Sweetwater Forum

Epochen => Altertum => Thema gestartet von: tattergreis am 30. Juni 2013 - 17:57:28

Titel: Victrix Athener
Beitrag von: tattergreis am 30. Juni 2013 - 17:57:28
Haben die Athener wirklich die Schwerter über der linken Pobacke getragen?  8|  Wo habt ihr die Schwerter angebracht?  ?(

cheers
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: Hanno Barka am 01. Juli 2013 - 10:00:23
Den meisten zeitgenössischen Abbildungen (v.a. Keramik) haben die Griechen ihre Schwertgehänge generell über die rechte Schulter gehängt, sodaß das Schwert auf der linken Hüfte plaziert war. Da es nur an einem Schultergurt hing, kann es auf der linken Seite sowohl weiter vorn als auch weiter hinten hängen. Ob Du es soweit nach hinten hängst, daß man sich beim Hinsetzen in den Allerwertesten sticht bleibt Dir überlassen :P
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: tattergreis am 02. Juli 2013 - 18:39:24
Danke für die Antwort. Mit Hinsetzen ist jetzt wohl nix mehr bei meinen Griechen, allerdings verstehe ich auch nicht ganz, wie man mit nem Riesenschild in der linken Hand die rechte Hand an ein Schwert bekommt, was hinten links baumelt. Ist wahrscheinlich am einfachsten, hinterm Rücken entlang zu greifen :wacko:

Falls jemand Lust hat, mir zu erklären, wie in der Phalanx verhindert wurde, dass die zweite Reihe die Speere der ersten Reihe ins Auge bekommt, so kann er meiner Aufmerksamkeit sicher sein.  :smiley_emoticons_pirate2_erschreckt_1:

cheers!
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: Dareios am 03. Juli 2013 - 06:04:30
Es ist zumindest denkbar, dass die Schlachtordnung weniger gedrängt war im eingentlichen Kampf und somit genug Platz fuer den Stossspeer zur Verfuegung stand. Insbesondere wenn wir davon ausgehen, dass der Kampf nach kurzen Pausen stets erneuert wurde und nicht 3h lang kontinuierlich gekaempft wurde.
Titel: Phalanx
Beitrag von: Kniva am 03. Juli 2013 - 06:58:32
Zitat
Falls jemand Lust hat, mir zu erklären, wie in der Phalanx verhindert wurde, dass die zweite Reihe die Speere der ersten Reihe ins Auge bekommt, so kann er meiner Aufmerksamkeit sicher sein.

Zitat
Es ist zumindest denkbar, dass die Schlachtordnung weniger gedrängt war im eingentlichen Kampf und somit genug Platz fuer den Stossspeer zur Verfuegung stand.

Naja, gedrängt war die Schlachtordnung schon, und zwar gerade im eigentlichen Kampf. Sinn und zweck des Hoplons, also des - um mit Tattergreis zu reden - \"Riesenschildes\" - war es ja, sowohl die eigene linke Körperhälfte als auch die rechte Körperhälfte des linken Nachbarkämpfers zu schützen. Da musste man schon eng stehen.
Man wird eher davon ausgehen müssen, dass die Reihen etwas versetzt zueinander standen, d. h. dass der Hintermann nicht direkt hinter seinem Vordermann stand. Darüber hinaus dürfte der Xyston - also der Kampfspeer - auch nicht über dem Kopf geschwungen worden, sondern von unten im Hüftbereich geführt worden sein. Der Stoß erfolgte also von unten nach oben. Nur so ergibt übrigens die Phalanx einen Sinn, nämlich als speerstrotzender Schildwall, an den keiner rankommt (sozusagen als menschlicher Igel).

Wie schon in einem anderen Beitrag verweise ich auf die beiden Klassiker zum Thema Kriegführung, nämlich auf Delbrück und Kromeyer/Veith.
Delbrück oder Veith (ich weiß es nicht mehr genau) hat sich nicht nur mit theoretischen Überlegungen zufrieden gegeben, sondern die überlieferten Schlachtformationen mit seinen Studenten etwa um 1900 nachgestellt, um herauszufinden, was bei den Überlieferungen Nonsens und was real tatsächlich möglich war. Damals konnte man mit Studenten noch so was machen; heute hätte man \'ne Klage wegen Kriegsverherrlichung am Hals ...  :D

Gruß

Kniva
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: Darkfire am 03. Juli 2013 - 09:14:12
Ja und nein. Versetzt ja, Speer aber in Kopfhoehe .Hier würde ich eher Conolly: Greek and Romans at War empfehlen. Der Autor ist Reenactor und sehr vertraut mit Experimentalarcheologie. Gibts auch in deutsch, bzw. Tesloff Die griechische Armeen
 auch Conolly
Titel: @Darkfire
Beitrag von: Kniva am 03. Juli 2013 - 12:06:50
Zitat
Speer aber in Kopfhoehe .

Das ergibt, wie schon gesagt, keinen Sinn bei einer Phalanx, weil dann der \"Igel-Effekt\" nicht gegeben ist. Sprich: Die Phalanx will ja den Feind körperlich auf Abstand halten. Das kann sie nur durch Speere, die herausragen und den Körper des Gegner bedrohen. Speere in Kopfhöhe tun das nicht.
Die Sarissen-Phalanx der Makedonen, die ja lediglich verlängerte Speere (eben die Sarissen) benutzt, ist das extremste Beispiel, wie eine solche Phalanx funktioniert hat. Die Sarissen konnte man gar nicht über den Kopf schwingen.

Gruß

Kniva
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: xothian am 03. Juli 2013 - 12:45:14
Zitat
wie man mit nem Riesenschild in der linken Hand die rechte Hand an ein Schwert bekommt, was hinten links baumelt. Ist wahrscheinlich am einfachsten, hinterm Rücken entlang zu greifen
hmmm ich kenn meist nur antike abbildungen wo das schwert links vorne hing bzw links am gesaess, da aber alle antiken malereien in seitlicher oder frontaler perspektive recht abstrakt sind kann es schon manchmal so aussehen, dass der griff hinter dem koerper herauslugend gemalt wurde, meist sieht es auch so aus als ob die haengeschlaufe sehr weit oben geknuepft wurde und nicht in huefthoehe(was auch sinn macht)

ein schwert aus so einem einfachen gehaenge hinter dem rucken zu ziehen ist unsinnig bzw auch von der schwertform und laenge (besonders wenn single bladed, welches man sowieso nur auf eine art ziehen kann ohne zu wechseln) nicht geeignet, ganz zu schweigen nur mit einer hand
das ding an einem mini-baldric ist schon bescheuert genug aus eine holzscheide scheide zu kriegen mit der rechten hand nach vorn

einzig die nepalis tragen seit sie die briten in uniformen gesteckt haben ihr khukri \"auf dem hintern\" (in wechselnder variation :wacko: ) und denen trau ich so etwas zu aber die benutzen immer beide haende zum ziehen ausserdem ist die klinge kuerzer

edit: ooops hab mein fazit ganz vergessen ;) meiner meinung haengt der hopliten schwert viel weiter vorn bzw seitlich und geknuepft auch hoeher als die huefte

just my 2 cents
ciao chris
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: Darkfire am 03. Juli 2013 - 19:36:15
Zitat von: \'Kniva\',\'index.php?page=Thread&postID=141994#post141994
Sprich: Die Phalanx will ja den Feind körperlich auf Abstand halten. Das kann sie nur durch Speere, die herausragen und den Körper des Gegner bedrohen. Speere in Kopfhöhe tun das nicht.

