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Napoleon & Italien

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Shinkansen:
Irgendwie wundere ich mich darüber, dass Spanien einen großen Freiheitskampf gegen Napoleon geführt hat, genauso wie andere Regionen, aber was ist mit Italien nach 1806? Die Ausgangslage ist; die Bourbonen unter Ferdinand sitzen auf Sizilien und Sardinien, gesichert von der englischen Flotte, das benachbarte Königreich Neapel wird erst von Joseph danach von Murat regiert. Und?
Keine Aufstände? Keine Seegefechte? Keine weiteren amphibischen Landungen zwecks Bindung von Streitkräften? Existierte eine französische Flotte? Existierte eine italienische (neapolitanische) Flotte? Waren dort nur italienische Truppen stationiert oder auch nennenswerte französische Streitkräfte? Wurde versucht die Kontinentalsperre durchzusetzen? Wurden nennenswerte italienische Streitkräfte nach Sizilien evakuiert, bevor die Bourbonen im Königreich Neapel die Macht verloren? Irgendwie finde ich quellentechnisch nichts zu diesen Themen.

Davout:
In Italien war die Situation ganz anders als in Spanien. Der Norden wollte sicher gerne die österreichische Herrschaft loswerden. Die hatte man dann gegen die französische eingetauscht. Ein großer Teil des nordwestlichen Italiens gehörte direkt zum Kaiserreich. Es gab in Italien starke französische Streitkräfte, die in der Regel gegen die Österreicher kämpften.  In der Tat war auch die Royal Navy im Mittelmeer sehr aktiv und unterstützte das bourbonische Sizilien. Nelson hatte sich beispielsweise im Zuge der Niederschlagung eines Aufstandes in Neapel wohl nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Man denke auch an das Gefecht von Maida. Wahrscheinlich kann man sagen, dass die Italiener lieber unter den Franzosen leben wollten als unter irgend einer anderen Herrschaft. Es dienten auch eine Menge Italiener in der französischen Armee und gleichzeitig viele Franzosen in den Truppen der Königreiche Italien und Neapel. Vielleicht muss man dabei auch sehen, dass Napoleon als Italiener angesehen werden konnte, da er diese Wurzeln nicht einfach so verleugnete.
So wie ich das sehe, galten die Franzosen nicht so sehr als Besatzer.
In Spanien hatten sie zum Teil einfach Pech. Seltsamerweise gab es bei der französischen Intervention in den 1820er Jahren nicht solche extremen Reaktionen.
Zu den Flottensachen kann ich jetzt nichts weiter sagen.

Decebalus:
Vielleicht etwas vereinfacht: Napoleon und seine Könige brachten den Fortschritt (ganz wertneutral gemeint).

In Italien hieß Fortschritt: ein eigener Staat, keine Österreicher und Habsburger. Alles Gründe, dass die Italiener (zumindest die Norditaliener) für Napoleon waren.

In Spanien hieß Fortschritt: säkulare Gesetze, keine Macht der Kirche, Stadt statt Land. Alles Gründe, dass die Spanier gegen Napoleon waren. (Es hat ja auch einen Grund, dass Spanien die folgenden 150 Jahre zwei Bürgerkriege über die Frage des Fortschrittes führte.)

Davout:
Fortschritt bedeutete in Spanien auch das Wegfallen der Zollgrenzen zwischen den einzelnen Regionen. Das brachte natürlich die Schmuggler auf die Palme. Da sie ohnehin genug kriminelle Energie hatten, bildeten viele davon Guerillagruppen. Sogenannter \"Freiheitskampf\" hat immer mehrere Seiten.
Auch in Spanien war wohl der Norden dem französischen Einfluss mit seinen Modernisierungstendenzen nicht abgeneigt. Dafür waren einige auch bereit auf Seiten der Franzosen zu den Waffen zu greifen. Spanien sah sich nicht als Nation, was ja heute auch nicht in dem Maße wie in anderen Staaten der Fall ist. Die regionale Autonomie hat einen hohen Stellenwert.

