Ja, aber der Schwäbische Kreis war ja wegen der Gefahr aus Frankreich besonders motiviert und hielt sich als einziger Kreis ab 1694 ein wirkliches stehendes Heer mit 1 Kürassier-, 1 Dragoner- und 5 Infanterieregimenter. Dabei wurde im Frieden nur ein Teil in Sold gehalten und das 5. Kreisinfanterieregiment war das Württembergische Kreisinfanterieregiment, dass Württemberg im Ernstfall dem Kreis zur Verfügung stellte und im Frieden wie die Haustruppen behandelt wurde.
Der fränkische Kreis hatte ein stehendes Heer von 1 Kürassier-, 1 Dragoner- und 3 Infanterieregimentern, wenn ich es richtig im Kopf habe, standen die Truppen im Frieden allerdings bei den Haustruppen.
Auch der Oberrheinische Kreis hatte im 18. Jahrhundert immer Truppen im Sold, wenn auch nicht so konsequent.
Im Kurrheinischen Kreis hatten, wenn ich mich recht erinnere die 4 Kurfürstentümer -wegen der geringen Zahl von im 7YW ich meine 3 kleineren Kreisständen- meines Wissens genug Truppen, dass sie die Verpflichtungen als Vorderer Reichskreis schon so erfüllten.
Denn 1697 hatten sich diese Kreis zur Frankfurter Assoziation zusammengeschlossen, um das Reich wirksamer gegen Frankreich zu verteidigen. Im Frieden sollten 40.000 Mann im Sold gehalten werden.
Im Niederrheinisch-Westfälischen Kreis, der ebenfalls der Frankfurter Assoziation beigetreten war, war schon die Organisation ein Problem. Kanzlei und Archiv waren in Düsseldorf, die Kreistage fanden in Köln statt und das Kreisobristenamt wechselte zwischen dem Bischof von Münster, den Hohenzollern und Pfalz-Neuburg. Die geistlichen Fürstentümer konnten wegen der Wahlkapitulationen gegenüber den Landständen die Truppenverpflichtungen aufgrund des Vertrags im Frieden nicht auf Dauer erfüllen, obwohl sie es versuchten. Das Militär war hier einem steten Ringen zwischen Landesherr und Landtag ausgesetzt. (Paderborn erfüllte seine Verpflichtungen bis in die 20er Jahre des 18. Jahrhunderts, dann bestand der Landtag auf Auflösung der Dragoner, die schon seit Jahren weit zu wenig Pferde hatten. Da 1 Berittener durch 3 Fußsoldaten ersetzt werden konnte, konnte sich der Landtag das sogar schön rechnen, wenn der Landesausschuß mitgerechnet wurde, der aber im 18. Jahrhundert fast nur noch als Ordner beim Liborifest und anderen Großveranstaltungen eingesetzt wurde. Dass Paderborn seine Verpflichtungen nicht erfüllte, ist demnach also keine korrekte Aussage, da die Ausschußmänner ähnlich wie Gefreite aus ihrem Stand herausgehoben waren, auch wenn sie nur selten zusammenkamen. Sie standen in stets in Bereitschaft.) Wenn wir von Brandenburg und Pfalz-Neuburg absehen, die machten, was sie wollten, war das größte weltliche Territorium hier schon Lippe. Seine Truppen 'stellte' Brandenburg natürlich, wenn der Kurfürst, resp. König oder Kronprinz an der Spitze stand. Friedrich Wilhelm I. wusste auch, die Kreistruppen zu nutzen: die Paderborner ließ er als Besatzung bei Köln und Bonn zurück. Die Offiziere waren meist auch im Kölner Gebiet begütert, viele der Soldaten hatten Verwandtschaft im Kölnischen Westfalen und nicht zuletzt gab es keine Religionsprobleme. Und die militärische Effektivität musste erst gar nicht getestet werden. (Die Kölner behaupten gern, dass die damaligen Paderborner Truppen sie erste Karnevalstruppe war, aber nicht effektiv genug, um Garde genannt zu werden.)
Dass Truppen geistlicher Territorien keineswegs ineffektiv sein mussten, hat der Bomben-Bernd (
https://de.wikipedia.org/wiki/Christoph_Bernhard_von_Galen ) gezeigt. Unter ihm kämpften auch Truppen Paderborns, da Bischof Ferdinand von Fürstenberg zum Nachfolger Galens auf dem Münsteraner Bischofsstuhl ernannt werden wollte, was ihm auch gelang.
