Sweetwater Forum

Sweetwater Forum

  • 29. März 2024 - 03:13:43
  • Willkommen Gast
Erweiterte Suche  

Neuigkeiten:

Autor Thema: Scripted reality  (Gelesen 2608 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

KingKobra

  • Fischersmann
  • ***
  • Beiträge: 660
    • 0
Scripted reality
« am: 25. März 2010 - 20:26:41 »

Hallo. Ich wüsste gerne mal eure Meinung zu folgender Idee:

Scripted reality ist ja derzeit das große Ding im Fernsehen, also Laiendarsteller, die vermeintlich realistische Situation so darstellen, dass sie irgendwie dokumentarisch aussehen. Die Handlung folgt aber einem Drehbuch, nix ist dem Zufall überlassen. Die Leute scheinen es zu lieben.

Ich denke über einen Weg nach, scripted reality auch aufs Wargaming zu übertragen. Anders als im Fernsehen würde ich nicht paradigmatische und syntagmatische Ebene vorgeben wollen, sondern lediglich die paradigmatische, d.h., die Reihenfolge und etwaige zeitliche Abfolge von Ereignissen festlegen. Der/Die Spieler agiert/agieren in diesem Rahmen und mildert/mildern die Auswirkungen des Geschehens auf seine Truppen. Die jeweiligen Ereignisse sind dem Spieler vorher unbekannt, der Spielleiter kennt die ganze Geschichte, die sich dann entwickelt.

Das ganze wäre sehr stark geprägt von Rollenspielelementen und einem erzählerischen Ansatz und eignet sich sicherlich eher für eine Skirmish-Ebene und eigentlich nur für Szenarien. Eventuell tritt der Spieler oder eine Gruppe von Spielern auf einer Seite gegen den Spielleiter und seine Truppen an. Klingt das für euch nach einer neuen Erlebnismöglichkeit mit cineastischen Qualitäten oder findet ihr das eher langweilig, weil man als Spieler zu wenig Gestaltungsmöglichkeiten hat?
Gespeichert

MacGuffin

  • Bürger
  • ****
  • Beiträge: 1.837
    • 0
Scripted reality
« Antwort #1 am: 25. März 2010 - 20:52:51 »

ich finde sowas immer großartig.

gibt es bei tabletops sogar schon. ich kenne es bei inquisitor (GW) und AT-tactics (rackham) - beides regelwerke, die einen spielleiter haben.
ersteres eher für spieler, die mit kleinstgruppen von individuen gegeneinander antreten, letzteres eher für eine gruppe von helden (unterschiedlichen spielern), die gegen eine bestimmte menge gegner in einem szenario mit ziel antreten.
der spielleiter hat da relativ freie hand und kann das ganze gestalten.

es gibt sicher noch mehr systeme, die das auch bieten.
zum beispiel habe ich hier noch die regeln für all things zombie (two hour wargames) - habe leider bisher nur mal reinschauen können, aber ist wohl auch nach dem prinzip.
Gespeichert
Boredom\'s not a burden anyone should bear.
- Tool

Tabletop Club Rhein Main e.V.

-Zuvor bekannt unter dem Nutzernamen Oberst Manuell.-

Christof

  • Bürger
  • ****
  • Beiträge: 1.497
    • 1
Scripted reality
« Antwort #2 am: 25. März 2010 - 21:07:11 »

Ich fürchte ich verstehe noch nicht genau was den scripted reality Ansatz dabei ausmacht. Was genau bedeutet das für das Rollenspiel/Tabletop-gemisch? Gibt es einen Unterschied zu den Pulp Spielen die wir hier im Forum öfters sehen? Schwebt Dir da ein entsprechendes Setting vor oder so etwas?
Gespeichert

KingKobra

  • Fischersmann
  • ***
  • Beiträge: 660
    • 0
Scripted reality
« Antwort #3 am: 25. März 2010 - 23:33:58 »

Ich weiß nicht, wie die Pulp-Spiele grundsätzlich funktionieren, ob es da einen Spielleiter gibt, der die Story kontrolliert, oder ob sich die Story sozusagen aus dem Spiel heraus schreibt. Ich denke da auch an einige Gloire-Spielberichte, die hier zu lesen waren. In größeren Spielen mit ganzen Armeen würde das etwa Zeitpunkt des Eintreffens von Entsatztruppen, unvorhergesehene Ereignisse, das Auftauchen versteckter Truppen etc beinhalten.
Gespeichert

Mad Mö

  • Fischersmann
  • ***
  • Beiträge: 528
    • 0
Scripted reality
« Antwort #4 am: 26. März 2010 - 06:29:17 »

