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Autor Thema: historical wargaming - was formt unser Bild?  (Gelesen 12557 mal)

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Wellington

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historical wargaming - was formt unser Bild?
« Antwort #15 am: 31. Mai 2018 - 19:05:35 »

Den Artikel kann ich absolut unterschreiben. Eine unsägliche Tendenz! In der MW und AW gibt es ja auch eine Kolumne zum Thema historischen Film und die verzweifeln regelmässig. Ihre These ist inzwischen, dass die Historienschinken der 60er Jahre trotz ihrer deutlichen Schwächen (veralteter Wissensstand, dramturgische Schwächen, ideologisch aufgeladen) oft deutlich besser sind, als was in der Gegenwart verbrochen wird. Vor allem wenn die Produzenten dann behaupten es wäre voll authentisch, wie beim letzten Robin Hood mit Cate Blanchett. Argh ...
Zum historischen Wargaming, hier seh die gleichen Tendenzen. Ich hab grad ne halbe Seite geschrieben und lieber wieder gelöscht. Ich lass es :party:
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Weniger labern, mehr spielen ...

Wellingtons Martktplatz

el cid

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historical wargaming - was formt unser Bild?
« Antwort #16 am: 31. Mai 2018 - 19:51:49 »

Historisches wargaming war für mich immer akkuratest recherchiertes Nachbauen und Nachspielen einer historischen Epoche / Schlacht / whatever.

Alles andere ist nur der Unterhaltung der Spieler dienend.

Beides ist gut, beides hat seine Berechtigung, und gottseidank auch seine Anhänger.

Und ich praktiziere auch beides (Zweiteres allerdings sehr viel öfter).  ;)
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Riothamus

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historical wargaming - was formt unser Bild?
« Antwort #17 am: 01. Juni 2018 - 00:11:27 »

Guy Halsall ist angesehener Historiker und Wargamer. Dementsprechend hat er einen historischen Blog und einen zu Wargames.

Seine Ansicht zu der Frage, wie es um die Historizität von Wargames bestellt sein sollte, kann man auf seiner Wargames-Seite zu den Themen König Artus und das nachrömische Britannien finden:

The Age of Arthur: Post Roman Britain for the Historical Wargamer(Unten auf \'Older Posts\' klicken, um zum ersten Teil zu kommen.)

Wie er selbst auf der Seite schreibt, handelt es sich dabei um nicht mehr ganz aktuelle Aufsätze. Dennoch sind sie sowohl zu unserem Thema, als auch für die im Focus stehende Zeit für den historischen Wargamer sehr interessant. Und im Grundsatz kann man sich seinen Ansichten noch anschließen. Er ist z.B. ein Exponent der Theorie von der Ethnogenese, die in der Reinform nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, insbesondere für das Britannien dieser Zeit widerlegt. Das hat aber kaum bis keine Auswirkungen auf die wargamerische Darstellungen. Ich stehe den auf wenigen Funden beruhenden genetischen Analysen zwar skeptisch gegenüber, auch weil da mitunter im Hintergrund rassistische Theorien lauern, aber zusammen mit archäologischen Funden und Schriftquellen ist die radikale Form der Lehre von der Ethnogenese doch widerlegt. D.h. nicht, dass es diese Erscheinung nicht gab, es heißt nur, dass es alles viel komplizierter und vielfältiger ist, als gedacht.

(Eigentlich ist das nicht neu, darauf wurde von Ethnologen schon Anfang der 90er Jahre hingewiesen.  Ich erkläre das, weil heute von konservativen Historikern die Theorie von der Ethnogenese immer noch als die progressive Theorie dargestellt wird, die sie in den 60ern und 70ern war oder ihre Reinform zur seeligmachenden Wahrheit erklärt wird und es zum Thema zeigt, dass oft noch nicht mal im Grundsatz gesagt werden kann, wie es denn nun war, was dem Wargamer also als historische Grundlage dienen soll.)