Ähhh, nein. Fast alle Autoren definieren einen Kampf zwischen zwei Phalanxen als Vorläufer des Rugby. Die Speere sollten den Gegner nicht auf Abstand halten, sondern beim Schildkontakt den Gegner mit Stößen von oben herab ausschalten.Und wenn der Druck für eine Seite zu groß ist, dann zerbricht die Linie.

Siehe:[attach]642[/attach][attach]643[/attach]

Der makedonische Phalanx ist auch wieder eine Weiterentwicklung der klassischen Phalanx, der eine größere Effektivität gegenüber den stärker auftretenden Kavallerieeinheiten besitzt. Das war der Schwachpunkt des klassischen Phalanxes, der nur für Infanterie gegen Infanterie ausgelegt war.

Und eine Sarrisse kann man weder über den Kopf, noch vernüftig auf Hüfthöhe führen. Nachdem ich vor ein paar Wochen die Ehre hatte bei einer Ausstellung in München eine Pike aus dem TYW in Händen zu halten (Betonung liegt auf Händen!), halte ich es für ziemlich unmöglich einen 7 m Prügel einhändig zu führen.
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: Hanno Barka am 04. Juli 2013 - 01:46:09
Zitat von: \'Darkfire\',\'index.php?page=Thread&postID=142028#post142028
Das war der Schwachpunkt des klassischen Phalanxes, der nur für Infanterie gegen Infanterie ausgelegt war.

Naja, das könnten die Perser ein wenig anders gesehen haben ;) - so ganz ineffektiv war auch die klassische Phalanx gegen berittene Truppen nicht - schon wegen der dichten Formation... Allerdings bestreite ich nicht, daß die makedonische Sarissenphalanx natürlich nochmal ein Stück effektiver war :)

Btw so ziemlich alle Vasenmalereien, die wir kennen und die Kampfszenen zeigen, stellen den Speer über Kopf dar - diesbez. würde ich mit Darkfire übereinstimmen.
Zudem wenn man die Größe eines Hoplon hernimmt (und ich will nicht mal über die Durschscnittsgröße der Männer im antiken Griechenland spekulieren) kommt man \"unterhalb der Schildrundung\" mit einem Speer nur vorbei (ich geh mal davon aus, daß die Schilderungen stimmen, daß der Schild den Nachbarn mitgeschützt hat und die Hopliten daher eine sehr dichte Formation hatten), wenn man den Arm nach unten ziemlich ausstreckt - dann hat man aber nur wenig Kraft zum zustoßen und zielen wird auch schwierig...
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: Dareios am 04. Juli 2013 - 03:24:39
Moin,

das Thema ist sehr interessant und scheint auch direkt den Zeitgeist zu treffen. Ich bin über ein Review (http://muse.jhu.edu/journals/mouseion_journal_of_the_classical_association_of_canada/v010/10.2.trundle.html) einer neueren Publikation gestolpert, die versucht entgegen neueren Hypothesen des eher offenen, Mann gegen Mann Kampfes, die traditionelle Sichtweise der Phalanx als geschlossenen, langsamen Körper erneut zu betonen sowie die zentrale Bedeutung des Hoplon und des othismos bestätigt. Davon abgesehen enthält das Review auch eine Liste neuerer sowie älterer Publikationen, die jeweils Variationen und entgegengesetzte Sichtweisen anbieten. Von Interesse in unserer Diskussion dürfte die Doktorarbeit des australischen Altertumwissenschaftlers Christopher Matthew sein, der sich ebenfalls experimentell der Sache angenähert hat (ist ein reenactor siehe auch Sydney Ancients (http://www.sydneyancients.5u.com/index.html)). Ich hab die Arbeit mal bestellt, sollte eine interessante Lektüre darstellen. Aus dem Review ist zu entnehmen:

Zitat
One important argument that Matthew seems to have put to rest is the one regarding the overarm thrust of the hoplite spear. Matthew has demonstrated beyond doubt in my opinion that hoplites would have thrust underarm enabling a more sustained and powerful constant thrust of the spear. He also suggests that the hoplite adopted an oblique stance, with the body rotated 45 degrees rather than simply a head-on or side-on stance.

Inwiefern seine Argumente überzeugend sind wird sich zeigen.

Ich würde jetzt ähnlich wie der Rezensent vermuten, dass sich zumindest in der spätklassischen Periode der Kampfstil verändert hat und eventuell - bedingt durch die leichtere Ausrüstung und Wandel der Helmmode - die Kampfesweise offener geworden ist. Zumindest agiler und schneller. Inwiefern nun von einer eher offenen Kampfesweise in der Frühzeit und ein Wandel zum statischen Hoplitenkampf in der klassischen Periode  angenommen werden kann, ist für mich noch nicht gänzlich klar.
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: Hanno Barka am 04. Juli 2013 - 09:04:26
Zum Thema Speer in Hüfthöhe - klar kann man nicht unbedingt davon ausgehen, daß künstlerische Darstellungen 100% die Realität wiedergeben - ABER: warum werden in praktisch allen Darstellungen klassische Hopliten mit dem Speer über dem Kopf dargestellt und nicht mit Speer in Hüfthöhe? Sorry, diesbez. hilft es dann imo auch nicht wenn man mithilfe von experimenteller Archäologie beweist, daß alternative Haltungen möglich oder sogar effizienter/bequemer waren... Ein moderner Künstler schafft es vielleicht auch nicht ein Gewehr 100%ig korrekt darzustellen, aber wie man beim Schießen hält, bringt er schon halbwegs korrekt zusammen.

Edith: Nur zur Klarstellung, ich halte experimentelle Archäologie für wichtig und lehrreich, aber auch für sie gilt, daß Erkenntnisse und Erfahrungen nicht in Stein gemeisselt sind.
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: Razgor am 04. Juli 2013 - 09:51:29
Zitat
...Die Phalanx will ja den Feind körperlich auf Abstand halten. Das kann sie nur durch Speere, die herausragen und den Körper
des Gegner bedrohen. Speere in Kopfhöhe tun das nicht.

