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Autor Thema: Pfad des Kriegers  (Gelesen 2788 mal)

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D.J.

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Pfad des Kriegers
« am: 06. März 2019 - 17:05:03 »

Pfad des Kriegers (Originaltitel: Redbad) ...
... ist ein epischer Abenteuerfilm von Roel Reiné, der am 28. Juni 2018 in die Kinos in den Niederlanden kam. Das historische Epos handelt von der Christianisierung und den alten Legenden rund um Radbod, dem König der Friesen, der Ende des 7. und Anfang des 8. Jahrhunderts über das zu dieser Zeit noch vollständig unabhängige Großfriesische Reich herrschte. Im Film tritt Redbad in den Kampf mit den Franken, nachdem diese die wichtigste friesische Stadt erobert und den friesischen König Aldgisl besiegt hatten.
(Quelle: Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Pfad_des_Kriegers)

Ich habe den Film über die "Kölner Feiertage" auf amazon prime gesehen.
Von der Aufmachung, der Tricktechnik und der Musik gesehen, braucht sich dieser niederländische Film auf gar keinen Fall hinter den big Budget Schinken aus Übersee zu verstecken. Im Gegenteil da liegt richtig viel Liebe drin, was den Film sehenswert macht.
Etwas holperig ist dafür die Erzählweise, die oft zwischen den Schauplätzen hin und her springt, wenig erklärt und auch die Figuren teilweise wie hinter Glas wirken lässt.
Ich bin mit keiner so richtig warm geworden.
Auch das eine oder andere Logikloch (zumindest erschienen mir sie als solche) ließ die Handlung teilweise merkwürdige Salti schlagen.
Die historische Genauigkeit mögen andere beurteilen, aber konische Schilde, schwarze Lederrüstungen und Schwerter als Massenware muss man schon abkönnen ;)
Wenn man das kann, erwarten einen zumindest ein neuer Blick auf die Anfänge der christlichen Religion, die hier als Waffe dargestellt wird, um ein Weltreich zu errichten.
Die Kampfszenen wissen zu gefallen, wenn auch manche Szenen echt heftig sind.
Veganer sollten diesen Film meiden!

Fazit:
Nettes Käsebällchen-Kino aus Holland, dass sogar richtig gut ist, wenn man es mit dem großen Bruder Hollywood vergleicht.
Von mir gibt es
4 von 5 Köpfen für die Kampfszenen
5 von 5 brennenden Schweinen für die Tricktechnik
3 von 5 Bibeln für die Handlung, der man manchmal schwer folgen kann
4 von 5 Shakesbier für die Darsteller, die ihre Sache trotz der Schwächen des Drehbuchs richtig gut machen

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Utgaard

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Re: Pfad des Kriegers
« Antwort #1 am: 07. März 2019 - 08:55:18 »

Da kann ich mich DJ nur anschließen -ich fand den auch überraschend gut, auch wenns da natürlich ne Menge Ungereimtheiten gibt, was die Franken angeht.

D.J.

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Re: Pfad des Kriegers
« Antwort #2 am: 07. März 2019 - 15:08:31 »

Das ist wie bei "The Last Kingdom", "King Arthur" oder auch jedem halbwegs lesbaren historischen Roman ohne Wanderhuren, Wanderpredrigerinnen, Päpstinnen und sonstigen -innen. Die Historie funktioniert dort einfach nur als Vehikel für Liebesschmonzetten. Und solche Filme wie "Pfad des Kriegers" etc. sprechen dann eben eher Männer an (oder sollen es zumindest, denn was für goldende Zeiten waren das doch, wo ein Mann noch mit einem Schild und Schwert gewappnet vom Sklaven zum Lord und Herrn über tausend Soldaten aufsteigen konnte und blahblahblubblaberrharbarer ;) )
Da muss man das historisch wissende Auge eben manchmal zukneifen, weil diese Filme (und Romane) eine Nische sind, die man nur dann bedienen kann, wenn man zumindest etwas Bekanntes für die Masse bietet.
Ich bin da in der Regel leider ziemlich kritisch, was mir manchen Film, Serie oder Buch verleidet, weil mir da ungeniert Schwachsinn als echte Wahrheit verkauft werden soll.
Aber wenn mir dieser (historisch gesehene) Schwachsinn zumindest mit Liebe zur erzählten Geschichte und Verve in der Umsetzung verkauft wird, sehe ich gerne drüber hinweg und amüsiere mich :)
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D.J.