Aus philologischer und quellenkritischer Sicht ist auch die radikale Kritik an den Schriftquellen bei ihm etwas zu radikal, was aber nichts daran ändert, dass den Quellen wesentlich weniger zu entnehmen ist, als man früher dachte. Die sich ergebenden Unterschiede sind wiederum so gering oder gänzlich von einer Art, dass sich für den Wargamer wieder keine oder kaum Konsequenzen für das thematisierte Setting ergibt.  Aber wieder ist es so, dass es verschiedene Ansichten gibt, aus denen sich der Wargamer eine auswählen muss.

Dass es recht wenige Konsequenzen für den Wargamer hat, liegt einfach daran, dass die archäologischen Funde durchaus  ausreichen, um ein materielles Bild der Parteien zu finden und es darüberhinaus egal ist, ob wir eine Gegend den Briten/Sachsen oder der südwestlichen Gruppe/der nördlichen Gruppe zuordnen: Archäologischen Funden sieht man selten den kompletten \'ideologischen Ãœberbau\' an.

Der Halsall zeigt in diesem Aufsatz, der zuerst in der Wargames illustrated erschien, wie man auch in einer Zeit mit wenig Quellen leicht historisch bleiben kann.

Und nach ein anderer Aspekt: Ein weiteres Thema des Aufsatzes, das mit dem Thema des Threads zu tun hat, ist hier natürlich die Historizität von Arthur/Artus (Die scheinbar Namensverdoppelung hat nur etymologische Hintergründe.). Es gibt ein Bild von ihm, das in literarischen Werken und Filmen zu finden ist. Das geht auf Geoffrey von Monmouth zurück, der zwischen 1136 und etwa 1155 Sagen, Geschichten und historische Informationen in einer Historia Regum Britanniae (Geschichte der Könige Britanniens) und einer Vita Merlini (Leben des Merlin) vermischte. Natürlich sind einige Schriften, die er kannte verloren, ein paar andere mag er sich auch ausgedacht haben. Das reißt den Historiker nicht vom Hocker, denn damit steht er nicht allein. Schaut man genauer nach, bleibt im Prinzip eine späte, aber noch nicht zu späte Quelle übrig, die besagt, dass irgendwann im poströmischen Britannien mal ein Arthur eine Gruppe Krieger kommandiert hat. Je nachdem aus welcher Richtung der Historiker kommt, teils auch je nachdem wie er die Quellenstelle (und die oben angerissene Etymologie einschätzt), sagen viele Historiker auch, dass Arthur nicht historisch bezeugt ist. Hier spielt dann auch eine Rolle, dass das Bild, was sich nach Geoffrey von Monmouth entwickelte, eben ganz sicher nicht zutrifft und dem Publikum bis heute oft noch ein Werk als historisch verkauft wird, dass man mit heutiger Wortwahl als Fake-News bezeichnen muss. Und damit meine ich nicht Geoffrey. Im Halsall-Aufsatz ist da mehr zu lesen.

Für den Wargamer ist da die Frage, ob er einfach einen Anführer nach den Erkenntnissen der Zeit darstellt, ihn, weil der Name überliefert nach Arthus bezeichnet, oder die Sage nachstellen will -in welcher Ausprägung auch immer. Wie ich immer sage: Ich finde Bärenfell-Germanen toll, bezeichne sie aber nicht als \'historisch\' sondern als die Darstellung eines Klischees. Für mich ist dann hier ganz einfach der Wargemer gefragt, dass was er betreibt zu bezeichnen. Historisch, historisch nach einem bestimmten Bild, Nachstellung einer Sage/Legende, Nachstellung eines literarischen Werks/Films.

Und dann können es Bärenfellgermanen sein, aber ein sorgfältig recherchiertes Szenario.

Oder eine sorgfältig recherchierte Kompanie des 2. Weltkriegs und ein erwürfeltes, \'typisches\' oder gar einem Film entnommenes Szenario.

\'Historisch\' wird einfach auch zu unterschiedlich verstanden, um als Schlagwort zu dienen. Ich will das hier gar nicht in dem Sinne auseinandernehmen, dass das eine oder andere gelte, auch oben will ich nur verschiedene Ansichten nebeneinander stellen. Die Perspektive des Autors ist hier nicht in jedem Fall die meine. Ich will nur zeigen, dass, was Barbarus, Pedivere, Hvdrungr, ein anderer oder ich sagen, nicht die einzig richtige Sichtweise sein kann. Und natürlich diskutieren wir, wie gelernt, so, als ob es nur eine Wahrheit gäbe. Schon deshalb ist die Forderung nach Historizität immer problematisch und für den Laien eigentlich nur zu erreichen, indem er sich an ein Handbuch hält, dass dann oft günstiger ist, als all die Osprey-Bändchen.

