Diese Woche war VAC-AoD in der Post, lange erwartet und sofort durchgelesen. Auf den ersten Blick ein sehr gelungenes Regelwerk für (nach Seekriegspielmaßstab) schnelle Spiele, aber trotzdem einer ausreichenden Detailtiefe. :thumbup: Alle Würfe im Spiel erfolgen mit W6.
Jede Spielrunde hat 6 Phasen - Initiative, Movement, Gunnery, Torpüedo, Air Attack und End, in denen die Spieler abwechselnd Einheit um Einheit aktivieren - Einheiten können dabei ein Schiff oder ein Geschwader sein, dies wird einmalig zu beginn des Spiels festgelegt. Während der Bewegung kann ein Schiff bis zu 2 Wendungen machen, je nach Beweglichkeit bis zu 90 Grad - wobei die großen Pötte sich da kaum unterscheiden. Bei der Geschwindigkeit gibt es größere Unterschiede. :thumbup:
Jedes Schiff hat eine Trefferwahrscheinlichkeit (5+ für große, 6+ für kleine), die durch Reichweite, technische Ausstattung u.ä. modifiziert werden. Bei den reichweitenmodifikatoren gibt es keine Unterteilung in Abhängigkeit von der Reichweite des Geschützes, sondern absolute Zahlen. Mittlere Reichweite ist also alles zwischen 20\" und 30\", egal, ob ein 15\"-Geschütz mit 50\" Reichweite schießt oder ein 10\" mit 24\" Reichweite. Für mich logisch, da das Zielen ein optisches Problem ist. Je nach Geschütz erzeugt ein Treffer zwischen 1 und 4 Schadenswürfel, wobei leichtere Geschütze einen Malus beim Schadenswurf bekommen. Der Schadenswurf geht gegen die Panzerung des Schiffes, die bei den größeren Einheiten zwischen 4+ und 5+ liegt (nur die Revenge-Klasse hat 6+) und durch die verwendete Munition und andere Faktoren modifiziert wird. Jeder Erfolgreiche Schadenswurf nimmt dem Schiff einen Strukturpunkt und erzeugt bei einem erneuten Wurf auf 6+ einen kritischen Treffer, dessen Auswirkung erneut auf 2 Tabellen ausgewürfelt werden muß. Das kann zu Geschützausfällen, beeinträchtigter Manövrierfähigkeit, multiplen Schaden oder im Extremfall zur Explosion des ganzen Schiffes führen. Die Schiffe halten eine Menge aus, ein Schlachtkreuzer hat um die 60 Schadenspunkte. Für Torpedo- und Luftangriffe gibt es wie erwähnt eigene Phasen. :thumbup:
Neben den Grundregeln gibt es erweiterte Regeln, die das ganze aber nicht komplizierter sondern meiner Ansicht nach erst interessant machen. Die Regeln umfassen 24 Seiten. Dann folgen 22 Seiten Szenarien und Kampagnenregeln mit Karten für Ostsee und schwarzes Meer im 1. Weltkrieg, wobei die vorgegebenen Szenarien Coronel, Falkland (zusammen eine Mini-Kampagne), Doggerbank und Kap Syrach (die Goeben/Yavuz Sultan Selim gegen die russische Schwarzmeerflotte) meiner Ansicht nach interessant und gut gewählt sind. :thumbsup:
Der Großteil des Buches mit über 70 Seiten umfaßt Flottenlisten für den 1. Weltkrieg. Also kein Tsushima, aber leider ist auch der 1. Weltkrieg nicht vollständig abgehandelt. Vollständig sind die Listen für Briten :thumbup: , Deutsche :thumbup: , Russen (getrennt nach Ostsee und Schwarzes Meer :thumbsup: ) und Türken :thumbup: . Für die Amerikaner ist nur das Ende des Kriegs in der Nordsee zur Grand Fleet gestoßene 6. Schlachtgeschwader enthalten, dazu noch Zivilschiffe. Richtig gelesen. Keine Italiener, keine Österreicher und vor allem keine Franzosen, was mich angesichts des aus britischer Sicht zweitwichtigsten Seekriegsschauplatz Gallipoli doch sehr verwundert. :thumbdown: :thumbdown: :thumbdown:
Die Schiffe werden nicht nach Punktwerten gewertet, sondern nach Effektivitätsklassen:
War - die dicksten Dinger wie die Hood, die Revenge-Klasse oder als einzige nicht-Briten die Bayern-und Borodino-Klassen.
