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Epochen => Absolutismus und Revolution => Thema gestartet von: Poliorketes am 29. April 2011 - 10:26:47

Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Poliorketes am 29. April 2011 - 10:26:47
Mit dem Erscheinen der Perry-Preußen ist es wohl soweit, daß ich mich nicht mehr vor der napoleonischen Epoche drücken kann. Es ist ja nicht so, daß ich nichts darüber weiß (das würde mir sowieso keiner glauben) und ein paar Bücher habe ich schon - Keegans Antlitz des Krieges und Hofschröers The german victory neben einer Menge allgemeiner kriegsgeschichtlicher Bücher. Was empfehlt ihr, um tiefer reinzukommen? Das Material kann Deutsch oder Englisch sein - französisch bitte nicht. Mir geht es sowohl um Uniformen und Aufstellungen, allgemeine Taktiken und Feldzüge/Schlachten. Wovon ratet ihr ab? Und ja, ich meine die ganze Epoche von Valmy bis Waterloo, wobei für mich der Schwerpunkt im TT sicherlich bei 1813 und 1815 liegen wird.

Danke im Voraus!
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Schrumpfkopf am 29. April 2011 - 11:20:08
Die Veroeffentlichungen von Summerfield sind trocken aber auch sehr aufschlussreich, Oliver Schmidt\'s Osprey ist genial.
Hofschoer ist halt ebenfalls eine Groesse (auch wenn in der engl. Community umstritten) - von dem kann man aber imho alles blind kaufen.

Ansonsten hatte mir Dirk ein sehr gutes Buch ueber Grossbeeren empfohlen, das hab ich aber leider nicht zur Hand, werde die ISBN noch hier reineditieren.
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Frank Becker am 29. April 2011 - 15:05:19
Einen gut zusammengefassten geschichtlichen Abriss der Epoche findet man im Buch „Die Napoleonischen Kriege“ von Gunther Rothenburg. Hier sind auch viele Abbildungen und Karten enthalten.Einen guten allgemeinen Überblick zum Thema Organisation, Waffen, Strategie und Taktik geben die beiden Bände (Kriegswesen und Kriegführung im Zeitalter der Revolutionskriege und Waffe und Waffengebrauch im Zeitalter der Revolutionskriege) der Reihe Heerwesen der Neuzeit von Georg Orthenburg. Ergänzend dazu ist das Buch Gefechtsformen der Infanterie in Europa durch 800 Jahre von Herbert Schwarz interessant. Sehr gut sind auch die Hefte (Gefechtsformen der Kavallerie 1810-15, Technik u. Taktik der Feldartillerie 1808-15, Gefechtsformen der Infanterie 1808-15 und Napoleonische Taktik) von Berker der Klio Arbeitsgruppe Waterloo (gibt’s bei Fuhrmann Figuren oder Gerson Militärbuchfachhandlung). In englischer Sprache ist das Buch „Waterloo Companion“ von Mark Adkin zu empfehlen. Hier findet man neben den Waterloo-Themen auch eine Vielzahl von allgemeinen Informationen. Ebenfalls zu empfehlen ist “Fighting Techniques of the Napoleonic Age 1792-1815: Equipment, Combat Skills, and Tactics” von Robert B. Bruce. Mittlerweile gibt es auch einige Osprey zum Thema Taktik und Strategie.


Beim Thema Uniformen gibt es wenig allgemeine Werke. Sehr gut sind hier die alten Klassiker wie „Uniforms of Waterloo in Colour“ von Philip Haythornthwaite.
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Dirk Tietten am 29. April 2011 - 17:29:34
Die ISBN Nr: 3 921 655 81 X  für das Großbeerenbuch
Für die Uniformen würde ich für die Franzosen das Rousselotbuch 1800-1815 empfehlen.bei den Preußen die beiden Bände von Dr Summerlield und für die Britten gibt es ein gutes Buch von C.E.Franklin.
ISBN Nr. 9-783938-447437
              978-1-85818-584-2
              978-1-85818-583-5
              978-1-86227-484-6

Wie aber bei jeder Epoche kann man bei Bücher ein Vermögen ausgeben und findet dann immer noch eins das einen gefällt.
Schöne Grüße   Dirk
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Hindu am 29. April 2011 - 18:11:19
Rousselot und Franklin wären auch meine Empfehlungen bezüglich frz. und brit. Uniformen.

Weiterhin empfehle ich von Christopher Duffy \"Die Schlacht von Austerlitz\", gibt es in der Bucht immer mal wieder für 1,-€ und den Siborne (siehe entsprechenden Beitrag von mir). Alles andere wäre dann schon sehr speziell.

Die Fiedler/Ortenburg-Bücher (Kriegswesen und Kriegführung im Zeitalter der Revolutionskriege und Waffe und Waffengebrauch im Zeitalter der Revolutionskriege) sind sehr allgemein gehalten, als Einsteigerliteratur zu empfehlen (wenn mans beispw. billig gebraucht bekommt)

 

Viel Spass

Hindu
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Davout am 29. April 2011 - 18:53:34
Unbedingt Rousselot für die Franzosen, bei den Briten sind die meisten Sachen nicht so toll, da sie neben richtigen Uniformdarstellungen falsche Ausrüstung zeigen, z.B. Tornister. Für die Österreicher kann ich die Bände von Dave Hollins empfehlen, bei den Russen zur Organisation und Taktik sind die beiden Bände von den Zhmodikovs Pflicht. Sehr erhellend auch die sehr gut lesbaren Werke von Alexander Mikaberidze zum Feldzug von 1812. Da kommt sicher noch einiges mehr. Sehr viele wirklich tolle Bücher gibt es da natürlich nur auf Russisch. Bei den Preussen kann man sich bei google books mit zeitgenössischen Reglements eindecken.
Falls du dir nicht sicher bist, ob ein Buch anschaffenswert ist, frag einfach hier nach. Leider ist bei der Masse eben auch viel Mist dabei.

Grüße

Davout
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Poliorketes am 30. April 2011 - 02:03:01
Schöne Tips, vielen Dank und weiter so! Kriegwesen & Kriegführung habe ich natürlich, außerdem noch Chandlers Atlas of Military Strategy. Wer hat den Rothenburg empfohlen? Der ist zwar innerhalb seiner Reihe einer der besseren Bände, aber so ein Einsteiger bin ich dann doch nicht ;-). Will sagen, ich habe den, und ich suche schon Material, das deutlich weiterführender ist.
Ich ärgere mich momentan mal wieder Schwarz, daß ich mir vor ein paar Jahren, als er mal günstig zu haben war, nicht den Esposito gekauft habe. Heute ist der nahezu unerschwinglich.
Für mich habe ich erstmal notiert: Rousselot, Summerfield, Franklin.
Welche Ospreys taugen, welche nicht?
Welche Standardwerke für welchen Koalitionskrieg? Für die 100 Tage bin ich mit Hofschröer sehr zufrieden, gibt es vergleichbares für 1805, 1806, 1809, 1813? Für 1812 scheint es ja der Russe zu sein, ich komme mittlerweile fast monatlich in Versuchung, russisch zu lernen, weil es dort so viele interessante Bücher und Filme gibt. Autsch.
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: xothian am 30. April 2011 - 10:00:45
fuer 1809 kann ich nur den 3teiler \"thunder on the danube\" von john gill empfehlen ... absolut spitze

