Bin gestern auf einer hübsch anzusehenden Mittelalterveranstaltung gewesen, Anno 1280 in Gütersloh-Isselhorst. Aufhänger des zum 10. Mal stattfindenden Events ist die Regierungszeit Ottos III. von Ravensberg, der als ‚Gastgeber‘ auftritt. Das sich der Event nicht auf die Epoche beschränken kann und im Gegenteil davon lebt, möglichst viele Mittelaltergruppen zu versammeln (was hervorragend geklappt hat), steht nicht in der Kritik. Die unvermeidlichen ‚Mittelalterbands‘ mit ihren Sackpfeifen sind nett anzuhören, aber so unhistorisch, daß es nicht mal lohnt über die Fantasypiratentruppe im Jack Sparrow Zigeunerlook zu reden - die fallen da nur deswegen auf, weil sie krass coole Kostümierungen hatten. Worüber ich reden möchte (gern als Sommerlochfüller) sind die Reenactmentgruppen.
Ich finde es bewundernswert, mit wieviel Aufwand sich diese Zeitgenossen vorbereiten, um sich an abwechselnd drückend heißen und gewittrig nassen Tagen von Mücken zerstechen zu lassen. Es gibt Wikinger, Söldner, Ritterorden und so weiter. Die Anschaffung der Ausrüstung kostet Zeit und Geld, und wenn man richtig drauf ist lernt man alle Kniffe aus Liechtenauers Fechtbuch, wovon ich gestern eine Kostprobe sehen konnte. Aber...
Es stört mich nicht, wenn ein ansonsten überzeugend ausgerüsteter Wikinger eine schwarze Tunika trägt, komisch finde ich es aber, wenn die Wikinger Lederrüstungen tragen, die man von Hollywoodfilmen oder SM-Katalogen kennt, dazu keltogermanische Sechseckschilde und Helme, die entweder zu Fantasyzwergen oder ins 14. Jahrhundert passen. Das dieses Jahr Hundsgugeln en Vogue zu sein scheinen, find ich gut, und ich beschwere mich nicht, daß ich keine passende Kastenbrust gesehen habe, aber wenn die dazu präsentierten Rüstungsteile und Waffen eine Mischung aus 5 Jahrhunderten ergeben, irritiert mich das dann doch. Umso mehr hat mich dann das Display gefreut, bei dem ein Gambeson, Kettenhemd, Spangenhelm, Mandelschild und Schwert in realistischer und historisch passender Aufmachung präsentiert wurden.
Worauf ich hinaus will - wie kann es sein, daß auf einer großen Mittelalterveranstaltung mit vielen aufwendigen Kostümen die in sich stimmigen Kostüme in absoluter Minderheit sind? Wenn ich einen Barockharnisch mit Oakshott XIIa-Schwert und einem Helm, der an den Helm Dains m PJ-Hobbit-Film erinnert, zusammen tragen will, passe ich dann nicht eher auf ein LARP-Event? Mein Ehrgeiz im Reenactment wäre es doch, eine Figur darzustellen, die es in der von meiner Gruppe gewählten Epoche und Region so gegeben haben könnte. Das Ganze ist doch viel zu aufwendig, als daß ich mir die Blöße geben würde, von jedem Geschichtserstsemester darauf hingewiesen zu werden, daß meine Ausrüstung perfekt passt, wenn man einen hunnischen Kreuzzügler zur Zeit der Rosenkriege darstellen will.
Sehe ich das zu krass? Bin ich zu pingelig?