Der direkte Körperkontakt wurde ausdrücklich gesucht. Die Schlachtlinien prallten gegeneinander und das Aufbrechen der
gegnerischen Phalanx erfolgte vor allem durch drücken/schieben (othismos) und den direkten Nahkampf. Deshalb hatten die
Spartaner ja auch kein Schwert sondern eher einen größeren Dolch, um in der Enge und im Gedränge besser zustechen zu können.

Die Thebaner unter Epaminondas haben bei Leuktra mit Ihrer schiefen und schwerpunktartigen sehr tiefen Schlachtordnung den
rechten Angriffsflügel der Spartaner einfach niedergewalzt... Man muss sich das so vorstellen, dass z.B. 4-10 Reihen kräftiger
Männer beim Aufprall der Phalanxen anfangen von hinten zu drücken und zu schieben was das Zeug hält (frag nicht wie sich die
1. Reihe fühlt...).  Je höher der Druck desto eher wird die feindliche Phalanx aufgebrochen.
Und ist eine Phalanx einmal aufgebrochen, ist die Schlacht eigentlich fast schon zuende.

Meiner bescheidenen Meinung nach ist dieser othismos bei einer Speerhaltung, der von der Hüfte gehalten wird, nicht möglich
ohne die hinteren Reihen zu gefährden. Das geht nur wenn der Speer über den Kopf gehalten und von oben zugestochen word.
Wenigsten eine Zeitlang dürfte dies gehen... danach dürfte relativ schnell in den vorderen Reihen das Schwert / der Dolch zum
Einsatz gekommen sein.

Hier einen interessanten Artikel dazu. Wenn du bei google \"othismos\" eingibt kommt noch mehr interessante Literatur und Infos.

http://lakedaimon.piranho.de/heer/phalanx3.html
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: fchenjaeger am 04. Juli 2013 - 09:55:46
Die Phalanx-Kampfweise... ohoh...

Ein Thema zu dem sich Historiker bereits mit größeren Geschossen als wir Leien-Hobbyisten auffahren können bekriegt haben. Ich hab auch bereits einiges zu dem Thema gelesen, zig Videos aus dem Reenactment Bereich gesehen und selbst mich ein bisschen mit dem Speer beschäftigt. Manches, was Reenacter betreiben ist wirklich fördernd und bringt interessante Erkenntnisse, anderes einfach bloß lächerlich (Ich hab mal gesehen wie ein paar Legionäre inklusive \"Historiker\" das Rotationsprinzip der Römer nachgestellt haben im Kampf: Dabei hat dann die gesamte Erste Reihe auf ein Kommando dem Feind den Rücken zugedreht und ist nach hinten marschiert... alles klar...)

Fazit: Ein definitives Oben oder Unten gibt es wohl (noch?) nicht. Aber bis dahin würde ich mich der Mehrheit und den Aussagen aus der Antike anschließen und sagen: Über dem Kopf


Zu empfehlen mMn: Weapons that made Britain geht wie der Name bereits verrät hauptsächlich um Waffen, Rüstungen und Kampfweisen in Britannien im Frühen bis späten Mittelalter, aber höchst interessant und gut vorgestellt.
http://www.youtube.com/watch?v=As1rGnx9vng
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: Razgor am 04. Juli 2013 - 09:56:42
Zitat von: \'Greymouse\',\'index.php?page=Thread&postID=142049#post142049
Zum Thema Speer in Hüfthöhe - klar kann man nicht unbedingt davon ausgehen, daß künstlerische Darstellungen 100% die Realität wiedergeben - ABER: warum werden in praktisch allen Darstellungen klassische Hopliten mit dem Speer über dem Kopf dargestellt und nicht mit Speer in Hüfthöhe? Sorry, diesbez. hilft es dann imo auch nicht wenn man mithilfe von experimenteller Archäologie beweist, daß alternative Haltungen möglich oder sogar effizienter/bequemer waren... Ein moderner Künstler schafft es vielleicht auch nicht ein Gewehr 100%ig korrekt darzustellen, aber wie man beim Schießen hält, bringt er schon halbwegs korrekt zusammen.

Edith: Nur zur Klarstellung, ich halte experimentelle Archäologie für wichtig und lehrreich, aber auch für sie gilt, daß Erkenntnisse und Erfahrungen nicht in Stein gemeisselt sind.

Noch eine ergänzende Bemerkung...im Gegensatz zu den  meisten heutigen Künstler waren die damaligen Künstler/Handwerker in den Stadtstaaten
selber Hopliten. Viele dürften selber auf dem Schlachtfeld gestanden sein. Ich bin mir sicher, dass die genau wussten was sie da malten.
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: xothian am 04. Juli 2013 - 10:14:37
ha, advocatus diaboli ;)
Zitat
ABER: warum werden in praktisch allen Darstellungen klassische Hopliten mit dem Speer über dem Kopf dargestellt und nicht mit Speer in Hüfthöhe?
Zitat
Noch eine ergänzende Bemerkung...im Gegensatz zu den meisten heutigen Künstler waren die damaligen Künstler/Handwerker in den Stadtstaaten selber Hopliten.
Viele dürften selber als Hopliten auf dem Schlachtfeld gestanden sein. Ich bin mir sicher, dass die genau wussten was sie da malten.
um so interessanter dann dass der pauschalismus nicht so ganz korrekt ist
ich kenne und habe hier in buechern einiges an klassischen darstellungen (ca400BC) von hopliten welche mit dem speer in unterarm kaempfen/praesentieren, sogar achilles kampf gegen hektor in beiden varianten

Zitat
einer neueren Publikation gestolpert, die versucht entgegen neueren Hypothesen des eher offenen, Mann gegen Mann Kampfes, die traditionelle Sichtweise der Phalanx als geschlossenen, langsamen Körper erneut zu betonen sowie die zentrale Bedeutung des Hoplon und des othismos bestätigt.
das ist eigentlich der schluessel in der ganzen debatte
was ich persoenlich ganz interessant finde ist die darstellung von epheboi und anderen in \"trainingstaenzen\" unter waffen in ruestung
neben vielen guten darstellungen mit dem schwert/dolch weis ich von keiner die eine reihe hopliten in \"impi\"manier mit speer in kopfhoehe praesentiert aber welche den speer in unterarm zeigen, ansonsten gibt es darstellungen von zweikaempfen die beide speerhaltungen aufweisen was auch sinnig ist und beweist das beide kampfhaltungen trainiert wurden.

wie gesag, nur etwas advocatus ;)

hab mir selbst da keine feste meinung dazu gebildet, aber freu mich auf die von dareios angesprochene publikation :)
in der kampfweise aufeinanderprallender schlachtreihen mit engem koerperkontakt kann ich mir den ueberkopf speer nur in der anfangsphase vorstellen und dann ein ziemliches druecken und stechen mit dem schwert/dolch

ciao chris
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: Razgor am 04. Juli 2013 - 10:32:23
Stimme zu.

