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Autor Thema: Ausgehobene Bauern / "Levy" 28mm  (Gelesen 1841 mal)

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Sunzi

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Ausgehobene Bauern / "Levy" 28mm
« am: 25. Februar 2021 - 13:28:13 »

Hallo in die Runde, ich möchte für meine Bretonen eine kleine Truppe ausgehobener Bauern zusammenbauen. Ich dachte bisher an eine Mischung aus "Foot Sergeants" und "Folk Rabble" von Fireforge. Es soll zwar für eine Fantasy Setting sein, aber ich versuche es immer mit etwas "historischem Realismus" wenn es um Minis geht. Also möchte ich erkennbar keine professionellen Soldaten sondern eingezogene Bauern ohne dass die Klischeehaft nur mit Mistgabeln bewaffnet sind. Hat hier noch jemand Ideen für Modelle oder Vorlagen?

In 1:72 gibt es bereits Beispiele "Medieval Levy"
http://www.plasticsoldierreview.com/review.aspx?id=1152
http://www.plasticsoldierreview.com/review.aspx?id=1189
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nath

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Re: Ausgehobene Bauern / "Levy" 28mm
« Antwort #1 am: 25. Februar 2021 - 13:31:58 »

Von Footsore kommen demnächst die levies in der Baron's War Reihe raus. Vielleicht sind die was?

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Bemalte Minis: 2011-2013: 98 / 2014: 24 / 2015-2018: ??? / 2019: 176 / 2020: 174 / 2021:  159 / 2022: 20

Riothamus

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Re: Ausgehobene Bauern / "Levy" 28mm
« Antwort #2 am: 25. Februar 2021 - 13:42:20 »

Mit Bretonen meinst du die von GW?

Habe ich es richtig im Kopf, dass die noch Kettenhemden und keine Panzer, aber schon Topfhelm und kleine Schilde haben und bunte Waffenröcke tragen? Ich frage wegen der zeitlichen Zuordnung der Mode. Die änderte sich ja nicht nur bei der Rüstung.
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Gruß

Riothamus

Sunzi

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Re: Ausgehobene Bauern / "Levy" 28mm
« Antwort #3 am: 25. Februar 2021 - 14:42:22 »

Danke @Nath!

@Riothamus, ja genau. Die GW Bretonen decken einen interessanten Zeitraum ab. Die Ritter tragen Kettenhemden und vollen Arm- und Beinschutz. Dazu aber idR Topfhelme. Manchmal auch schon Helme mit Visier. Über der Rüstung tragen sie Waffenröcke. In den alten Versionen von Warhammer gab es auch Regeln für Bauern, die wurden ab der fünften Edition aber aufgegeben. In der sechsten wurden Bauern und Landsknechte dann vereint. Ich möchte jetzt eine kleinte Truppe der alten Bauern wieder einführen. Zumindest für meinen Spieltisch.
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Riothamus

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Re: Ausgehobene Bauern / "Levy" 28mm
« Antwort #4 am: 25. Februar 2021 - 15:36:09 »

Ja, dann kann man das tatsächlich als für das 13. Jahrhundert passend sehen. Auch falls der Arm- und Beinschutz aus Platten besteht, denn die Einordnung von Fantasy-Figuren geht ja sowieso nur nach dem groben Eindruck und Topfhelm und Wappenrock schreit einfach danach. Das sind die Ritter aus dem Codex Manesse. Die Bilderfunktion klappt irgendwie nicht, daher, damit wir nicht aneinander vorbei rede, ein Link zum Bild:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Codex_Manesse_052r_Walther_von_Klingen_(detail).jpg

Da dürften Minis für den Krieg der Barone schon passen, wenn sie denn korrekt gemacht sind. Ich schaue am Wochenende mal nach, was da die wichtigsten Dinge sind, auf die du achten musst. Die genauen Daten habe ich dazu nicht wirklich im Kopf.
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Riothamus

Wellington

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Re: Ausgehobene Bauern / "Levy" 28mm
« Antwort #5 am: 25. Februar 2021 - 20:24:24 »

Schau Dir mal die unarmoured Spearmen und Pilger von den Perries an
https://www.perry-miniatures.com/product-category/metal-ranges/crusades/crusaders/
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Weniger labern, mehr spielen ...

