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Was kann tabletop?

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tattergreis:
In seinem hervorragenden AAR zur Schlacht von Bassignana
https://wackershofenannodomini.blogspot.com/2020/09/bassignana-27-september-1745-teil-2.html
schreibt Pappenheimer:


--- Zitat ---Tabletopspiele weichen erfahrungsgemäß von den historischen Schlachten ab, können aber auch dazu dienen, den Blick für alternative Lösungen zu öffnen.
--- Ende Zitat ---
Dem stimme ich nicht zu.
Und weil Maréchal Davout mich aufgefordert hat, mich zu erklären:
Ich denke, da wird dem tabletop zuviel aufgebürdet/zugesprochen. Ich muss niemandem hier im Forum etwas über die positiven Aspekte in Hinsicht sozialer Aktivität und Anreiz zur Hintergrundrecherche erklären, oder über die Vorzüge/Qualen des Bemalens. Bei der taktischen Analyse stößt TT aber an Grenzen, es ist dafür viel zu wenig Simulation.
Als naheliegendes Beispiel möchte ich die Schlacht bei Waterloo anführen, und zwar nicht nur, weil Maréchal Davout gerade einen Spielbericht dazu postet, sondern weil es ein Paradebeispiel dafür ist, dass jeder interessierte Armchair general / TT-Spieler eine bessere Performance hinlegen zu können glaubt als Napoleon Bonaparte. Dabei ist es egal, ob ein Umfassen der Flanken oder ein schneller Einsatz der Garde zum Durchbruch durch die Mitte angeführt wird, das alles hat in meinen Augen keinen Aussagewert.

Tabletop bedient sich fester Regeln, allein die Siegesbedingungen ermöglichen die Ausrichtung der Anstrengungen auf ein definiertes Ziel. Gerade das Brechen der feindlichen Moral ist manchmal mehr eine Rechenaufgabe als eine Feldherrenkunst.

Es mag so erscheinen, als gäbe TT Anregungen (für mich sind dafür Karten aussagekräftiger) für Alternativen, aber das ist dann nur Schein, weil TT Abläufe vereinfacht. Kriegsspiel unter Anleitung eines erfahrenen Militärs ist da etwas anderes (weshalb ich das Ersetzen des Begriffs tabletop wargaming durch Kriegsspiel ablehne), aber die Zielsetzung zw. TT und KS ist höchst unterschiedlich. Und so würde ich der Aussage zustimmen, dass TTs den Blick für alternative Lösungen beim TT aufzeigen, eine Übertragung in die Militärgeschichte ist aber nicht möglich.

cheers

Sens/):
Ich denke, dass kann jeder sehen, wie er persönlich will, dazu braucht es keiner Belehrungen  ;)

tattergreis:
Le Maréchal ´at misch gefra´gt.  Dés´alb ´abä isch ´ier ´erumgelabärt.

Ich hab also "mich erklärt", nicht Dich belehrt.  ;)

Darkfire:
Mhhhh...komplizierte Materie. Ich denke, es hängt immer davon ab, wo das Spiel endet und die ernsthafte Simulation beginnt. Was übrigens auch eine (alte) Bezeichnung für die, gerade historischen, Systeme ist, Strategie Simulation.

Wenn ich ein Bier und Brezel System nehme...vielleicht noch etwas cineastisch angehaucht wie Sharp Practice...dann ist es klar ein Spiel. Oder die Vorgänge stark abstrahiert wie DBMM. Wenn ich aber z.B. ein System wie Johnny Reb 3 nehme, bei dem mir beim Durchlesen schon schwindlig geworden ist, dann wird versucht eine so genaue und realstische Darstellung des Kampfablaufes wie nur möglich zu erzielen...mit genauer Differenzierung der Waffen innerhalb des Regiments, unterscheidlicher Basengröße und ausgefeilten Moralregeln. Vor allem, je mehr "Oldschool" das System ist (wenn schon mal jemand ein Regelwerk aus den Anfangszeiten gelesen hat), desto mehr Wargame-Kriegsspiel ist es.

Grade zu Anfangszeiten unseres Hobbies war die genaue Simulation der Schlacht im Vordergrund gestanden, was die Spielbarkeit stark beeinflusst hat und bisweilen zu echten Auseinandersetzungen am Spieltisch geführt hat, weil alles zu kompliziert und unverständlich formuliert war. Hier würde ich, für diejenigen, die sie etwas mehr einlesen wollen, die Bücher von Charles Grant, Charlie Wesencraft und, nicht zu letzt, Donald Featherstone empfehlen. Gerade Wesencraft hat sich in den 70er Jahren schon für eine Vereinfachung und Abstarhierung der Regeln ausgesprochen. Oder um ein Beispiel aus der Rollenspielecke zu verwenden, bei Rolemaster wirft der Spieler einen Würfel und der Spielleiter sagt ihm eine halbe Stunde später was er getan hat  ;)

Und in den letzten 30 Jahren hat es aber eine Vereinfachung der Systeme  gegeben, welche ganz klar mit Warhammer und DBA angefangen hat. Standardisierung der Einheitengrößen und einfache Regelmechanismen hat zu einer Erhöhung des Spielspaßes und einer Reduzierung der ernsten Simulation geführt.

Was wir heute spielen, ist von den "What If" spielen der 60er und 70er Jahre ganz weit entfernt, wir haben nur noch den Flair (oder neudeutsch Fluf) des Historischen. Selbst die genauste Recherche und das penibelste Bemalen, können nicht dazu führen, das man, unter Vermeidung historischer taktischer Fehler, der Schlacht einen neuen Ausgang gibt, sondern es bleibt nur ein Spiel, das oft von Würfeln entschieden wird.

Eine Sicht auf alternative Lösungen kann es nicht geben, da wir viel zu viele Faktoren ausser acht lassen (müssen). Es kann nur im Rahmen der Regeln, anders ausgehen. Ob das aber einen Rückschluss auf mögliche historische Ausgänge zulässt, nein, das glaube ich nicht.

Meine 2 Cents

tattergreis:
Genau genommen arbeite ich genau entgegengesetzt der Aussage von Pappe: ich vergleiche meine Gedanken und Erfahrungen beim tabletop mit den in Schlachtberichten gelesenen, und suche dann nach Erklärungen, weshalb die naheliegenden tabletop-Lösungen in der Realität nicht angewendet wurden. Paradebeispiel Angriffskolonne gegen Linie...

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