Dann will ich mal meine Philippika loswerden.
Napoleon kann man für einige seiiner Leistungen bewundern, aber in der Summe war er ein rücksichtsloser Gewaltherrscher, für den Menschenleben nur Mittel zum Zweck waren. Das unterscheidet ihn natürlich von den ideologisch verbrämten Massenmördern des 20. Jahrhunderts Hitler, Stalin und Mao, aber unter die klassischen Gewaltherrscher muß man ihn einreihen. Gewaltsame Unterdrückung und Justizmorde (am bekanntesten der Duc d‘Enghien) sind mit ihm fest verbunden.
Das geht los mit seiner Machtübernahme und der Behauptung, Napoleon hätte das Direktorium gestürzt, weil es korrupt gewesen ist. Er hat es vielmehr gestürzt, weil er die Macht haben wollte und das Direktorium als Werkzeug für seine Eroberungspläne zu inefektiv war. Effektivität war auch der Haupttreiber für seine Reformen bzw. sein Vorantreiben der Reformen, die andere gestartet haben. Wie Preußen ein Dreivierteljahrhundert später brauchte Napoleon eine gut geschmierte Maschinerie, um seine Armeen voranzutreiben. Dafür waren geordnete Verhältnisse im zivilen Bereich notwendig, wie sie die alte feudale Verwaltung nie hätte leisten können. Wie effektiv das war erkennt man an der Geschwindigkeit, mit der die Verluste wenn nicht an Qualität aber doch an Quantität ausgeglichen wurden, die der Rußlandfeldzug gebracht hat. Die Geschichte hat immer wieder bewiesen, daß der größte Fortschrittstreiber der Krieg ist (was ihn nicht besser macht). Und Napoleon ist ein Paradebeispiel dafür, wie Erfolg auf dem Schlachtfeld erst durch einen sorgfältigen Unterbau im zivilen Sektor möglich wurde, als Grundlage für Rekrutierung, Versorgung, Ausrüstung und Finanzierung.
Das Napoleon zuerst gerade in Deutschland gefeiert wurde hing natürlich damit zusammen, daß das alte System als rückständig und bedrückend empfunden wurde, gerade in den grenznahen Gebieten, die von den 3 großen Erzbistümern Köln, Trier und Mainz dominiert wurden. Für die Bevölkerung war die französische Besetzung zuerst eine Befreiung, aber es stellte sich dann bald heraus, was der Preis dafür war. Vorher war man rückständig, aber wurde in Ruhe gelassen. Jetzt hatte man auf dem Papier Rechte, aber mußte die französischen Armeen mitfinanzieren und mit Menschen füllen. Und mit der Pressefreiheit war es vorbei, sobald man nicht mehr Vive L‘Empereur! schrieb.
nyytürlich brachte die Zerschlagung der alten Reichsstrukturen und die Modernisierung von Recht und Verwaltung wirtschaftlich Vorteile. Doch die wurden sehr schnell ins Gegenteil verkehrt. Abgesehen von den schon erwähnten Belastungen durch Steuern und Aushebungen hat der Herrr Napoleon noch eine Errungenschaft nach Europa gebracht, die Kontinentalsperre. Die Folge - eine gewaltige Wirtschaftskrise.
Irgendwann sind die Menschen dann auf die idee gekommen, daß es extrem unpraktisch ist, den deutschen Unterdrücker durch den Französischen ersetzt zu haben. Erstens war der Franzose effektiver in der Unterdrückung, zweitens mußte man auch noch Französisch lernen und Drittens war man zwar im immateriellen Sinne angeblich frei, materiell aber zunehmend Pleite. Und dieses Mal mußte man nicht lange nach dem Schuldigen suchen oder einen erfinden, der Schuldige war offensichtlich und zweifelsfrei Napoleon.
Was die Unterstützung durch die Fürsten angeht - hier erklären Landkarten einiges. Baden hatte vor der Revolution in etwa die Bedeutung der thüringischen Kleinstaaten, 1813 war es in den Top Ten der deutschen Mächte. Bayern hatte sich auch ohne Tirol verdoppelt, und was viel wichtiger war, es hatte einige der wichtigeren deutschen Städte geschluckt, die immer noch Wirtschaftsmotor im Reich waren. Was den Sachsen geritten hat kann ich nicht erklären. Am Ende war er bei allen unten durch, erst Recht (und wirklich zu Unrecht) bei den Franzosen. Aber Sachsen ist ja tatsächlich das perfekte beispiel für die Stimmung in der Bevölkerung. Wenn hier behauptet wird, in Preußen hätte es eine Volksbewegung nur gegeben, weil die Regierung die Leute aufgeputscht hat (ich habe das andersherum in Erinnerung), kann das für Sachsen ja nicht gelten. Und trotzdem haben sich die Sachsen entschieden, gegen ihren König die Seiten zu wechseln.