ciao chris
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Davout am 30. April 2011 - 10:02:08
Bei den Ospreys kommt es auf den Autor an, das kann man nur im Einzelfall entscheiden. Die von Ronald Pawly geschriebenen und von Patrice Courcelle illustrierten Bände finde ich sehr gut. Es gibt leider ein grundsätzliches Problem - gerade bei den Russen und Preussen sind die englischsprachigen Werke häufig fehlerhaft. Bei Summerfield bin ich etwas skeptisch, nach seiner abwegigen Auffassung von Kartätschwirkung in seinem Artillerieband, aber er soll sonst sehr gute Sachen geschrieben haben. Hofschröer ist auf jeden Fall auch gut.
Sich mit den Russen zu befassen kann ich nur empfehlen. Man lernt sehr viel ungewöhnliche Dinge dazu. Auf Russisch gibt es fantastische Bücher mit sehr schönen Illustrationen. Auch das Standardwerk von Viskovatov kann man in allen (!) Bänden im Original bei der russischen Nationalbibliothek herunterladen: http://old.rsl.ru/table.jsp?f=1016&t=3&v0=%D0%92%D0%B8%D1%81%D0%BA%D0%BE%D0%B2%D0%B0%D1%82%D0%BE%D0%B2&f=1003&t=1&v1=&f=4&t=2&v2=&f=21&t=3&v3=&f=1016&t=3&v4=&f=1016&t=3&v5=&bf=4&b=&d=0&ys=&ye=&lng=&ft=&mt=&dt=&vol=&pt=&iss=&ps=&pe=&tr=&tro=&cc=b3&i=1&v=tagged&s=0&ss=0&st=0&i18n=ru&rlf=&psz=20&bs=20&ce=4&debug=false
Standardwerke für die Koalitionskriege sind meiner Ansicht nach immer noch die umfangreichen Bände aus dem 19. Jh., die man sich häufig bei google books holen kann, z.B. das Höpfnerwerk \"Der Krieg von 1806 und 1807\". Äußerst erhellend, wenn auch schon mehr für die fortgeschrittene Recherche, sind militärwissenschaftliche Veröffentlichungen aus den 1820 und 1830er Jahren, die die Erfahrungen in den napoleonischen Kriegen verarbeiten. Hier kann man einiges über die Effektivität von Ausrüstung und Taktiken lernen.
Gerade für den Figurensammler sind die zeitgenössischen Reglements interessant. So kann man schnell festellen, wer wo zu stehen hat.

Grüße

Davout
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Tabris am 30. April 2011 - 10:39:58
Jetzt wo wir schon Knietief in Literaturempfehlungen stecken würde ich gerne mal eine kurze Bewertung der versierteren Leser über Detlef Wenzlik hören.

Mir ist mal durch Zufall sein Waterloo-Komplettband in der Bibliotek in die Hände gefallen mit einigen interessanten Ansätzen (die Einheitsverluste anhand der ,besser dokumenterten, Offiziersverluste zu schätzen... wobei das natürlich Probleme bei verschiedenen Armeen aufwirft zBsp. Frankreich wo die Mannschaft durch Verdienst zum Offizier aufsteigen konnte gegenüber zBsp. dem aristokratischen Österreich wo vorallem am Anfang der Revolution die Offiziere wohl gerne von Hinten geführt haben) aber auch einigen dicken Fehlgriffen (Am Anfang der Heeresschau wird die Junge Garde als Sammelsorium der besten Rekruten des Jahrgangs beschrieben und später im Verlauf der Schlacht heißt es das sie langjährigen Vetrenan seinen) ... einige Bewertungen im Internet waren wenig schmeichelhaft.
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Davout am 30. April 2011 - 11:35:01
@Tabris,
ich habe genau diesen Band auch. Ich habs schwer bereut. Aus meiner Sicht ist das der letzte Schrott für teuer Geld. Vor Jahren hatte ich mal herausgefunden, dass seitenweise aus dem 4. Band von Rudolf Friederichs \"Die Befreiungskriege 1813-1815\" von 1913, ohne das überhaupt zu erwähnen, abgekupfert wurde. Da kann man auch gleich die alten Schinken im Original lesen. Der Rest des Inhalts wird wahrscheinlich ähnlich zusammengeklaubt sein. Dass man den Band dann auch noch mit irgendwelchen Hexkarten illustiert hat setzt dem die Krone auf. Seriöse Literatur, wenn auch populärwissenschaftlich, ist was anderes.

Grüße

Davout
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Mad Mö am 01. Mai 2011 - 22:11:14
Bücher auf Deutsch:
http://www.scribd.com/my_document_collections/2334104

Und eine Menge in Englisch:
http://www.scribd.com/my_document_collections/2334103

Zum herunterladen muß man sich registrieren. Z.B. als max@mustermann.de ^^

Vielleicht ist ja das Eine oder Andere passende dabei.
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Decebalus am 02. Mai 2011 - 12:52:16
Für den Krieg von 1809 kann ich nur den Hinweis auf Gill bestätigen.

Rezension Gill im Sweetwater (http://www.sweetwater-forum.de/index.php?page=Thread&threadID=5860)
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Black Hussar am 05. Mai 2011 - 07:23:04
Klasse Link Mad Mö, habe mir gleich ein paar runtergeladen. Leider muss man dann ab einer betsimmten Anzahl doch löhnen oder selbst etwas hochladen...
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: J.S. am 05. Mai 2011 - 17:19:03
Da du ja des Englischen mächtig bist,schmeiss ich mal Dominic Lievens \"Russia against Napoleon\" in die Runde. Deckt sowohl 1812 als auch 1813/14 ab.
absolut klasse buch!  :thumbup:
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Poliorketes am 05. Mai 2011 - 17:26:27
Den habe ich gestern bestellt.  :thumbsup:
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: J.S. am 05. Mai 2011 - 17:52:11
Zitat von: \'Poliorketes\',index.php?page=Thread&postID=84447#post84447
Den habe ich gestern bestellt.  :thumbsup:

 gute wahl  :thumbsup:

edit:
http://www.amazon.de/Ortenburg-Waffen-Revolutionskriege-1792-bebildert/dp/B002CB8Y0I/ref=sr_1_2?ie=UTF8&s=books&qid=1304610846&sr=8-2

der titel ist ein bischen verwirrend,im grunde gehts in dem buch größtenteils um taktik,strategie und die verschiedenen heereskomponenten. für die paar euro kann man das schon mal mitnehmen,wenn mans irgendwo findet.
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Poliorketes am 07. Mai 2011 - 12:11:39
Der Lieven liest sich klasse, es fehlen nur Karten. Habe so nebenbei den Herbstfeldzug 1813 durchgearbeitet. Ab und an bringt er Daten durcheinander und die Schlacht von Dresden kommt sehr kurz, aber insgesamt tolles Futter. Ich bekomme richtig Lust, mal Löwensteins Kosakenraubzug auf Oudinots Kasse nachzustellen. 2, 3 Kosakenpulks im Wettrennen gegen Franzosen und Preußen...

Der Orthenburg ist doch ein Teilband der Reihe Heerwesen der Neuzeit? Die ganze Reihe ist immer mal für kleines Geld komplett zu haben und absolut zu empfehlen.
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Koppi (thrifles) am 07. Mai 2011 - 12:20:43
Noch zur Ergänzung: Mir persönlich haben die Bände von Christopher Duffy zu Borodino und Austerlitz gut gefallen. So für zwischendurch.
Für den spanischen Krieg, den Peninsular War, empfehle ich von David Gates, The spanish ulcer, gut und flüssig geschrieben sowie Esdaile, The Peninsular War, wobei letzterer durch die kleine Schrift der TB Ausgabe schon ermüdend wirken kann.
Ich fand auch Napoleons Campaign in Poland 1806 - 1807von F. Loraine Peter gut, wobei es sich hier um einen Nachdruck eines Buches von 1901 handelt. Deckt halt bis Friedland und Tilsit den Feldzug ab.
Ich habe noch Nafziger, Napoleons Invasion of Russia.  Davout kann da aber sicherlich mehr zur Wertung sagen, als Spezialist für die napoleonischen Russen.
Für Schlachtordnungs und Statistik Fetischisten wie mich muss hier natürlich noch Digby Smith\'s The Greenhill Napoleonic Wars Data Book genannt werden. Alle Gefechte drin - selbst der kleinste Mist - mit Zahlen Zahlen Zahlen .... sonst nichts. Ich finde es klasse. Habe das mal genutzt um die Schlachtordnungen für mein ever favorite Computerspiel Age of Rifles (kennt außer mir niemand) zu editieren. Da konnte man die Schlachtordnungen, die Gefechtsfelder, das komplette Uniformlayout editieren und pimpen .... ich muss es mal wieder aufspielen. :love:
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Käptain Jack am 07. Mai 2011 - 20:07:20
Zitat von: \'thrifles (Koppi)\',index.php?page=Thread&postID=84531#post84531
für mein ever favorite Computerspiel Age of Rifles (kennt außer mir niemand)
EINSPRUCH KOPPI ! ! ! ! :D :D :D
Hab ich auch gespielt.
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Dirk Tietten am 16. Mai 2011 - 19:36:31
Wie siehts eigentlich mit Büchern zur Armee der Russen aus ?  Speziel für die Uniformen. Die Perrys bringen ja welche raus.
Kennst jemand dieses Buch ?   Uniforms of the Russian Army 1802-1815. Band 1 Infantry   von Spring. L       Ist glaube ich von den gleichen Verlag wie die Preußenbände von Summerfield
Schöne Grüße   Dirk
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Poliorketes am 16. Mai 2011 - 19:48:02
Das ist von Partizan Press (Caliver Books). Kenne ich noch nicht, ist aber auf der Wunschliste für die Crisis.
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Schrumpfkopf am 17. Mai 2011 - 04:22:12
Zitat von: \'Käptain Jack\',index.php?page=Thread&postID=84546#post84546
Zitat von: \'thrifles (Koppi)\',index.php?page=Thread&postID=84531#post84531
für mein ever favorite Computerspiel Age of Rifles (kennt außer mir niemand)
EINSPRUCH KOPPI ! ! ! ! :D :D :D
Hab ich auch gespielt.
Ich auch


