Über Stadtplanung lässt sich herrlich streiten, ohne dass es zu einem Ergebnis führen muss. Das ist auch gut so, schließlich sind wir alle verschieden.
Manchmal sieht man aber auch die Nachteile einer Lösung erst, wenn man die verschiedenen Optionen miteinander vergleicht. Genauso ging es mir mit Potsdam. Die Diskussionen habe ich erst verstanden, als ich andere Konzepte sah. Das ist so ein Fall, bei dem ich froh bin, mich nicht entscheiden zu müssen.
Die Forderung aus jedem Nachbau ein archäologisches Experiment zu machen, kann ich auch nicht nachvollziehen. In Paderborn hat man sich nach dem Krieg bemüht, Fassaden wieder herzustellen, wo sie auffallen und zum Charakter der Innenstadt beitragen. Dadurch konnte einiges erhalten/wiederhergestellt werden. Damals stand die Schaffung von Neuem weniger im Vordergrund als die Kosten: Es wurde praktisch gebaut. Nach der Wende hat man solches Vorgehen in den neuen Bundesländern leider weniger berücksichtigt und so oder so zu radikaleren Lösungen gegriffen.
Alte Städte ziehen ihren Reiz aus der unterschiedlichen Architektur. Das heißt, dass auch heutige Architektur errichtet werden muss. Allein aus der Umgebung ergibt sich in den Innenstädten schon, dass es in ein älteres Umfeld eingebunden werden muss. Sicher wäre es reizvoll zu sehen, wie ein Entwurf aussähe, der ein modernes \"Stadtschloss\" gezeigt hätte, der sich in das größere Konzept einfügt. Doch neigen Architekten leider oft dazu, aus ihren Gebäuden ganz individuelle Stars zu machen. Architekten, die dies nicht tun, sondern sich um die Verbindung zur umliegenden Architektur bemühen, werden selten berühmt. Da ist dann häufig das alte Bild besser als die modernen Vorschläge. Solche Diskussionen ziehen sich bis in die Kleinstädte, wo alte Architektur oft nicht erhalten werden kann. Man will hier dann meist nicht den Fehler machen, Altes einfach zu entsorgen und durch modernes zu ersetzen. So kommt es oft zu schlechten Lösungen.
Eine Stadt wie Jena, wo es zur Zeit der Wende noch große Baulücken aus Kriegszeiten gab - die Bomben trafen statt der nebenan liegenden Fabrik die Westhälfte der Altstadt - kann da verschiedenes zeigen. Teilweise wurde da nicht einmal groß über die Architektur selbst gestritten, sondern nur um den Standort.
In Berlin und teils auch in Potsdam kommt natürlich hinzu, dass die ganze Republik interessiert ist, dass Tourismusinteressen betroffen sind, Gruppen Einfluss nehmen wollen und eben potentiell prägende Bauten entstehen.
Ich tendiere als Reflex meist erst dazu, ein Replikat des Alten zu fordern, weil da unleugbar im Hintergrund die Angst vor den Bausünden vergangener Zeiten und der drittklassigen Umsetzung moderner Konzepte wirkt. Ich sage nur Brutalismus. Da haben sich eine ganze Menge Leute daran beteiligt, daraus lauter Bausünden zu entwickeln. Aber das heißt nicht, dass ich nicht für neue Konzepte offen bin. Und die Planung zum Stadtschloss zeigt eine interessante Verbindung des Alten zum Neuen.
Es geht mir also nicht darum, alles Neue zu verwerfen. Es geht mir darum, dass das Neue auch in das Bestehende eingefügt werden muss.
(Hier in der Gegend gibt es noch ein ganz anderes Problem: Teilweise ist nicht mehr bekannt, ob etwas aus den 50er Jahren oder aus dem Mittelalter stammt. In den 50er Jahren wurde zudem so wild gebaut, dass ein guter Teil der Häuser, wenn die Bauverstöße bekannt würden, sofort geräumt werden müssten. Ein ganz eigener städtebaulicher Alptraum.)