen Faktor. Es gibt auch ein Buch einer franz. Autorin zur leichten Infanterie unter Louis XV, das ich aber leider nicht habe. Das würde Dir sicher weiter helfen.
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Riothamus

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Plänkeln im 18.Jh.
« Antwort #1 am: 09. März 2018 - 12:32:45 »

Man darf hier plänkeln und plänkeln nicht vermischen.

Die Plänkler der Tirailleure-Taktik hatten andere Aufgaben, als die Plänkler der vorrevolutionären Kriege.

Die Tirailleure bildeten eine Schützenlinie, verschleierten und bedeckten die Bewegung des Bataillons hinter ihnen und erhöhten den Stress, dem die feindlichen Truppen ausgesetzt waren durch die Konstanz einzelner Schüsse. Als Ideal galt es, dass dabei auch eine gewisse Zahl gezielter Schüsse waren, was aber aufgrund der Logistik nicht oder nur unzureichend erreicht wurde. Im Feldzug von 1815 hatten die Preußen noch zu wenig Schützen und Jäger mit gezogenen Waffen, um jedem Korps welche zuzuteilen. (Wobei man berücksichtigen muss, dass die Ordre de Bataille bei den Preußen auch verändert wurde, wenn es als notwendig erschien.)

Dabei handelte es sich also um die regelmäßige Einbeziehung von Plänklern in den Kampf der Linienbataillone, wie es das in der Antike schon einmal gab.

Noch im 7jährigen Krieg dienten Plänkler aber situationsabhängigen Zwecken. Sie konnten bestimmte Positionen besetzen. (Hier ist wiederum die Unterscheidung schwierig und teilweise nicht zu treffen, ob leichte Infanterie, die ein Waldstück oder ein Dorf besetzt hält, schon als Plänkler zu betrachten ist.) Vorgeschobene Posten - Piquets - sind sicher als Plänkler zu betrachten. Aber auch die Eröffnung und Aufrechterhaltung des Gefechts kam in einer Zeit, in der es eine Kunst war, den Gegner in günstiger Lage zu einer Schlacht zu bewegen, natürlich vor. Ich bin sicher, dass man auch Beispiele findet, in denen Linientruppen durch plänkelnde Truppen abgeschirmt wurden.

Es handelt sich dabei in aller Regel aber um situationsabhängige und nicht regelmäßige Verwendung von Truppen, die eigentliche zu anderen Zwecken eingesetzt wurden. Aber keine Regel ohne Ausnahme: Die gleichsam als vorbereitete Posten nutzbaren französischen Piquets, die Grenzinfanterie der Österreicher und die preußischen Jäger. Dazu das plänkelnde Feuergefecht der Husaren, dass schon ob der ähnlichen Aufstellung als Vorgänger des Tirailleure-Gefechts gelten muss. Allerdings wurde es vorzugsweise eingesetzt, um einzelne oder wenige Bataillone mürbe zu machen, wie bei Saalfeld. Gerade, wo Brücken, Engpässe oder ähnliches von der Reichsarmee mit 2 oder 3 Bataillonen gesichert wurden, erwiesen sich die preußischen Husaren hier als effektiv, während sie für die Schlacht den Schock beherrschen mussten.

Diese ältere Form des Plänkelns müsste natürlich von den Regeln anders dargestellt werden. Aber ohne Spieler, die ihr heutiges Wissen ignorieren, um das Plänkeln nicht ahistorisch zu benutzen, dürfte es auch nicht funktionieren. Hier müsst man Richtlinien aufstellen. So genau habe ich die Anweisungen Friedrich d.G.n an seine Generäle nicht gelesen, als dass ich mich erinnere, ob sich dort etwas Verwertbares zum Thema findet. Ohne solche Richtlinien wäre man auf das nachspielen historischer Schlachten begrenzt.

Du führst zwar immer wieder vor, wie dies interessant gestaltet werden kann, aber die meisten von uns möchten dann doch dem \'freien\' Spiel nicht ganz entsagen. Aber -wenn es dazu keine Anleitungen, wie z.B. die erwähnte (im Netz auch in deutscher Übersetzung, die angefertigt wurde, nachdem die Gegenseite ein Examplar erbeutet hatte, zu findenden) Anweisungen des alten Fritz, gibt - müsste so etwas aus Schlachtbeschreibungen und der Überlegung, wie man solches sinnvoll ins Spiel einbeziehen kann abgeleitet werden. Zunächst vielleicht bei einer einzelnen nachgespielten Schlacht als Experiment, um dann die jeweilige plänkelnde Verwendung und ihre Ergebnisse bei verschiedenen historischen Schlachten zu vergleichen und so nach und nach für jede dieser Verwendungen zu einer Regel zu kommen.