Ich bin mir sicher, dass beide Kampfhaltungen trainiert wurden. Kommt eben auf die jeweilige
Situation an, wie man den Speer sinnvoll halten und zustechen kann. Im Zweikampf kann es Sinn
machen den Speer an der Hüfte zu halten um in einer geraden Linie oder von unten oder gegen
die Beine zuzustechen. Bei einem Reiterangriff werden die Hopliten die Speere auch wohl eher
von unten gehalten haben.

Im gnadenlosen Gedränge Phalanx gg. Phalanx wäre es wohl eher gefährlich die Hüfthaltung
einzunehmen, wenn hinter dir 4-10 Reihen kräftiger Typen drücken und drängen. Ich glaube, da
hat man alle Hände voll zu tun nicht zerdrückt zu werden.
Titel: @Greymouse
Beitrag von: Kniva am 04. Juli 2013 - 12:30:15
Zitat
ABER: warum werden in praktisch allen Darstellungen klassische Hopliten mit dem Speer über dem Kopf dargestellt und nicht mit Speer in Hüfthöhe? Sorry, diesbez. hilft es dann imo auch nicht wenn man mithilfe von experimenteller Archäologie beweist, daß alternative Haltungen möglich oder sogar effizienter/bequemer waren... Ein moderner Künstler schafft es vielleicht auch nicht ein Gewehr 100%ig korrekt darzustellen, aber wie man beim Schießen hält, bringt er schon halbwegs korrekt zusammen.

Entschuldige, aber der Umstand, dass auf Vasenmalereien etwas in einer bestimmten Art dargestellt wurde, ist definitiv kein Beweis, dass es so war. Es gibt gerade aus der klassischen Zeit Darstellungen von griechischen Kämpfern, jeder ausgestattet mit (in Proportion zum restlichen Körper) einem mindestens 70 cm langen Phallus - was sagt mir das jetzt über die Physiognomie der alten Griechen? :D

Ich kann nur davor warnen, alles, was ein antiker Geschichtsschreiber geschrieben oder ein Künstler bildlich verewigt hat, 1:1 anzunehmen und als Tatsache anzusehen. Als Historiker muss man nicht alle Quellen auswendig kennen und herunterbeten können - man muss sie kritisch hinterfragen. Gleiches gilt auch für den Kunsthistoriker.
Ich empfehle Dir sehr, mal kunsthistorische Vorlesungen an einer Universität zu besuchen. Ist gerade auch für Historiker sehr interessant.
Die bildliche Darstellung jener Zeit (bis hinein in die Rennaissance) diente nicht unbedingt der Darstellung dessen, was war. Die Körperhaltung könnte (und wird es auch in Deinem Beispiel) durchaus eher Bewegung, Action und Dramatik darstellen sollen.

Auch hat man gerade in der bildlichen Darstellung ganz stark mit Symbolik gearbeitet - etwas, was uns heute verlorengegangen ist und dessen Bedeutung nur dem klar wird, der sich intensiv mit diesen Themen beschäftigt.
Ein Beispiel:
In der darstellenden Kunst werden griechische Krieger fast immer mit nackten Füßen dargestellt. Daraus haben z. B. viele Zinfigurenhersteller geschlossen, dass das so war, und ihre Figuren entsprechend gestaltet.
Als Historiker frage ich mich, weshalb griechische Bürger, die im Frieden mit Schuhen über die Agora ihrer Polis wandeln, im Krieg ohne Schuhe in unwirtlichem Gelände z. T. hunderte von Kilometern (in Alexanders Fall: tausende) zurücklegen?
Der Kunsthistoriker gibt Dir darauf die Antwort, nämlich die, dass die Darstellung von Kriegern mit nackten Füßen deren Heroismus betonen sollte.
Das mag für uns heute komisch klingen - in jener Zeit HATTE man eben bestimmte Symbole (oder Farben mit entsprechender Bedeutung).

Ergo: NATÜRLICH hatten griechische und makedonische Krieger Schuhe an den Füßen (von ganz armen Schweinen vielleicht mal abgesehen).


Aaaalso:
Bevor man argumentiert, dass dies oder jenes mal wo abgebildet oder von dem oder dem antiken Geschichtsschreiber behauptet wurde, bitte erst mal kritisch den Wert und den Hintergrund der Quelle hinterfragen.
Ich meine, Herodot hat auch geschrieben, dass Xerxes mit über 10 Millionen Soldaten gegen Hellas zog. Das nimmt kein Mensch, der klar denken kann, ernst, obwohl es vom \"Vater der Geschichtsschreibung\" stammt!  ;)

Gruß

Kniva
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: Razgor am 04. Juli 2013 - 13:07:32
Zitat von: \'Kniva\',\'index.php?page=Thread&postID=142059#post142059
Entschuldige, aber der Umstand, dass auf Vasenmalereien etwas in einer bestimmten Art dargestellt wurde, ist definitiv kein Beweis, dass es so war. Es gibt gerade aus der klassischen Zeit Darstellungen von griechischen Kämpfern, jeder ausgestattet mit (in Proportion zum restlichen Körper) einem mindestens 70 cm langen Phallus - was sagt mir das jetzt über die Physiognomie der alten Griechen? :D

Stimmt ja auch. Aber warum nur auf die \"alten\" Griechen beschränken ? Also bitte...  :thumbsup:    :P

Spaß beiseite...

Das ist übrigens gar nicht so einfach bei einer geschlossen Phalanx, und der Größe der Aspis, einen Speer richtig zu nutzen.
Ich hatte die Gelegenheit mal so eine griechische Aspis zu halten, das Teil ist groß und schwer. Im Netz gibt es dazu einige
interessante Videos. Z.B. hier sieht man, wie so ein Zusammenprall von Phalanxen gewesen sein könnte, ab 1:23:

http://www.youtube.com/watch?v=EL3-GpZQdS4

Mit dem Schild deckt man die offene (linke) Seite des linken rechten Nebenmannes. Die Aspis ist so groß, dass einfach kein Platz in einer
engen Phalanx ist mit einem Speer von rechts zuzustechen. Wenn überhaupt dürfte das in der Anfangsphase des Zusammenpralls
von oben passiert sein. Oder man hatte eine offenere Formation, bei der der Nebenmann rechts etwas weiter weg war. So dass
man überhaupt Platz hatte rechts vom Schild mit dem Speer zuzustechen. Und hier im Video ist es jeweils nur 1 Reihe Hopliten.
Ich echt waren das natürlich viel mehr. Die Hintermänner haben nicht gestochen oder so, da war eh kein Platz dafür da.
Die haben einfach nur mit voller Kraft nach vorne gedrückt.

