Mir fällt immer wieder auf, dass offensichtlich selbst Historiker heute noch die Zahlenangaben der Antike für voll nehmen. Woher kommt das? Warum wird Dellbrück z.B. ignoriert? Gibt es Bücher, welche sich heute mit realen Kräftezahlen beschäftigen?
Ein Beispiel:
Bei der Schlacht bei Ecnomus sollen angeblich 680 Schiffe mit 290.000 Mann Besatzung aufeinander gestoßen sein.
Wer glaubt denn sowas?
Ich meine, wie soll die antike Logistik soviele Menschen versorgt haben?
Ein gutes Beispiel sind die Versorgungsschwierigkeiten, die noch in der frühen Neuzeit bei deutlich dichter besiedelten Landstrichen Heere von 30-40.000 Mann hatten. Wenn sie länger als eine Woche an einem Ort blieb, war die Gegend im Umkreis von einigen Kilometern leer gesogen.
Wieviele Brote muss man täglich backen, um sagen wir eine Mannschaft von 150.000 Menschen zu versorgen? Das entspricht noch heute einer kleineren Großstadt.
Das bahnbrechende an Dellbrücks Werk über die Kriegskunst ist auch m.E. nicht seine Betrachtungsweise der Taktik. Denn da ist vieles heute überholt. Das bahnbrechende ist, dass er nach ökonomischen und rationalen Maßstäben die Kriegsführung der Vergangenheit abklopft. Am stärksten ist er daher bei seiner Betrachtung der Feldzüge Alexanders, wenn er bspw. aus dem Schlachtverlauf von Issos analysiert, dass die Armee der Perser genau deswegen eine engere Stelle des Tals auswählte, weil sie eben garnicht so märchenhaft groß war. Gerade die Perser hatten ja gewiss genauso wie Alexander später laufend mit eher widerwilligen Satrapen zu kämpfen, die garnicht erst ihre Kontingente abschickten und wenn sie sie abschickten, konnten sie alleine schon wegen der Weite des Raumes nie und nimmer zum nötigen Zeitpunkt ankommen (und wie sollten sie sich ohne GPS etc. finden?). Am absurdesten sind ja die Zahlen, die man oft für Gaugamela findet. Wo die Perser auf einmal eine soooo riesige Armee gehabt haben sollen, obwohl Ägypten und Kleinasien ja bereits von Alexander erobert waren und aus diesen mithin reichsten Provinzen des Reiches scheinbar keine Truppen mehr Dareios zuströmten (jedenfalls ist in den Beschreibungen der Feldzüge nie davon die Rede - ich denke vielmehr, dass sich bis Gaugamela der Einfluss der Perser über diese Provinzen erledigt hatte).
Dankbarerweise liefern uns entgegen der Griechen die Römer doch oftmals glaubhaftere Zahlenangaben. Da kämpften gegen Hannibal am Trasimenischen See etwa 40.000 Mann. Bei Cannae sollen es doppelt soviele gewesen sein, aber das ist nicht ganz sicher, weil man einfach oftmals fix genausoviele Bundesgenossen wie Römer annimmt. Lindybeige hat z.B. mal betont, dass man eigentlich nicht wirklich weiß wie diese Bundesgenossen denn kämpften und organisiert waren.
Die Frage ist dann auch, ob man nicht spekulieren kann, dass wenn die Bundesgenossen in ihrer Anhänglichkeit zu Rom etwa wankend wurden, vielleicht nur schwache Äquivalente zu den römischen Legionen schickten. Die Legionen in der republikanischen Zeit umfassten ja zwischen 4.000 und 5.000 Mann, wobei das nur die Sollstärke war. Normalerweise wird mangels anderer Angaben einfach bei den Schätzungen der Heeresgrößen von Sollstärken ausgegangen.
Nur mal angenommen man hätte bei Cannae wirklich auf römischer Seite 16 Legionen aufbieten können, was selbst für Italien eine gewaltige Streitmacht war und sicher nur unter höchsten Anstrengungen A zusammen zu trommeln und B zu versorgen, wobei Letzteres, da man zuhause kämpfte sicherlich leichter war als beispielsweise in Spanien oder auf dem afrikanischen Festland (Zama z.B.), dann sind das immernoch nicht soviele wie die weit über 100.000 Mann Ruderer und Seesoldaten (wohl einfach aufs Schiff gesetzte Legionäre), die angeblich bei Ecnomus anwesend waren. Und dabei war im 2. Punischen Krieg obendrein die Macht Roms eher erheblich größer als im 1. Punischen Krieg, da dieser ja schon zu Gebietszugewinnen geführt hat.
Lange Rede kurzer Sinn: was kann man also als wahr annehmen?
Denn wenn ich mir ein Szenario zusammenbastel, dann versuche ich ja, was glaubhaftes abzubilden.
Etwa wenn ich die spanischen Bataillone nach 1743 als schwach abbilde oder mit hinein rechne, dass wenn es zu einem Überfall kam, auch die Einheiten zerstreut waren und wohl kaum mit voller Kampfstärke kämpfen konnten (es sind immer ein paar pinkeln oder besorgen sich ihr Frühstück oder haben ihre Muskete zum Reinigen auseinander genommen etc pp.).