Es wäre interessant, ob sich schon jemand die Mühe gehabt hat, in diese Richtung zu gehen und sich von der reinen Lehre der Lineartaktik zu entfernen. Damit könnte auch besser bei den Reitern differenziert werden: Husaren, die zu Pferde plänkeln können, Dragoner, die quasi als mobile Plänkler zu Fuß eingesetzt werden können, wenn Bedarf ist und Kürassiere, die nur als \'Schlachtenreiter\' dienen. Dadurch sollte die Kavallerie interessanter werden.

(Das ist übrigens ein Grund, warum ich Kugelhagel für in diese Richtung erweiterbar halte: Bei einfach gehaltenen Regeln sind Zusatz-, Haus- oder Sonderregeln leichter einzufügen und in ihren Folgen besser zu überschauen.)

Ähnlich gibt es da noch weitere Themen der Zeit, die sicher interessant herauszuarbeiten sind:

Das Sich-Überleben der Lineartaktik im späten 7jährigen Krieg und im bayrischen Erbfolgekrieg (Kartoffelkrieg), die besonderen Taktiken Russlands, Polens, Österreichs und des Osmanischen Reichs in Osteuropa und, was mich besonders interessiert, da das Paderborner Regiment meist bei der \'leichten oder freien Brigade\' der Reichsarmee eingesetzt wurde, das Gefecht von Verbänden der Freitruppen in dieser Zeit. Beim erstgenannten Thema ist natürlich die Frage, ob das Auswirkungen auf Bataillonsebene hatte oder nur im größeren Maßstab sinnvoll ist.

Das Herumprobieren und Tests durch Anwendung und die nachfolgende strikte Umsetzung in Regeln sind ja geradezu ein Kennzeichen dieser Epoche, da kann es nicht falsch sein, sich auch auf dem Spieltisch darauf einzulassen.
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Gruß

Riothamus

Pappenheimer

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Plänkeln im 18.Jh.
« Antwort #2 am: 09. März 2018 - 13:12:33 »

Ich denke, ich bin da bei Alex Burns und auch der eine Kommentar zu seinem Blog-Artikel scheint mir bemerkenswert.

Plänkler wurden offensichtlich in erhöhtem Maße ab dem Österr. Erbfolgekrieg eingeführt, weil man sich anders schlichtweg nicht zu behelfen wusste. Wenn der Feind nicht nur einzelne sondern hunderte oder tausende Plänkler verwendete, dann konnte man entweder das ignorieren und wie die Franzosen in zahlreichen Gefechten gegen Österreicher 2- oder 3-fach höhere Verluste einstecken (Weißenburg, Rheinübergang bei Beinheim) oder man reagierte. Die Franzosen taten das mal halbherzig mal beherzter, dann immerhin mit der Aufstellung zahlreicher leichter Einheiten, welche mehr ausrichten sollten als die bereits ehedem vorhandenen \"Compagnies Franches\".

Die Lineartaktik erforderte, um zur vollen Geltung zu kommen, ein ideales Schlachtfeld. Auf so einem idealen, möglichst ebenen, überschaubaren Schlachtfeld wiederum waren Tirailleurs - auch ein Franzose nannte bewusst seine Plänkler schon im Siebenjährigen so - sinnlos. Wahrscheinlich waren sie auch in den Koalitionskriegen dort sinnlos, weil sie da einfach eine leichte Beute für Kavallerie waren. Aber in jeder Kulturlandschaft und v.a. vor der Umwandlung in riesige zusammenhängende Ackerflächen, hat man Gräben und diese säumende Bäume, das zumindest mit Abstrichen gute Terrain für Plänkler.

