Garford-Putilov von Empress Miniatures
Kurzer geschichtlicher Abriss:Der Garford-Putilov war ein während des ersten Weltkriegs von Russland entwickelter und in Serie gebauter Panzerwagen, der auf dem Fahrgestellt eines aus den USA importierten LKWs basierte.
Heraus kam ein Fahrzeug, das gepanzert und mit einer 76mm Kanone und drei Maxim MGs ausgestattet war. Der Motor war mit diesem Zusatzgewicht hoffnungslos überfordert und schaffte es das Fahrzeug nur noch auf eine Höchstgeschwindigkeit von 18 – 19 km/h (11 – 12 mph) zu beschleunigen. Zudem hatte der Aufbau einen hohen Schwerpunkt, der dafür sorgte, das der Garford-Putilov keine Geländetauglichkeit besaß.
Obwohl die aufgebaute Kanone einen Schwenkwinkel von 270 Grad aufwies, konnte sie nicht in Fahrtrichtung des Wagens wirken und auch die beiden an den Seiten angebrachten MG-Kasematten waren nicht im Stande das direkte Umfeld vor dem Fahrzeug abzudecken.
Vorteil des Fahrzeugs waren seine Robustheit, die relativ starke Bewaffnung für ein Panzerauto dieser Zeit und die technische Zuverlässigkeit.
Um die Kanone effektiv gegen feindliche Kräfte einsetzen zu können war es essentiell, dass das Fahrzeug eine hohe Geschwindigkeit rückwärts zurücklegen konnte. Aus diesem Grunde konnten die Gänge „umgeschaltet“ werden, womit alle vier Vorwärtsgänge zu Rückwärtsgängen wurden und somit das Fahrzeug in derselben Geschwindigkeit vor- wie rückwärtsfahren konnte.
Die Besatzung umfasste 8 – 9 Mann, wobei nur die Positionen des Kommandanten und Fahrers fest definiert waren.
Insgesamt wurden 48 Fahrzeuge gebaut, von denen wahrscheinlich 5 Stück während des Krieges von deutschen Truppen erbeutet wurden und somit 1919 zur Niederschlagung der Januaraufstände in Berlin Verwendung fanden.
Kleine Anekdote zum Schluss:
Während der Kämpfe im Osten 1919 gegen die litauische Armee, wurde ein Garford- Putilov von einem deutschen Offizier der Eisernen Division (eine Freikorpsabteilung im Dienste Russlands) erobert. Der Soldat erstürmte das nur langsam zurückweichende Fahrzeug (max. 19 km/h) und erschoss durch die Sichtluken den Kommandanten und Fahrer. Der LKW fuhr darauf hin führerlos in einen Graben und die restliche Besatzung ergab sich.An diesem Beispiel werden die Schwächen des Panzerautos (geringe Höchstgeschwindigkeit, kein Rundumschutz mit MGs) deutlich.
Der Bausatz (von Empress)Umfang:1 x Hauptrumpf (Resin)
1 x Turm (Resin)
1 x Geschützblende (Resin)
1 x Vorderachse (Weißmetall)
2 x Vorderreifen (Weißmetall)
1 x Hinterachse (Weißmetall)
2 x Hinterreifen – Doppelbereifung (Weißmetall)
3 x Maxim MG (Weißmetall)
2 x Scheinwerfer (Weißmetall)
2 x Bremsanlage (Weißmetall)
1 x Stoßstange (Weißmetall)
Keine Decals!
Keine Anleitung!

Maße (Maßstab): Augenscheinlich passen die Grundmaße des Fahrzeugs. Die Plattform für den Turm hat einen minimal zu großen Durchmesser. Die Gesamtlänge an sich ist stimmig (berücksichtigt man nicht das überhängende Kanonenrohr). Einzig allein bei der Höhe fehlen ca. 2mm. Dies wird auch deutlich, wenn man eine Figur im passenden Maßstab neben das Fahrzeug stellt und eine Größenvergleich mit historischen Aufnahmen durchführt. Hierbei wirkt die Modelfigur etwas größer als die Personen auf den Fotos (eventuelle Bases abgerechnet). Allerdings kann man hier immer noch argumentieren, dass es kleine und große Menschen gibt (was eine spezielle Aufnahme eines Garford-Putilov in Freikorpsdiensten in Berlin mit unterschiedlich großen Soldaten eindrucksvoll bestätigt).
Detaillierung:Das Modell hat erhabene Details und eine stark ausgearbeitete Nietenstruktur. Diese ist natürlich für den Maßstab eindeutig zu groß, jedoch bei Resin-Tabletopmodellen nicht unüblich. Natürlich stimmen hier nicht die Anzahl der Nieten mit dem Original überein, jedoch sind sie grundsätzlich korrekt positioniert.
Das Fahrzeug ist recht einfach gehalten und es fehlt das ein oder andere Detail, jedoch sind alle grundsätzlichen Erkennungsmerkmale enthalten. Ein Problem allerdings stellt das fehlende Geschützrohr dar. Denn man erhält nur die Blende, die um das Rohr drumherum gebaut wurde. Im inneren ist dieses Resinteil aber hohl. Ob man hier wirklich ein Geschützrohr darstellen muss, ist fraglich, da die Geschützblende eigentlich den Geschützlauf größenteil verdeckt.
Bei meinem Modell habe ich das Geschützrohr durch einen aufgebohrten Plastikgussast dargestellt.
Die Länge des Rohres war allerdings unklar. Auf manchen historischen Aufnahmen reicht das Rohr bis fast an das Ende der Blende, in anderen Aufnahmen befindet sich der Lauf viel tiefer im Inneren der Röhre.