Und auch im Siebenjährigen Krieg kann man die Truppen Erzbischofs Clemens Augusts von Bayern nicht als ineffektiv bezeichnen. Sie wurden zwar meist dort eingesetzt, wo kaum Schaden zu erwarten war, doch bei den Gelegenheiten, wo es darauf ankam, haben sie sich bewährt, selbst bei den zwei (genau genommen drei) Kapitulationen, durch die sie in Gefangenschaft kamen. Bei der ersten hatten die Kommandeure ihre Lage berichtet, doch wurde ihnen nicht geglaubt, wodurch sie in eine Aussichtslose lage gerieten. Bei der zweiten ergaben sich die Reste nach stundenlangem Kampf gegen eine Übermacht, wie es selbst der preußischen Garde gut angestanden hätte. Ihre Erfolge waren mäßig, insgesamt zeigt ihr Einsatz aber doch, dass die propagandistischen Beurteilungen, die das Reich und die geistlichen Fürstentümer im 19. Jahrhundert zur Rechtfertigung ihrer Aufhebung diskreditierten, modifiziert werden müssen, wie es ja auch in der Geschichtsforschung längst geschieht, wenn teilweise auch zu behutsam.
Was das Reich angeht, ist es eben so, wie es schon Richelieu seinem König erklärte, in heutige Ausdrucksweise übersetzt, was bei Burckhard umständlich beschrieben ist: Gegen das Reich brauche man wenig tun, wenn man darauf achte, dass der Eigennutz der Fürsten alle Effektivität verhindere. Unmöglich und kurzsichtig war eben nicht das Reich, sondern das Verhalten der Fürsten und oft auch der Kaiser. Frankreich bekam 1648 zum Beispiel deshalb Gebiete des Reichs zugesprochen, weil Habsburg verhindern wollte, dass der französische König Reichsfürst wurde, was die französische Seite wohl gerne gesehen hätte. Das kann auch nicht mehr bestritten werden, seit die Anweisungen des Kaisers an seine Verhandlungsführer bei den Verhandlungen zum westfälischen Frieden dekodiert wurden.
Wie oft in der Geschichte ist es auch bei diesem Themenkomplex so, dass es sich anders darstellt, als es sich in allgemeinen Darstellungen ließt, wenn man genauer hinsieht. Allgemeine Darstellungen sind eben immer auch Vereinfachungen und Vereinfachungen sind immer auch Verfälschungen. Zum Problem wird das natürlich erst, wenn man dies nicht im Hinterkopf behält. Bekanntestes Beispiel ist wohl 'Das erfundene Mittelalter'. In vielen Büchern ist zu lesen, dass der Kalender der Zeit Jesu durch die Kalenderreform wieder hergestellt werden sollte. Und da fand Illig eben eine Diskrepanz, da in Wirklichkeit der Kalender der Zeit des Konzils von Nicäa wiederhergestellt werden sollte, was auch der Grund für die anfängliche Ablehnung der Reform durch die protestantischen Staaten war. Im 18. Jahrhundert finde ich in dieser Hinsicht die vorgeblich moderne Kritik an Friedrich dem Großen besonders bemerkenswert: Er hat das meiste davon selbst vorweggenommen. Und für unser Hobby wichtig: Viele Darstellungen des älteren preußischen Militärs sind bloße Ausschreibungen der kurzen Darstellung des preußischen Heerwesens durch Friedrich II., wie sie Heyne zusammen mit der Übersetzung der Denkwürdigkeiten des Hauses Brandenburg abgedruckt hat. Das zu verwenden ist bequem, doch denkbar ungenau und überholt. Dennoch folgen ihm viele modere Darstellungen einfach.
Dann ist da auch die Unterscheidung vom Haustruppen und Reichs- oder Kreiskontingent. Ganz so strikt darf das nicht gesehen werden. Natürlich stellte Clemens August das Reichskontingent, zu dem er verpflichtet war. Das gehörte ja zum Kern seiner Politik dieser Jahre. Aber genauso natürlich behandelte er sein Reichskontingent als Haustruppen. Auch das Denken bei der Reichsarmee war gespalten: Mal wurden seine 5 Regimenter zusammeneingesetzt, mal die Kölner mit Einheiten des Kurrheinischen Kreises, mal Einheiten des Kurrheinischen Kreises zusammen mit allen der fraglichen 5 Einheiten... Die Matrikel beschrieben ja die Truppen, mit denen ein Stand zu folgen hatte, nicht Soldaten, die ein Fürst dem Reich abtreten musste. Selbst wenn ein Reichskontingent durch Geldzahlung ersetzt wurde, konnte der Stand darauf bestehen, die Uniform der durch das Geld bezahlten Truppen zu bestimmen und sie als seine Truppen zu sehen: Formal wurden einem Söldnerführer "Subsidien" bezahlt, damit er für den Kunden die Truppen stellte. Realiter kamen dann die Zahlungen für die Regimenter eben zum Teil nicht mehr vom Kaiser. Ob dann wirklich eine andere Uniform eingeführt wurde, ist nochmals eine andere Frage. Rechtlich waren es dann keine Habsburger Truppen mehr, während sich real wohl nichts änderte.
Und daher sehe ich auch, dass das, was ich oben allgemein zu den drei südwestlichen Reichskreisen geschrieben habe, wenn genau hingesehen wird, nicht so stimmen muss.
Sollte die Diskussion zur Reichsarmee und den Reichskreisen nicht abgetrennt werden? Hier haben wir ja User aus den verschiedensten Gegenden. Da mögen sich mit der Zeit Einsichten in verschiedene Regionen ergeben.