Zu dem Gründen für die spanischen Aufstände zählt auch das Verhalten der Franzosen. Die französische Armee war eine der undiszipliniertesten ihrer Zeit. Andere begingen auch Exzesse, aber nicht so flächendeckend wie die Franzosen. Zudem gab es nur wenig Sanktionen. Da wundert es letztlich keinen, warum 1815 die Nordarmee so schnell zusammenbrechen konnte. Die Kaisergarde war übrigens auch kein großes Vorbild. Als arroganteste Soldaten von allen versuchten sich die Gardisten auch gegenüber ihren Kameraden von der Linie Vorteile zu verschaffen und natürlich genauso gegenüber der Zivilbevölkerung. Dass die Spanier derart ausgeflippt sind, wundert einen da wahrlich nicht.
Davon ausgehend nochmal zu Italien. Die habsburgischen Truppen bildeten eine Art Besatzungsregime und führten sich traditionell auch gegenüber der eigenen Bevölkerung so auf. Da war es am Ende auch egal, wenn man sie gegen die Franzosen eintauschte.

morty:
Naja, also Italien war zu dem Zeitpunkt nicht als Staat zu sehen und pro-Napoleon war man auch nicht...

Eugène, Jerôme und auch Murat hatten alle Hände voll zu tun, um ihren teilweise neuentworfenen Staaten Struktur zu geben...

Ein Königreich Italien existierte zuvor nicht und hatte nach Napoleon in dieser Art und Weise auch keinen Bestand ( vorerst ). Das Königreich Italien Napoleons war immerhin ein Konstrukt aus Sardinien, österreichischen Territorien und Venetien..

Das Königreich beider Sizillien, bzw. Neapel war mehr oder weniger Süditalien wie es auch heute noch ist - der Staat hatte die Oberhoheit, aber die Leute lebten nach eigenen Gesetzen.

Jerôme schafftte IIRC es - wie lustigerweise auch in Spanien - nicht, seinen Einfluß außerhalb Neapels durchzusetzen, und auch Murat rekrutierte einen beachtlichen Teil seiner Armee aus fragwürdigen Subjekten. Die Desertationsrate war dementsprechend hoch. Leute, die für die Armee eines Staates dienen wollten, fanden sich kaum...

 

Man darf nicht vergessen, daß seit der Völkerwanderung Italien ein Fleckenteppich von Staaten, Kleinstaaten bzw. Stadtstaaten war, die sich untereinander bis aufs Blut bekriegten und sich mehr fremd waren als daß sie einem nationalen Gedanen folgten. Die revolutionären Ideen Frankrreichs interessierten in Italien kaum jemand, so lange man nichts an der Gesellschaft änderte. Ein Beweis hierfür könnte quasi sein, daß es nie nennenswerte Freiwilligenverbände gab, die aus Italienern bestanden...

Weiters spiegelte sich dieses mangelnde Nationalgefühl in der Kampfleistung wider... Italienische Verbände glänzten - im Gegensatz zu polnischen Verbänden, zu Beispiel - eher mit durchschnittlichen Leistungen ( wenn überhaupt )

In Sizilien saßen die Bourbonen, die aber eigentlich auch kaum Einfluß über das Land hatten... Im Prinzip verdankten sie ihr Überleben den Briten und der Macht der Navy. Die Briten stellten in weiterer Folge ja eine Sizilienarmee auf, die auch in Ostspanien kämpfte. Auch diese Verbände kann man generell als moderat bezeichnen, eine Einheit mußte sogar wegen Meuterei aufgelöst werden...

Meine Conclusio ist - die in im heutige Italien lebenden Menschen haben sich um Napoleon eher weniger gepfiffen, man wollte eigentlich nur so weiter machen wie zuvor, da war es egal, ob am Thron nun ein Bourbone oder ein Bonaparte sitzt...

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