Die Oberseite der Geschützplattform scheint zudem falsch wiedergegeben zu sein. Anstatt leicht nach innen versenkt zu sein, müsste sie eben sein und zudem Vernietungen aufweisen.
Größtes Manko an dem Modell ist aber etwas ganz anderes: Der Hauptrumpf ist verzogen. D.h. dass die hintere Geschützplatzform schräg ist und sich zum einen nach links in Fahrrichtung neigt und zum anderen schräg nach hinten hin ansteigt. Selbst ein Bad in heißem Wasser und der Versuch durch Biegen den Schrägstand auszugleichen blieben erfolglos. Baut man den Panzerwagen ohne dies zu berücksichtigen, hat man am Ende einen deutlichen Schrägstand der Plattform und des darauf sitzenden Turms. Einzige Option ist hierbei, die Hinterachse leicht schräg anzubringen um somit die Schieflage der Platzform zu kaschieren. Sieht man aber von Vorne direkt auf das Fahrzeug, bemerkt man trotzdem den Schrägstand des Turms. Stellt man den Turm in gedrehten Zustand dar, wird dieser Umstand noch verstärkt.
Hier einmal in "normal" gebautem Zustand:

Und hier in "kaschiertem" Zustand:

Wahrscheinlich würde nur ein Auseinanderschneiden des Rumpfes und neu Anbringen der Plattform diesen Makel beheben. Dies wäre aber mit einem immensen Arbeitsaufwand verbunden, der einem komplett Umbau des Fahrzeugs gleich käme.
Gussqualität:Die Gussqualität ist zufriedenstellend. An meinen Modellen habe ich sauber gegossene Nieten und Details gesehen, keine Abplatzer beim Resin oder abgebrochene Stellen. Allerdings wahren auf dem Dach der Fahrerkabine mehrere Nieten nicht richtig ausgegossen. (Dies fiel mir leider erst nach der Bemalung des Modells auf.)
Dies ist allerdings ein Einzelfall, da ich noch einen zweiten Bausatz erhalten habe, bei dem der Guss sauber ist. Leichte Blasenbildung ist sonst nur an der Unterseite des Fahrzeugs (in nicht einsehbaren Bereichen) zu finden. Die Verformung des Rumpfes wurde bereits oben angesprochen. Insgesamt ist es also ein sauber gegossenes Model mit ordentlicher Widergabe der Details. Die Zinnteile sind an sich sauber gegossen. Lediglich bei der Doppelbereifung der Hinterreifen sind unsaubere Stellen vorhanden.
Passgenauigkeit:Die Passgenauigkeit ist zufriedenstellend. Besonders die Achsen und Reifen konnten durch saubere Passstellen und Einkerbungen glänzen, die den Zusammenbau (mit Sekundenkleber) sehr erleichtern. Für die MGs empfiehlt es sich Löcher zu bohren und diese dann dort einzupassen (damit sie auch während eines Tabletop-Spiels nicht versehentlich abbrechen). Man kann den Turm natürlich magnetisieren, jedoch sollte man im Hinterkopf behalten, dass aufgrund der schräg stehenden Platzform, der Aufbau in manchen Winkeln deutlich zur Seite neigt und somit diesen Fehler noch deutlicher zeigt.
Für die beiden Scheinwerfer empfiehlt es sich kleine Löcher in die Kotflügel zu Bohren um sie dort dauerhaft zu befestigen.
Das empfindlichste Teil an dem Model sind die beiden Bremsen. Diese werden vor den Hinterreifen angebracht und direkt an die Unterseite des Rumpf geklebt. Problem dabei ist, dass man für sie leider keine Bohrung durchführen kann, da sie ansonsten zu hoch sitzen. Somit sind die beiden Teile an einer sehr exponierten Stelle nur mit Sekundenkleber am Rumpf befestigt, was ein Abbrechen durch zu grobes Handling wahrscheinlich macht.