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Re: Pfad des Kriegers
« Antwort #3 am: 08. März 2019 - 17:38:43 »

Die Toys 'R' Us-Waffen und Second-Hand-Rollenspielklamotten der Wikinger und Angelsachsen in "Last Kingdom" sind schon fast wieder ein Unterhaltungsfaktor.

Okeee ... im Sinne deines (offenbar gefährlich hohen) Blutdrucks, werde ich zu dieser Serie besser nichts schreiben ;)
Und auch nicht zu Vikings.
Oder Braveheart.

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Riothamus

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Re: Pfad des Kriegers
« Antwort #4 am: 08. März 2019 - 19:30:25 »

D.J., ich wollte hier eigentlich nichts schreiben. Aber Beorn hat da durchaus Recht. Der Film ist meiner Ansicht nach nicht über den Punkt hinaus, an dem der Trash schon wieder kultig wird.

Es gibt da einen Schriftsteller, der hat angeblich die zeitgenössischen Ortsnamen recherchiert. Was er wirklich getan hat, war, in die Quellen zu schauen und die dort üblichen Namen zu nehmen. Daher haben dann seine norddeutschen Orte lateinische Namen. Was bei Köln je nach Sprecher noch angehen mag, ist ansonsten einfach Verarsche des Lesers. Und das geht dann auf die Nerven. Es ist einfach dumm gemacht.

Klar, Filme und Bücher müssen Konzessionen machen. Zeitgeschmack, Ästhetik, künstlerischer Anspruch, ökonomisches Umfeld, ... Zudem ist jeder historische Roman, jeder Historienfilm nur bis zu einem gewissen Grad historisch. Dahn stellt gleich ganz am Anfang drei verschiedene Germanen-Sichtweisen vor. Damit sagt er, dass er eben auch nicht alles weiß, obwohl in seiner Zeit die Geschichte zeigen wollte, wie es war. Scheffel spielt im "Ekkehard" - erfolgreichster deutscher Roman im 19. Jahhundert - ironisch mit den Vorurteilen und Ansichten seiner Zeit. Gleich am Anfang schreibt er z.B., dass es ein heller Tag war, aber nicht so hell wie heute, weil es ja das dunkle Zeitalter des Mittelalters war. Aber zu behaupten, man mache einen Film und habe sich an der Geschichte orientiert und dann Fantasy oder nur reinen Quatsch zu zeigen, ist einfach nur dreist. Und oft wird geradezu gesagt, dass man nicht fähig sei, anderes umzusetzen. Warum macht man dann dennoch den Film? Wie soll mich ein Film unterhalten, der ankündigt, etwas zu sein, dass ich dann erwarte und dadurch überall durch Peinlichkeiten aus der Handlung gerissen werde? Da geht es nicht darum, dass mal eine falsche Waffe oder ein falscher Panzer gezeigt wird. Da geht es darum, dass ein Film nicht ist, was er verspricht. "Die letzte Legion" hat so manche Macken. Aber da ist klar, dass der bretonische Sagenkreis und die Behauptungen um das Schwert Caesars ausgeschrieben werden. Da ist es dann nicht ärgerlich, wenn im nachrömischen Britannien plötzlich eine Legion der frühen Kaiserzeit aufmarschiert. Das macht den Film sympathischer als viele andere, auch wenn er sonst seine Mankos hat, z.B. die Beschränkung der Filmmusik auf zu wenig Themen irgendwann auf die Nerven geht. Aber über historische Fehler kann ich eben nicht meckern, wenn es gar kein Historienschinken ist.