Wellingtons Martktplatz

Sunzi

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Re: Ausgehobene Bauern / "Levy" 28mm
« Antwort #6 am: 26. Februar 2021 - 09:52:48 »

Danke @Wellington, @Riothamus

Am meisten interessiert mich die Ausrüstung / Bewaffnung. Wurden die Bauern von ihren Herren ausgerüstet und wenn ja wie? Oder haben sie nur das in die Schlacht geführt was sie zu Hause hatten (Dreschflegel, Holzaxt. etc.) oder waren sie sogar verpflichtet eine bestimmte Ausrüstung zu stellen (wie städtische Bürgerwehren z.B.). Hatte ein "Dorfschulze" gegebenenfalls eine bessere Ausrüstung oder wurden die bäuerlichen Truppen von einem erfahreneren Waffenknecht angeführt? Ich belese mich parallel und poste meine Ergebnisse auch hiere.
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Riothamus

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Re: Ausgehobene Bauern / "Levy" 28mm
« Antwort #7 am: 26. Februar 2021 - 20:33:13 »

Es war vorgeschrieben, was jeder selbst an Waffen zu halten hatte. Laut Sachsenspiegel etwa Speer und Bogen, Schild, Schwert. In die Realität übersetzt hieß das wohl Speer oder Bogen, Schild und irgendein Seitengewehr. Auch Unfreie mussten Waffen halten, durften aber nur für die Verteidigung des heimatlichen und der benachbarten Goe aufgeboten werden, worauf auch geachtet wurde: Teils wurden alle außerhalb ihrer Heimat gefangenen hingerichtet.

Es gab aber auch regionale Unterschiede: Das Paderborner Aufgebot trug Bögen, im Rheinland waren es eher Speere.

Ein reicher Bauer mag einen Helm gehabt haben, aber ich bezweifele, dass das in dieser Zeit die Regel war.

Was nun die Kleidung angeht, war es immer noch Tunika, Hosen und Schuhe. Allerdings kleideten sich Adel und reiche Städter im 13. Jahrhundert schon abweichend. Für alle gilt, dass die Kleidung am Oberkörper eng anliegt, unten weiter ist. Aber die wirklich reichen, die nicht arbeiten mussten, trugen die Tunika sehr lang, was die handwerklich tätigen ja nicht konnten. Aber auch bei ihnen wird die Tunika nicht mehr über dem Knie geendet haben. Das Umhängchen mit Kapuze wie die Mini zum Krieg der Barone zeigt, gab es -hier liegen selbst viele Historiker falsch, bei Pierre Riché, Die Welt der Karolinger, finden sich die entsprechenden Angabe, auch schon in der Karolingerzeit und wie zu jener Zeit trugen wohl viele nicht jeden Tag (enge) Hosen. Schuhe für das Landvolk gab es wie bis ins 19. Jahrhundert aus Leder, Holz, Binsen, Stroh und Gras. An die strumpfartigen 'Hosen' des Adels waren wohl Ledersohlen genäht und wir sehen damit wieder ein ziemlich unpraktisches Kleidungsstück. Ach ja, die Mäntel der unteren Stände waren weiterhin rechteckige Decken, wie es die Mäntel des Frühmittelalters waren.   

Die Bilderschriften des Sachsenspiegels sind etwas jünger, für dein Problem aber unbedingt brauchbar*: Da sind alle, vom König bis zum Bauer im Alltag noch recht ähnlich gekleidet. Noch in der Jugend Rudolf I. war dies üblich, während man später über seine ärmliche Kleidung spottete. Entweder war man da im Norden konservativer oder stellte tatsächlich mal einen älteren Stand dar. Hier die Oldenburger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels von 1336:

https://digital.lb-oldenburg.de/ihd/content/pageview/192454

Blätter am Besten vom Beginn an durch, da nur ein Teil der Bilder koloriert sind. Ich hoffe aber, die Seite 27 (13r) ist aufgeschlagen. Gleich die erste Figur trägt da den berühmten Strohhut, kennzeichen des freien Sachsen und wenn er keinen Helm hatte, auch in der Schlacht geschlagen. Man sieht gut die langen Tuniken, die im 13. Jahrhundert sicher noch etwas kürzer ausgefallen wären. Die Unterschiede im Bild darunter wäre dann deutlicher: Der König mit sehr langer Tunika, die auf dem Boden liegen würde, wenn er stände, gibt einem Adeligen ein Lehen (nachdem der Lehensempfänger seine Hände in die des Lehsherrn gelegt hat, küssen sich die beiden noch). Der Adelige hat eine kürzere Tunika und die beiden Gestalten rechts neben dem Getreide sollen wohl eine noch kürzere haben. Das muss kein Zufall sein, auch wenn es aufgrund der anderen Illustrationen des Werks auch nicht sicher ist und kontrovers gesehen wird. (Es gibt aber auch noch mehr solche Ketten kürzerer Tuniken in dieser Bilderhandschrift.)