@Russen: wirklich alles was ich mir zu deren Uniformkunde gekauft habe war Schrott, ausser ein Super Osprey ueber die Kosacken.
Wenn die Perrys sowas anfassen wuerden, dann wuerde ich es mir unbesehen kaufen.
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Davout am 21. Mai 2011 - 18:09:46
Bei den Russen fand ich bisher nur einige der russischen Bücher wirklich gut. Die Probleme liegen da sicher in der Sprachbarriere. Wer Fragen zu den Russen hat, kann sich gerne an mich wenden, aber bitte nicht \"mal eben alles\" fragen, sondern schon spezifische Dinge.

Grüße

Davout
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Poliorketes am 16. November 2011 - 20:03:11
Habe inzwischen alle 3 Summerfields zur preußischen Infanterie (1 - Garde und Linie, 2 - Reserve & Jäger, 3 - Landwehr). Ich bin zugegebenermaßen geteilter Meinung. Die Bücher wirken beim ersten durchblättern top, aber wenn man richtig tief reingehen will nervt das miserable Lektorat. Außerdem ist der Text recht ungeordnet (so bin ich auf einen Hinweis auf die fehlenden Fahnen bei der Reserve nur im 1. Band gestoßen) und manche wesentlichen Informationen sind nur schwer oder gar nicht zu finden. Kleines Beispiel: Mit dem lakonischen \'Musketeers were clean shaven\' gibt er den einzigen Hinweis auf Barttracht, den ich bislang gefunden habe - obwohl mehr Bilder von Schnurrbartmusketieren als von glattrasierten gezeigt werden. Kein Wort zu Grenadieren oder Füsilieren. Richtig frustrierend finde ich die völlig fehlende Klarstellung, ob denn das 3. Reservebataillon wie Füsiliere aufgestellt wurde (haben wir hier ja vor 1/2 Jahr geklärt) und ob deren Offiziere Füsilierausrüstung der Linie hatten.

Mein Fazit: Insgesamt gute Bücher, aber bei den genannten Mängeln eigentlich zu teuer (der 3. Band kostet £42,50!).

PS: Der Thread hat mir wiederholt sehr geholfen. Wird anderen auch so gehen, darum habe ich ihn mal angeheftet.
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Utgaard am 17. November 2011 - 08:42:38
Warum greifst Du für solche Themen nicht auf die umfangreichen Bestände aus der deutschen Literatur zurück; besonders die Jahre um das 100. Jubiläum der Befreiungskriege sind gespickt mit Büchern zu dem Thema und der Große Generalstab war recht fleißig, was das angeht ;-)

Da wären z.B.
Das Preußische Heer der Befreiungskriege, 1.Band: Das Preußische Heer im Jahre 1812. und 2.Band: Das Preußische Heer im Jahre 1813.
Beide Bände sind antiquarisch recht teuer, vor allem wenn sie vollständig sind, was die Farbtafeln angeht - kann man sich aber z.B. bei Unibüchereien ausleihen, ggf. auch mal be Google-Books schaun, ob die verfügbar sind. Sind jedenfalls erste Sahne, was die Detailgenauigkeit angeht.

Zu den Feldzügen an sich empfielt sich die Abhandlung darüber des Grossen Generalstabs, daraus schreiben auch die meisten Autoren von heute ab, inkl. die Druckfehler bei Stärkeangaben, zu denen Berichtigungen im Buch angegeben worden sind, die man beim abschreiben aber übersehen hat 8)
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Poliorketes am 17. November 2011 - 10:42:55
Hast Du einen genauen Titel für dir Generalstsbsabhandlung?
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: sharku am 17. November 2011 - 10:58:00
der genaue itel würde mich auch interessieren!
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Utgaard am 17. November 2011 - 16:26:11
Die Befreiungskriege 1813-1815; 1.Bd.Der Fruehjahrsfeldzug 1813.-2.Bd.Der Herbstfeldzug 1813.-3.Bd.Der Feldzug 1814.-4.Bd.Der Feldzug 1815
Autor Rudolf Friederich
Verlag E.S. Mittler, 1911

Rudolf Friederichs war Oberst und Chef der Kriegsgeschichtlichen Abteilung II des Großen Generalstabes.
Titel: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: tattergreis am 07. Januar 2016 - 12:38:04
Die unterschiedlichen Taktiken, deren Entwicklungsgeschichte und die psychologischen Hintergründe im Kampfgeschehen sind sehr interessant dargestellt in:
Battle Tactics of Napoleon and his Enemies von Brent Nosworthy
ISBN-10: 0094772401
ISBN-13: 978-0094772403

Gerade die Entwicklung der Kolonne und deren Scheitern an den Britischen Linien wird sehr anschaulich erklärt. Es ist eine fundierte Analyse, die beste, die ich kenne. Es werden auch sehr viele Beispiele verwendet, weshalb es niemals irgendwie trocken erscheint.

Außerdem empfehlen würde ich Clausewitz Vom Krieg Viertes Buch Vom Gefecht; kann man online lesen, ist aber veraltete Fachsprache
Titel: Re: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Samonuske am 15. Dezember 2018 - 18:00:22
Auch ich habe jetzt mal eine Frage als Interessierter Unwissender zu Napoleon. War der Mann nun Gut oder Böse . Oder war das so ein Ding damals einfach, Eroberungszüge müssen sein !?

Habe mir nun verschiedene Dokus angesehen zb diese von Austerlitz, was ich sehr Interessant fand . Da er doch von seinem Volk bzw Soldaten auch geliebt wurde. Wenn ich das richtig verstanden habe.
Dann habe ich die Doku über Ägypten gesehen und da hieß es er hat Ägypten wieder ihre Freiheit bzw ihr Land von den Osmanen zurück erobert , so das sie wieder ihren Glauben ectpp ausüben dürfen. Also so ähnlich wurde es in der Doku gesagt. Denn dann heißt es ja trotz Eroberungszüge, war er ja nicht so schlimme, wie manch andere.

Also klärt mich mal als total unwissender auf, Bitte.
Titel: Re: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Poliorketes am 15. Dezember 2018 - 18:49:38
Frag mal Goya
https://youtu.be/mzcP00w_cvw
Titel: Re: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Samonuske am 15. Dezember 2018 - 18:59:38
Lach,Sorry,da versteh ich mal gar nichts. Aber gut sieht es nicht aus.
Titel: Re: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Poliorketes am 15. Dezember 2018 - 20:55:31
Was Goya da gezeichnet hat waren die Gräuel des Krieges, in diesem Fall der spanischen Erhebung gegen Napoleon. Was die Franzosen in Spanien angestellt haben, würde heute in Den Haag unter Anklage gestellt.
Titel: Re: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Samonuske am 15. Dezember 2018 - 21:18:05
Danke dir,ich belese mich mal dazu.
Titel: Re: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: DerAndereSkaby am 15. Dezember 2018 - 21:30:07
Man sollte nicht vergessen, dass Goya auch parteisch war und Greuel in wahrscheinlich größeren Maße von den spanischen guerrilleros begangen wurden (Verstümmelung von Gefangenen u.ä.)

