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Autor Thema: Die gab\'s, die Karolinger  (Gelesen 2158 mal)

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Riothamus

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Die gab\'s, die Karolinger
« am: 01. Mai 2018 - 13:42:45 »

Bei der Diskussion um die Existenz Karl des Großen im Thread zu seiner Gripping Beast Miniatur bei den Tiny soldiers, äußerten einige Interesse am Thema. Da es zu keiner richtigen Diskussion mehr kam, wollte ich wenigstens etwas Literatur vorstellen. Dies erklärt den Titel des Threads. Nun, da das Forum seine Tore schließt, kopiere ich einige meiner Posts auf meine Festplatte. Da sich für den Hintergrund der Karolinger auch hier einige interessieren könnten, setze ich diese Literaturliste mal auch hier herein. Wer sich nicht für den Fluff interessiert, der braucht ja nicht weiter zu lesen.

Leider gibt es bei der Literatur ein Problem. In mancherlei Hinsicht ist da kein einzelnes Werk rundum zu empfehlen. Und ich sehe auch keines, was entsprechend herausgehoben wäre. Einiges ist anspruchsvoll geschrieben, nach anderem kann man zwar gut lernen, bietet seinen Inhalt aber nur knochentrocken dar und Ähnliches.

Aber auch die Ansprüche sind verschieden. Der eine will mehr Information, der andere weniger. Der eine ist wissenschaftliche und trockene Sprache gewöhnt, der nächste leidet, wenn die literarische Qualität zu gering ist und der Dritte bevorzugt bei Sachbüchern die klare, einfache Sprache wie bei Cäsar. Da bleibt also nur, verschiedene Werke anzugeben. Das ist dann natürlich meine persönliche Auswahl und ich hoffe, dass andere ihre bevorzugten Werke zur Zeit hier ebenfalls nennen und sagen, was sie vom schon Genannten halten.

Einige wollen sich nicht viel ins Regal stellen und bevorzugen Ãœbersichtswerke und Reihen, die mehr behandeln.

Wenn es um die Deutsche Geschichte geht, ist da Heinrich Pleticha (Hg.), Deutsche Geschichte in 12 Bänden, Gütersloh 1981ff zu empfehlen. Hervorragende Bebilderung, in einer Sprache, die es gleichzeitig zur guten Geschichtsnachhilfe für die Kinder macht, wobei es auf dem damaligen Forschungsstand zuverlässig ist. Der erste Band enthält die Zeit der Karolinger- und Ottonen. (374 Seiten)

Johannes Fried, Der Weg in die Geschichte - Die Ursprünge Deutschlands bis 1024, Frankfurt, Berlin 1994 ist mit über 1000 Seiten wesentlich umfangreicher, die Sprache nicht so klar, dafür schöner.

Kommen wir zu Büchern, die sich mit der Geschichte der Dynastie als Thema befassen. Da möchte ich drei nennen.

Zunächst Rudolf Schiefer, Die Karolinger, Stuttgart, Berlin Köln 1992. Spätere Auflagen sind durch Nachträge auf den aktuellen Forschungsstand gebracht. Hat durch die Orientierung an der Forschungsdiskussion und den zum Lernen gut geeigneten Aufbau wohl jeder Geschichtsstudent mal in Händen gehalten.

Etwas gemütlicher liest sich Pierre Riché, Die Karolinger - eine Familie formt Europa, Stuttgart 1987. Das Original erschien 1983 in Paris. Ebenfalls ein hochkarätiger Autor, allerdings nicht so aktuell gehalten.

Natürlich veraltet und -wie schon der Titel zeigt- der Ideologie seiner Zeit verhaftet, ist Engelbert Mühlbacher, Deutsche Geschichte unter den Karolingern, Stuttgart 1896, bis heute zahlreiche Nachdrucke, meist in 2 Bänden. Wegen der Fülle des Wissens, der klaren Darstellung, des Muts zum Urteil und der mitreißenden Schreibweise kann es immer noch gelesen werden. Hier empfehle ich es aber, weil er auch das Thema Krieg nicht zu kurz kommen lässt und dabei die Quellenarmut geschickt umspielt und so eine gute lesbare Darstellung z.B. der Sachsenkriege herauskommt, obwohl die Quellen sehr lakonisch sind. Als alleinige Informationsquelle zu den Karolingern würde ich es nicht lesen.