Es gibt aber auch Dinge, die klar Fantasy sind. Halsall nennt da die Kriegshunde aus den Romanen von Cromwell. Und genau bei solchen Dingen sehe ich es durchaus kritisch, wenn gesagt wird, es soll historisch sein. Irgendwo hört es auch auf, dass man Historizität anstreben kann. Wappen und Banner sind da so eine Sache. Es geht also um ein Spannungsfeld, bis wohin jemand - nach Ausbildung, künstlerischen Fähigkeiten und materiellen Voraussetzungen - die Realität zum Vorbild nehmen kann. Das ist individuell unterschiedlich. Ab einem bestimmten Punkt muss jeder eine generalisierte oder ungenaue Darstellung geben. Zur Zeit des Historismus ging man davon aus, dass es die Aufgabe der Altertumswissenschaften sei, \"zu zeigen, wie es wirklich gewesen.\" Das ist seit langem als Unmöglichkeit enttarnt. Aber wer bewusst ein unrealistisches Bild entwirft, indem er bewusst falschen Vorstellungen oder Darstellungen folgt, kann einfach nicht sagen, dass das noch historisch ist.

Bei Nappo reden wir nicht drüber, weil es klar ist: Wer es kann, stellt verstaubte und verschlammte Uniformen dar, einfacher, aber als Uniformdarstellung auch nicht historisch falsch, ist es die Minis wie auf der Parade zu zeigen. Sogar eine Paradeuniform kann da in letzter Konsequenz nicht als falsch bezeichnet werden. Aber Preußische Füsiliere bekommen schwarzes Lederzeug. Rosa geht da nicht. Und Kürassiere hatten die Preußen bei Waterloo nicht.

Viele sehen es bei weiter zurückliegenden Themen beliebiger. Und in der Tat gibt es da Zeitabschnitte, in denen es nicht darauf ankommt, dass z.B. die Pilumlänge von Legionären genau auf das Jahrzehnt angepasst ist. Aber irgendwann geht es einfach nicht mehr, z.B. spätrömische Legionäre von Victrix als Truppen Cäsars auszugeben. Oder Pickelhaubenträger als Wehrmacht des 2. Weltkriegs.

Damit nenne ich eher Offensichtliches. Aber auch die Art der Kriegführung, die die Regeln zeigen wollen, bestimmte oder generierte Szenarien als Grundlage konkreter Spiele und nicht zuletzt ein gewisses Wissen um die Zeit, das dann, um nicht gleich das typische Beispiel zu nennen, verhindert Cäsars Siege zu verherrlichen, ohne sich seiner Schwächen und Verbrechen bewusst zu sein.

Das alles kann man nicht in plakative Sätze fassen, was ich hier eigentlich nicht will, aber aufgrund des Mediums nicht ganz vermeiden kann, es ist eher ein Gesamtverständnis: will ich Spaß haben, oder mich auch -zu welchen Anteilen ist notwendiger Weise individuell- mit dem Hintergrund beschäftige und Erkenntnisse über diesen Hintergrund gewinnen will. Wer kein Interesse daran hat, mag vielleicht durch Zufall genau die Historie treffen.

Mancher wird sogar sagen, dass es auf die Regeln ankommt, oder auf die Szenarien und die Spielsteine eine geringere Rolle spielen. Wo sollen wir da dann sagen, was der richtige Realismus ist?

Welcher Aspekt ist historisch? Uniformen und Ausrüstung? Taktik und Strategie? Die Analyse konkreter Situationen? Wie stelle ich mich zum Realismus?

Ich denke diese Fragen sind wichtiger, um sich zu Propagandawerken wie \"Der Patriot\" zu positionieren, statt unkritisch eine Ästhetik und Ansicht nachzuplappern.