Kriegsführung besteht m.E. meistens aus Evolutionen nicht aus Revolutionen. Die franz. Armee hat m.E. eine Entwicklung mitgemacht, die zuerst von einer Einführung der leichten Infanterie (Anfang 18.Jh.) über die beschränkte Verwendung von leichten Truppen als fester Bestandteil der Linientruppen (Mitte 18.Jh.) bis hin zu einem bedeutenden Gewicht auf dem Kampf der Tirailleurs (Koalitionskriege) führte.
Anders als in Preußen war nicht der König eine Art Mastermind, aber es gab die Generalität.
Broglie (1718-1804) wird von Alex Burns erwähnt. Broglie war es auch der die \"ordre profond\" gegen die \"ordre mince\" verteidigte. Die traditionelle Überzeugung der Franzosen für eine eher auf Nahkampf angelegte tiefere Formation gegenüber eine im Grunde eher zum Feuerkampf geeignete flachere. Kein Wunder vielleicht, dass die Franzosen genau die Kombination des von Broglie geförderten Tiraillierens mit dem ebenfalls von Broglie befürworteten Kolonnentaktik dann unter Napi bevorzugten.

De Saxe war nicht umsonst ein Vorbild Napoleons. Die Anlagen seiner Schlachten bei Rocoux und Lauffeld haben schon ziemlich napoleonische Züge mit tiefen Angriffskolonnen und massivem Einsatz von \"Auxiliartruppen\" an der Spitze der Kolonnen. Bei Rocoux stand sicherlich nicht umsonst genau auf dem Flügel, wo der Hauptstoß erfolgen sollte, der die feindliche Aufstellung aufrollen sollte, die \"crack snipers\" (Jerry F. Berry) der Arquebusiers de Grassin und der ähnlich gut kämpfenden Fusiliers de la Morlière. De Saxe zeichnete ähnlich wie Napoléon aus, dass er keine überkomplizierten Schlachtpläne ausklügelte, die sowieso nicht klappen konnten, da sie von zu vielen Unwägbarkeiten zumeist torpediert wurden (man denke an die Pläne der Österreicher und Russen bei Austerlitz).

Interessant finde ich bei Burns, dass manchmal Staaten von denen es man nicht so sehr erwartet wie die Hessen auf Plänkler (skirmishers oder flankers) setzten. Hier zeigt sich, dass in Amerika recht rasch begriffen wurde, dass man sich der Topographie anpassen musste.
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Killerhobbit

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Plänkeln im 18.Jh.
« Antwort #3 am: 09. März 2018 - 13:22:30 »

Ich hab mich auch mal mit den Thema ganz Allgemein befasst

Soweit ich es verstanden hab muss man zwischen Rifle Jägern und Musketen Jägern unterscheiden

Erstere wurden speziell dazu eingesetzt gegnerische Infanterie aus den Fenster von Gebäuden \"herauszuschiessen\"
Also bei Plänklergefechten um Häuser, die länger dauern können, dabei aber die verteidigenden Infanterie zermürben.
Da die Verteidiger nicht aus ihrer Deckung herauskommen, kann das Rifle seine größere Reichweite nutzen, ohne dabei selbst in Gefahr zu geraten.
Auf kürze Distanz war die Muskete dem Rifle sogar aufgrund der höheren Schussfolge überlegen, sodass die Riflemen dann ihrerseits kleinere Kugel verwendet haben (die nicht in die gezogenen Läufe hereingestossen werden müssen)

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

Beim klassischen Plänklergefecht (also inmitten der Schlacht bzw vor der Linie)
ist mir beim Reisswitz Kriegspiel aufgefallen, dass bei den Preussen die gesamte 3 Reihe gepänkelt hat.
Die folgenden Aussagen gelten also primär erstmal nur für die Zeit um 1812 bis 1815.

1 Drittel des Regiments rückt vor der Angriffskolonne vor und beginnt ein Plänklergefecht.
Laut den Reisswitz Faktoren ist diese Art Plänkler Feuern sogar dem Feuern einer Linie überlegen, (bezogen auf die Toten)
sodass auch die Linie ihrerseits Plänkler vorrauschicken muss, um sich selbst zu decken.

Die Linie bzw die Angriffkolonne bilden also nur die Rückfallpositionen im Fall von Reiterangriffen.

Teilweise teilen sich die Plänkler dabei sogar noch in drei Gruppen auf

25% feuern auf den Feind,
50% bilden ein kleineres Minikarree, welches sich zwischen der vordersten Feuerlinie und der rückwärtigen Angriffskolonne befindet
und somit eine Art erste Rückfallposition auf halben Wege bildet
und die restlichen 25% befinden sich zwischen diesem Minikaree und der Angriffskolonne
und reinigen dort ihrer benutzen Gewehre.