Shakespeare (und auch Schiller) lässt Dramen vor historischer Kulisse spielen, die wenig mit dem eigentlichen Geschehen zu tun haben, ganz Interpretation und auf die eigene Zeit bezogen sind. Da ist die Geschichte im Vordergrund, die dann auch in andere Zeiten versetzt werden kann. Und heute oft schon selbst erklärt werden muss. Da ist dann eine Frage wie der Hintergrund gezeigt wird. Der Wallenstein oder Hamlet könnten auch im Weltall spielen. Da geht es um die Story, um die Charaktere und nicht um die Zeit. Das kann auch für trivialere Werke gelten. "Die drei Musketiere" hält alte Geschichten fest und "Der Graf von Monte Christo" drückt den Zeitgeist aus. Da wird der historische Hintergrund, im letztem Fall sogar die Gegenwart des Autors zur bloßen Ausstattung. Aber diese Ausstattung muss dann schon passen, damit es funktioniert, auch wenn es im Weltall oder in Mittelerde angesiedelt wird. (Ein Hobbit, der während der Besetzung des Auenlandes eingesperrt wird und in der Zelle neben einem Zauberer landet, statt neben einem Priester. :D ) Nur muss dann der Hintergrund schon konsistent sein.

Und wenn ich einen Film über Radbod mache, weil dieser Winkel der Geschichte bisher weitgehend unberücksichtigt blieb, muss ich mich entscheiden. Historie, Sage oder Geschichte. Nicht umsonst haben Genremixturen einen schlechten Ruf. Sie gelingen nur selten. Und dann nicht den durchaus interessantem Hintergrund zu zeigen, sondern nur heutiges Vorurteil, nun ja. Warum haben sie nicht einfach die Finnsburg-Sage verfilmt, wenn sie nur "Was mit Friesen aus dem Frühmittelalter mit vielen Fantasyelementen" wollten? Das hätte sich bei einem entsprechend seiner Rekonstrukion entworfenen Drehbuch sogar mit dem Namen Tolkien schmücken können, ohne das Tantiemen fällig gewesen wären. Da hätte man sogar Migration oder das Thema Minderheiten thematisierem können. Da könnte alles drin sein, was heute in dieser Hinsicht die Nachrichten beschäftigt: Ablehnung des Fremden, Integration, Auflehnung gegen die Gesellschaft des neuen Landes. Ein tragisches Ende kommt heute nicht gut an. Also müssten nur die, die die Gewalt ergriffen am Ende leiden, während gelingendes Miteinander zu einem guten Ende führt. Denn die Ethik der Völkerwanderungszeit gibt uns heute eben nichts und es liegt im Wesen einer Sage, dass sie sich verändert, ihre Aussagen der erzählenden Zeit anpasst. Mit der Geschichte wird es immer wieder versucht, kann aber nicht gelingen. Und wenn ich dann die ganze Zeit nur Unstimmigkeiten sehe, ist das keine Unterhaltung.

Eine weitere Unart ist heute, Filme nur für eine Zielgruppe zu produzieren. So fragmentiert ist unsere Gesellschaft noch nicht, als dass das nötig wäre. Und mehr Erfolge feiern andere Filme. Ich will solche Filme nicht ausschließen, aber es wird heute damit mitunter sehr übertrieben. Fremdes wirkt schnell seltsam, komisch und ist häufig anstrengend. Dadurch sind solche Filme für viele einfach nicht zu genießen.
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Gruß

Riothamus

D.J.

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Re: Pfad des Kriegers
« Antwort #5 am: 09. März 2019 - 06:31:57 »

Ehm, ich wollte jetzt niemandem davon abhalten, etwas zu den besagten Serien zu schreiben oder diese gut zu finden.

Ach du je! Das war nur ein ironischer Spaß, Beorn, kein Ernst!
Selbstredend werde ich weiter was zu Filmen und Serien schreiben (und auch mal wieder Bilder von fertigen Minis posten, sobald ich mal wieder zum Malen gekommen bin)
Ich habe mich nur etwas darüber lustig gemacht, wie sehr du dich über den Film aufregst ;) Das finde ich sogar gut, wenn auch gegenteilige Meinungen kommen, denn ein Forum lebt vom freundschaftlichen Hin und Her und nicht vom gleichmachednen Jubel.
Mit solchen Aufregern bist du auch nicht alleine, auch wenn der Film hier nicht unter meine persönliche Kategorie "Regt meinen Puls extrem an" gefallen ist ;D

Also alles paletti, ich habe nur einen Spaß gemacht und ehrlich gesagt deinen Post sogar genossen ;)
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D.J.