Kommen wir zum Ausgangspunkt der Diskussion, Karl den Großen. Die Biographien sind recht zahlreich. Ich nenne wieder zwei neue und ein altes Werk, diesmal an erster Stelle:

Einhard kam als Schüler an Karls Hof und wurde später Leiter der Hochschule. Er kannte Karl nicht nur persönlich, sondern war auch als Ratgeber in Entscheidungen einbezogen. Dass so jemand über seinen Herrscher eine Biographie schreibt, ist ein außergewöhnlicher Glücksfall. Im Mittelalter wurde es vergleichsweise oft abgeschrieben und heute ist die zweisprachige Reclamausgabe der Vita Karoli Magni (Leben Karls des Großen) sehr günstig erhältlich. Noch dazu war Einhard kein Geistlicher. Er war zwar mit Klöstern ausgestattet, war aber nur sogenannter Laienabt. Sprich: Die Einkünfte gingen an ihn und solange er die Substanz erhielt und die Mönche nicht verhungerten, konnte sich keiner beschweren. Zwei Kirchen, die nach seinen Plänen gebaut worden sein sollen, existieren noch. Dennoch spricht hier, ungewöhnlich für das Mittelalter, ein gelehrter Laie zu uns, der bei vielem Augenzeuge und Mithandelnder war. Bei ihm handelt nur Karl. Das gehört aber zur damaligen Sichtweise. Der König ist das Reich, steht für das Volk. (unter 40 Seiten deutscher Text, dazu kurze erklärende Anmerkungen und ein Nachwort von 8 oder 9 Seiten)

Dann kann ich, kurz und knackig, Matthias Becher, Karl der Große, München 1999 aus der Beck\'schen Reihe Wissen empfehlen. Informativ, aber mit ca. 120 Seiten definitiv kein zuviel an Wissen.

Um so ausführlicher dann wieder Johannes Fried, Karl der Große - Gewalt und Glaube, München 2013. Hier gilt wieder das schon zum Weg in die Geschichte Gesagte. Ein Manko ist, dass er mitunter Dinge, die sich noch in der Diskussion befinden, mehr oder weniger als Gewissheit hinstellt. Karls Onkel Karlmann z.B. kann genauso gut freiwillig ins Kloster gegangen sein. Aber immerhin nennt er dabei Argumente und so kann jeder selbst ein wenig rätseln, wenn er kritisch liest. Das macht auch einen Teil der Spannung des Buchs aus. Zudem bringt er einige neue Gesichtspunkte in die Darstellung. (über 600 Seiten)
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Riothamus

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Die gab\'s, die Karolinger
« Antwort #1 am: 01. Mai 2018 - 13:44:14 »

Damit es nicht zu lang wird, ein neuer Post.

Die genannten Bände beleuchten vorwiegend die Politische Geschichte. Aber wie sah damals die Welt aus, wie lebten und dachten ihre Bewohner?

Hier ist es einfacher, hier müssen zwei Werke einfach genannt werden.

Zunächst Pierre Riché, Die Welt der Karolinger, Stuttgart 1981, das Original erschien 1963 in Paris. Das Werk zu Alltag, Leben und Welt der Zeit. Punkt. Wer etwas darüber wissen will, kommt daran nicht vorbei.

Zur Einstellung, zur Mentalität und den Lebensentwürfe im Mittelalter muss man Arno Borst, Lebensformen im Mittelalter lesen. Ebenfalls Punkt. Nur beschäftigt er sich mit dem Ganzen Mittelalter, zeigt auch Entwicklungen auf. Zudem eine Fundgrube und ein Lesebuch in bestem Sinne, das viele Quellen abdruckt und erklärt.

Kommen wir zur Geistesgeschichte. Religion und Philosophie.