Wir spielen gerade eine \"Check Your 6!\" Kampagne. Es geht um die Luftschlacht um England 1940.
Es werden verschiedene Szenarien gespielt und die Spieler führen verschiedene Piloten und Maschienentypen. Die Jungs haben Namen und können vom Greenhorn theoretisch bis zum Ass aufsteigen. Es sei denn, der Heldentod ist schneller.
Die Geschichte wird aber nicht neu geschrieben, egal wie erfolgreich die Spieler sind.
Gespeichert

Decebalus

  • Bürger
  • ****
  • Beiträge: 2.413
    • 0
Scripted reality
« Antwort #5 am: 26. März 2010 - 13:05:20 »

M.E. ist Dein Ansatz kein Spiel mehr. Ein Spiel ist über den offenen Ausgang definiert. Wenn ich den Spielern vorgebe, was zu passieren hat, dann ist es eben ein Impovisationstheater oder ähnliches.

Narrative Aspekte im Tabletop gibt es ja bereits.

1. Zum einen als eher begrenzte Form Rollenspielelemente zu \"normalen\" Tabletop-Regeln zu nehmen. Das reicht von Siegbedingungen (\"Du kommandierst die russiche Garde. Dein oberstes Ziel ist nicht die Schlacht zu gewinnen, sondern Deine Gardetruppen zu erhalten.\") bis zu Spielanweisungen (\"Du bist ein französischer Marschall. Gib alle Befehle mit einem französischen Akzent.\") bis vom Spielleiter gespielten NSCs (Ägyptische Mumien stören den amerikanischen Abenteurer und den russischen Kommissar dabei sich um den Schatz des Cheops zu streiten).

2. Direkt narrrative Elemente benutzen sogenannte Matrix-Spiele. Hier kann jeder Spieler (abwechselnd) ein freies Argument bringen, dass er jedoch mit zwei Belegen versehen muss. Der Spielleiter entscheidet dann nur, wie die Wahrscheinlichkeit ist. (Bspl.: \"Mein MG-Zug schiesst mit doppelter Feuerkraft, weil er 1. sich seit 4 Wochen auf den russischen Angriff vorbereitet hat und 2. meine Minitionsbevorratung hervorragend ist (das wurde vorher bereits als Argument eingebracht).\" Hohe Wahrscheinlichkeit, also 3+ auf W6)
Gespeichert

Wellington

  • Edelmann
  • ****
  • Beiträge: 3.923
Scripted reality
« Antwort #6 am: 26. März 2010 - 16:18:25 »

Das is ein Ansatz der oft von den Engländern bei Demospielen und bei Kampagnen Wochenenden verwendet wird. Ein Spielleiter bastelt bestimmte Szenarien mit vorbestimmten Ereignissen. Für die Spieler besteht dann die doppelte Herausforderung: die Schlachten gewinnen und auf die Ereignisse reagieren.

Such die mal alte Wargames Ilustrated, in denen wirst Du viele Artikel zu diesem Thema finden.
Gespeichert
Weniger labern, mehr spielen ...

Wellingtons Martktplatz

MacGuffin

  • Bürger
  • ****
  • Beiträge: 1.837
    • 0
Scripted reality
« Antwort #7 am: 29. März 2010 - 19:46:21 »

so etwas wie \"die können erfahrung sammeln und werden bessere helden\" gibt es für viele tabletops ab hersteller und nennt sich kampagne :sm_pirat_schreck:
zumindest ist es da nicht unüblich, dass man nicht nur spiele mit einer verbundenen geschichte austrägt, sondern auch eine entwicklung bei den enthaltenen elementen stattfindet.

und bei den spielen, die ich genannt habe, ist das ende durchaus offen. nur weil ein spielleiter in die handlung eingreift, heißt das nicht, dass das ende feststeht.
ich gebe mal ein beispiel, welches in etwa so auch im regelbuch von =I=nquisitor genannt wird, um zu verdeutlichen, warum das ganze mehr ähnlichkeiten mit einem film als einem normalen tabletopspiel hat:
eine der figuren, die dem gefolge des einen spielers angehört, möchte mit einem eleganten sprung aus dem fenster hechten, im flug seine beiden pistolen auf den gegner auf der straße abfeuern und dann auf dem gegenüberliegenden balkon landen. der spieler würfelt für die aktionen und schafft nur zwei der drei. er springt, schießt und würde dann auf der straße aufschlagen und vermutlich draufgehen. weil der spielleiter aber die idee cool findet, beschließt er, dass die letzte aktion nicht ganz schief gegangen ist, sondern die figur sich gerade noch so am geländer festhalten kann. jetzt hängt sie zwar ohne waffen als leichtes ziel in der gegend rum und muss gerettet werden, aber sie lebt noch.