Übrigens, kein Wunder, dass die andere Seite des Speeres auch eine Spitze hatte. Hat man den Gegner weggedrückt und
liegt dieser auf dem Boden, kann man in der Enge den Speer überhaupt nicht umdrehen um zuzustechen.
Wenn man über einen auf dem Boden befindlichen Gegner trampelt, ist es am einfachsten wenn man den Speer gerade nach oben
hält und mit der anderen Seite einfach nach unten sticht. Sorry, ich hoffe ich habe mich verständlich ausgedrückt.

P.S. Schöne Diskussion übrigens  :)
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: xothian am 04. Juli 2013 - 13:23:08
sehr interessanter punkt mit den \"beiden spitzen\"
Zitat
ist es am einfachsten wenn man den Speer gerade nach oben
hält und mit der anderen Seite einfach nach unten sticht. Sorry, ich hoffe ich habe mich verständlich ausgedrückt.
allerdings ist das eigentlich nur bewerkstelligbar wenn man den speer unterarm nimmt dass man mit der anderen seite zusticht
... in \"wurfspeer\" haltung wird eigentlich nur immer die ein und selbe speerspitze gebraucht, ob nach vorn oder unten
oder versteh ich da was falsch ?

ciao chris
Titel: @Razgor + @Greymouse
Beitrag von: Kniva am 04. Juli 2013 - 13:43:14
Zitat
Stimmt ja auch. Aber warum nur auf die \"alten\" Griechen beschränken ? Also bitte...

Ich fürchte, wir schweifen damit ab und laufen Gefahr, von den Moderatoren wegen unzüchtiger Beiträge verwarnt zu werden ... :D


Zitat
Mit dem Schild deckt man die offene (linke) Seite des linken Nebenmannes.

Du meinst sicher die RECHTE Seite des linken Nebenmannes, da der Schild selbst ja links getragen wurde. Alles andere wäre kompliziert und schlicht nicht möglich ...

Zitat
Die Hintermänner haben nicht gestochen oder so, da war eh kein Platz dafür da.
Die haben einfach nur mit voller Kraft nach vorne gedrückt.

Völlig richtig. Auch in diesem Punkt liest man oft hahnebüschenden Unsinn (gerade in neuerer Literatur), dass nämlich bei Speeren die zweite und dritte, bei Sarissen selbst noch die vierte Reihe mitgemischt haben soll.
Wie soll das gehen?
Theoretisch könnte maximal der in der 2. Reihe am Vordermann vorbei stechen, was ich aber für problematisch halte. Alles, was dahinter kommt, kann nur noch \"drücken\".

Zitat
P.S. Schöne Diskussion übrigens  

Stimmt!

Zitat
Der direkte Körperkontakt wurde ausdrücklich gesucht. Die Schlachtlinien prallten gegeneinander und das Aufbrechen der
gegnerischen Phalanx erfolgte vor allem durch drücken/schieben (othismos) und den direkten Nahkampf.

Ja und nein. Wenn ich wirklich den Körperkontakt suche, nutze ich keinen Speer, der weit in den Gegner hineinragt. Dann nehme ich NUR den Dolch - wie es die Römer taten. DIE suchten wirklich den Körperkontakt.
Der Speer soll schon auf Entfernung dem Feind Verluste zufügen und DADURCH die gegnerische Schlachtreihe (muss ja nicht immer eine Phalanx sein) durcheinanderbringen. Erst JETZT erfolgt der Aufprall mit dem von Dir beschriebenen Drücken/Schieben. DABEI hast Du aber nicht wirklich mehr die Gelegenheit, Deinen Speer hoch über dem Kopf zu schwingen und auf die Gesichter Deiner Gegner zu zielen. Du musst Dich mit ganzer Kraft gegen Deinen eigenen Hoplon stemmen .


@Noch zu Greymouse:

Zitat
ABER: warum werden in praktisch allen Darstellungen klassische Hopliten mit dem Speer über dem Kopf dargestellt und nicht mit Speer in Hüfthöhe? Sorry, diesbez. hilft es dann imo auch nicht wenn man mithilfe von experimenteller Archäologie beweist, daß alternative Haltungen möglich oder sogar effizienter/bequemer waren...

Du gehst davon aus, dass man Geschriebenes/bildlich Dargestelltes so nehmen muss, wie es kommt, dass es so war, wie es beschrieben wurde. Die (experimentelle) Archäologie kann dem geschriebenen Wort/dem Bild nicht das Wasser reichen.

Das Gegenteil Deiner Aussage ist der Fall.
Das geschriebene Wort ist - wie die bildliche Darstellung auch - immer sehr kritisch zu betrachten. Woher hatte der Autor/Künstler seine Information? War er dabei? Will er die \"Wahrheit\" schreiben oder Propaganda? Will er künstlerisch wertvoll (in den Augen seiner Zeitgenossen) arbeiten oder realistisch genau?

Erst durch die experimentelle Archäologie - oft aber auch schon mit klarem Menschenverstand - kommt man zu dem Schluss, dass es so nicht gewesen sein kann, weil es z. B. physikalisch gar nicht geht. Und die Gesetze der Physik galten 450 v. Chr ebenso wie 2013 n. Chr ....

Oder umgekehrt beweist die (experimentelle) Archäologie, dass es doch stimmt, was der Autor vor 2.500 Jahren beschrieben hat.

Ich hatte im letzten Jahr das Vergnügen, Urlaub in Burgund zu machen, wo ich Alesia besuchte. Die dort arbeitende Gruppe von Experimentalarchäologen hatten, wie ich fand, Erstaunliches über die Römer zutage gebracht, was ich in der Form nicht wußte und was in der Literatur sich seit \'zig Jahren vermutlich falsch festgesetzt hat.

Im Übrigen verdanken wir es gerade der (hier: nicht-experimentellen) Archäologie, dass in neuester Zeit die überlieferten historischen Quellen aus der Antike von der historischen Forschung neu bewertet werden, so z. B. hinsichtlich des vermeintlichen \"Barbarentums\" bestimmter Völker.

Gruß

Kniva
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: Razgor am 04. Juli 2013 - 13:54:47
Zitat von: \'xothian\',\'index.php?page=Thread&postID=142063#post142063
sehr interessanter punkt mit den \"beiden spitzen\"
Zitat
ist es am einfachsten wenn man den Speer gerade nach oben
hält und mit der anderen Seite einfach nach unten sticht. Sorry, ich hoffe ich habe mich verständlich ausgedrückt.
allerdings ist das eigentlich nur bewerkstelligbar wenn man den speer unterarm nimmt dass man mit der anderen seite zusticht
... in \"wurfspeer\" haltung wird eigentlich nur immer die ein und selbe speerspitze gebraucht, ob nach vorn oder unten
oder versteh ich da was falsch ?  ciao chris

Ja korrekt. Das geht nur dann, wenn man den Speer gerade nach oben hält.