Material (Qualität):Das für das Modell ausgewählte Resin ist relativ robust und schwer. Es scheint sich nicht wie sonst üblich bei Erhitzen im Wasserbad biegen zu lassen. Das Fahrzeug hat zudem durch die zahlreichen Weissmetall-Teile ordentlich Gewicht. Die Metallteile sind alle robust und verzeihen auch das eine oder andere Verbiegen. Die Resin-Teile sind zudem auch alle massiv gegossen.
Decals:Bei diesem Bausatz sind keine Decals enthalten. Ihr könnt euch u.U. an „Black Lions Decals“ wenden, einer Firma, die einige Decal-Sätze für Fahrzeuge aus dem ersten Weltkrieg im Programm hat. Hier wird z.B. ein Set für einen Garford-Putilov in Freikorps-Diensten um 1919 angeboten. Ebenfalls sind Decals für russische Varianten des Fahrzeugs verfügbar. Allerdings müssen die Decals auf 1/56 hochskaliert werden, da diese nicht standardmäßig in dieser Größe angeboten werden. Dies wird aber auf Anfrage ohne großen Aufpreis gemacht.
Anleitung: Der „Bausatz“ hat keine Anleitung. Um das Modell zu bauen empfiehlt es sich Bilder von Originalfahrzeugen im Internet zu suchen und sich daran zu orientieren. Vorsicht beim Hinzuziehen von gebauten Modellen als Referenz! Oft wurde hier der Turm falsch aufgesetzt. Beim Magnetisieren (oder auch Ankleben) sollte man drauf achten, dass der Geschützturm nicht Mittig auf der Platzform sitzt! Stattdessen sollte man die Hinterseite des Turms direkt an den Außenrand der Platzform ansetzten und dann den Turm fixieren.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Geschützblende so tief am Turm sitzt, dass sie auf dem äußeren Rand der Plattform beinahe aufsitzt.
Preis:Das Modell kostet zurzeit 22,00 britische Pfund. Dies ist für ein solches Resinmodell ein akzeptabler Preis. Leider ist der Panzerwagen nur bei Empress Miniatures in Großbritannien erhältlich. Weshalb noch die Transportkosten und Zoll für jeden europäischen Käufer auf den Preis des Modells entfallen.
Weitere Hinweise:Es wird zum Zusammenbau Zweikomponentenkleber oder besser Sekundenkleber benötigt.
Um verbogene/verzogene Resinteile zu korrigieren empfiehlt es sich die betroffenen Bauteile in eine Schüssel mit heißem Wasser ein paar Sekunden einzutauchen und dann Vorsichtig wieder in die korrekte Form zu biegen. Dies kann bei Bedarf beliebig wiederholt werden.
Man sollte zudem ein Bastelmesser zum Entgraten und etwas Sandpapier zum Abschleifen von Unebenheiten haben.
ACHTUNG! Bitte nur Draußen oder über einer Absaugvorrichtung schleifen! Resinstaub ist hoch gesundheitsschädlich und ist höchstwahrscheinlich krebserregend!
Abmessungen:Höhe: 4,7 cm
Breite: 4,8 cm (mit MGs)
Länge: 10,8 cm (mit Geschützrohr)
Zusammenfassung Bewertung:
Maße (Maßstab): gut
Detaillierung: gut
Gussqualität: ausreichen (aufgrund verzogener Rumpf)
Passgenauigkeit: gut
Material (Qualität): gut (Aber: eine Nacharbeiten durch Erhitzen ist nicht möglich)
Decals: - nicht vorhanden-
Anleitung: - nicht vorhanden -
Preis: gut

Fazit:
Der Garford-Putilov von Empress Miniatures ist das einzige erstzunehmende Modell seiner Art im Maßstab 1/56 (28mm) auf dem Markt. Es gibt noch ein bis zwei Resin-Modelle und aufkommende 3D-Drucke, die allerdings weder in der Qualität noch im Design in irgendeiner Art überzeugen können.
Umso bedauernswerter ist es, dass das Modell von Empress einen verzogenen Rumpf hat, den man nicht so einfach korrigieren kann. Selbst mit Kaschieren bleibt die schräge Plattform aus dem ein oder anderen Blickwinkel deutlich sichtbar. Wäre dieser Makel nicht vorhanden, wäre dieses Modell uneingeschränkt jedem Table-Top-Spieler zu empfehlen.