aber es gewinnt immer noch der spieler, der die siegbedingungen erfüllt. und da das ganze in kampagnenform am sinnvollsten ist (siehe oben), könnte es sein, dass der übermütige held eine verletzung davongetragen hat, die ihm in künftigen spielen zu schaffen macht.

der spielleiter kann natürlich auch für überraschungen sorgen, indem er verschweigt, dass im zentralen gebäude ein NPC-monster lauert oder die konsole einen selbstzerstörungsmechanismus auslöst, der alle anwesenden zu einem schnellen rückzug aus dem getümmel zwingt oder was auch immer er sich ausgedacht hat - aber gespielt wird immer noch in erster linie ein tabletopspiel mit entsprechenden regeln.
Gespeichert
Boredom\'s not a burden anyone should bear.
- Tool

Tabletop Club Rhein Main e.V.

-Zuvor bekannt unter dem Nutzernamen Oberst Manuell.-

Diomedes

  • Administrator
  • Edelmann
  • *****
  • Beiträge: 2.913
    • 0
Scripted reality
« Antwort #8 am: 30. März 2010 - 09:09:43 »

Man kann das auch mit großen Schlachten machen, ein Spielleiter kann versteckte Einheiten und den Nachschub kontrollieren sowie Spielziele festlegen, die nur die einzelnen Spieler kennen. Wenn man das macht sollte man als Spielleiter allerdings aufpassen, daß man den Spielern nicht zuviel Überraschungen zumutet weil die Spieler sich sonst in eine defensive Stellung zurückziehen und der Spielfluß leidet. Wenn man plant einen Spieler durch Nachschub über die Flanke zu unterstützen sollte der Gegner zumindest einen Tip von seinen Scouteinheiten bekommen, daß Feinde aus dieser Richtung zu erwarten sein könnten, so daß er seine Taktik entsprechend planen kann.

Auch über allianzen kann man so interessante Spielsituationen schaffen, wenn z.B. eine Kolonialmacht in Afrika im Kampf gegen einen Eingeborenenstamm von einem anderen Eingeborenenstamm unterstüzt wurde hatte man immer das Problem, daß man nie wußte wie zuverlässig solche Alianzen waren. Wenn der alliierte Spieler dazu vom Spielleiter geheim entsprechend gebrieft wird kann er viel besser auf den Verlauf der Schlacht reagieren und der Spieler der Kolonialtruppen muß seine Strategie ganz anders planen als wenn er beide Truppen selber spielen würde.

Es vereinfacht auch Szenarien, in denen die eine Seite stark unterlegen ist. Z.B. die typischen last Stand Szenarien sind viel interessanter wenn der Angreifer nicht genau weiß, wieviel Zeit er hat und wann der Verteidiger Nachschub bekommt. Ober wenn der Angreifer nicht mal genau weiß wieviele Truppen der Verteidiger im einzelnen zur Verfügung hat.

Solche Spiele können sehr spannend sein weil man damit die ganzen strategischen Probleme darstellen kann, die TT Regeln nicht erfassen können. Es bedarf allerdings einiger Planung um das gut über die Bühne zu bekommen und die Balance muß stimmen damit die Spieler ihnre Aufträge auch realisieren können.
Gespeichert
Inquisitor Thrax cleared his throat and dictated the last section of his report.

Havi

  • Totengräber
  • *
  • Beiträge: 6
    • 0
Scripted reality
« Antwort #9 am: 03. April 2010 - 16:03:20 »

Also die Grundidee erinnert mich an sich ein wenig an ein PC Spiel. Bei Hearts of Iron gibts auch gescriptete Events, die entweder an einem bestimmten Datum oder durch eine Handlung ausgelöst wird. Dabei hat man dann oft verschiedene Auswahlmöglichkeiten mit verschiedenen Ergebnissen, wie später wiederum andere Ereignisse auslösen können. Hat auch noch was Rollenspielmäßiges aber man könnte es gut auch auf größere Schlachten übertragen. Erobert man beispielsweise ein feindlich besetztes Dorf auf dem Schlachtfeld kann der Spieler wählen es zu plündern und so einen Moralbonus für seine Truppen zu bekommen oder die Bevölkerung zu schonen und so eine kleine, örtlich gebundene Miliz im Dorf zu bilden. Bei einer Rückeroberung und des Dorfes mit Milizen durch den Feind würde dieses jedoch zerstört werden und der Feind bekäme nicht nur einen Moralbonus sondern eventuell auch besondere Versorgungsgüter oder irgendwas in der Art.