(Wenn man dann noch bedenkt, wie sich mitunter über frühere Zeiten lustig gemacht wird, die das Aussehen anderer Zeiten aus der eigenen Zeit ableiteten oder so etwas wie die Bärenfellgermanen schufen und ihre gegenwärtigen Verhältnisse und ihre Ansichten auf historische Personen übertrugen, dann hat es mitunter schon etwas von Realsatire.)
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Gruß

Riothamus

Lektor

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historical wargaming - was formt unser Bild?
« Antwort #18 am: 01. Juni 2018 - 00:46:16 »

Der Begriff Wargaming ist falsch. Wir spielen den Krieg nicht nach. Wir tun aber oft so. Verglichen mit den realen Erlebnissen eines Soldaten macht es keine Unterschied, ob ein zehnjähriger mit Airfix Soldaten auf dem Teppich spielt oder Erwachsene auf einem Tisch, in dem monatelange Arbeit steckt. Beide Spielarten machen den Akteuren Spass und das ist gut so. Zumindest letztere sollten aber wissen, dass sie den Krieg nicht annähernd darstellen. Das ist man den Gefallenen schuldig. Und auch den heutigen Aktiven. Andererseits: Diejenigen, die im Bundestag für Auslandseinsätze abstimmen und hinterher betroffen sind, wenn nicht alles sauber abläuft, haben meist weniger Wissen über Kriegsgeschichte als der durchschnittliche Wargamer. Das ist viel schlimmer als mit Königstigern die Kämpfe um El Alamein nach zu spielen
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Schmagauke

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historical wargaming - was formt unser Bild?
« Antwort #19 am: 01. Juni 2018 - 01:34:33 »

Danke, Lektor.
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Fertige Minis 2017:
28mm gebastelt: 13
28mm bemalt: 88

Fertige Minis 2016:
28mm gebastelt: 271 Figuren
28mm bemalt: 198 Figuren
18mm: 114 Infanterie, 52 Kavallerie, 10 Kanonen, 3 Protzenwagen
6mm: 65 Infanterie, 42 Fahrzeuge
1/3000: 71 Schiffe

Riothamus

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historical wargaming - was formt unser Bild?
« Antwort #20 am: 01. Juni 2018 - 02:15:51 »

Der Begriff Wargaming leitet sich vom deutschen Kriegsspiel ab. Und um Kriegsspiele als vom Krieg inspiriert handelt es sich.  Egal ob 10jähriger oder Erwachsener.

Auch Schachspiel ist ein Kriegsspiel. (Und auch Schach wird aus verschiedenen Motiven gespielt.)

Und selbst Schach ist dabei eine Annäherung an den Krieg. Das Aspekte ausgelassen werden, ist offensichtlich, ändert aber nichts daran.

Eine Simulation kann sich auf unterschiedliche Aspekte beschränken, dennoch bleibt es eine Simulation. Das Kriegsspiel beschränkt sich meist auf die technischen und organisatorischen Aspekte. Niemand hat von einer umfassenden Rekonstruktion des Krieges gesprochen, was deine Argumentation aber voraussetzt.

Das Leid und die Schrecken des Krieges bleiben fast - denken wir nur an H.G. Wells - außen vor. Dennoch gehört es in meinen Augen zum Respekt vor den Gefallenen, vor den Opfern von Krieg und Gewalt, nicht so zu tun, als ob Wargaming, Kriegsspiel, Tabletop oder wie wir es nennen wollen, nicht als Simulation den Krieg darstellt. Ja, das ist geradezu nötig, um sich immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, dass wir eben nicht den Schrecken des Krieges darstellen und dadurch dann den Krieg zu verharmlosen: Ein gänzlich uneingeschränkter Spaß kann unser Hobby nicht sein.

Ich komme also gerade zum umgekehrten Schluss. So zu tun, als ob Wargaming nichts mit dem Krieg zu tun hat, wäre mangelnder Respekt vor den Gefallenen.