Battle - das Groß der Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer
Raid - mittlere Kreuzer, Pre-Dreadnoughts
Skirmish - leichte Kreuzer
Patrol - Zerstörer und Torpedoboote
Dabei gilt 1 War = 2 Battle oder 4 Raid oder 6 Skirmish oder 8 Patrol
Dieser einfache Schlüssel macht es auf dem Papier sehr leicht, ausgewogene Flotten aufzustellen. Dummerweise paßt die Zuordnung in einigen wichtigen Fällen kaum, insbesondere bei den britischen Einheiten gibt es in der Raid-Klasse einige Schiffsklassen, die fast schon War sind und doppelten Schaden im Vergleich zum Großteil der Raid-Typen machen. :thumbdown:
Die Werte der Schiffsklassen an sich sind ein weiterer Kritikpunkt. Schlachtschiffe der Gruppe War haben mit ihren Hauptgeschützen meist 8 Attacken mit je 4 Schadenswürfeln und einer Reichweite um 50\". Dagegen haben Raid-Schlachtschiffe, die nur unwesentlich älter sind, bei gleicher Attackenanzahl nur 1 (in Ausnahmen 2) Schadenswürfel bei Reichweiten meist zwischen 28\" und 36\". Auch bei doppelter Wertigkeit halte ich die Unterschiede historisch für viel zu groß. :thumbdown:
Überhaupt ist die historische Effektivität der Schiffe mehr als zweifelhaft. Ich habe mal die Derfflinger - das wohl beste deutsche Schiff, das tatsächlich im Feuer gestanden hat - mit ihren Kontrahentinnen Tiger und Lion verglichen. Die Tiger ist in der Schadenswirkung um 50% effektiver als die Derfflinger, die auch gegen die Lion klar den Kürzeren zieht! Mir bleibt unerklärlich, wie im Skagerrak 5 deutsche Schlachtkreuzer 6 britische derart auseinandernehmen konnten, wie es vor am kommenden Mittwoch 93 Jahren geschehen ist. :thumbdown: Zwar haben die britischen Schlachtkreuzer eine Sonderregel, die die Gefahr von Munitionsexplosionen widerspiegelt, aber mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,0036% pro Schadenspunkt (nicht Treffer!) klappt das alle 277 Schadenspunkte (bei - wie erwähnt - nur durchschnittlich 60 vorhandenen). Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Queen Mary auch nur annähernd soviele Treffer eingesteckt hat, bevor sie explodiert ist. Gut gedacht, schlecht gemacht :thumbdown:
Übrigens sind alle US-Schiffe als War deklariert, auch wenn sie Werte wie die schwächsten Raid-Kähne haben.
Aufmachung und Preis sind OK, ich habe bei Caliver Books £20,59 für ein 128-seitiges Hardcover bezahlt. :thumbup:
Auffällig ist das schlechte Lektorat, im ganzen Buch sind Verweise auf Kapitel oder Seiten durchgehend durch den Platzhalter \'XX\' untauglich gemacht. Hierzu gibt es inzwischen ein Errata, das aber auch nicht wirklcih nutzt, da die Kapitel nicht numeriert sind. :thumbdown:
Mein Fazit? Gutes Grundgerüst mit Nachbearbeitungsbedarf bei den Schiffen. Ich würde die Schadenswirkung der britischen Munition senken (ein bekanntes Problem im Skagerrak) und die Treffsicherheit der Deutschen erhöhen, damit im Vergleich der Schlachtkreuzer 5 deutsche 6 britische schlagen können (Skagerrak), aber 3 deutsche vor 5 britischen besser ausreißen (Doggerbank). Damit müßte grob ein Schadensverhältnis von 4:3 zu Gunsten der Deutschen entstehen, was mit sehr einfachen Mitteln zu bewerkstelligen ist. Mit diesen Modifikatoren :thumbup: , ohne leider :thumbdown: