Games Workshop hat sich zwar in der Vergangenheit viel Mühe gegeben, seine guten Spielsysteme zu ruinieren und durch unausgereifte Kinderspiele zu ersetzen, aber zuletzt haben sie tatsächlich wieder ein paar brauchbare Systeme herausgebracht. Killteam ist eines davon, aber eigentlich handelt es sich dabei nur um das neue Warhammer 40.000 in der reduzierten, aber um so spielbareren Version. Etwas wirklich Neues haben sie dagegen mit der 2018er Auflage von Adeptus Titanicus geschaffen, zu dem ich hier einen Überblick geben will, der zugegebenermaßen in einer früheren Form schon woanders erschienen ist, aber da hier ein anderes Publikum vorhanden ist, gibt es hier eine aktualisierte Fassung.
Bei AT kloppen sich die Titanenlegionen der Horus Heresy im 8mm Maßstab. Die Titanen, riesige Kampfläufer, die Battlemechs zu Zwergen degradieren, sind annähernd doppelt so groß wie ihre Vorgänger aus EPIC/Titan Legions, obwohl das 6mm-Spiele waren - damals waren die Titanen bewußt nur etwa halb so groß wie es der Maßstab gefordert hat (und es gab über die Jahrzehnte durchaus ja auch Größenschwankungen der Titanen im Fluff). Die Modelle in AT sind dabei hervorragende kleinere Kopien ihrer großen Brüder im 28mm-Maßstab. Bislang ist das System auf große und übergroße Läufer beschränkt, also Titanen und Ritter. Ob es jemals Fahrzeuge und Infanterie geben wird ist wohl selbst den Machern in Nottingham noch nicht klar, hängt sicher vom Erfolg des Spiels ab.
Spielgröße und Spielfeld
Adeptus Titanicus wird meist mit 1500-2000 Punkten gespielt, wobei andere Größen kein Problem sind. Ein Warlord kostet je nach Bewaffnung um 500 Punkte, ein Reaver knapp über 300, ein Warhound 200-240. Eine Lanze mit 3 Rittern kostet 150-180 Punkte. Mit 2000 Punkten kann man also schon ordentlich was stellen. Gespielt wird auf 48"x48", bei größeren Spielen sollte das natürlich mehr werden. Für jeden Titanen werden ein Kommandoterminal und Waffenkarten benötigt, auf dem Schäden und deren Folgen markiert werden.
Manipel
Es gibt in den Regeln 3 Manipel, quasi Formationen mit kleinem Bonus. Weitere sollen folgen. Diese sind optional, es können zusätzlich auch noch weitere Einheiten gekauft werden, die dann aber nicht vom Bonus profitieren.
Das Myrmidon-Manipel ist die Sturmlanze der Titanenlegionen. 2 Warlords und ein Reaver sind Pflicht, optional kommen je ein weiterer Warlord und/oder Reaver dazu. Damit sind dann 2000 Punkte auch schon überschritten. Bonus: Die Befehle Feuer aufteilen und Schnelles feuern gelingen immer auf 2+ (was sehr gut ist!). Kriegt man in 2000 Punkten gut unter.
Das Axiom-Manipel umfaßt einen Titanen jeden Typs als Pflicht, optional zusätzlich je ein Reaver und/oder Warhound. Als Bonus verhindert ein mißlungener Befehl nicht die Vergabe weiterer Befehle an andere Titanen des Manipels.
Das Venastor-Manipel besteht aus einem Reaver und 2-4 Warhounds. Hier bekommt der Reaver eine freie Schußphase, sobald ein Warhound die Schilde eines Titanen zum Zusammenbrechen gebracht hat. Sehr cool, wenn man den Reaver passend bewaffnet hat.
Die Spielrunde
Zu Beginn des Spiels wird im Standardszenario um die Spielfeldseite gewürfelt, dann wird abwechselnd aufgestellt. Der Spieler, der die letzte Einheit aufstellt, darf in der ersten Strategiephase nur einen W6 statt eines W10 verwenden, wenn um die Initiative gewürfelt wird. Das ganze Spiel wird in Initiativreihenfolge abwechselnd eine Einheit von Spieler 1, dann eine Einheit von Spieler 2 abgehandelt. Je nach Spielsituation kann es sinnvoll sein, auf die Initiative zu verzichten. Leider gilt die Initiative aber für die ganze Spielrunde.
In der Strategiephase wird die Initiative ausgewürfelt, dann können die Spieler Einheit um Einheit abwechselnd je einen Befehl vergeben, bis ein Befehlswurf mißlingt (1 Einheit ist i.d.R. 1 Titan). Der Wurf erfolgt mit einem W10, der Warlord schafft es auf 3+, Ritter nur auf 6+. Bestimmte Beschädigungen im Kampf verschlechtern den Wurf. Es gibt 6 Befehle: Split Fire (ohne darf eine Einheit nur auf ein Ziel schießen), First Fire (Eine Waffe darf in der Bewegungsphase außer der Reihe schießen, dafür entfällt für den Titanen die Bewegung), Emergency Repair (ermöglicht einen zusätzlichen, verbesserten Reparaturwurf, dafür muß auf entweder Bewegung oder Beschuß verzichtet werden), Full Stride (ersetzt den Beschuß durch eine Zusatzbewegung nach vorne), Charge (Bonusattacken im Nahkampfangriff) und Shutdown (Der Titan wird heruntergefahren. Verzweifelte letzte Maßnahme, um eine Kernschmelze zu verhindern.)
Zu Beginn des Spiels wird man eher die offensiven Befehle verwenden, wenn die Titanen erstmal ihre Schilde los sind und die Reaktoren glühen, ist die Notreparatur der Befehl der Wahl. Die Boni für Myrmidon- und Axiommanipel sollte man nicht unterschätzen.
In der Bewegungsphase werden die Einheiten abwechselnd bewegt. Klingt einfach, aber gerade bei den größeren Titanen ist eine vorausschauende Planung notwendig, um erstens Feuerwinkel zu erhalten und zweitens nicht in der nächsten Runde vor irgendeinem Gebäude festzustecken, da Drehungen nur eingeschränkt möglich sind. Grundsätzlich gilt - je größer, desto langsamer und unbeweglicher. Titanen haben 2 Bewegungsprofile - die erhöhte Bewegung sorgt aber dafür, daß der Reaktor heiß läuft. Gerade die trägen Warlords wollen sich gerne zuletzt bewegen, da sie sonst schnell ausmanövriert werden und keine Ziele mehr haben. Umgekehrt ist es natürlich sinnvoll, den fragilen Warhound früh zu aktivieren, um ihn aus Angriffsreichweite einer Ritterlanze zu bekommen.
Die Schadenskontrollphase macht das Spiel richtig spannend. Zuerst wird geprüft, ob der Plasmareaktor des Titanen zu heiß geworden ist. Bestimmte Aktionen wie Steigerung der Bewegungsrate, Abfeuern bestimmter Waffen (insbesondere der Vulkankanone) oder Nebeneffekte des gewählten Feuermodus sowie Folgen schwerer Beschädigungen sorgen dafür, daß im Laufe des Spiels der Reaktor eines Titanen heißlaufen kann. Große Titanen haben große Reaktoren, die mehr Hitze vertragen, aber selbst beim Warlord kann es schneller als erwartet zu einer Überhitzung kommen. In diesem Fall wird auf einer sehr unangenehmen Tabelle gewürfelt, im Extremfall explodiert der Titan in einem wunderschönen Atompilz. Tip: Gleich die erweiterten Regeln nehmen, bei denen ausgewürfelt wird, wie stark eine Aktion den Reaktor belastet. Ist viel lustiger und kann sogar dazu führen, daß der Maschinengeist kurz den Titanen übernimmt).
Damit es erst gar nicht soweit kommt, sind Reparaturwürfe notwendig (gemeinerweise kommen die aber erst nach dem Wurf auf der Reaktortabelle). Jeder Titan hat eine Menge Servitoren (die abhängig von der Größe des Titanen 2-4 Reparaturwürfel generieren), die versuchen, Schäden zu reparieren. Anfangs noch zu vernachlässigen kann man zu Ende des Spiels nur schwer entscheiden, ob man zuerst kritische Schäden am Titanen oder defekte Waffen repariert, den Reaktor kühlt oder versucht, die Voidschilde wieder hochzufahren. In meinem ersten Spiel war ich z.B. so darauf versessen, die Voidschilde meines Warlords wieder hochzufahren (das wärt ihr auch, glaubt es mir), daß ich vergessen habe, das Reaktorleck zu flicken, was in der nächsten Runde zu einer Überhitzung des Reaktors führte...