(Im Übrigen geht es auch nicht nur um die Erlebnisse individueller Soldaten. Das ist eine logisch nicht zulässige Einschränkung des Themas. Und zwar sowohl der Regeln -bei denen es eben nicht nur um Skirmish-Regeln geht, als auch des Themas Krieg, dass sehr viele Aspekte umfasst. Auch ist die Reduktion eines Spiels auf das Kinderspiel oder einen Spaßfaktor beim Kriegsspiel oder beim Wargaming nicht angebracht. Es bezieht sich wortgeschichtlich auf das, was wir heute Simulation nennen. Das ist sogar von den jeweiligen Autoren ausdrücklich erklärt worden. Die Benutzung zum Spaß wurde dabei mehrmals als \"Missbrauch dieser Regeln\" bezeichnet. Wells wiederum hat dann -teils angedeutet, teils explizit- argumentiert, dass Spaß andere Zielrichtungen nicht ausschließt und gezeigt, dass eine Nutzung jenseits des militärischen (und historischen) ernsthaften Interesses ebenfalls einen vertretbaren Sinn hat.)

Es ist traurig, dass sich viele Staatsbürger und viele Politiker der Beschäftigung mit dem Thema Krieg soweit verschließen, dass sie in der Hinsicht keine mündigen Staatsbürger sind. Das kann aber auch keine Nachlässigkeit rechtfertigen, die dazu führt, dass die SS verharmlost wird und Kriegsverbrechen geleugnet werden. Zumal das Kriegsspiel nach Wells ja gerade den Bürger hinsichtlich des Krieges bilden soll, der keinen anderen Einblick hat. Dass, wer Opfer wird, wer den Sieg davonträgt und welches Risiko ein Krieg bedeutet nicht von guten Absichten abhängt, war damals eine nicht weit verbreitete Ansicht und auch heute wird von Kriegstreibern da wieder ein Zusammenhang konstatiert. Die Erklärung, dass es einen solchen Zusammenhang nicht gibt, dürfte immer noch eine wichtige Aufgabe sein und Respekt vor den Opfern ausdrücken.

Ich sehe Pediveres Frage auch eher als im Sinne eines gewissen Kulturpessimismus gestellt und nicht aus Enttäuschung darüber, dass nicht jeder brennendes Interesse für Geschichte verspürt oder dadurch ein ethisches Problem begründet wird. Meine obige Antwort war denn auch daran ausgerichtet, wie überhaupt das Feld der Geschichte in Bezug auf das Hobby abgesteckt werden kann, es ist der Aspekt der Debatte, den wir noch nicht gefühlt hundert mal unter anderen Vorzeichen diskutiert haben. Es wäre interessant, wie du die Frage in diesem Spannungsfeld tatsächlich einordnest, Pedivere.
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Gruß

Riothamus

Arkon4000

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historical wargaming - was formt unser Bild?
« Antwort #21 am: 01. Juni 2018 - 09:07:49 »

Irgendwie widersprichst du dir in deiner eigenen Argumentation. Zum einen sagst du:

Zitat
...Im übrigen stören mich auch sämtliche derartigen Szenarien die was mit der Fortsetzung des 2.WK zu tun hätten. Das lappt für mich zu stark in HIAG Territorium.

Und 2 Absätze weiter relativierst du das schon wieder:

Zitat
....Ich spiele sowieso lieber kontrafaktische Timelines. Wenn man ehrlich ist kann historisches Wargaming nichts anderes sein.

Das passt für mich irgendwie nicht zusammen. Gerade eine Fortsetzung des 2. Weltkriegs ist doch das Paradebeispiel für kontrafaktischen Wargamings...
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WG Elbe
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Pedivere

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« Antwort #22 am: 01. Juni 2018 - 09:46:28 »

Zu Riothamus sahg ich später was, da bin ich jetzt nicht wach genug für


Zitat von: \'Arkon4000\',\'index.php?page=Thread&postID=273969#post273969
Das passt für mich irgendwie nicht zusammen. Gerade eine Fortsetzung des 2. Weltkriegs ist doch das Paradebeispiel für kontrafaktischen Wargamings...

ich kenne keins von der Sorte was nicht ein absolut schlechtes Beispiel für kontreafaktische Geschichte wäre. Ich hab jetzt keine Zeit das theoretisch darzulegen, bitte informiere Dich selber darüber wie das definiert ist.

Nur kurz mit Beispielen: Kontrafaktische Geschichte entwickelt von einem gegebenen Ereignis aus, dem Point of Divergence die Geschichte weiter wie sie sich im gegebenen soziopolitischen Kontext weiterentwickelt hätte. Ein gutes Beispiel für sowas ist der gerne zerredete Turtledove, der das par excellence vorturnen kann und in allen Variationen getan hat. Um im WW2 anzukommen greift er in der Regel weit vor. Ein sehr gutes Beispiel ist auch Making History von Stephen Fry.
Was ich bis jetzt davon im Wargaming gesehen habe, ist daß unerklärlicherweise der 2.WK mit irgendeiner fortgeschritteneren Technologie genauso geführt wird wie er war, obwohl die Technologie dazu den Krieg verhindert hätte. Oder die Wunderwaffen werden ausgepackt und es geht munter weiter. Das wäre auch nicht gegangen, die Achsen Pläne waren im Grunde Im Dezember 1941 gescheitert, die restlichen 3,5 Jahre hat es eben gedauert die Fanatiker in die Knie zu zwingen. Weder ein Separatfrieden mit den westlichen Demokratien wäre gegangen, noch hätte irgendeine deutsche Atombombe was genutzt. Das zu verstehen muß man aber seriös und langfristig den historischen Diskurs durchkauen, da reicht Konflikt 47 nicht.
Auch der fantastische Künstler Jakub Rozalski mit seinen inspirierenden Gemälden zu 1920+ kann das nicht, weil die Kriegsmaschinen aus dem Nichts da sind und eine solche Story sich nur aus dem veränderten Ende der Befreiungskriege hätten entwickeln können.
Die einzige Möglichkeit sind Aliens oder Magie, und das finde ich wiederum OK, weil es plötzlich und geheim sein kann und auch was völlig anderes wird.

Meine Art kontrafaktische timelines aufzubauen geht von einem tatsächlich geplanten, historisch nicht eingetrenen Ereignis aus, das aber tatsächlich eintritt. Dazu nehme ich etwas das eintritt während der Krieg nicht mehr aufzuhalten ist, zB daß die Tschechoslovakei nicht die Verteidigunglinie preisgibt, die Nazis  angreifen und die Wehrmacht putscht. Dadurch wird Deutschland destabilisiert und die Entente greift auf Seiten der Finnen in den Winterkrieg ein. Oder ich denke die französischen Miltärpläne weiter, die Truppenstärke im Libanon auszubauen und auf dem Balkan präventiv einzugreifen. Dieser Plan ist nur durch die chaotische französische Politik verhindert worden. SF Kriegsmaschinen habe ich dazu nicht.

Es kommt auf das wie an, nicht alles \"was wäre wenn\" ist glaubhaft begründbar.
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Diomedes

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« Antwort #23 am: 01. Juni 2018 - 09:53:45 »

Ich sehe den Zusammenhang zwischen der Film Unterhaltungsindustrie und unserem Hobby nicht. Anthony Beevor sollte vielleicht eher Dokus ansehen. Wenn ich etwas über Spielfilme lesen will tue ich das bei Filmkritikern oder bei Filmwissenschaftlern.

Was mich aber eigentlich mehr interessiert ist, wie man historisches Wargaming nach der Meinung von Pedivere und Riothamus auf dem Spieltisch praktisch umsetzt. Was unterscheidet eure Spiele von anderen Spielen? Ein paar Erklärungen dazu und vielleicht ein detailierter Spielbericht um historisches Wargaming zu veranschaulichen wäre bestimmt für viele hier ganz interessant.
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Pedivere

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« Antwort #24 am: 01. Juni 2018 - 10:17:14 »

Filme formen unsere Sicht auf wargaming, schau Dir nur an wieviele sets Warlord herausgebracht hat zum Nachspielen von Filmen.
Und das ein Historiker Filme mit historischen Anspruch in Ihrer gesellschaftlichen Wirkung bewertet, ist genau seine Aufgabe. Genau das steht auch in dem Artikel.
Der ein Punkt in dem ich ihm widersprechen würde wäre seine Kritik an \"Dunkirk\", denn dieser Film hat die Operation Dynamo als Allegorie für den Brexit benutzt, und das macht ihn zum Meisterwerk. Im Übrigen genauso Apocalypse Now, der eine Aussage hatte.