Auf mich hat das Ganze den Eindruck gemacht, als ob es den klassische Bajonettangriff Kolonne auf Linie gar nicht mehr gegeben hat
sondern sich beide Seiten runterschiessen, bis eine Seite moralisch gebrochen ist.
Der eigentliche Bajonettangriff der Angriffkolonne oder der Linie dient nur noch dazu
den Zustand des \"moralisch gebrochen Seins\" in eine \"echte Flucht\" zu verändern, (aus dem es dann auch kein Sammeln mehr gibt)

Wenn beide Formationen ihrer Plänkler bis zu 400 Meter vorausschicken,
dann bleiben beide geschlossenen Formationen damit auch außerhalb 800 Meter zueinander
und damit auch außerhalb der Kannister Reichweite von Artillerie.

Soweit ich es bei Reisswitz verstanden habe sind die Artilleriegeschütze auch der wahre Grund,
warum es keinen sofortigen Bajonettangriff einer Kolonne auf eine Linie gibt,
Ein solcher Angriff würde nämlich unter 800 Schritt druch die Wirkung der Artillerie
MORALISCH ZUM STEHEN gebracht werden und dann in dieser Todeszone (unterhalb 800 Schritt) einfach vom Schrapnell zerschossen werden.

Ps. Reisswitz kennt diese Schrapnellwirkung übrigens schon ab 800 Schritt und nicht wie viele Tabletopsysteme erst ab 400 Schritt zum Feind

Die Wirkung der Artillerie verhält sich bei Reisswitz im Verhältnis 1 zu 2 zu 4 zu 8
auf die Entfernung von 1600/1200/800/400

(bei schwerer Artillerie ist die Reichweite 2000/1500/1000/500)
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Flotter_Otto

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Plänkeln im 18.Jh.
« Antwort #4 am: 09. März 2018 - 17:00:35 »

Hallo,
die hier gemachten Ausführungen sind informativ und decken sich mit dem, was ich auch im Wesentlichen kenne. Daher machte ich mir auch Gedanken, wie das Plänkeln im Tabletop zur Zeit des SYW umzusetzen ginge. Damit das Plänkeln sich vom napoleonischen Plänkeln unterscheidet, habe ich einen sofortigen Moraltest eingeführt, wenn Plänkler im offenen Gelände unterwegs ist und feindliche Infanterie in Feuerreichweite ist. Bei geschütztem Terrain, wie Wald, Ortschaft oder schwer zugänglich, können die Plänkler ohne Einschränkung operieren. Gegen feindliche Kavallerie im offenen Gelände können auch noch automatische Ausweichbewegungen der Plänkler hinzukommen.
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Pappenheimer

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« Antwort #5 am: 09. März 2018 - 17:17:09 »

Bei HoW gibt es ja praktisch keine Moraltests. Da sind Plänkler in offenem Gelände halt einfach extrem anfällig für Kavallerieangriffe und ähnliches. Müsste das nochmal im Detail nachschlagen. Jedenfalls müssen da die Angreifer nicht einfach an der Stelle stehen bleiben, wo sie auf die Plänkler getroffen wären, sondern dürfen evtl. noch die komplette Reichweite der Bewegung weiter vorrücken, was die Chance liefert, doch noch ins Handgemenge mit den Plänklern zu kommen, die im Nahkampf natürlich miserabel sind. In üblichem Gelände wie Wäldern oder anderem \"rough Terrain\" können sie recht leicht per Evade-Bewegung z.B. Bajonettangriffen ausweichen. Das spiegelt dann recht gut wieder, was z.B. den Loyalisten am Kings Mountain passiert ist, als sie versuchten die sie umzingelnden Truppen zu verjagen. https://en.wikipedia.org/wiki/Battle_of_Kings_Mountain

Schwieriger ist eigentlich das Ausbringen von Piquets, was ja scheinbar der Kern der Plänklertaktik der Zeit war. Stellt man es dar indem man einfach 1-2 Basen der Muttereinheit abtrennt. Andererseits ist da ja nur von vielleicht 50 Mann die Rede bisweilen. Gut, bei nem Bataillon von 4-600 Mann wäre das 1/8. Hm. Bei Einheiten mit 6-7 Basen würde das noch gehen. Und dann müsste man den Plänklerschirm einholen können und ne unwahrscheinliche Chance haben, dass das nicht klappt - vielleicht auf ne 1.