Napoleon ist definitiv in seiner Zeit einzuordnen und kann schlecht nach heutigen Maßstäben beurteilt werden.
Danach wären Alexander,  Cäsar und die meisten anderen  "Großen" der Geschichte heutzutage eher verwerflich.
Was gerne bei Napoleon vergessen wird, ist sein grundlegender Beitrag in der modernen Gesetzgebung und Staatsgestaltung.
Titel: Re: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Samonuske am 15. Dezember 2018 - 21:36:14
Jetzt weiß ich es wieder,als ich mich belesen hatte. Muss morgen gleich mal auf dem Dachboden schauen. Habe noch ein Geschichtsbuch aus der Schule, da war genau dieses Bild drin.
(https://www.bilder-upload.eu/thumb/f2c4ce-1544906162.jpg) (https://www.bilder-upload.eu/bild-f2c4ce-1544906162.jpg.html)


@DerAndereSkaby Bitte mehr davon
Titel: Re: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: DerAndereSkaby am 17. Dezember 2018 - 10:49:20
Also...
Napoleon hat das Code Civil eingeführt - sozusagen der Vorfahre des BGB - welches (mit Anpassungen) heute immer noch in Frankreich, Italien und Louisiana gültig ist.
Zu sagen er hätte ein Gesetzbuch eingeführt ist gut und schön: aber was bedeutete dies?
1. Vor dem Gesetz sind alle gleich (heute selbstverständlich, damals nicht)
2. Einführung von Unabhängige Richter und Geschworene (keine Rechtsprechung durch Herrscher)
3. Gleichstellung der Religionen (Ende der Diskriminierung der Juden)
4. Trennung zwischen Staat und Kirche
5. Gewerbefreiheit und freie Berufswahl

Reformen der Verwaltung:
Die Regierungen wie sie uns heute geläufig sind, haben ihren Ursprung durch seine Reformen.
Die heutigen Ministerien, in ihrem Aufbau und Organisation.
Viele der heutigen Ämter (z.B. Einwohnermeldeamt, Finanzamt, Polizei).


Umstritten ist, ob Napoleon wirklich an einem vereinten Europa geglaubt hat. Seine Kritiker tun dies als Vorwand für Eroberungskriege; seine Bewunderer stellen den Grundgedanken im Vordergrund und betrachten die Abweichungen davon als aus der Not entstanden Massnahmen.

Fakt ist, dass er in seinen Schriften über die Notwendigkeit eines vereinten Europas schreibt.
Fakt ist, dass er in einem ersten Schritt, die eroberten Gebiete meistens nicht Frankreich angegliedert wurden, sondern einigermaßen unabhängig (wenigstens innenpolitisch).
Fakt ist, dass später diese Länder immer weniger unabhängig wurden (teilweise doch zu Frankreich annektiert).


Nun zu seinen negativen Eigenschaften:
1. Wenig Wertschätzung für Menschenleben.
Kann man psychologisch bestimmt durch die Kriegserfahrung begründen, es bleibt aber dabei, dass für ihn Menschenleben nun mal "militärische Währung" waren und damit ggf. auch ausgegeben werden konnten. Andererseits eine grundlegende Änderung kam erst nach dem 2. Weltkrieg zustande. Also ja, durch die Entstehung der Massenheere (nicht direkt eine Erfindung von Napoleon, aber von ihm durchaus vorangetrieben) ist der Wert eines Soldatenlebens drastisch gefallen und Napoleon war sich dessen bewusst; aber die ganzen Kriege danach waren nicht anders (amerikanischer Bürgerkrieg, deutsch-französischer Krieg 1870, die Weltkriege).
2. Unterdrücker der Verbündeten.
Seine Massnahmen um die Kriege fortführen zu können waren definitiv unbeliebt. Allerdings auch in Frankreich selber. Tatsächlich wurden Verbündete eher "verheizt" als Franzosen, aber beim Schach opfert man auch eher die Bauern als die Königin.
3. Machthungrig.
Bestimmt, und? Ein Leistungssportler will auch gewinnen und lässt freiwillig auch nicht andere auch mal vor...
Klar in seinem Fall hat es Menschenleben gekostet, aber Frankreich war vor ihm schon im Krieg und die meisten Kriege danach sind nun mal nicht von ihm erklärt worden. Also gilt der Vorwurf genauso für Großbritannien und die anderen Allierten.

Sonderthema Spanien:
Die Franzosen haben tatsächlich einschüchternde Repressalien durchgeführt, aber die Spanische Guerilla war eine Mischung aus religiösen Fanatikern und Räuber (wie die süditalienischen "Briganti" die gegen Murat und später gegen die piemontesische Regierung gekämpft haben, und aus denen sich dann die Mafia entwickelt hat).
Hierzu siehe auch den interessanten Beitrag von unseren Forumsmitglied Thrifles:
https://thrifles.blogspot.com/2018/05/das-regiment-gro-und-erbprinz-und-sein.html

Am 30. November 1808 wurde der Grenadier Schneider zu einem Ochsenkarren, auf dem seine hochschwangere Frau saß, kommandiert, weil der Wagenfahrer entlaufen war: "Bei Cabrera, wo die Heerstraße an dem Fuße einer waldigen Höhe herläuft, war an dem Karren etwas auszubessern, und Schneider blieb nur tausend Schritte hinter der Hinterwache zurück. Plötzlich hörte diese einige Schüsse und ging im Laufschritt zurück. Bei dem Karren angekommen, fanden sie Mann und Frau ermordet und fürchterlich verstümmelt. Der Frau hatten die Kannibalen die Brüste ab- und den Leib aufgeschnitten; dem Mann hatten sie die Scham abgeschnitten und der Frau in den klaffenden Mund gesteckt."
Titel: Re: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Pappenheimer am 17. Dezember 2018 - 12:53:10
Auch ich habe jetzt mal eine Frage als Interessierter Unwissender zu Napoleon. War der Mann nun Gut oder Böse . Oder war das so ein Ding damals einfach, Eroberungszüge müssen sein !?

Habe mir nun verschiedene Dokus angesehen zb diese von Austerlitz, was ich sehr Interessant fand . Da er doch von seinem Volk bzw Soldaten auch geliebt wurde. Wenn ich das richtig verstanden habe.
Dann habe ich die Doku über Ägypten gesehen und da hieß es er hat Ägypten wieder ihre Freiheit bzw ihr Land von den Osmanen zurück erobert , so das sie wieder ihren Glauben ectpp ausüben dürfen. Also so ähnlich wurde es in der Doku gesagt. Denn dann heißt es ja trotz Eroberungszüge, war er ja nicht so schlimme, wie manch andere.
Der Typ hat locker 20 Jahre mindestens die Geschicke Europas geprägt. Da gibt's nicht wirklich ein Gut und Böse.

Als Staatsmann halte ich ihn für überschätzt. Als Außenpolitiker fand ich ihn eine Katastrophe, für Frankreich wie für Europa. Die Außenpolitik verwechselte er oft mit dem Krieg. Man kann auch Einfluss über andere Staaten ausüben, ohne sich zu einem Protektor aufzuschwingen (Rheinbund, Polen) oder ein Mitglied der Familia als Herrscher einzusetzen. Sein Kidnapping von Thronen in Europa ist vielleicht mit den französischen Bourbonen vergleichbar, die dies aber immerhin über Jahrzehnte Jahre erfolgreich betrieben (Spanien, Neapel-Sizilien, Parma). Seine Außenpolitik verschaffte ihm den Hass vieler Völker und diese spiegelte aber auch nur die Verachtung, die er selber für sie hegte. Vielleicht erklärt sich diese verfehlte Außenpolitik mit seiner Ungeduld in allem.

Innenpolitisch war seine Herrschaft eine Fortführung der Reformen der Revolution, v.a. des Direktoriums, dessen Methoden er übernahm (Verbannung feindlicher Organe, Design der Gremien nach römischem Vorbild, Rechtsbeugung). Im Vergleich zum Direktorium wurde Napi die Stabilität hoch angerechnet. Das Direktorium besaß einfach keine Identifikationsfiguren, weder große Redner noch schillernde Feldherren, dafür korrupte, intrigante Machtmenschen ohne Ideale (Carnot vielleicht ausgenommen) oder klare Vorstellungen. 