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Re: Pfad des Kriegers
« Antwort #6 am: 09. März 2019 - 07:08:05 »

D.J., ich wollte hier eigentlich nichts schreiben.

Was schade gewesen wäre  :-\

Und oft wird geradezu gesagt, dass man nicht fähig sei, anderes umzusetzen. Warum macht man dann dennoch den Film?

Hier bin ich ratlos, denn das habe ich noch nie (zumindest bewusst) gesehen?
Ich kenne keinen Autor der sagt, ich mache das jetzt, auch wenn ich es eigentlich nicht umsetzen kann.
Zumindest keinen, der nicht per Self Puplishing veröffentlicht ;)
Der würde mit so einer Aussage nicht über die Vorzimmerdame der Praktikanten in einem Lektoratsbüro hinaus kommen und sein Foto würde die Dartscheibe des Verlags zieren ;D

Wie soll mich ein Film unterhalten, der ankündigt, etwas zu sein, dass ich dann erwarte und dadurch überall durch Peinlichkeiten aus der Handlung gerissen werde?

Und da haben wir das Problem der "historischen" Filme und Romane. Es gibt die "selig Unwissenden", denen laut der Bibel das Himmelreich gehört und jene, die Wissen und daran verzweifeln ;)
Einem Arzt eine Serie wie Dr. House zu präsentieren, oder einem Historiker einen Schinken wie Pfad des Kriegers, hat etwas von "weißen Verhörmethoden" ;)
Es ist für diese Wissenden eine Qual, während es für die breite Masse ein Späßken ist.
Und das die Ankündigungen für Filme immer sehr vollmundig sind, ist inzwischen keine Überraschung mehr. Ich persönlich ziehe 99% der Vorankündigungen ab, bevor ich einen Film anschaue.
Das dämpft meine Erwartungen und schmälert eventuelle Enttäuschungen ;)
 
Da geht es nicht darum, dass mal eine falsche Waffe oder ein falscher Panzer gezeigt wird. Da geht es darum, dass ein Film nicht ist, was er verspricht. "Die letzte Legion" hat so manche Macken. Aber da ist klar, dass der bretonische Sagenkreis und die Behauptungen um das Schwert Caesars ausgeschrieben werden. Da ist es dann nicht ärgerlich, wenn im nachrömischen Britannien plötzlich eine Legion der frühen Kaiserzeit aufmarschiert. Das macht den Film sympathischer als viele andere, auch wenn er sonst seine Mankos hat, z.B. die Beschränkung der Filmmusik auf zu wenig Themen irgendwann auf die Nerven geht. Aber über historische Fehler kann ich eben nicht meckern, wenn es gar kein Historienschinken ist.

Und damit hast du mir den Film gespoilert :(
Aber gut, dir sei vergeben :D


Eine weitere Unart ist heute, Filme nur für eine Zielgruppe zu produzieren. So fragmentiert ist unsere Gesellschaft noch nicht, als dass das nötig wäre.

Da muss ich dir leider aus eigener Erfahrung widersprechen  :(
Wenn du ein Buch oder auch "nur" einen Heftroman an den Verlag bringen willst, musst du dir vorab über die Zielgruppe und deren Erwartungen im Klaren sein und diese erfüllen. Tust du dies nicht, wirst du keinen Verlag finden, der dein Manuskript verlegt.
Aus diesem Grund sind die zahlreichen Selfpuplisher auch alle keine Millionäre. Nur diejenigen, die sich ihrer Zielgruppe und deren Erwartungen und den Konventionen ihres Genres bewusst sind, können von ihren Sachen überhaupt etwas verkaufen. Alle anderen geraten unter die Räder, verteilen ihre Romane für 99 Cent oder gar kostenlos unter einer "Leserschaft", die weniger ernsthaft liest als vielmehr sinnlos Terabyte umd Terabyte an kostenlosen "Romanen" und Kurzgeschichten sammelt, und verstärken damit das weiße Rauschen im Literaturbetrieb, dass derzeit so laut aufwallt.
Nicht jeder kann Geschichten erzählen und nicht jede Geschichte muss erzählt werden.
Aber wenn man eine Geschichte erzählen will, gleich ob für Geld oder um seine Mitmenschen zu erfreuen, dann soll sie sich auch an dem orientieren, was die Leser haben wollen und möglichst professionell aufgearbeitet werden.
Ist das Zielgruppendenken?
Ja, ist es.
Ich kann einem Kaffeekränzchen bei Tante Käthe nicht ...