Z.B. ein franz. Btl. bringt Piquets vor. Diese agieren wie small light infantry. Reiter tauchen auf und chargen die Piquets. Piquets dürfen eine Evadebewegung machen. Auf ne 1 (vielleicht auch 1-2) verpatzen sie es von der Muttertruppe aufgenommen zu werden und müssen im Nahkampf gegen die Reiter ran. Evtl. sogar nochmal mit nem Abzug weil durchs Evaden erschöpft.
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Pappenheimer

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« Antwort #6 am: 09. März 2018 - 17:30:18 »

Zum Thema Dorfgefechte:
Ich denke, es kommt drauf an.

Wenn ich ein Dorf mit ein paar hundert Mann Piquets verteidige, kann das eher nach einem Plänkeln ausschauen. Wenn ich es mit einer Brigade Infanterie besetze dann nicht. Die paar hundert Mann gaukeln wahrscheinlich nur eine ernsthafte Verteidigung vor. Primär geht es aber darum den Feind zu täuschen und Zeit zu gewinnen. Nicht aber um eine ernsthafte Verteidigung.

Ich würde mal schätzen, dass man zur Verteidigung eines Bauernhofes mit Bauernhaus, separaten Stall- und Scheunengebäuden vielleicht eine Kompanie braucht.
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Flotter_Otto

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« Antwort #7 am: 09. März 2018 - 17:44:57 »

Der Kampf um Ortschaften müßte im Spiel definiert werden und wieviele Einheiten in das Dorf hinein dürfen. Dann kann das fürs Spiel auch simuliert werden.
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Killerhobbit

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« Antwort #8 am: 10. März 2018 - 09:31:32 »

Mein Text oben enthält einen Fehler

Die Wirkung der Artillerie verhält sich in Wahrheit 1 zu 2 zu 4 zu 6

(und nicht 1 zu 2 zu 4 zu 8 wie oben beschrieben)

Auf Entfernungen unter 400 Schritt feuern die Artillerie also nur um 50% besser als auf Entfernung von 800 - 400 Schritt.
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tattergreis

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« Antwort #9 am: 10. März 2018 - 10:44:34 »

@killerhobbit: ich hab nicht verstanden, weshalb Du denkst, dass das Artilleriefeuer (und nicht u.U. schon das Infanteriefeuer allein) die Kolonne zum Stehen bringt. Benutzt Du Reisswitz Kriegsspiel von den TooFatLardies oder eine andere Quelle?
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Killerhobbit

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« Antwort #10 am: 11. März 2018 - 11:25:36 »

Ich hab mir die Original Regeln von Reisswitz vor Jahren runtergeladen

Die Wirkung von Artilleriefeuer hatte ich beschrieben

Die Wirkung von Musketenfeuer ist (soweit ich mich erinnere) ähnlich
also auch 1 zu 2 zu 4 zu 6
und zwar auf Entfernungen von 400 / 300 / 200 / 100 Schritt

Rifles waren hierbei auf große Distanz besser als Musketen
und zwar 2 zu 3 zu 4 zu 6

Soweit ich mich erinnere führt das Kannister Feuer ab unter 800 Schritt zu Verlusten bei der vorrückenden Infanterie
welche dann einen Rückzug (um eine Bewegung) macht, anstatt in der selbigen Zeit weiter vorzurücken
Die Infanterie kommt also gar nicht mehr in die effektive Reichweite der feindlichen Musketen (also auf unter 100 Schritt an den Feind heran)

Stattdessen rückt sie in der Todeszone von unter 800 Schritt mehr oder weniger sinnlos vor zu zurück.
Die Truppen sind also moralisch zu schwach um weiter vorzurücken und moralisch noch zu gut um einfach wegzulaufen

Hierbei kommt es insgesamt natürlich auf das Verhältnis zwischen verteidigender Artillerie und angreifenden Infanterieregimenten an.
Ein einzelnes Geschütz kann natürlich nicht mehr den Vormarsch einer ganzen Brigade durch die Todeszone stoppen.

XXXXXXXXXXX

Die Schlacht läuft also so ab, dass der Angreifer auf 1000 bis 800 Schritt an den Feind heranrückt
und dabei auch seine eigenen Geschütze nach vorne bringt.