Das Frühmittelalter in Hinblick auf die Kirche und das Christentum beschreibt Arnold Angenendt, Das Frühmittelalter - Die abendländische Christenheit von 400 bis 900, Stuttgart, Berlin, Köln 1990.

Für mich kommt Lutz E. von Padberg, Die Christianisierung Europas im Mittelalter, Stuttgart 1998 wesentlich weniger akademisch daher. Zudem wirft es auch ein wenig Licht auf das Heidentum. Viel mehr geht in dieser Hinsicht nicht, da zum Heidentum bei Sachsen und Franken wenig überliefert ist.

Philosophen schreiben selten verständlich. Die zugrundeliegende Vorlesung des folgenden Werks wandte sich aber auch an Nichtstudenten. Dennoch sollte man langsamer und teils auch wiederholt lesen: Franz Schupp, Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie, 2.Teil, christliche Antike und Mittelalter (mittlerweile unter dem Titel Geschichte der Philosophie). Ich empfehle ihn nicht nur, weil ich die Vorlesung gehört habe. Ich kenne Leute, die es toll finden und Leute, die eher das Gegenteil sagen. Aber bei der Darstellung von Philosophie ist das zu erwarten. Also kann ich an dieser Stelle empfehlen, was mir gefällt.

Einfacher soll Hans Joachim Störig, Kleine Weltgeschichte der Philosophie, Stuttgart, Berlin, Köln 1950 sein. (Auch als Weltgeschichte der Philosophie erschienen.) Mir liegt es nicht so nahe.
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Riothamus

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Die gab\'s, die Karolinger
« Antwort #2 am: 01. Mai 2018 - 13:45:40 »

Im dritten Post wieder Handfesteres.

Zur Architektur gibt es einiges. Ich nenne Dietrich Conrad, Kirchenbau im Mittelalter, Leipzig 1990. Es ist anschaulich und bietet Inspiration für Modelle. Zudem sollte es günstig zu bekommen sein. Ein Manko ist, dass der Verlust von Techniken am Ende der Antike etwas überbetont wird. Das wird klar, wenn man den fortlaufenden Kirchenbau bedenkt. Auf niedrigem Niveau, aber vorhanden bleibt durchaus einiges Knowhow.

Die Kunst wird schon in der Deutschen Geschichte in 12 Bänden thematisiert, auch Fried, Der Weg in die Geschichte und Angenendt schreiben dazu einiges, auch zur Architektur.

Mitunter kann man Ausstellungskatalog kleinerer Ausstellungen günstig finden. Die können eine gute Quelle zu Alltagsgegenständen sein. Hier fällt mir sonst nur teures ein. Das liegt aber vielleicht nur an der Uhrzeit, zu der dies geschrieben wurde. Heute sei auf Google und Amazon verwiesen, da sich Angebot und Preise hier stetig ändern.

Es könnte noch jemand auf die Idee kommen, Literatur der Zeit lesen zu wollen. Andere Fragen vielleicht nach anschaulichen Beschreibungen. Wer nicht vor Poesie zurückschreckt kann das Epos De Karolo rege et Leone Papa (Von Karl dem König und Leo dem Papst), auch als Paderborner Epos oder Aachener Epos bekannt, zur Hand nehmen. Der Pfalzbau in Aachen, die Jagd und der Auszug Karls werden z.B. beschrieben. In Paderborn ist 1999 ein Faksimile mit Übersetzung mit Wilhelm Hentze als Herausgeber erschienen. Recht günstig sogar, für ein Faksimile äußerst günstig. Wie es heute gehandelt wird, kann ich nicht sagen, aber ich würde erstmal nach einer anderen Übersetzung googeln. Die findet man eventuell kostenlos.

Ich hoffe, meine Autokorrektur hat nicht allzu viele Fehler produziert. Beim einstellen im Sweetwater nin ich zwar nochmal drüber gegangen, aber wahrscheinlich habe ich nicht alles erwischt.
« Letzte Änderung: 01. Januar 1970 - 01:00:00 von 1525175747 »
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Riothamus