Als ich erwachte, hatte ich einen goldenen Ring mit einem ordinär großen Edelstein im Mund. Es war so ein protziges Teil für Zuhälter und Möchtegerns mit kleiner Nudel und dicker Brieftasche. Das war an sich schon ungewöhnlich. Der Clou an der Sache war aber, dass an dem Ring noch ein Finger hing. Es war ein Samstagmorgen und mit dem Erwachen an jenem denkwürdigen Tag begann mein Albtraum erst richtig.

... oder ...

Ein Klopfen an der Tür unterbrach meinen Gedankengang. Ohne eine Antwort abzuwarten, kam Vladimir in das Büro. Er war das klischeehafteste Abziehbild eines Vorzeigerussen, dass ich je erblickt hatte. Kantige Gesichtszüge, eine hinterfotzige Bauernschläue in den Augen und ein paar extrem behaarte Hände, die mühelos meine Knochen brechen würden, sollte ich aufmucken. Vladimir hatte sein Auftreten perfektioniert. Wenn er sprach, dann schlug sein Akzent mit der schweren, slawischen Zunge und dem leicht abgerollten »R« derartig durch, dass ich den Verdacht hegte, er würde bewusst so reden, um seine Herkunft deutlich hervorzuheben. Er liebte teure Anzüge, protzigen Schmuck und Eau de Cologne. An jenem Abend roch er, als wäre ihm Wolfgang Joop in den Arsch gekrochen und dort elendig verreckt.



... um die Ohren hauen, wenn die einen Alpenroman erwarten.
Die bekommen stehenden Fußes Nasenbluten, wenn die sowas lesen!  ;D
Und gleiches gilt für Filme.
Deutsche Filme und "TV-Events" sind für mich in ihrer bedeutungsschweren Machart voller "wichtiger" Gedanken und Themen einfach kein Thema. Solche Themen habe ich auch im Alltag, da muss ich mir das nicht auch noch in meiner Freizeit geben. Aber es gibt eben eine Zielgruppe dafür und die goutiert diese Filme.
Dann gibt es diese Tarantino-Schinken, die ich mir nur in höchst homöophatischen Dosen antun kann. Auch da gibt es eine Zielgruppe für.
Und so geht das weiter und weiter. Und das Ziel eines Filmschaffenden (oder Schriftstellers) ist es, so viele Zielgruppen bzw. deren Schnittmengen wie möglich mit seinem Werk anzusprechen, damit ihm auch der nächste Film finanziert wird und er sich und seine Familie am Verdauen halten kann ;)
So gibt es also auch eine Schnittmenge / Zielgruppe, die in Tarantinos Blutbädern eine gesellschaftskritische Aussage entdeckt, die sich mit der sozial-politischen Komponente des letzten ARD Vierteilers deckt, wo zum drölftausendesten Mal alle Deutschen von vor 1945 als Nazis schlechthin bezeichnet wurden, während in der Zeit ab 1946 nur noch weiße Lämmer im frommen Gewändern blökten.
Das ist dann eine "gemischte Zielgruppe", wie man das nennt.