Stelle dir eine 4 Reihen tiefe Phalanx in enger Formation vor.
Eng heisst, dass der Hoplit mit der eigenen Aspis die linke Seite des Nebenmannes zu seiner rechten mitbeschützt.

Den Speer an der Hüfte zu führen und von rechts seitlich zu stoßen geht garnicht.
Es ist einfach keine freie Lücke zwischen den Schilden und auch kein Platz. Man kann den Speer nur von oben
führen und von oben zustoßen. Maximal die 2. Reihe kommt von oben auch an den Gegner ran und dann ist
schon schluss und manchmal ist auch das sehr schwierig, da einfach zu wenig Platz ist.
Die 3. und 4. Reihe hat die Aufgabe zu drücken. Die halten den Speer i.d.R. gerade nach oben.

Wenn ein Gegner umfliegt, verwundet wird und zu Boden geht ist er im Gedränge sowieso am Arsch...
du wirst getreten, geschlagen von Freund und Feind. Die 2., 3. und 4. Reihe wartet nur darauf, um dich mit dem
Speer (vorzugsweise mit der unteren kleineren Speerspitze, in dem Gedränge kann man den Speer sowieso nicht
umdrehen) zu erstechen. Oder wenn der Speer weg ist mit dem Schwert oder Dolch zu verwunden und zu
erstechen. Solltest du das überleben, warten dahinter die Leichtbewaffneten um dir den Garaus zu machen,
wenn du Glück hast dich gefangen zu nehmen...

Ist eine Phalanx gebrochen oder flankiert, wird sie von der Lücke oder Flanke aufgerollt. IdR. war die Schlacht
damit verloren und die Überlebenden liefen weg. Das interessante ist, dass die eigentlichen Verluste wärend der
Flucht erlitten wurden und weniger im Phalanx-Kampf. Und da niemand mit dem schweren Schild, der Aspis, schnell
laufen kann, hat man dieses weggeworfen. Kamst du nach der Schlacht ohne Schild nachhause, wusste jeder, dass
du geflüchtet bist. Deshalb es auch der spartanische Spruch:  Ἢ τὰν ἢ ἐπὶ τᾶς, Èi tàn èi èpì tàs
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: Razgor am 04. Juli 2013 - 13:56:22
Zitat
Zitat Mit dem Schild deckt man die offene (linke) Seite des linken Nebenmannes.

Zitat
Du meinst sicher die RECHTE Seite des linken Nebenmannes, da der Schild selbst ja links getragen wurde.
Alles andere wäre kompliziert und schlicht nicht möglich ...

Kniva, sorry. Ich meinte die linke Seite meines rechten Nebenmannes.
Titel: Totale Verwirrung ...
Beitrag von: Kniva am 04. Juli 2013 - 14:13:47
Zitat
Kniva, sorry. Ich meinte die linke Seite meines rechten Nebenmannes.

Einer von uns beiden hat gerade einen Blackout ...  ;(

Du trägst den Schild am Schildarm, und das ist der linke. Korrekt?

Damit deckst Du, wenn Du nach vorne gewandt stehst (die Hopliten standen seitwärts gewandt, also linke Schulter zum Feind, rechte eher nach hinten - aber lassen wir das mal hier beiseite), Deine linke Körperhälfte vollständig, Deine rechte nur zum Teil. Richtig?
Du hast also eine Durch Deinen eigenen Schild völlig gedeckte linke, aber eine nur zum Teil gedeckte rechte Körperseite.

Deinen beiden Nebenmännern geht es ebenso.
Wenn ich als Hoplit links von Dir stehe, ist meine linke Körperhälfte (an die Du nicht herankommst, es sei denn, wir schauen in genau entgegengesetzter Richtung) durch meinen Schild gedeckt (brauche hier also keine Fremddeckung), meine rechte Seite (die an Deine linke Schulter anschließt) ist ungedeckt. Diese RECHTE Seite von mir schreit geradezu nach DEINEM Schild.

Stehe ich rechts von Dir, decke ich mit meinem Schild DEINE rechte, ungeschützte Flanke. MEINE linke Flanke IST ja durch meinen Schild gedeckt, die brauchst (und kannst) Du nicht schützen.

Okay?

Gruß

Kniva
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: Razgor am 04. Juli 2013 - 14:57:12
Linker Arm trägt den Schild, genau.
Der Schild ist so groß, dass er deinen Nebenmann zu deiner Rechten überlappt.
Dadurch ist dein rechter Nebenmann komplett durch dein Schild UND sein Schild gedeckt
und sicher.

Aber du selber bist an deiner linken Körperhälfte nicht komplett gedeckt.
Deshalb ist man an der rechten äußersten Flanke einer Phalanx am sichersten, dein
Gegner gegenüber aber am verwundbarsten.

Wenn du aber ganz links stehst, dann ist deine linke Flanke offen, da kein Nebenmann mehr ist.
Jemand braucht nur von der Seite zu kommen und kann dich abstechen.

Die Spartaner haben in einer Phalanx traditionell immer die (sichere) rechte Flanke übernommen,
die sogenannte Angriffsflanke. Gegenüber war die \"schwache\" Seite des Gegners.

Es geht natürlich auch anders...
Schau dir mal die Schlacht von Leuktra an. Die Thebaner verweigerten (gegen jede Tradition) ihre
rechte Flanke und bauten dafür an ihrer linken Flanke eine Phalanx mit der Tiefe von 50 Reihen auf
(also genau gegenüber der starken Spartanischen Flanke. Das Ergebnis war, dass sie durch den
Othismos (also den schiebenden Druck) die eigentlich starke spartanische Flanke wegfegten und
dadurch die Schlacht gewannen  :)

Zu deiner Bemerkung Speere und Othismos, neige ich eher dazu das eigentlich schlachtentscheidende
Moment im Druck einer Phalanx zu sehen und weniger in der Speer-Bewaffnung. Ich finde diese Passage
ganz interessant:

Zitat
Was passierte dabei? Gab es eine Zeit flexiblen Lanzenkampfs, wie Herodot und Thukydides das schildern oder kam es sofort nach ein, zwei Stichen auf gut Glück zum Zusammenprall, wie Xenophon es schildert? Dieser othismos mit dem nachfolgenden Geschiebe scheint auf jeden Fall das gewesen zu sein, was über Sieg und Niederlage - wenn nicht des gesamten Heeres, so doch der einzelnen opponierenden Kontingente - entschied.