(Es gibt darin thronende Gestalten mit komischen Hüten und mit Strohhüten. Das sind verschiedene Richter. Seite 61 (30r) sieht man etwa, wie der Graf den Gografen aus dem Richterstuhl verweist, um selbst zu richten, wie es im Bild ganz unten der König mit ihm selbst tut. Das ist hier interessant, weil es die Grafen und Gografen waren, die die Aufgebote zu organisieren hatten.)

Ein Aufgebot ist nicht zu sehen, wohl aber ein Gerüfte, also ein gerichtliches Aufgebot für die unmittelbare Verfolgung eines Verbrechers bei handhafter Tat (in flagranti erwischt) etwa. In der Oldenburger Handschrift werden seltsame Waffen gezeigt, was eine Oldenburger Besonderheit sein kann, da sonst, wenn ich es mir richtig gemerkt habe, Speere zu sehen sind. Das ist auch der Grund, warum ich in ein Digitalisat jener Handschrift verlinke (Seite 127 (63 r) und auch die nächste Seite). Da steht übrigens: "Wapen mot men ok vwen alse meten ruchte uolghet." ("Waffen müssen Männer auch besitzen (uwen, wie engl. to own), da sie müssen dem Gerüfte folghen." Es könnte Gerüchte gesagt werden, aber es ist üblich statt dessen Gerüfte zu sagen. Das "ge" entfällt in einigen niederdt. Dialekten. 'U' und 'V' werden teils umgekehrt, teil gleichwertig wie heute benutzt.)

Langer Rede, kurzer Sinn: Wenn du die etwas kürzeren Tuniken ignorierst, sind die Unarmoured Spearmen der Perrys schon passend.

* Du denkst vielleicht eher an Hessen. Aber die generelle Mode war da auch nicht anders. Aber natürlich gab es da keine so hübschen Strohhüte...
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Riothamus

Sunzi

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Re: Ausgehobene Bauern / "Levy" 28mm
« Antwort #8 am: 01. März 2021 - 10:06:23 »

Wow, wunderbar. Vielen Dank. Auf den Sachsenspiegel wäre ich nicht gekommen obwohl ich mich da auch mal für Gelände bzw. Gebäude kundig getan habe. Ich denke es wird wohl auf Speere hinauslaufen ergänzt durch die obligatorischen Dreschflegel und vielleicht eine umgeschmiedete Sense oder Sichel als Seitengewehr.
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Riothamus

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Re: Ausgehobene Bauern / "Levy" 28mm
« Antwort #9 am: 01. März 2021 - 19:55:20 »

Sensen sind nicht stabil genug. Es gab ja die sogenannten Bauernwehren und sogar Hinweise auf dörfliche Trainigseinheiten, die in Norddeutchland zu Schwert- und Säbeltänzen erstarrten. Wie gesagt gab es da regionale und soziale Unterschiede, aber für die Bretonen kannst du dir ja das Gewünschte aus der Historie heraussuchen.
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Riothamus

Sunzi

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Re: Ausgehobene Bauern / "Levy" 28mm
« Antwort #10 am: 02. März 2021 - 10:21:26 »

Ja, das ist natürlich das Schöne, dass man sich da querbeet bedienen kann. Bezüglich der Sensen: ich kannte das aus Darstellungen zum Bauernkrieg, waren das einfach spätere - nunr stabilere - Modelle oder ist die "Kriegssense" nur eine romantische Erfindung?

Ich lese gerade ein bisschen durch die Osprey Bände. Dort werden Levy, Shire Levy und Fyrd teilweise als mit Schild und Speer oder Axt bewaffnet bezeichnet. Schottische Einheiten generell schlechter ausgerüstet, aber oft mit Hirnhaube dargestellt.
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Riothamus

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Re: Ausgehobene Bauern / "Levy" 28mm
« Antwort #11 am: 02. März 2021 - 20:08:05 »

Die Kriegssense ist eine eigens geschmiedete Waffe, keine umgeschmiedete Sense. Und sie wurden wohl auf die hinteren Reihen verteilt genutzt, um die vorderen durch schnelle Schnitte und Stiche zu unterstützen.

