Wieder ein hervorragender Artikel. Und diesmal kann ich mich mit meinen eigenen Gedanken bedanken:
Heutige Filmemacher verändern eben Story, Historie, Physik und Star-Trek-Universum, wenn es ihnen im Weg steht. Das Bezeichnen sie dann dreist als Kunst. Dabei besteht die Kunst darin, 'trotz' all' dieser Dinge zu unterhalten. Für eine Geschichte gesetzte Fakten zu ändern, nur um zu unterhalten oder es dem Publikum einacher zu machen, ist immer noch ein handwerklicher Fehler. Es galt bis vor 20 Jahren sogar als recht grober Schnitzer. Dann begannen einige mittelmäßige Regisseure, es als Kunst zu bezeichnen, Fakten ihrer Vorstellung von Unterhaltung (sic!) anzupassen - und galten plötzlich als gute Regisseure. Warum ist das keine Kunst? Es hätte ja auch ein Fantasy-, Mystery-, oder SciFi-Film mit ganz eigenem Hintergrund werden können. Schon die eigene Vorstellung gegenüber der Realität in den Vordergrund zu stellen, ist eine Kunstform, die längst überwunden war. Ich erinnere nur an die ganzen Kreuzigungsszenen mit mittelalterlichen Rüstungen. Geschichtslosigkeit und Geschichtsvergessenheit sollten überwunden sein. Und das dann auch noch mit dem Argument, Zuschauerzahlen und Einnahmen zu steigern! Dafür gibt es eine Bezeichnung. Die lautet Marketing, nicht Kunst.
Vor solchem Hintergrund haben es dann solche Filme schwer, zumal das Geschichtsbild der Masse heute ganz offensichtlich durch Film und Fernsehen geprägt wird: Die Vergangenheit wird dadurch oft als Jetztzeit mit Kostümen gesehen. Es geht auch anders. Ellis Peters legte in ihren Kriminalromanen den Fokus meist auf zeitlose Gefühle. Allerdings ist ihr Protagonist ein Außenseiter, der das Kloster als Schutzschild nutzt und durch seine Biographie moderner sein kann. Das wird aber eben in der Welt entwickelt und nicht aufgepfropft. Und Master und Commander ist ein grandioser Film, wenn man den erzählerischen Film gegenüber dem Actionfeuerwerk nicht aufgeben will. Er hatte, auch das sagt Armidas, hinsichtlich der Oskars das Problem im selben Jahr wie der Herr der Ringe in die Kinos gekommen zu sein.
Bücher wirken meist durch innere Konflikte. Dadurch haben es Literaturverfilmung immer etwas schwerer: Irgendwo wird es unbequem für den Konsumenten. Auch bei Master und Commander gibt es solche Konflikte. Aber hier sind sie so gut verarbeitet, dass sie einen nicht aus dem Film reißen.
Doch die wahre Größe des Films liegt eben darin, dass er vor dem Hintergrund der Vergangenheit stattfindet, statt gegen sie. Der Wechsel des Settings fällt kaum auf, während diese "Notwendigkeit" natürlich eine Beleidigung des amerikanischen Publikums ist oder ihm ein verheerendes Zeugnis ausstellt. Da wundere ich mich immer wieder, wenn ich es höre, warum nicht einfach gesagt wurde, dass die Konflikte zur See zwischen England und Spanien aus vielen Filmen bekannt sind, während sich an den Krieg von 1812 selbst viele US-Amerikaner nur dunkel erinnern.
Armidas als Kanal hat m.E. das Problem, dass oft grundlegende Sachen nicht nachgeschlagen werden und dadurch nicht so ganz stimmen. Ich neige ja selbst dazu, mich zu stark auf die Erinnerung zu verlassen, wodurch mir das vielleicht auch zu stark auffällt. Dennoch muss ich es hier erwähnen. Würde er sich, wo er nicht ganz im Thema steht, die halbe Stunde Zeit dafür nehmen, wäre der Kanal grandios.