Diese Geschütze liefern sich dann ein Artillerieduell mit den gegnerischen Geschützen,
um dessen Geschütze zu vernichten
und damit einen späteren Infanterieangriff durch den Todesraum zu ermöglichen.

Parallel rücken die Plänkler des Angreifers vor,
welche ihrerseits möglicherweise auch primär erstmal die feindlichen Geschützbesatzungen töten sollen
sollte der Verteidiger keine eigenen Plänkler aussenden.

Sind keine feindlichen Geschütze mehr vorhanden feuern die Plänkler ansonsten auf die Linie
und fügen dieser dabei mehr Tote zu als sie selbst bekommen.
um dieses zu verhindern sendet die Linie ihrerseits auch Plänkler voraus
die sich dann mit den angreifenden Plänklern duellieren.

Ich könnte mir vorstellen, dass diese Plänkler dabei gar keinen eigenen Moralwert haben,
sondern auf die Moral ihres Regiments zurückgreifen. Immerhin haben die Plänkler keine richtige Formation
und das Regiment als Rückzugsort ist ja durchgehend vorhanden.

Der Bajonettangriff zum Schluss dient nur noch dazu eine echte Flucht auszulösen.
Hierbei kann es natürlich auch passieren, das die Linie nicht schon vorm eigentlichen Kontakt flieht, sondern stattdessen weiter feuert.
Dann bricht jedoch meist der Angriff in sich zusammen bzw. bleibt stehen.
(Russen sind hierbei wahrscheinlich die große Ausnahme von der Regel,
weil sie möglicherweise einfach zu stur zum weglaufen oder den Angriff stoppen waren)

Bis zu dieser Flucht bleibt die feindliche Formation (wenn auch moralisch angeknackst) immer noch in Takt
und liesse sich ansonsten durch eine Rückzug und Ausruhen in die Reserve wieder sammeln.
Insbesondere bleibt die Einheit auch nach einer Schlacht erhalten
und sammelt am Abend dann die zerstreuten Soldaten wieder ein.

Die Preußen haben in dieser Zeit übrigens häufig noch kleine Kavallerieschwadrone auf Ebene der Infanteriebrigaden
Diese 120 Reiter dienen speziell dazu die feindlichen Plänkler zu ihrer Haupteinheit zurückzutreiben
und damit den eigenen Plänkler zu ermöglichen auf die feindliche Linie und dessen Artillerie direkt zu feuern.

Sobald der wirkliche Bajonettangriff erfolgt, könnten diese Reiter natürlich auch angreifen um eine Flucht beim Feind auszulösen
bzw. die fliehenden Feinde niederzumachen. Mich erinnert das an den Film \"der Patriot\"
« Letzte Änderung: 01. Januar 1970 - 01:00:00 von 1520767237 »
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Riothamus

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Plänkeln im 18.Jh.
« Antwort #11 am: 11. März 2018 - 12:21:49 »

Den einzelnen Brigaden der Preußen waren in der Regel 2 Schwadronen zugeteilt, also eine ihrer üblichen \"Halbdivisionen\", die sie wohl als kleinste Schocktruppe in dieser Zeit einsetzten. (Reisswitz schrieb seine Regeln ja erst für eine etwas spätere Situation.)

Die Brigaden der Preußen waren auch keine Infanteriebrigaden, sondern Divisionen, die sich nur Brigaden nannten. Darin fungierten die Regimenter so, wie in anderen Armeen Brigaden. Typische Zusammensetzung bei Waterloo: 2 Linieninfanterieregimenter (gerne eines der alten und eines der neuen), 1 Landwehrregiment, 2 Eskadronen und 1 Batterie. Mitunter kamen noch Schützen oder Jäger dazu. Offiziell waren sie der 1. und 5. Brigade zugeteilt, wurden aber wohl je nach Bedarf auf die Linie der Plänkler verteilt, um dort auch einige gezogene Waffen zu haben. (Ausnahmen bestätigen die Regel und auf der Mont St. Jean Seite fehlen die Jäger der Russisch-Deutschen-Legion und der Sächsischen Freiwilligen, vielleicht, weil aus ihnen erst kurz nach der Schlacht ein Bataillon gebildet wurde. Ob die Tiroler Jäger des 25. IR immer noch ihre Büchsen hatten, habe ich nicht herausgefunden. Da es sich bei den genannten um \'Überbleibsel\' handelte und das 25. noch keine neue Ausrüstung empfangen hatte, mag das durchaus als der wahrscheinlichere Fall gelten. Darauf setzen würde ich aber nicht.)