(Hast du mal eine richtige Sense in der Hand gehalten? Das sind für die damaligen Verhältnisse Präzisionsinstrumente. So eine 'umzuschmieden' wäre ein großer Verlust. Ich habe mich hier im Forum, glaube ich mal anders geäußert. Der hier gegebene Hinweis hat mich aber überzeugt, schließlich habe ich mal -in meiner Jugend, keine Ahnung, ob ich das noch kann- gelernt, mit solchem Werkzeug umzugehen.)

In England gab es Vorschriften, wer welche Waffen zu halten hatte. Die Könige brachten es zwar dahin, dass statt Wehrdienst Steuern geleistet wurden, die Pflicht zum Waffenbesitz wurde aber beibehalten: So konnten auch die Strafgelder kassiert werden.

Die genauen Bestimmungen sind bei Delbrück nachzulesen. Der Mittelalterband sollte leicht online zu finden sein.

Davon sind aber die älteren Aufgebote wie der Fyrd zu unterscheiden, als noch jeder Stammesgenosse Krieger war. An einem Ende dies, am anderen das oben Angedeutete. Im Gegensatz zu modernen Armeen, die sich nach terminierten Verordnungen richten, haben wir es da fast immer mit allmählichen Entwicklungen zu tun.

Du kannst auch noch nach Frankreich schauen, wo es eine Art von bäuerlichen Selbsthilfegruppen gab. Nachzulesen etwa bei Georges Duby, Der Sonntag von Bouvines 27. Juli 1214, das sowieso das Buch ist, wenn man an diese Zeit angelehnten Fantasyrittern ein wenig mehr aus der Historie mitgeben will. Es ist natürlich auf Frankreich zentriert, aber damals begann gerade eine Phase, in der man sich kulturell dorthin orientierte, auch wenn die kulturelle Bedeutung einiger Gegenden Deutschlands und Burgunds erst 40 Jahre später mit der kaiserlosen Zeit verschwand. Die Zukunft warf eben schon ihre Schatten voraus, wie es schon früher formuliert wurde. Übrigens war das auch ein Ansatzpunkt, die kaiserlose Zeit gleichsam als dunkles Loch der mittelalterlichen Geschichte zu relativieren: Viele 'Handlungsstränge' begannen lange vorher, um mal ein Bild der modernen Belletristik zu verwenden.

Es gibt da noch andere Beispiele, aber der Sachsenspiegel liegt eben für uns nahe und irgendwie musste ich mich beschränken. Duby dürfte sich aber für dich eher lohnen als viele Ospreys: Keine bunten Bilder, aber dafür ein Gemälde der kriegerischen Zustände und der damit zusammenhägenden Kultur jener Zeit. Duby brachte in seinen Werken meist alle Apekte einer Zeit - auch Wirtschaft und sozialer Aufbau - zusammen. Er gehörte zu den Historikern, die den Historismus durch andere Ansätze ersetzten. Bei ihm war es die Einbindung in die und die Bindung an die Gesellschaft, was einen ganzheitlichen Ansatz bedingte, wie er ihn in dem genannten Werk auf 192 Seiten großartig vorführte. Von der Sprache her ist es eher gehobene Literatur als Fachsprache, weshalb er sich auch besser verkaufte als viele andere Historiker.

Ach ja, Kopfschutz: Hirnhauben und ähnliche Sachen wurden oft unter der Kopfbedeckung getragen, schon weil sie so in der Sonne nicht heiß wurden. Das macht es Historikern oft schwer, Aussagen dazu zu treffen, weil sie auf Abbildungen -oft die einzigen Quellen- nicht zu sehen sind.
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Riothamus

Sunzi

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Re: Ausgehobene Bauern / "Levy" 28mm
« Antwort #12 am: 03. März 2021 - 14:05:55 »

Danke, alles sehr spannend. Das mit der Sense macht Sinn. Ich habe mal eine anfassen fürfen. Die steilen Hänge meiner Heimat waren nicht anders zu bearbeiten. Aber mit dem Tot der letzten Bauern macht das dort auch niemand mehr.

Ich muss nochmal mit deinen Angaben recherchieren. Bist du Historiker oder machst du das nur wegen dem Hobby? :D
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