Es ist ein hehres Ziel Kunst, also Filme und Literatur, für höhere Weihen zu schaffen.
Aber selbst Shakespeare musste sein Brötchen verdienen und die Theater Abend für Abend füllen.
Und solange es keine Replikatoren gibt, keine sorgenfreie Rundumversorgung mit Nahrung, Kleidung und Unterkunft, solange wird sich Kunst immer wieder auch der Frage nach der Zielgruppe stellen müssen, denn auch Künstler wollen essen, angezogen und untergebracht werden.
Und wer jetzt sagt, man könne sich Mäzene suchen ... was ist das denn bitte anderes, als eine Zielgruppe?
;)

« Letzte Änderung: 09. März 2019 - 07:40:21 von D.J. »
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Re: Pfad des Kriegers
« Antwort #7 am: 09. März 2019 - 09:01:28 »

Eieiei, was habe ich mir da gestern Abend angesehen?

Da meine frau ein großes Hobbyinteresse an Friesland und damit auch den friesischen Germanen hat, war nach DJs Post am Mittwochabend sofort klar, den schauen wir am Freitag!
Wow - die ersten 20 Minuten mussten wir echt kämpfen nicht abzuschalten, nach der Beschreibung des Films habe ich was ganz anderes erwartet.
Bevor jetzt eine Aufzählung aller Kritikpunkte losgeht will ich aber eins sagen - dran bleiben hat sich gelohnt und wir fanden den Film gut.

Was mich an dem gesamten Film richtig gestört hat ist der Stil der Darsteller. Ob das nun ahistorisch ist oder nicht ist mir ja fast egal, ich kann mit diesem Vikingsstyle einfach nichts anfangen. Wannabe-Bikertypen und Weiber mit Undercut, die nur dann stark und emanzipiert sind, wenn sie Kerlen die Schnauze einhauen sprechen mich persönlich halt überhaupt nicht an. Ja gut, persönliches Gusto.
Die Actionszenen (gerne zwei gleichzeitig geführte Waffen) sind so hart übertrieben, daneben wirkt Legolas wie ein Waisenknabe. Diese sind nicht unbedingt schlecht in Szene gesetzt, aber auch nicht so meins.
Über Bewaffnung und Co. wurde schon ein wenig was geschrieben, das muss ich nun nicht weiter ausführen.

Man nimmt sich also Malzeug zur Hand damit man das Elend nicht ansehen muss und lässt den Film vor sich hin plätschern. Zwischen schlechten Special Effects kommt ein typisches Schema F, Lovestory, Verrat, Rache blababla...
Nee Moment, in dem Augenblick in dem ich denke alles vorhersehen zu können bricht der Film mit üblichen Klischees ein klein wenig auf und auf recht erfrischende Art fängt Der Pfad des Kriegers plötzlich an mir nette Kurzweil zu bereiten.
Erwartet nun bitte kein Oskarreifes Drehbuch, aber die Geschichte von dem Film ist für diese Art echt nett und man kann ihn sich gut anschauen. Zum Vergleich; Vikings, Last Kingdom und The Outlaw King waren Filme die ich so richtig kacke fand. Daneben ist Redbad nicht unbedingt neu (da er genau in dies Genre dieser Filme passt), aber für mich persönlich einfach um Längen besser.

Kommen wir zu den Friesen; der Film hangelt sich an Klischees, Mythen und auch Überlieferungen die wir über die Friesen haben entlang und baut verschiedene Punkte mit ein. Alles nichts dolles und weit von einer Dokumentation entfernt, aber wir hatten öfter einen Nett-das-sie-das-eingebaut-haben-Moment.
Zwei "wichtige" Ereignisse die man aus der überlieferten friesischen Geschichte kennt sind an zwei wichtigen Punkten des Films eingebaut. Ob diese Überlieferungen nun der Wahrheit entsprechen, oder die "Überlieferung" schon stark romantisiert ist darf sicher diskutiert werden ;) aber sie gehören halt dazu und ich habe sie schon kitschiger umgesetzt gesehen. Wer den Film gesehen hat weiß was ich meine.
In einem Punkt möchte ich ein wenig widersprechen, beziehungsweise Ergänzend eine andere Sichtweise darlegen:

Um zu "Braveheart" zurückzukehren: Ja, die Geschichte beschwört ebenfalls einen modernen Patriotismus der zu Storyzwecken ins Hochmittelalter projiziert wird, aber wenigstens lässt sich eine schottische politische Identität zu der Zeit in den Quellen greifen. Für das Friesland des späten siebsten Jahrhunderts besitzen wir kaum schriftliche Quellen

