Der letzte Teil zum Hintergrund:
Auch am 21. September gingen die Kämpfe um das Getreidesilo weiter. Die Verteidiger wiesen trotz ihrer verzweifelten Lage ein Kapitulationsangebot ab und vertrieben die Parlamentäre (nach einigen Quellen handelte es sich hierbei um russische Zivilisten). Daraufhin wurde das Silo erneut aus allen Richtungen unter wütendes Feuer genommen.
Inzwischen waren mehrere Stockwerke des Gebäudes kollabiert, der westliche Anbau eingestürzt, das Getreide brannte. Die Zustände für die sowjetischen Soldaten wurden immer unerträglicher. Munition, Verpflegung und Wasser gingen zur Neige, die Verwundeten litten schrecklich.
Und noch einmal scheiterten die deutschen Vorstöße! Zwar gelangten Infanteristen des Infanterie Regiments 274 am Abend in die unteren Etagen des Gebäudes, der Widerstand konnte jedoch nicht gebrochen werden.
Doch inzwischen war die Lage der Sowjets völlig aussichtslos geworden. Das letzte MG war zerstört, die Munition zu Ende. So befahl Oberleutnant Polyakov seinen Soldaten in der Nacht den Ausbruch. Da aber die 29. Infanterie Division (mot.) den Weg nach Osten abgeriegelt hatte, misslang der Versuch. Etwa 90 der völlig abgekämpften Soldaten gingen in die deutsche Gefangenschaft, nur einige wenige konnten sich zu den eigenen Linien zurückkämpfen.
Am 22. September plante das Infanterie Regiment 274 einen Vorstoß im Morgengrauen. Für die Deutschen überraschend, schlug ihnen diesmal aber kein mörderisches Maschinengewehrfeuer entgegen. Einer der Soldaten erklomm eine Feuerleiter und hisste die Flagge über dem höchsten Gebäude Stalingrads.
Der Kampf um das Getreidesilo war damit beendet. Zwischen den Trümmern fanden die deutschen Soldaten viele tote und verwundete Verteidiger.
„Wenn alle Gebäude in Stalingrad so verteidigt werden, dann wird keiner unserer Soldaten nach Deutschland zurückkehren.“ „Unsere Soldaten haben noch nie so bittere Gefechte erlebt." Willi Hoffman, 94. Infanterie Division, über die Kämpfe um das Getreidesilo.
Die Kämpfe in der Südstadt endeten fünf Tage später. Am 27. September 1942 räumte die 92. Schützenbrigade das westliche Wolgaufer. Die Brigade war nur noch ein Schatten ihrer selbst.
Die Schlacht um Stalingrad war damit aber noch nicht zu Ende.
Die im Grunde nicht mehr einsatzfähige 92. Schützenbrigade wurde nur wenige Tage später erneut über die Wolga nach Stalingrad geworfen. Diesmal brachten die Boote sie in den Industriebezirk im Norden der Stadt. Dort ging der Verband in die erbitterten Gefechte rund um die Geschützfabrik.
Die 94. Infanterie Division wurde am 28. September aus der Südstadt herausgezogen und ebenfalls nach Norden verlegt. Hier kämpfte die Division um Orlowka, später um die Vororte Rynok und Spartakowka. Die Kämpfe schienen nie zu enden.
Im Oktober erreichte das Ringen an der Wolga einen erneuten Höhepunkt. Die Gefechte in den Industriewerken im Norden sollten alles bis dahin geschehene in den Schatten stellen.
Mitten in dieser Phase erhielt die 6. Armee den Auftrag die Vorlage für ein Ärmelschild zu entwerfen.
„Ein trauriges Kapitel. Wir haben die Stadt kaum zur Hälfte eingenommen und rennen uns an dem Rest die Köpfe ein. Bei dem derzeitigen Kampfwert der Truppe, ist gar nicht abzusehen, ob wir das gesteckte Ziel erreichen. Stattdessen kommt man uns mit solchen nebensächlichen, voreiligen Geschichten wie einem Stalingradschild“ (Paulus, Oberbefehlshaber der 6. Armee). Nichtsdestotrotz wurde ein Entwurf an das Oberkommando des Heeres geschickt, die Skizze zeigte das Getreidesilo!
Die deutschen Angriffe in Stalingrad sollten noch einen weiteren Monat andauern. Am 19. November schließlich trat die Rote Armee nördlich und südlich der zerstörten Stadt zur Großoffensive an. Vier Tage später war die gesamte 6. Armee eingeschlossen.
Ende Januar 1943 erreichten die Kämpfe erneut das große Getreidesilo. Diesmal versuchten abgekämpfte, halbverhungerte Deutsche verzweifelt die Eroberung des Gebäudes zu verhindern. Ihr Kampf war vergeblich.
Am 2. Februar 1943 gingen die letzten Soldaten der 6. Armee in die Gefangenschaft, unter ihnen die Überlebenden der 94. Infanterie Division.
Die letzen Männer der 92. Schützenbrigade erlebten das Ende der Schlacht in der Geschützfabrik „Rote Barrikade“. Diesmal gehörten sie zu den Siegern.
Das Stalingradschild wurde nie verwirklicht.
Ende!
Quellen:
Erinnerungsbuch der 94. Infanterie-Division, Lieferung 2
Stalingrad Battle Atlas Vol. I – Anton Joly
The Death of the Leaping Horseman – Jason D. Mark
Stalingrad-How the Red Army triumphed – Micheal K. Jones
Enemy at the Gates - The Battle for Stalingrad, William Craig
Island of Fire: The Battle for the Barrikady Gun Factory in Stalingrad, Jason D. Mark
warspot.net - Unknown Stalingrad: The Elevator
Army University Press-Stalingrad. The Grain Elevator (Youtube)
Des Weiteren möchte ich auch die Videos von TIK über Stalingrad empfehlen, der erst am Montag erschienene Teil beschäftigt sich nämlich auch mit dem Kampf um das Getreidesilo.
Bei den Recherchen gibt es immer wieder Ungereimtheiten oder Wiedersprüche, vieles wird sich vielleicht nie abschließend klären lassen.