Aber zum Wargaming: Ich habs im Grunde schon gesagt, es sind die Regeln und das Szenariokonzept die dem historischen Wargaming die mir wichtige Dimension hinzufügen.
Ganz Pauschal würde ich sagen daß kein Warlord Games Spielsystem historisch ist, sondern nur dazu da ist coole Püppchen zu verkaufen. Im Gegenteil ist jedes Too Fat Lardies explizit gemacht um den jeweiligen historischen Kontext wiederzugeben. Das ist jetzt sehr überspitzt dargestellt, aber im Grunde 95%  korrekt.

Und dazu muß man sich einfach nur mal Fotos von den Spielaufstellungen anschauen. Und die großen Mengen an \"Überläufern\" besonders was Bolt Action angeht. Ich kenne einige die an dem Versuch verzweifelt sind BA historisch zu spielen und dann nach Alternativen gesucht haben.

Ich bin sicher es gibt genug historische Wargamer die aus ähnlichen Gründen und mit anderen Alternativen einen großen Bogen um Warlord Spiele machen.
Warlord Games ist aber ja der GW der historischen Spieler und kriegt es immer ab, wegen seines Umsatzvolumens. Es gibt auch andere Beispiele. Hatte ich Warhammer Historical erwähnt?
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« Antwort #25 am: 01. Juni 2018 - 10:27:49 »

... ich will das hier nicht aufheizen, aber ist das dann noch die richtige Überschrift für das Forum ?

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Pedivere

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« Antwort #26 am: 01. Juni 2018 - 10:30:45 »

oh, das war dann wohl die ironische Einlage ;-)

ich möchte ausdrücklich betonen, daß für mich historisch inspiriertes wargaming auch völlig OK ist und ich das auch gerne spiele. Es muß halt nur mehr mit der Epoche zu tun haben als die Kostüme.
Oder eben so abgewandelt sein daß man es erkennt.
Nazis mit Dinosauriern, Zombies oder Werwölfen zB.
« Letzte Änderung: 01. Januar 1970 - 01:00:00 von 1527842768 »
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Diomedes

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« Antwort #27 am: 01. Juni 2018 - 11:16:04 »

Zitat von: \'Pedivere\',\'index.php?page=Thread&postID=273977#post273977
Filme formen unsere Sicht auf wargaming, schau Dir nur an wieviele sets Warlord herausgebracht hat zum Nachspielen von Filmen.
usw
Das tut jedes Medium, auch die Bücher von Anthony Beevor. Mir ist nicht klar was Kriegsfilme mit historischem Wargaming zu tun haben. Was ist mit historischen Wargamern, die keine Kriegsfilme ansehen? Kriegsfilme und Wargaming sind zwei Interessen, die häufig zusammenfallen aber nicht zwangsläufig in Verbindung stehen.

\"Wargaming\" findet per Definition auf dem Spieltisch statt. Figuren kaufen, Figuren malen, recherchieren, Regeln lesen, Gelände bauen etc sind Tätigkeiten, die Teil der Vorbereitung von Wargaming sind, es aber nicht definieren. Man kann Figuren Sammeln ohne Wargamer zu sein und man kann Figuren anmalen und man sich für Geschichte interessieren ohne Wargamer zu sein usw. Und es gibt massenweise Leute die Teilaskpekte des wargamign Hobbies zu ihrem Haupthobby gemacht haben aber wer nicht spielt ist letztendlich kein Wargamer.
Andererseits garantieren historisch akurat bemalte Figuren und perfekt recherchierter Hintergrund keinen historischen (oder realistischen) Ablauf des Wargames.
Deshalb stellt sich die Frage wie echtes historisches wargaming bei dir auf dem Spieltisch aussieht.
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« Antwort #28 am: 01. Juni 2018 - 11:35:57 »