Der erste Satz ist so nicht ganz richtig. Die friesische Identität lässt sich seit Aufzeichnung der ersten Friesen bis heute greifen.
Wer Ostfriesland (heutzutage) nicht kennt, dem würde ich den Menschenschlag der Ostfriesen so beschreiben, dass man sich die Bayerische Mia san Mia Mentalität auf eine sehr verschrobene und in sich gekehrte Weise vorstellen muss. Bevor sich hier ein Bayer nun verletzt fühlt, auf eine wirklich sehr verschrobene Art.
Allerdings sind die Ostfriesen auch Menschen, die sich sehr stark an ihre Traditionen klammern und wenn man die Gegend bereist kann man den Eindruck bekommen auf Zeitreise zu sein.
Hier erklärt sich auch das Ding mit lang anhaltendem Heidentum. Wie wir alle wissen hat die Christianisierung ja nicht so schwarz-weiß stattgefunden wie sie dargestellt wird, aber gerade dadurch gab es einige Völker bei den die heidnischen Rituale wesentlich länger praktiziert als bei anderen, die Friesen gehören dazu.
Heutzutage werden immer noch einige dieser Rituale regelmäßig durchgeführt. Zugegeben, wenn man daran teil nimmt hat man das Gefühl, es gibt einfach einen Vorwand um Korn zu trinken.
Aber nicht nur religiöse, sondern auch weltliche Rituale gehören zum überlieferten Repertoire Ostfrieslands. Grabenspringen und Boßeln (was tatsächlich mal eine Selbstverteidigung war) dürften die populärsten sein.
Es gibt sogar immer noch Anführerposten unter den Friesen, die aus dem Mittelalter entstammen und deren Position heute noch von Männern eingenommen wird. Gut, der reale Einfluss eines solchen Anführers dürfte geringer sein, als der des Karnevalsprinzen der hiesigen Kita, aber er beschreibt schön, welchen Stellenwert die friesische Identität unter den Ostfriesen hat.
Wenn man also behauptet die Ostfriesen hätten keinen greifbaren Patriotismus, könnte man eigentlich laut auflachen, nur neigen diese Menschen nicht zu solch emotionalen Ausbrüchen.
Der letzte Satz beschreibt im übrigen ganz gut die Andersartigkeit dieser Kultur und warum man deren Identitätsgefühl als Außenstehender nicht so sehr wahrnimmt.

Um das ganze zum Abschluss zu bringen;

was ich hier beschrieben habe ist ausschließlich die deutsche Seite der Friesen, da ich mich mit der niederländischen nicht so gut auskenne. Ich weiß jedoch, dass diese mit ihrer friesischen Identität noch mal krasser sind.
Was die Niederländer also machen wollten ist ein Film der, für Leute die Bock drauf haben, zeigt was für geile Typen sie mal waren und unter dem Gesichtspunkt haben sie das doch gut hingekriegt  8)
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Re: Pfad des Kriegers
« Antwort #8 am: 09. März 2019 - 10:52:58 »

Das ist doch vollkommen klar  :)
Ich denke über einen historischen Hintergrund braucht man hier nicht diskutieren. Der Film strotzt (genau wie das o.g. Braveheart) nur so vor Klischees und das tut er doch auf das ganz annehmbare Weise.
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D.J.

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Re: Pfad des Kriegers
« Antwort #9 am: 09. März 2019 - 15:37:11 »

@D.J.: Danke für den Nachtrag, die unpersönliche Art einer Forumsdiskussion macht es einem leider oft schwer, den Ton einer Antwort herauszulesen!

Deswegen war es mir wichtig, das Missverständnis schnellstens aus dem Weg zu räumen :)

Ich komme eben erst vom heutigen Spieltag heim, freue mich aber schon auf die neuen Beiträge.
Finde ich klasse, wenn ein Thema so begeistert. Da bekommt man auch mal neue Perspektiven auf sein eigenes denken und bewertet Dinge auch mal ganz neu.
:)
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