Als Feldherr hat er lange überragendes geleistet und natürlich auch das Quäntchen Fortune, ob bei Marengo oder Austerlitz.
Anders als der Maréchal de Saxe, den Napi verehrte, konnte sich Napi aber nicht so gut den Umständen anpassen und übersah am Ende 1813 z.B. dass er mit weitaus weniger erfahrenen Truppen arbeiten musste, als in den Jahren seiner großen Siege. Auch dass er mit einem Bündnisheer arbeiten musste. Dieses zu koordinieren und zu motivieren war offensichtlich überhaupt nicht seine Stärke, was man am Russlandfeldzug sieht. Eine Integration der Preußen und Österreicher gelang dort bspw. garnicht.

Wie bei vielen Alleinherrschern litt seine Herrschaft oftmals daran, dass er nicht erkannte fähige Fachleute zu Rate zu ziehen. Der Code Civil ist da eine Ausnahme, wobei er ja auch auf einen langen Prozess zurückgreifen konnte.

Für Frankreich im Schnitt eine Katastrophe. Aus seinen Erfolgen der ersten Jahre hätte er mit weniger Ehrgeiz gewiss auch einen stabilen Staat aufbauen können, wenn er sich auf Frankreich konzentriert hätte.
Titel: Re: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: waterproof am 17. Dezember 2018 - 13:39:20
Napoleon hat einer Zeit seinen Stempel aufgedrückt in der es in Europa nur Monarchien gab. Verhalten hat er sich auch so. Gut und Böse ist für unsere heutigen Massstäbe anders zu bewerten als im 19. Jahrhundert. Wenn man drüber streiten möchte ob seine Eroberungs-Feldzüge nötig waren, sollte man nicht die blutig niedergeschlagenen Aufstände in Polen außer acht lassen. Dort haben die Monarchen aus Preussen und Russland kein Federlesen mit den Polen veranstaltet. Die agressive Kolonialpolitik der Ostindischen Kompanie die zu drastischen Hungersnöten im besetzten Teilen Indiens führte. Das 19. Jahrhundert ist nicht in die Geschichte eingegangen weil alle Nationen demokratisch und Menschenfreundlich waren, außer Napoleon. Sondern weil ein Napoleon den großen und alten Monarchien am Anfang unter Druck setzen konnte nur um am Ende durch den selben alten Feind umzukommen. Und das ganze mit goldverzierten Tressen und großer Uniform. Das macht die napoleonische Ära aus.  ;)
Titel: Re: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: DerAndereSkaby am 17. Dezember 2018 - 14:18:43
Vieles ist natürlich Ansichtssache, aber ein paar Argumente finde ich schon diskussionswürdig...
>Seine Außenpolitik verschaffte ihm den Hass vieler Völker und diese spiegelte aber auch nur die Verachtung, die er selber für sie hegte. Vielleicht erklärt sich diese verfehlte Außenpolitik mit seiner Ungeduld in allem.
Welche Völker haben ihn gehasst?
Preussen, Spanier, Russen - größtenteils.
Franzosen, Italiener, Polen, Rheinländer, Bayern, Sachsen, Kroaten? eher nicht.
Die Völker wurden im Allgemeinen auch nicht so richtig gefragt... Die Preussen haben das Volk aufgewiegelt um auf mehr Mannstärke zu kommen... aber wo waren die blutige Guerilla wie in Spanien? Abgesehen von Spanien gab es nirgendwo Widerstand. Ziviler Ungehorsam und Flucht vor der Wehrpflicht ja, aber Aufstände?
In den folgenden Jahrzehnten gab es in ganz Europa Aufstände, besonders in den ehemals von ihm beherrschten Gebieten, für mehr Freiheit und Selbstbestimmung... Ideen, die Sie mit Frankreich schon kennengelernt hatten...
Wie zeigte sich seine Verachtung? Alle neu gegründeten Staaten haben die selbe Gesetzgebung wie Frankreich bekommen.
Wehrpflicht war natürlich unbeliebt, die Kontinentalsperre (oder besser die Folgen davon) auch. seine Bemerkungen in seine Memoiren auf S.Helena? Ja, diktiert zu einem Zeitpunkt wo er nach Gründe/Schuldige für seine Niederlage gesucht hat.
 
>Aus seinen Erfolgen der ersten Jahre hätte er mit weniger Ehrgeiz gewiss auch einen stabilen Staat aufbauen können, wenn er sich auf Frankreich konzentriert hätte.
Da kann man genausogut argumentieren, dass er gar keine Möglichkeit hatte sich auf Frankreich zu konzentrieren: 1805, 1806-07, 1809 kam es zu Kriegserklärungen an Frankreich, nicht umgekehrt.
Spanien war einerseits eine sehr ungeschickt durchgeführte Einmischung, aber das Land war kurz vor einem Bürgerkrieg und in ähnlichen Situationen sind Nachbarstaaten in der europäischen Geschichte immer interveniert - vom 100-jährigen Krieg bis hin zur Kossovo-Krise.
1812 war definitiv ein Angriffskrieg - der einzige den man undiskutiert so stehen lassen kann.

Titel: Re: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: waterproof am 17. Dezember 2018 - 15:12:00
Hört hört !
Titel: Re: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Koppi (thrifles) am 17. Dezember 2018 - 21:07:57
(http://www.emofaces.com/emoticons/napoleon-bonaparte-emoticon)


Soll ich, soll ich ...

VIVE  L'EMPEREUR
Titel: Re: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Blüchi am 17. Dezember 2018 - 22:03:43
Kollaborateur.....ab in die Ecke :D was soll denn ein Turnvater J davon halten.

Spaß Beiseite.... In meiner Gegend heißt der Gehweg immer noch Trottoir...was sich sehr Elegant anhört wie ich meine ;D
Titel: Re: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Pappenheimer am 19. Dezember 2018 - 17:48:00
1.
Vieles ist natürlich Ansichtssache, aber ein paar Argumente finde ich schon diskussionswürdig...
>Seine Außenpolitik verschaffte ihm den Hass vieler Völker und diese spiegelte aber auch nur die Verachtung, die er selber für sie hegte. Vielleicht erklärt sich diese verfehlte Außenpolitik mit seiner Ungeduld in allem.
Welche Völker haben ihn gehasst?
Preussen, Spanier, Russen - größtenteils.

Franzosen, Italiener, Polen, Rheinländer, Bayern, Sachsen, Kroaten? eher nicht.

2.
Die Völker wurden im Allgemeinen auch nicht so richtig gefragt... Die Preussen haben das Volk aufgewiegelt um auf mehr Mannstärke zu kommen... aber wo waren die blutige Guerilla wie in Spanien? Abgesehen von Spanien gab es nirgendwo Widerstand. Ziviler Ungehorsam und Flucht vor der Wehrpflicht ja, aber Aufstände?

3.
>Aus seinen Erfolgen der ersten Jahre hätte er mit weniger Ehrgeiz gewiss auch einen stabilen Staat aufbauen können, wenn er sich auf Frankreich konzentriert hätte.
Da kann man genausogut argumentieren, dass er gar keine Möglichkeit hatte sich auf Frankreich zu konzentrieren: 1805, 1806-07, 1809 kam es zu Kriegserklärungen an Frankreich, nicht umgekehrt.

1.
Ansichtssachen sind immer diskussionswürdig. Aus verschiedenen Ansichten entwickelt sich gemeinhin eine Diskussion.

Thema Aufstände:
Vorderösterreich ("Baden") 1809, Preußen 1809 (Schill), Bayern 1809 (Tirol), Frankreich 1814/15 (Vendée), Süditalien (Neapel) 1799, Haiti 1799-Aufgabe der Kolonie, wenn man so will, Hessen 1809

In Sachsen muss man die Lage wohl gespalten betrachten. Die Kriege waren ebenso wie in Bayern unbeliebt. In Bayern hatte es schon unter Carl Theodor ein fein ausgeklügeltes Spionagewesen gegeben, welches die Stimmung in der Bevölkerung auslotete, aber scheinbar nicht mehr mit der Härte wie unter Carl Theodor gegen Aufwiegler vorging.
Erstaunlich friedlich ging allerdings die Neuordnung Deutschlands auf Druck Napoleons 1802/03 ab. Es gab in einer Reichsgrafschaft, die zu Bayern geschlagen wurde, wohl mal Unruhen, aber nichts ernstes.

