Das Kriegsspiel ist das einzige historische Wargame, vielleicht noch Little Wars. Und sie sind es weil sie Meilensteine in der Geschichte des Wargames sind.
Alles andere sind einfach nur Wargames.
Niemand wacht eines morgens auf und sagt sich \"Heute mach ich Wargame\".
Irgendetwas ist der Auslöser für den Gedanken, ein Historienschinken in dem die römischen Legionen die Barbaren unterwerfen, ein Geschichtsbuch, Uniformtafeln, eine Erzählung vom Opa oder das Zusehen bei einem Spiel. Die Gründe sind so mannigfaltig, wie die Spieler.
Der Klassiker unter den Wargamern, der 10 jährige Junge der auf dem Bauch liegend, auf die Ellenbogen gestützt, umgeben von seinen Airfix Soldaten Custers Schlacht am Little Big Horn nachspielt. Und obwohl die Sioux, Japaner aus dem zweiten Weltkrieg und die US Kavallerie, Französische Dragoner sind, ist seine Zufriedenheit mit der Qualität der Regeln und der Modelle ein für uns nicht erreichbares Ziel.
Ein Wargame macht uns Spass, wenn es die Dinge so abbildet, wie wir es uns vorstellen. Ein Angriff im Rücken sollte vorteilhaft sein, ein Tiger auf große Reichweite einen Sherman vernichten können und Custer langes wallendes Haar haben.
Die Darstellung auf dem Tisch sollte das Bild, dass wir von der Schlacht haben, gut widerspiegeln. Die Römer sollten in Kohorten aufmarschieren und die Barbaren als Horde auf sie zu stürmen. Napoleonische Schlachten sollten Linien, Kolonnen und Karrees (obwohl es wohl häufig eher kompakte Kolonnen waren) zeigen.
Die Vorstellung, die wir haben bildet sich aus einer Vielzahl von Quellen, wie die oben aufgezählten. Und es mag egal sein, ob es im napoleonischen Krieg wirklich so gut wie nie zum Bajonett-Kampf kam und eine Seite (fast) immer vorher geflohen ist, wenn mein Bild von einem Buch mit packenden napoleonischen Nahkämpfen geprägt ist, erwarte ich das auch in meinem Wargame. Und wenn im Kino Sarumann Horden von Orcs mit Piken aufmarschieren lässt, dann möchte ich das so auch in meinem Wargame sehen. GW ist/war so erfolgreich, weil sie Bilder (sprich Hintergrund) zu ihren Spielen verkaufen. Man bewegt nicht einfach ein paar Püppchen, man verteidigt den Palast des Imperators oder ist mit Oberst Gaunt unterwegs.
Und somit spielt es keine Rolle ob ein Spiel historisch genau ist, es macht das Spiel nicht generell besser oder schlechter. Es mag dafür sorgen, dass es dadurch der Vorstellung einzelner besser entspricht, aber das heißt nicht, dass es für alle besser oder die \"wahre Art\" zu spielen ist. Schach ist auch nicht das einzig wahre Spiel und Klassik ist nicht die einzig wahre Musik etc..
Das Prädikat historisch korrekt ist sowieso zweifelhaft. Der Abstraktionsgrad ist sehr hoch. Und gerade der Befehlshaber ist sehr, sehr weit vom historischen Original entfernt. Das fängt bei der persönlichen Gefahr für Leib und Leben an, den Konsequenzen einer verlorenen Schlacht, dem Gott gleichen schweben über dem Schlachtfeld, dem umfassenden Wissen über Existenz und Zustand feindlicher und eigener Truppen. Geisteshaltung und Wissenstand sind meist ebenfalls nicht historisch korrekt. Antipathien, Einschätzung und Vorurteile dem Gegner gegenüber auch nicht..
Welche Wirkung eine Waffe auf welche Entfernung hat ist für gewöhnlich nicht belegt und wenn es Versuche gab, dann unter kontrollierten Bedingungen zum Schaden weißer Leinentücher und nicht im Gefecht.
Wir formen uns ein Bild wie es sein sollte, belegen es mit ein paar Beispielen oder nicht und nennen es historisch korrekt.
Wie auch bei den Uniformen. Darauf zu bestehen, dass der Blauton der Hose des Beon-Husars von 1795 genau dem auf der Knötel Tafel entsprach, scheint doch unrealistisch. Die Darstellung aller Infanterieregimenter, geschniegelt und gestriegelt in einheitlicher Uniform und Farbgebung nach Osprey auf dem meist pre-industriallsierten Schlachtfeld scheint genauso historisch korrekt, wie die Verwendung von Bärenfell Barbaren.
Unser Bild nicht vom Wargame, sondern von den Situationen, Bildern und Herausforderungen sie es erzeugen soll, wird von allem Möglichen natürlich auch den Medien geprägt. Und je besser ein Wargame diese Erwartungen erfüllt, desto lieber spielen wir es. Wenn sich jemand seine \"Erwartungen\" anhand von Uniformbüchern, Ausrüstungslisten und Geschichtsbüchern macht ist dies genauso richtig, wertvoll und erfüllend, wie wenn es jemand an Hand von Comics oder Filmen macht.
Andersherum wird ein Schuh draus, man kann seinen Spass an einem bestimmten Spiel erhöhen indem man sich auf seinen Hintergrund einlässt. Aber auch das gilt für 40k und seinen Hintergrund genauso wie für Spiele die für sich beanspruchen historisch korrekt den WW2 nachzuspielen.
Ich persönlich bin zu \"soft\" für WW2, das ist mir zu nahe dran. Mein Alptraum ist es meine Schwiegervater zu erzählen, dass durch eine für mich glückliche Doppel 1 dem Gegner die Handgranate in der Hand explodiert ist, \"genau wie bei dir, man hatten wir unseren Spass\". Und beim Verluste würfeln für die Kampagne kam dann noch mal die Doppel 1, an Lungenentzündung gestorben, wie dein Bruder, also total historisch korrekt und wir hatten ja so einen Spass.
Lieber was nicht war oder noch nicht war oder so lange her war, dass im wesentlichen ein abstraktes Denksport Spiel mit hübschen Figuren ist und ohne Anspruch auf historisch genaues Nachspielen.