Kommen wir wieder zu Napoleon, dieses Mal zu seinen Fähigkeiten als Feldherr. Ich denke, es ist unbestritten, daß er hier zu den Allergrößten gehört. Allerdings muß man auch sagen, daß er immer wieder extremes Glück gehabt hat und dankbare Gegner. Schon Marengo hat er beinahe verkackt, Desaix war so nett, ihn herauszuhauen und dabei zu sterben, so daß er ihm den Ruhm nicht streitig machen konnte. Überhaupt hat Napoleon ja immer zugesehen, daß die französischen Generäle mit der Fähigkeit, einen Feldzug zu führen, kurz gehalten wurden. Moreau mußte ins Exil, Davout ins kalte Hamburg. Ähnlich wie Friedrich II. Von Preußen hat Napoleon gerne va banque gespielt, aber anders als der alte Fritz hatte er lange keine Gegner vom Format eines Daun oder Laudon. Der beste General, dem er in seiner Karriere gegenübertreten mußte, war wohl Suworow, und der hat Austerlitz nicht mehr erlebt. Die Österreicher haben ihm eine lange Reihe Generäle entgegengestellt, die sich mit Ausnahme des Erzherzogs an Inkompetenz übertroffen haben. Sein Ausspruch am Grab Friedrichs des Großen war nicht nur dahergesagt - den Anmarsch der Franzosen aus Jena ungestört zu lassen dürfte zu den größten Fehlern der Kriegsgeschichte gehören. Schaut man sich die Gerneräle an, die gegen Napoleon mehr oder weniger erfolgreich gewesen sind, liest sich die Liste auch nicht gerade wie das Who is Who der Feldherrengenies (Suworow ausgenommen):
Erzherzog Karl - zu zögerlich und zu politisch eingeschränkt
Schwarzenberg - nur der Vollständigkeit halber weil er ja 1813/14 den Oberbefehl hatte. Die Inkompetenz in Person. Hat die sichere Sache bei Dresden fast zur Katastrophe werden lassen, hätte Leipzig verloren, wenn die Preußen nicht ihr eigenes Ding gemacht hätten (sogar der Zar hat gemerkt, daß man die Sache anders besser löst).
Barclay de Tolly - ein guter Stratege (seine Leistungen 1812 haben Kutusows Ruhm begründet, aber der war Russe)
Bennigsen - gut in der Defensive, vielleicht der Beste in dieser Liste, trotz seiner Fehler bei Friedland
Kutusow - ein Fiasko bei Austerlitz, 1812 der Grüßaugust - man wollte Russen an der Spitze.
Blücher - Vielleicht der ideale Armeeführer. Aggressiv, flexibel, offen für Beratung (Scharnhorst, Gneisenau). Taktisch Napoleon nicht gewachsen.
Wellington - für mich der am meisten überhöhte Feldherr der Neuzeit (noch vor Montgomery). Was aber nichts daran ändert, daß er der gefährlichste Gegner war, dem Napoleon auf dem Feld gegenübertreten mußte. Was Wellington so gefährlich machte waren weniger seine taktischen Fähigkeiten als sein sicherer Instinkt, sich nur dann zur Schlacht zu stellen, wenn er im Vorteil war. Eins gegen Eins hätte er bei Waterloo aber seine Armee verloren, trotz all der Fehler auf französischer Seite.
In dieser ganzen Liste gibt es nicht einen, der in der Lage gewesen ist, bei einigermaßen gleichen Kräfteverhältnissen Napoleon entscheidend zu besiegen. Dazu hätte es einen Marlborough, Eugen oder Friedrich II. gebraucht, und das mit ungewissem Ausgang. Der Korse war nach Suworows Tod konkurrenzlos und konnte sich eigentlich nur selbst schlagen. Seine große Schwäche war, daß seine Marschälle hervorragende Korpskommandanten waren, aber außer Davout keine Armeeführer ersten Ranges. Nicht ihr Fehler, Napoleon wollte keine Konkurrenz. Ney zum Sündenbock für den belgischen Feldzug zu machen ist zwar leicht, aber falsch. Den Oberbefehl und damit die Verantwortung hatte Napoleon.