Man könnte auch eine Kampagne mit mehreren Tischen spielen, wo Ereignisse auf dem anderen Schlachtfeld das eigene beeinflussen können. Das hat GW schon mehrmals bei Deutschlandweiten Riesen- und Kampagnenschlachten so gemacht.
Gespeichert

Frank Bauer

  • Bürger
  • ****
  • Beiträge: 2.140
    • 0
Scripted reality
« Antwort #10 am: 27. Mai 2010 - 13:05:32 »

Bevor ich über solche Spielformate philosophiere, möchte ich mich gedanklich von dem Aufhänger \"Scripted reality\" trennen, denn das setze ich mit Fernsehen für Dumme zum weiteren Fortschritt der Verblödung gleich. Mal die unbedeutende Minderheit außer Acht gelassen, die das evtl. aus soziologischem oder medienpolitischem Interesse heraus sieht. Wobei der Erfolg dieser Formate nicht weiter verwunderlich ist.

Wenn man alles zu 100% scripted, hat man kein Spiel mehr.
Aber Spiele mit vorgegebenen Ereigneissen funktionieren hervorragend, sowohl mit Ereignissen, die den Spielern unbekannt sind (dann natürlich nur mit Spielleiter) als auch mit bekannten, vorgegebenen Ereignissen.

Den Ausgang der Schlacht bereits vorzugeben, ist problematischer, aber auch möglich, wenn man dem vorgegebenen \"Verlierer\" andere Ziele setzt. \"Rette so viele Truppen wie möglich\", \"Gib dem Zaren so viel zeit wie möglich zur Flucht, bevor du stirbst\" etc. Solche Szenarien sind sogar sehr spannend und können auch ohne Spielleiter funktionieren. Aus meiner Erfahrung heraus sind solche Spiele oft sehr viel anspruchsvoller und taktisch reizvoller, trotz der vermeintlichen Einschränkung der Handlungsfreiheit.
Die Idee ist aber nicht wirklich neu.

In den PULP-45 Adventure - Szenarien, die ich bei Grimm so mitbekommen habe, wird manchmal sogar der exakte Ausgang vorgegeben. Natürlich entkommt Indiana Jones am Ende. Da entscheidet sich dann nur noch, ob er vielleicht seinen Hut zurücklassen muß.
« Letzte Änderung: 01. Januar 1970 - 01:00:00 von 1274958715 »
Gespeichert
Besucht die Hamburger Tactica!

http://www.hamburger-tactica.de:thumbup:

Mad Mö

  • Fischersmann
  • ***
  • Beiträge: 528
    • 0
RE: Scripted reality
« Antwort #11 am: 28. Mai 2010 - 08:49:04 »

Zitat von: \'KingKobra\',index.php?page=Thread&postID=55735#post55735
Anders als im Fernsehen würde ich nicht paradigmatische und syntagmatische Ebene vorgeben wollen, sondern lediglich die paradigmatische, d.h., die Reihenfolge und etwaige zeitliche Abfolge von Ereignissen festlegen.
In einem Anfall von callidus deiectio stolpere ich über die Begriffe syntagmatisch und paradigmatisch. Kann es sein, daß syntagmatisch eine lineare Sequenzstruktur meint?
Paradigmatisch wäre, auf ein Spiel bezogen, demnach ein austauschbares Ereignis, ergo eine vertikale Anordnung?
Syntagmatisch wäre eine Anordung von Ereignissen in linearer Form (Reserven in Runde vier, Gewitter in Runde fünf und Ende in Runde sieben).
Paradigmatisch eine vertikale Anordnung (Beim öffnen der Kiste werden verschiedene Ereignisse ausgelöst, in Runde vier kommt Verstärkung für: Seite A, Seite B oder neue Gegner für A und B aufs Feld)
Macht man sich die Ansichten von Ferdinand de Saussure zu eigen, dann hängt der Wert eines Gliedes von dem Kontrast zu dem, was vorausgeht, und dem was folgt ab (syntagmatische Ordnung).
Opponiert ein Glied mit denjenigen, die nicht in der Rede vorkommen, spricht F. de Saussure von paradigmatischer oder assoziativer Ordnung.
So, ich brauch noch ´nen Kaffee. :D
Gespeichert

KingKobra

  • Fischersmann
  • ***
  • Beiträge: 660
    • 0
Scripted reality
« Antwort #12 am: 28. Mai 2010 - 17:31:52 »

Völlig richtig beobachtet - mein Fehler. Es wäre die syntagmatische Ebene vorzugeben, also die lineare Abfolge. So wie im Beispiel mit Indiana Jones und seinem Hut.
Gespeichert

Mad Mö

  • Fischersmann
  • ***
  • Beiträge: 528
    • 0
Scripted reality
« Antwort #13 am: 01. Juni 2010 - 10:26:34 »

:D  Schön einen weiteren Intellektuellen im Forum zu treffen.
Gespeichert