2.
Das Volk wurde allerdings nicht gefragt, aber schon im 18.Jh. konnte ein Herrscherwechsel dennoch seine Tücken haben. Man sieht es z.B. in der Unbeliebtheit der Habsburger im Kgr. Neapel oder in Parma, was sogleich deutlich wurde, wenn die Chance bestand die unbeliebten Herrscher loszuwerden (auch wenn man sie letztlich nur gegen andere Monarchen eintauschte).
Bei Napi fällt diese mangelnde Begeisterung für das System dadurch auf wie rasch der napoleonische Block zusammenbrach 1813/14. Man muss sich mal vorstellen wieviele Truppen potenziell Italien und Neapel zur Verteidigung 1813 hätten mobilisieren können und dann binnen ein paar Monaten waren diese Länder überrollt. Ganz gut auch an Westfalen zu erkennen oder die Niederlande.
Es gibt Vergleichbares etwa ein Jahrhundert vorher, als auch die Herrschaft von Stanislaw Leczynski über Polen in Handumdrehen zusammenbrach, als Karl XII. bei Poltawa geschlagen worden war. 

3.
Den Krieg mit Preußen 1806 hat Napi ja provoziert. Obwohl er eigentlich viel von der preußischen Armee hielt, ignorierte er, dass er Preußen demütigte indem er mit Großbritannien über Hannover verhandelte. Es ist ja auch nicht so, dass Napi Hannover an Preußen geschenkt hätte. Es war ein Tauschmanöver, was gut ins 18.Jh. gepasst hätte (man denke an die bourbonisch-habsburgischen Tauschaktionen immer wieder!). Die traditionell an Preußen auch konfessionell gebunden Gebiete am Rhein gegen Hannover - auch nicht durchweg in Preußen eine beliebte Entscheidung von FW III.. Vielleicht meinte Napi mit Preußen ebenso umspringen zu können wie mit all den Klein- und Mittelstaaten, die er oft garnicht fragte, wenn er sie am Verhandlungstisch mit Großmächten aufteilte, verschenkte oder einsackte.

Spannend finde ich, dass Napi auch durchaus Fans unter den alten Monarchen Europas hatte. Da wäre natürlich der Kurfürst von Sachsen, Friedrich August III. zu nennen, der Napi bis ins Verderben folgte und wohl hätte sein Land trotz des Appetits Preußens retten können oder auch Carl Friedrich von Baden.
Obskurer weil widersprüchlich scheinbar jene erzwungenen Verbündeten wie Friedrich von Württemberg, der eigentlich Napi verabscheute und massig Truppen stellen musste oder der Herzog von Sachsen-Weimar, der wohl wegen seiner guten internationalen Connections dennoch seinen kleinen Staat behalten durfte, obwohl er Napi offenkundig hasste, was Napi übrigens nicht davon abhielt ihm den einen oder anderen Besuch abzustatten.  ;D
Titel: Re: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Blüchi am 19. Dezember 2018 - 20:25:33
was war denn der Grund der Aufstände 1809 ?
Titel: Re: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: DerAndereSkaby am 20. Dezember 2018 - 07:59:23
1.
Ansichtssachen sind immer diskussionswürdig. Aus verschiedenen Ansichten entwickelt sich gemeinhin eine Diskussion.
Sehr gute Einstellung  ;)

Thema Aufstände:
Vorderösterreich ("Baden") 1809, Preußen 1809 (Schill), Bayern 1809 (Tirol), Frankreich 1814/15 (Vendée), Süditalien (Neapel) 1799, Haiti 1799-Aufgabe der Kolonie, wenn man so will, Hessen 1809

In Sachsen muss man die Lage wohl gespalten betrachten. Die Kriege waren ebenso wie in Bayern unbeliebt. In Bayern hatte es schon unter Carl Theodor ein fein ausgeklügeltes Spionagewesen gegeben, welches die Stimmung in der Bevölkerung auslotete, aber scheinbar nicht mehr mit der Härte wie unter Carl Theodor gegen Aufwiegler vorging.
Erstaunlich friedlich ging allerdings die Neuordnung Deutschlands auf Druck Napoleons 1802/03 ab. Es gab in einer Reichsgrafschaft, die zu Bayern geschlagen wurde, wohl mal Unruhen, aber nichts ernstes.
Der Schillsche Aufstand war eher eine Militärische Operation hinter den feindlichen Linien: abgesehen von den verhältnissmäßig vielen Freiwilligen und ein wenig Versorgungshilfe war die Bevölkerung kaum involviert - kein Vergleich mit Spanien.
2.
Das Volk wurde allerdings nicht gefragt, aber schon im 18.Jh. konnte ein Herrscherwechsel dennoch seine Tücken haben. Man sieht es z.B. in der Unbeliebtheit der Habsburger im Kgr. Neapel oder in Parma, was sogleich deutlich wurde, wenn die Chance bestand die unbeliebten Herrscher loszuwerden (auch wenn man sie letztlich nur gegen andere Monarchen eintauschte).
Bei Napi fällt diese mangelnde Begeisterung für das System dadurch auf wie rasch der napoleonische Block zusammenbrach 1813/14. Man muss sich mal vorstellen wieviele Truppen potenziell Italien und Neapel zur Verteidigung 1813 hätten mobilisieren können und dann binnen ein paar Monaten waren diese Länder überrollt. Ganz gut auch an Westfalen zu erkennen oder die Niederlande.
Es gibt Vergleichbares etwa ein Jahrhundert vorher, als auch die Herrschaft von Stanislaw Leczynski über Polen in Handumdrehen zusammenbrach, als Karl XII. bei Poltawa geschlagen worden war. 
Neapel wurde nicht überrolt, Murat hat die Seiten gewechselt. Auch deswegen hat das Königreich Italien relativ schnell aufgegeben: waren eh nicht genug Truppen vorhanden, um 2 Fronten zu halten.
3.
Den Krieg mit Preußen 1806 hat Napi ja provoziert. Obwohl er eigentlich viel von der preußischen Armee hielt, ignorierte er, dass er Preußen demütigte indem er mit Großbritannien über Hannover verhandelte. Es ist ja auch nicht so, dass Napi Hannover an Preußen geschenkt hätte. Es war ein Tauschmanöver, was gut ins 18.Jh. gepasst hätte (man denke an die bourbonisch-habsburgischen Tauschaktionen immer wieder!). Die traditionell an Preußen auch konfessionell gebunden Gebiete am Rhein gegen Hannover - auch nicht durchweg in Preußen eine beliebte Entscheidung von FW III.. Vielleicht meinte Napi mit Preußen ebenso umspringen zu können wie mit all den Klein- und Mittelstaaten, die er oft garnicht fragte, wenn er sie am Verhandlungstisch mit Großmächten aufteilte, verschenkte oder einsackte.

Spannend finde ich, dass Napi auch durchaus Fans unter den alten Monarchen Europas hatte. Da wäre natürlich der Kurfürst von Sachsen, Friedrich August III. zu nennen, der Napi bis ins Verderben folgte und wohl hätte sein Land trotz des Appetits Preußens retten können oder auch Carl Friedrich von Baden.
Obskurer weil widersprüchlich scheinbar jene erzwungenen Verbündeten wie Friedrich von Württemberg, der eigentlich Napi verabscheute und massig Truppen stellen musste oder der Herzog von Sachsen-Weimar, der wohl wegen seiner guten internationalen Connections dennoch seinen kleinen Staat behalten durfte, obwohl er Napi offenkundig hasste, was Napi übrigens nicht davon abhielt ihm den einen oder anderen Besuch abzustatten.  ;D
Nicht nur unter den Monarchen, auch viele Intellektuelle waren durchaus von ihm begeistert (Goethe, Schiller, Beethoven nur um die Deutschen zu nennen). Zugegeben die meisten haben sich später von ihm abgewandt, sei es aus Enttäuschung und/oder aus politischen Opportunismus...

Für mich ist halt wichtig zu betonen, dass es viele sehr gute Ansätze in seiner Herrschaft gab. Warum es bei vielen davon es dann doch nur dabei geblieben ist, ist halt diskussionswürdig.


Titel: Re: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Poliorketes am 20. Dezember 2018 - 10:34:59
Dann will ich mal meine Philippika loswerden.