Die von hinten drängenden Reihen lassen es plausibel erscheinen, dass der Zusammenprall sofort erfolgte und die Lanzen diesen eher ermöglichen sollten, als vermeiden. Nach dem Zusammenstoß war der Lanzengebrauch wegen der Enge eingeschränkt. So war das Ziel, den Gegner aus der Formation zu schieben. Die fünfzig Mann tiefen Reihen der Boiotier, die bei Leuktra 371 und Mantineia 362 die Spartaner schlugen, hätten keinerlei Vorteil geboten, wenn es nicht auf das Schieben, sondern den Lanzenkampf angekommen wäre.

Das Schieben erforderte nicht einmal, Gegner zu töten, auch wenn das hilfreich war. Die Spartaner bemühten sich nun, die Reihen des Gegners aufzubrechen. Dass sie das auch dadurch versuchten, in der Enge des Geschiebes einzelne Feinde zu töten, lässt sich möglicherweise an ihren auffallend kurzen und geraden Schwertern ablesen, die auch im Gedränge durch kleine Lücken des gegnerischen Schildwalls hindurchgestoßen werden konnten. Es reichte aber auch, wenn der Schildwall durch das Schieben allein aufbrach, dann konnte aus den hinteren Reihen mit den Lanzen auf den Mann neben der Lücke eingestoßen werden.

Die Spartaner sorgten sich auch schwerpunktmäßig darum, dass ihre eigene Linie nicht aufgebrochen wurde. Dazu diente z.B., dass sie fliehende Feinde nicht verfolgten, weil das die eigene Formation aufgelockert hätte, dass sie langsam und im Takt von Flöten marschierten und dass sie anscheinend exzessiv Bewegungsmanöver in der Formation übten und in hohem Maße beherrschten. Das bürgerliche Ethos der Spartaner, das die Gemeinschaft über den Einzelnen stellte, tat ein übriges und sorgte dafür, dass keiner aus der Reihe tanzte. Der thebanischen schiefen Schlachtordnung hatten die Spartaner aber schließlich nichts mehr entgegenzusetzen; sie war das non-plus-ultra, wenn es darum ging, den Gegner aus seiner Formation zu schieben und dann niederzumachen.

http://lakedaimon.piranho.de/heer/phalanx3.html

Aber gut, reine Theorie, da man nicht selber dabei war... ;)
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: xothian am 04. Juli 2013 - 15:22:30
:thumbsup: auch wenn ich ein alter thukydides fan bin schlag ich mich auf xenophons seite
Zitat
Die Spartaner sorgten sich auch schwerpunktmäßig darum, dass ihre eigene Linie nicht aufgebrochen wurde. Dazu diente z.B., dass sie fliehende Feinde nicht verfolgten, weil das die eigene Formation aufgelockert hätte, dass sie langsam und im Takt von Flöten marschierten und dass sie anscheinend exzessiv Bewegungsmanöver in der Formation übten und in hohem Maße beherrschten. ... dass keiner aus der Reihe tanzte.
... das ueben wir jetzt mal ;)
(http://www.mlahanas.de/Greeks/images/PhyrricDance.jpg)

ciao chris
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: Mehrunes am 04. Juli 2013 - 19:17:58
Also in dem Video sieht man doch IMO ganz gut, dass ein leicht eingedrehter Körper mit dem Apsis vor sich eigentlich gar nicht DIE eine ungeschütze Seite hat. Ich finde dass macht auch Sinn, so hat man nämlich den erforderlichen Druck hinter dem Schild und ist erstmal für sich selbst verantwortlich. Das Überlappen schützt dann beide Seiten eines jeden gleichermaßen, aber die Kampfdoktrin muss sich nicht darauf verlassen, dass der Nebenmann zu einem großen Teil dafür verantwortlich ist, einen zu beschützen. Ich glaube das passt auch nicht zu dem psychischen Stress eines antiken Nahkampfes. Wenn derjenige, der mich aufspießen will, grade mal 30cm von mir entfernt ist, dann will ich mich erst mal selber so gut wie möglich schützen und mich nicht auf den Schreiner aus \'nem anderen Viertel verlassen müssen.
Die beiden Flankenmänner haben dann jeweils die \"Arschkarte\", dass die linke Flanke als schwächer erachtet wurde, liegt für mich eher an der eingedrehten Haltung und der damit verbundenden Sicht, als dass irgendwie das Schild nicht zentral geschützt hätte.

Ich glaube allerdings auch dass für einen solchen Schildwall die Überkopfhaltung deutlich geeigneter ist, den Unterarmstoß kann ich mir dabei in offeneren Kämpfen auch gut vorstellen.
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: Neidhart am 04. Juli 2013 - 23:57:14
Sehr schöne Diskussion hier, da will man gleich ein paar Hoplliten kaufen.

Zur Diskussion kann ich eigentlich nichts mehr beifügen, allerdings fande ich den History Channel link ganz unterhaltsam (der Speer hat eine Spitze am hinteren Ende um ihn besser in den Boden stecken zu können, alles klar...)
Ich bin der Aufforderung gefolgt und habe mal osthismos gegoogelt. Ganz gut finde ich den Ansatz, der in diesem Blog (http://hollow-lakedaimon.blogspot.de/search?updated-min=2008-01-01T00:00:00-05:00&updated-max=2009-01-01T00:00:00-05:00&max-results=11) vertreten wird. Hier wird vorallem der Schwerpunkt darauf gelegt, dass eine Gruppe von Menschen anders drücken muss als eine Einzelperson. Die meisten kennen ja sicher das Kinderspiel, bei dem einer gegen eine Wand drückt und hinter ihm eine Reihe von Leuten gegen die Schultern drückt. Wenn die Reihe richtig steht, können alle soviel drücken, wie sie wollen, der erste wird nie nachgeben, da die Kraft der Drückenden sich verteilt und nicht auf über den Vordermann hinaus geht, beim ersten kommt also kaum mehr Druck an, schlecht wenn man so jemanden umwerfen will. Leider kann ich nichts zu dem Verfasser sagen, kann auch sein, dass es kompletter Blödsinn ist.

Bei der Speerhaltung würde ich für Überkopf plädieren, an der Hüfte oder jede andere Art aber im Geplänkel möglich, da man hier Platz hat und nicht so stark auf die eigenen Leute angewiesen ist.