Für mich war es immer recht spannend/unterhaltsam im Freiburger Tabletoptreffen die \"Listen\"-Spieler zu beobachten, die offensichtlich keine historischen Schlachten nachspielten, sondern ausschließlich darauf aus waren, möglichst exakt ausgeglichene Armeen mit exakt gleichen Punktwerten zu spielen.
Damals waren meine Armeen noch so klein, dass alles auf 1,80x1,20 drauf gepasst hat, weshalb ich dann noch zu den Treffen hingegangen bin. Heute würde da der Platz nicht reichen und zum anderen selbst bei nur einigen hundert Metern Luftlinie mir der Aufwand nicht lohnen, 2-3 Stunden was aufzubauen (mit Anliefern), was ich daheim in der Hälfte der Zeit aufbauen kann und das in schönerem Ambiente, ohne halb bemalte Fantasyarmeen anschauen zu müssen oder um einen Tisch kämpfen zu müssen.
Irgendwann habe ich durchs Aufstöbern bestimmter Blogs von Keith Flint, Colin Ashton, James Roach usw. kennengelernt, dass es da draußen in der Welt noch andere Leute gibt, die auch so ticken wie ich in der Hinsicht, dass sie historische Schlachten nach selbst konstruierten Szenarien nachspielen wollen und das evtl. seit Jahrzehnten bereits tun. Die meisten, außer Edinburgh Wargames und Grimsby Wargaming, machen das auch in ihrer entspannten heimischen Atmosphäre ohne extra Ankarren von Gelände und Minis.
Ob das Gelände nun viel Aufwand oder eher wenig bedeutet hat, ist in diesen Kreisen oftmals ziemlich egal, auch wenn besonders schöne Einheiten oder Häuser durchaus Erwähnung finden in Kommentaren. Aber das Szenario steht doch im Mittelpunkt. Hat es mit der historischen Schlacht, der Taktik der Zeit etc. zu tun. Ähnlich wie ich hier im Sweetwater manchmal mit Tattergreis darüber diskutiere wie z.B. Maison du Roi einzustufen ist, sind das weitaus eher die Reibepunkte statt ob man sich sklavisch an irgendwelche Regelbücher hält.
Ich habe recht wenig Berührungspunkte mit der deutschen Spielerszene - egal ob man diese als Mainstream oder was auch immer bezeichnen will.

Die Essenz des Wargamings ist für mich: Wargaming ist eine Art Denksport mit historischen Aspekten.
Die Herausforderung ist für mich untrennbarer Bestandteil des Spaßes. Ich bewundere schöne Armeen und schönes Gelände, aber wenn Taktik und historisches Feeling (richtige Taktik) für mich 50 % des Reizes ausmachen, dann optische Attraktivität des Spielfeldes vielleicht 10%.

Da ich mich als ziemlich unabhängigen Spieler ansehe, kann ich aber auch nicht behaupten, dass mich Tendenzen im Hobby, die mir nicht passen, irgendwie aufregen oder tangieren würden.
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Pedivere

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« Antwort #29 am: 01. Juni 2018 - 11:42:11 »

ich bin nicht sicher ob ich Deine Frage richtig verstehe @Diomedes.
Diverse CoC Spiele an deren Konzeption ich mitgewirkt habe sind im forum dokumentiert, auch explizit die Abessinien Kampagne mit der wir letztes Jahr bei Conflict in Langenfeld aufgelaufen sind. Die hat @Utgaard sehr ausführlich in seinem Blog beschrieben, und die Texte dazu haben wir zusammen verfaßt.

Die Tunesien Kampagne die wir letztens mit Team Würfelkrieg und anderen aus dem forum gespielt haben ist noch nicht dokumentiert, ich hab bis jetzt leider keine Zeit gehabt dafür. Die war sehr historisch am Unternehmen Frühlingswind orientiert und ist auch so aufgegagangen. Wir konnten sie nur leider nicht ganz zu Ende spielen.
Wie historisch diese Spiele waren und sind, kann jeder für sich beurteilen. Den Anspruch hatten wir jedenfalls und auch die Vorbereitung dazu. Und es hat auch noch Spaß gemacht, auch wenn ein Tiger für ein Sherman platoon kein Spaß ist.

alles mit CoC was zZ mein Hauptspiel ist, aber ich kann auch Triumph & Tragedy und Operation Squad nur empfehlen.

Ich kenne übrigens keine Wargamer oder Reenactor die keine Kriegsfilme schauen, Kann ich mir auch nicht vorstellen. Die These daß also Filme mit unserem Hobby nichts zu tun haben halte ich für etwas künstlich an den Haaren herbeigezogen. ;)
« Letzte Änderung: 01. Januar 1970 - 01:00:00 von 1527846506 »
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