Napoleon kann man für einige seiiner Leistungen bewundern, aber in der Summe war er ein rücksichtsloser Gewaltherrscher, für den Menschenleben nur Mittel zum Zweck waren. Das unterscheidet ihn natürlich von den ideologisch verbrämten Massenmördern des 20. Jahrhunderts Hitler, Stalin und Mao, aber unter die klassischen Gewaltherrscher muß man ihn einreihen. Gewaltsame Unterdrückung und Justizmorde (am bekanntesten der Duc d‘Enghien) sind mit ihm fest verbunden.

Das geht los mit seiner Machtübernahme und der Behauptung, Napoleon hätte das Direktorium gestürzt, weil es korrupt gewesen ist. Er hat es vielmehr gestürzt, weil er die Macht haben wollte und das Direktorium als Werkzeug für seine Eroberungspläne zu inefektiv war. Effektivität war auch der Haupttreiber für seine Reformen bzw. sein Vorantreiben der Reformen, die andere gestartet haben. Wie Preußen ein Dreivierteljahrhundert später brauchte Napoleon eine gut geschmierte Maschinerie, um seine Armeen voranzutreiben. Dafür waren geordnete Verhältnisse im zivilen Bereich notwendig, wie sie die alte feudale Verwaltung nie hätte leisten können. Wie effektiv das war erkennt man an der Geschwindigkeit, mit der die Verluste wenn nicht an Qualität aber doch an Quantität ausgeglichen wurden, die der Rußlandfeldzug gebracht hat. Die Geschichte hat immer wieder bewiesen, daß der größte Fortschrittstreiber der Krieg ist (was ihn nicht besser macht). Und Napoleon ist ein Paradebeispiel dafür, wie Erfolg auf dem Schlachtfeld erst durch einen sorgfältigen Unterbau im zivilen Sektor möglich wurde, als Grundlage für Rekrutierung, Versorgung, Ausrüstung und Finanzierung.

Das Napoleon zuerst gerade in Deutschland gefeiert wurde hing natürlich damit zusammen, daß das alte System als rückständig und bedrückend empfunden wurde, gerade in den grenznahen Gebieten, die von den 3 großen Erzbistümern Köln, Trier und Mainz dominiert wurden. Für die Bevölkerung war die französische Besetzung zuerst eine Befreiung, aber es stellte sich dann bald heraus, was der Preis dafür war. Vorher war man rückständig, aber wurde in Ruhe gelassen. Jetzt hatte man auf dem Papier Rechte, aber mußte die französischen Armeen mitfinanzieren und mit Menschen füllen. Und mit der Pressefreiheit war es vorbei, sobald man nicht mehr Vive L‘Empereur! schrieb.

nyytürlich brachte die Zerschlagung der alten Reichsstrukturen und die Modernisierung von Recht und Verwaltung wirtschaftlich Vorteile. Doch die wurden sehr schnell ins Gegenteil verkehrt. Abgesehen von den schon erwähnten Belastungen durch Steuern und Aushebungen hat der Herrr Napoleon noch eine Errungenschaft nach Europa gebracht, die Kontinentalsperre. Die Folge - eine gewaltige Wirtschaftskrise.

Irgendwann sind die Menschen dann auf die idee gekommen, daß es extrem unpraktisch ist, den deutschen Unterdrücker durch den Französischen ersetzt zu haben. Erstens war der Franzose effektiver in der Unterdrückung, zweitens mußte man auch noch Französisch lernen und Drittens war man zwar im immateriellen Sinne angeblich frei, materiell aber zunehmend Pleite. Und dieses Mal mußte man nicht lange nach dem Schuldigen suchen oder einen erfinden, der Schuldige war offensichtlich und zweifelsfrei Napoleon.

Was die Unterstützung durch die Fürsten angeht - hier erklären Landkarten einiges. Baden hatte vor der Revolution in etwa die Bedeutung der thüringischen Kleinstaaten, 1813 war es in den Top Ten der deutschen Mächte. Bayern hatte sich auch ohne Tirol verdoppelt, und was viel wichtiger war, es hatte einige der wichtigeren deutschen Städte geschluckt, die immer noch Wirtschaftsmotor im Reich waren. Was den Sachsen geritten hat kann ich nicht erklären. Am Ende war er bei allen unten durch, erst Recht (und wirklich zu Unrecht) bei den Franzosen. Aber Sachsen ist ja tatsächlich das perfekte beispiel für die Stimmung in der Bevölkerung. Wenn hier behauptet wird, in Preußen hätte es eine Volksbewegung nur gegeben, weil die Regierung die Leute aufgeputscht hat (ich habe das andersherum in Erinnerung), kann das für Sachsen ja nicht gelten. Und trotzdem haben sich die Sachsen entschieden, gegen ihren König die Seiten zu wechseln.

Kommen wir wieder zu Napoleon, dieses Mal zu seinen Fähigkeiten als Feldherr. Ich denke, es ist unbestritten, daß er hier zu den Allergrößten gehört. Allerdings muß man auch sagen, daß er immer wieder extremes Glück gehabt hat und dankbare Gegner. Schon Marengo hat er beinahe verkackt, Desaix war so nett, ihn herauszuhauen und dabei zu sterben, so daß er ihm den Ruhm nicht streitig machen konnte. Überhaupt hat Napoleon ja immer zugesehen, daß die französischen Generäle mit der Fähigkeit, einen Feldzug zu führen, kurz gehalten wurden. Moreau mußte ins Exil, Davout ins kalte Hamburg. Ähnlich wie Friedrich II. Von Preußen hat Napoleon gerne va banque gespielt, aber anders als der alte Fritz hatte er lange keine Gegner vom Format eines Daun oder Laudon. Der beste General, dem er in seiner Karriere gegenübertreten mußte, war wohl Suworow, und der hat Austerlitz nicht mehr erlebt. Die Österreicher haben ihm eine lange Reihe Generäle entgegengestellt, die sich mit Ausnahme des Erzherzogs an Inkompetenz übertroffen haben. Sein Ausspruch am Grab Friedrichs des Großen war nicht nur dahergesagt - den Anmarsch der Franzosen aus Jena ungestört zu lassen dürfte zu den größten Fehlern der Kriegsgeschichte gehören. Schaut man sich die Gerneräle an, die gegen Napoleon mehr oder weniger erfolgreich gewesen sind, liest sich die Liste auch nicht gerade wie das Who is Who der Feldherrengenies (Suworow ausgenommen):
Erzherzog Karl - zu zögerlich und zu politisch eingeschränkt
Schwarzenberg - nur der Vollständigkeit halber weil er ja 1813/14 den Oberbefehl hatte. Die Inkompetenz in Person. Hat die sichere Sache bei Dresden fast zur Katastrophe werden lassen, hätte Leipzig verloren, wenn die Preußen nicht ihr eigenes Ding gemacht hätten (sogar der Zar hat gemerkt, daß man die Sache anders besser löst). 
Barclay de Tolly - ein guter Stratege (seine Leistungen 1812 haben Kutusows Ruhm begründet, aber der war Russe)
Bennigsen - gut in der Defensive, vielleicht der Beste in dieser Liste, trotz seiner Fehler bei Friedland
Kutusow - ein Fiasko bei Austerlitz, 1812 der Grüßaugust - man wollte Russen an der Spitze.
Blücher - Vielleicht der ideale Armeeführer. Aggressiv, flexibel, offen für Beratung (Scharnhorst, Gneisenau). Taktisch Napoleon nicht gewachsen.
Wellington - für mich der am meisten überhöhte Feldherr der Neuzeit (noch vor Montgomery). Was aber nichts daran ändert, daß er der gefährlichste Gegner war, dem Napoleon auf dem Feld gegenübertreten mußte. Was Wellington so gefährlich machte waren weniger seine taktischen Fähigkeiten als sein sicherer Instinkt, sich nur dann zur Schlacht zu stellen, wenn er im Vorteil war. Eins gegen Eins hätte er bei Waterloo aber seine Armee verloren, trotz all der Fehler auf französischer Seite.
In dieser ganzen Liste gibt es nicht einen, der in der Lage gewesen ist, bei einigermaßen gleichen Kräfteverhältnissen Napoleon entscheidend zu besiegen. Dazu hätte es einen Marlborough, Eugen oder Friedrich II. gebraucht, und das mit ungewissem Ausgang. Der Korse war nach Suworows Tod konkurrenzlos und konnte sich eigentlich nur selbst schlagen. Seine große Schwäche war, daß seine Marschälle hervorragende Korpskommandanten waren, aber außer Davout keine Armeeführer ersten Ranges. Nicht ihr Fehler, Napoleon wollte keine Konkurrenz. Ney zum Sündenbock für den belgischen Feldzug zu machen ist zwar leicht, aber falsch. Den Oberbefehl und damit die Verantwortung hatte Napoleon.
Titel: Re: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: DerAndereSkaby am 20. Dezember 2018 - 11:52:25
Hallo Poli,

auch wenn meine Grundeinstellung komplett entgegengesetzt ist, kann ich fast alles was Du geschrieben hast so unterschreiben.