Können wir Reisswitz und das Napoleonische in einen anderen Thread verchieben, damit es übersichtlicher bleibt? Zudem wäre es dumm, wenn es nicht gut zu finden wäre. Titel vielleicht Plänkeln napoleonisch? Hier geht es ja eher um die Kabinettskriege und auch, wenn ich mit einem Vergleich angefangen habe, um in die Diskussion zu kommen, so sind es ja verschiedene Zeiten und es ist immer dumm, wenn nur die Eingeweihten wissen, wo sie die Antwort auf eine Frage finden.


Edit: Zu Reisswitz kann ich auch nur empfehlen, das Original herunterzuladen. Da fehlen zwar die Karten, dafür ist es dann eben auch das Original. Der Nachdruck durch die Too Fat Lardies ist natürlich verdienstvoll, aber wo es um die Regeln als Quelle geht, ist das Original oder ein Scan eben nicht zu schlagen.
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Riothamus

Killerhobbit

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Plänkeln im 18.Jh.
« Antwort #12 am: 11. März 2018 - 12:39:23 »

Ich finde es schon hilfreich, einen Vergleich mit der späteren napoleonischen Zeit anzustellen
Man muss sich das ganze Gefecht dann nur mit Linien und weniger oder gar keinen Plänklern vorstellen
bzw. mit schlechteren Kanonen.

Natürlich ist das in etwa so als ob man 1870/71 mit dem ersten Weltkrieg vergleicht
aber die unterschiedliche Kriegsführung ergibt sich ja nur aus der besseren Waffenwirkung
und sollte sich nicht aus den Regeln selbst ergeben.
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Poliorketes

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Plänkeln im 18.Jh.
« Antwort #13 am: 11. März 2018 - 13:31:53 »

Zitat
Die Lineartaktik erforderte, um zur vollen Geltung zu kommen, ein ideales Schlachtfeld. Auf so einem idealen, möglichst ebenen, überschaubaren Schlachtfeld wiederum waren Tirailleurs - auch ein Franzose nannte bewusst seine Plänkler schon im Siebenjährigen so - sinnlos. Wahrscheinlich waren sie auch in den Koalitionskriegen dort sinnlos, weil sie da einfach eine leichte Beute für Kavallerie waren. Aber in jeder Kulturlandschaft und v.a. vor der Umwandlung in riesige zusammenhängende Ackerflächen, hat man Gräben und diese säumende Bäume, das zumindest mit Abstrichen gute Terrain für Plänkler.
Erinnert mich sehr an Phalanx gegen Peltasten. Ist also wohl kein epochenspezifisches Problem
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Beim Aussteigen stolpert man schon mal über das Dach des nebenan geparkten Autos. Von Parkhäusern reden wir hier lieber nicht. Sagen wir, der Wendekreis ist groß. (Aus einem Test des Ford Ranger)

Maréchal Davout

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« Antwort #14 am: 11. März 2018 - 13:42:07 »

Zitat von: \'Killerhobbit\',\'index.php?page=Thread&postID=269033#post269033
Ich finde es schon hilfreich, einen Vergleich mit der späteren napoleonischen Zeit anzustellen
Man muss sich das ganze Gefecht dann nur mit Linien und weniger oder gar keinen Plänklern vorstellen
bzw. mit schlechteren Kanonen.

Natürlich ist das in etwa so als ob man 1870/71 mit dem ersten Weltkrieg vergleicht
aber die unterschiedliche Kriegsführung ergibt sich ja nur aus der besseren Waffenwirkung
18. Jh und napoleonische Zeit vergleichen kann man schon. Es ist aus meiner Sicht nicht \"in etwa so als ob man 1870/71 mit dem ersten Weltkrieg\" vergleicht, weil da die waffentechnischen Unterschiede viel größer als zwischen 1740 und dem Anfang des 19. Jh. waren.
Muskete, Pferd, Säbel und bis zu gewissem Grad auch Kanonen waren technisch ähnlicher als die Waffen von 1870 mit denen von 1914-1918 (Maschinengewehre, Flugzeuge, neue Geschütze, dann Panzer etc.).

Trotzdem ist es gut, dass besondere bzw. den früheren Stand in einer Evolution herauszuarbeiten!
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