In der Kampfphase geht es dann endlich zur Sache. Ohne vorher zu messen, wird für jede aktivierte Einheit angesagt, welche Waffen auf welches Ziel schießen (ohne Befehl nur ein Ziel). Klingt einfach? Dann freut eich auf die Entscheidung, ob die Raketenwerfersalve ausreicht, die Schilde des Ziels kollabieren zu lassen, damit es sich auch lohnt, mit der Vulkankanone zu schießen, die den schon brodelnden Plasmareaktor zum Überhitzen bringen wird. Der Beschuß wird Waffe für Waffe abgehandelt. Zuerst kommt GW-üblich der Trefferwurf auf einen W6 (mit Modifikatoren für Deckung des Ziels und gezielte Schüsse). Dann kommt aber nicht einfach der Schadenswurf, denn solange der Titan Voidschilde hat, kann er nicht beschädigt werden. Für jeden Treffer der Waffe nimmt der beschossene Titan einen W6 und würfelt gegen seinen aktuellen Voidschild-Level (3+ oder 4+). Jeder nicht geschaffte Wurf läßt den Voidschildlevel um einen Punkt steigen, bis die Schilde zusammenbrechen (beim Warlord auf Level 6). Sind die Schilde zusammengebrochen, verfallen überzählige Treffer dieser Waffe. Trifft eine Waffe einen Titanen mit zusammengebrochenen Schilden, geht es ans Eingemachte - es folgt ein Schadenswurf. Zuerst wird gewürfelt, wo der Titan getroffen wird - Kopf, Rumpf, Beine, Waffen. Der Schaden ergibt sich aus einem W6 + der Stärke der Waffe + Boni für Schüsse in die schwächer gepanzerte Seite oder den Rücken oder bereits vorhandene Schäden der Trefferzone. Jede Trefferzone hat einen eigenen Panzerungswert, und auf dem Kommandoterminal des Titanen wird angezeigt, ob die getroffene Zone ein oder zwei Schadenspunkte oder einen kritischen Treffer erhalten hat. Für jeden Schadenspunkt wird der Schadensmarker der Zone weiterbewegt, wodurch auch angezeigt wird, welche Modifikatoren für den nächsten Treffer in dieser Zone angewandt werden. Sobald der Schadensmarker am Ende der Leiste angekommen ist, gibt jeder weitere Schaden einen kritischen Treffer. Der Titan kann 3 kritische Treffer in einer Zone verkraften, dann ist Ende. Für jeden Punkt kritischen Schaden fangen Systeme an auszufallen. Ein Reaktorleck erhöht die Hitze, ein verwundeter Moderati erschwert den Beschuß, ein beschädigter Stabilisator läßt den Titanen unkontrolliert taumeln und eine beschädigte Waffe kann nicht schießen usw. Diese Effekte bleiben, bis in der Reparaturphase der kritische Schaden ggf. behoben wird. Für den Angreifer ist es natürlich interessant, eine bereits schwer beschädigte Zone zu zerstören. Dafür gibt es die Möglichkeit, beim Beschuß auf einen Titanen ohne Schilde gezielt eine Zone anzuvisieren, allerdings wird der Trefferwurf deutlich erschwert.
Dann ein kurzer Exkurs zu den Waffen. Grob kann man die Waffen in 2 Gruppen unterteilen - Waffen, die eine hohe Feuerrate haben, aber i.d.R. wenig Stärke, eignen sich hervorragend dazu, Voidschilde wegzuschießen. Waffen mit niedriger Feuerrate, aber hoher Stärke sind dafür wirksamer, um einen Titanen ohne Schilde zu beschädigen. In Adeptus Titanicus ist es daher sehr wichtig, wie man seine Titanenbewaffnung konfiguriert. Die zur Zeit noch beschränkte Auswahl an lieferbaren Waffen außen vor gelassen, macht es einen großen Unterschied, ob ich einen Titanen zum Spezialisten oder Generalisten ausrüste. Spezialisieren kann man den Titanen einmal auf kurze oder lange Reichweite und dann auf Schildzerstörung oder Schadensgenerierung. Der Warlord in seiner Grundausstattung mit 2 Vulkankanonen und einem Paar Raketenwerfer ist auf lange Reichweite spezialisiert, während die Raketenwerfer aber fast nur zum Schilde bekämpfen taugen (10 Schuß mit niedriger Stärke), sind die hitzegenerierenden Vulkankanonen die stärkste Kanone im Spiel und die einzige, die recht zuverlässig für kritische Schäden sorgen kann. Eine glückliche Salve kann einen unbeschädigten Warhound sofort zerstören. Eine bessere Konfiguration für einen Langstrecken-Warlord wäre es, eine Vulkankanone durch ein Tremorgeschütz zu ersetzen, das zwar nicht so viel Schaden macht, aber den Reaktor nicht beeinflußt und daher zuverlässiger schießen kann. Rüstet man z.B. einen Reaver zum Schildstripper aus, indem man ihm 2 Gatlingblaster und einen Raketenwerfer gibt, ist er auf 24" sehr effektiv, auch einem Warlord alle Schilde in einer Runde wegzuschießen. Dafür ist er aber kaum in der Lage, den Warlord ohne Schilde ernsthaft zu beschädigen. Für die Spielmechanik bedeutet das, daß früh im Spiel auf Schildbekämpfung spezialisierte Titanen natürlich selbst bevorzugte Ziele sind, während sie später im Spiel, wenn die Titanen kaum noch Schilde haben, recht wertlos sind. Umgekehrt kann ein Warlord seine Vulkankanonen früh im Spiel getrost vergessen, während sie gegen schildlose Titanen absolut verheerend sind. Ein Titan mit gemischte Bewaffnung ist zwar nicht so effektiv, kann dafür aber in jeder Situation etwas reißen
In der Endphase ist vor allem wichtig, Effekte von kritischen Schäden wie Reaktorlecks abzuhandeln.