Das mit den Sachsen ist nicht so gesichert. Dass sie "en Masse" zu den Allierten desertiert sein sollen ist für beide Seiten ein bequemer Mythos: Napoleon konnte jemand die Schuld an der Niederlage geben und die Allierten konnten die "gerechten" besser spielen. Viele Forscher sind heute der Meinung das nur wenige Bataillone übergelaufen sind, während die Garde und die schwere Kavallerie erst Tage nach Leipzig, von Napoleon selber vom Dienst befreit worden sind.
Teile der Armee haben 1815 in Liege/Lüttich gegen die Preussen gemeutert, weil sie nicht gegen Napoleon kämpfen wollten. Mit dem Erfolg, das sie tatsächlich wegen Unzuverlässigkeit nicht nach Ligny mussten.

Wirtschaftliche Unterdrückung
Ja, die hat es gegeben, aber nicht vergleichbar mit einer geplanten kolonialen Ausbeutung, sondern wegen der nicht enden wollenden Kriegen aus der Not entstanden. Das macht sie nicht besser für die Menschen die sie ertragen mussten, aber in der Beurteilung eines Menschen/Herrschers macht das schon ein Unterschied. Winston Churchill hat auch das British Empire wirtschaftlich ausgepresst, aber der Sieg im 2. WK hat es gerechtfertigt (wobei die Kolonien haben das nicht lange mitgemacht).

Immaterielle Freiheiten
Sollten auch nicht unterschätzt werden. Ja, die anfängliche Begeisterung schwand in Zeiten der materiellen Not schnell dahin, aber wenige Jahre später kam es in ganz Europa wieder zu Revolutionen gerade wegen dieser Freiheiten. Napoleon hatte ein Weg gefunden, wie man die Errungenschaften der Revolution in Bahnen führen konnte und diese ohne Excesse verbreiten konnte. Die Bezwinger Napoleons haben versucht 30 Jahre ungeschehen zu machen und sind kläglich gescheitert: jedes europäische Land wurde durch mindestens eine Revolution heimgesucht, der Kommunismus konnte sich ausbreiten, und und und...

Vielleicht nur so als Gedankenspiel, was wäre anders, wenn Napoleon gewonnen hätte?

Vermutlich ein Vereintes Europa 100 Jahre früher.
Hoffentlich wäre der Nationalismus nicht entstanden/hätte sich nicht verbreitet.
Russland wäre wahrscheinlich trotzdem zum Gegenpol von Europa geworden.
Grossbritannien hätte die Kolonien genauso oder noch mehr ausgebeutet.
Der 1.WK wäre zwischen Russland und Europa ausgebrochen.
Es hätte keinen 2.WK gegeben.  :D

Titel: Re: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Koppi (thrifles) am 21. Dezember 2018 - 08:47:27
Oje Poli.
Bisher warst Du mir ja immer von Deinen Threads her sehr sympathisch. Aber jetzt muss ich das nochmals sehr, sehr, sehr überdenken.
VIVE L'EMPEREUR ;D
Aber Spaß bei Seite.
Napoleon ist sicherlich eine vielseitige Persönlichkeit, die man in kurzen Forenthreads einfach nicht erfassen kann.
Wenn ich natürlich in der Sichtweise nahezu 100% bei Skaby stehe, will ich nur kurz anmerken, dass bisher ein ganz wichtiger Aspekt völlig vernachlässigt wurde:
Die Revolution
Napoleon ist nur vor deren Hintergrund erklärbar.
Auch ist immer wieder die Frage zu stellen, inwieweit der Kaiser überhaupt Handlungsmöglichkeiten hatte.
Sieht man sich die Entwicklungen nach 1815 an, sieht man doch, dass die alten Monarchien bewusst "restaurieren" wollten.
Der "Kriegskaiser" war sicherlich auch lange "Kriegskaiser", weil er mit diesem klassischen Mittel seine Ansprüche vertreten wollte, weil ihn eh niemand wirklich anerkannte.
Generell empfehle ich zwei Biogarphien, um ihm näher zu kommen: Die schon in die Jahre gekommene von Vincent Cronin und die fast neue von Adam Zamoyski.
https://www.amazon.de/Napoleon-Ein-Leben-Adam-Zamoyski/dp/3406724965/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1545378200&sr=8-1&keywords=zamoisky+napoleon
https://www.amazon.de/Napoleon-Stratege-Staatsmann-Vincent-Cronin/dp/3453090470/ref=sr_1_3?s=books&ie=UTF8&qid=1545378241&sr=1-3&keywords=vincent+cronin
Beide sehr informativ und gut geschrieben.
Auch würde ich die Biographie von Willms empfehlen, zu der der Historiker Michael Stürmer folgendes kommentiert hat:
»Willms (...) lässt sich auf Napoleon ein, ohne sich verführen zu lassen. Er wahrt die Distanz ohne die Individualität auf einen irrationalen Rest zu verkürzen. Dazu kommen klarer Stil, große Quellenkenntnis, Lust am Zitieren, scharfe Analyse. Willms weiß eine gute Geschichte gut zu erzählen.«
Michael Stürmer in der WELT
https://www.amazon.de/Napoleon-Eine-Biographie-Johannes-Willms/dp/357055029X/ref=pd_sbs_14_4?_encoding=UTF8&pd_rd_i=357055029X&pd_rd_r=32d1c434-04f4-11e9-aa85-d35187ec82ab&pd_rd_w=hBKif&pd_rd_wg=YGAhd&pf_rd_p=823c2db5-0a4d-474e-99ed-5858cc6a4d7b&pf_rd_r=5GNVTVV6KW7QQ86PDZZ0&psc=1&refRID=5GNVTVV6KW7QQ86PDZZ0

Ich persönlich habe mich schon vor Jahrzehnten verführen lassen, und meine Meinung zu Napoleon gleicht nicht nur einem irrationalen Rest, sondern einem irrationalen Fanempfinden. ;D
Deshalb bringt es auch nicht wirklich was, wenn ich ausführlich über den Kaiser, die "bösen ÄNGLÄNDEEER" oder diese - pfui, pfui, pfui - Preußen schreibe.
Man soll mir ja nicht vorwerfen, dass ich parteiisch bin.
Niemals.
 ;D ;D


(Warum kann ich nicht mehr den Napoleon Smilie von außerhalb einfügen. Verdammt!!!)
Titel: Re: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Poliorketes am 21. Dezember 2018 - 13:55:29
Bei soviel fandom eurerseits ist es ja gut, daß ihr jemanden wie mich habt, der völlig unvoreingenommen seine Abneigung gegen Frankreich und seine Präferenzen für Preußen hintenanstellt! Aber jetzt muß ich wieder zur Wacht am Rhein!  :o
Titel: Re: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: DerAndereSkaby am 21. Dezember 2018 - 14:20:50
 ;D ;D ;D
Titel: Re: Lesestoff Napoleon oder wie lernt man Knöpfe zählen?
Beitrag von: Antraker am 15. Dezember 2023 - 09:03:12
Nicht "Lese"-Stoff aber was zum Zuhören und Schauen:
Es gibt hier ein recht neues Video zur Organisation der französischen Armee unter Napoleon (https://youtu.be/qR0sODDUT8U?si=6Ym54TvWVKcUrTCZ). (Link zu YouTube)

In dieser Folge geht es ausschließlich um Infanterie, kommende Folgen werden die anderen Waffengattungen und deren Zusammenspiel thematisieren.
Für 'alte Hasen' sind das möglicherweise sehr bekannte Basics. Für Einsteiger kann das aber doch interessant sein, finde ich.
Gern hätte ich das in den Thread "Einsteigen in Napoleonisches Wargaming" geschrieben, der ist leider geschlossen. :(