Und jetzt muss ich los, 6mm oder 10mm welche Hopliten kaufe ich bloß?
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: Razgor am 05. Juli 2013 - 01:05:30
Was überlappende Schilde angeht, habe ich ein nettes Trainingsvideo gefunden
von einer australischen Gruppe...ab 1:58 kann man das sehen. Das ganze Video
ist aber interessant. Die Befehle sind auf griechisch, aber ob sie so überliefert sind
kann ich nicht beurteilen.

http://www.youtube.com/watch?v=Xb6VV2E5gQk
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: Dareios am 05. Juli 2013 - 05:53:47
Moin,

danke für den Blog Link. Der Blogger ist Insektenkundler und forscht in Sachen Gruppenverhalten. Damit ist er zwar kein Historiker, wie er auch einräumt, er sieht dennoch Potential in seinem Ansatz, menschliches Gruppenverhalten auf antike Kampfweise zu übertragen. Ich finde seine Hypothese interessant und definitv im Bereich des Moeglichen. Schön auch, dass es zwei verschiedene Forschungsmeinungen zu verbinden sucht.

Der Videoclip ist auch interessant, leider jedoch natürlich nur Theorie, da der eigentliche Kampf nicht nachgestellt werden kann. Da ist das auf dem Blog verlinkte Video einer Mittelalterkampfgruppe interessanter. Zumindest was Gruppendruck etc. anbelangt.

Ich kann mir schon vorstellen, dass man sich erstmal langsam angenaehrt hat. Aspides überlappend und Speere erhoben. Es folgt ein Austausch von Speerstoessen und eventuell ein Aufbrechen der engen Schlachtordnung zu Gunsten groesserer Bewegungsfreiheit und dem Einzelkampf. Insbesondere, wenn der eigene Speer unbrauchbar wurde. Automatisch, da man nach und nach zu den Stossdolchen wechselt, oder auf Befehl, wird dann die Schlachtreihe wieder geschlossen und der osthimos beginnt. Hier kein langer Spurt, sondern Ueberbrueckung der wenigen cm zum Feind. Die hinteren Raenge ruecken nach und die gesamte Phalanx steht Bauch an Ruecken und das Druecken beginnt. Der Aspis ermoeglicht den Hopliten zu atmen. Hier gewinnt nun wirklich derjenige, der mehr Druck aufbauen kann. Unterstuetzend kann mit dem Stossdolch oder auch dem Speer ueberkopf der Gegner in Unordnung gebracht werden. Irgendwann gibt eine Seite nach und rennt.
Titel: @Razgor
Beitrag von: Kniva am 05. Juli 2013 - 07:38:51
Zitat
Die Spartaner haben in einer Phalanx traditionell immer die (sichere) rechte Flanke übernommen,
die sogenannte Angriffsflanke. Gegenüber war die \"schwache\" Seite des Gegners.

Nein, falsch: Sie haben deshalb die rechte Flanke übernommen, weil sie die unsichere war. Wie überhaupt die besten und erfahrensten Truppen (auch bei den römischen Manipeln) immer auf der rechten Seite standen.
Der Grund war der:
WEGEN der ungeschützen rechten Seite dreht sich jeder Kämpfer - da hat Mehrunes völlig recht - so, dass seine Schmalseite nach vorne steht. Ich hatte es auch schon erwähnt: Da Du den Schild links trägst, wirst Du die linke (durch Hoplon geschützte) Schulter den Feind zuwenden und die rechte ungeschützte von ihm abwenden. Kurz: Du versuchst, Dich so gut es geht HINTER dem Schild zu verbergen.
Das hat zur Folge, dass Deine Füße nicht parallel zum Feind gerichtet stehen, sonder nach rechts vorne weisen.

Wenn Du in dieser Weise gegen den Feind marschierst, wirst Du - so will es die menschliche Natur - alles tun, um Deine ungesicherte RECHTE Flanke keiner Gefahr auszusetzen. Das hatte zur Folge, dass feindliche Phalangen nicht gerade aufeinander zu marschierten, sondern jede nach rechts abdriftet. Je unerfahrener und unmotivierter die Kämpfer auf der rechten Seite waren, desto stärker war der Rechtsdrall.
Und um genau DAS zu verhindern, stellte man die besten, d. h. erfahrensten und mutigsten - Krieger auf diese Seite, die dem Rechtsdrall entgegensteuern sollten.
Das hatte übrigens auch gesellschaftlichen Widerhall: Der Platz auf dem rechten Flügel einer antiken Schlachtordnung war stets der ehrenvollste, weil gefährlichste.
Das kannst Du nicht nur in den antiken Quellen nachlesen, sondern in jeder wissenschaftlichen Darstellung zum Thema \"antike Kriegführung\".

Diese Form der Schlachtaufstellung hatte dann im Übrigen immer wieder das Gleiche zur Folge, dass nämlich die jeweils besten Truppen auf den rechten Flügeln der beiden sich bekämpfenden Phalangen auf die jeweils schlechtesten Truppen auf den linken Flügeln stießen.
Dein Beispiel von Leuktra (und für Mantineia gilt das Gleiche) ist mir natürlich bekannt.
Doch der Clou des Epaminondas war folgender:
Entgegen der oben beschrieben gängigen Praxis stellte er nun seine besten Truppen auf seinem linken Flügel - dem feindlichen rechten \"Elite-\"Flügel gegenüber. Doch nicht nur das, er verstärkte diesen linken Flügel auch noch durch eine tiefere Aufstellung.
Damit gelang es ihm, die spartanische Elite qualitativ wie auch quantitativ zu erdrücken und die Moral der übrigen gegnerischen Hopliten zu brechen.

Gruß

Kniva
Titel: Nachtrag
Beitrag von: Kniva am 05. Juli 2013 - 08:27:02
Zitat
Linker Arm trägt den Schild, genau.
Der Schild ist so groß, dass er deinen Nebenmann zu deiner Rechten überlappt.
Dadurch ist dein rechter Nebenmann komplett durch dein Schild UND sein Schild gedeckt
und sicher.
Aber du selber bist an deiner linken Körperhälfte nicht komplett gedeckt.


Sorry, aber das KANN doch so gar nicht sein.
Du hast am linken Arm den Schild. Damit ist automatisch diese linke Seite komplett abgedeckt, die rechte nur teilweise.
Wieso sollte mit Schild am linken Arm gerade die Seite nicht gedeckt sein.
Und wie deckst Du mit dem Schild am linken Arm die LINKE Seite des rechten Nebenmannes?

Du trägst einen großen runden Schild links. Der ragt logischerweise an Deiner linken Seite heraus, überlappt also nach LINKS - und genau dahinter verbirgt sich dann dein LINKER Nebenmann mit seiner RECHTEN Seite.

Du kannst doch selbst gar keine ungeschützte linke Seite haben; an der hängt vollständig der Schild.

Gruß

Kniva
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: Garfield667 am 05. Juli 2013 - 09:49:34
Es ist doch eigentlich so... *hüstel* hihi...

Die Haltung des Speeres hängt von der Kampfweise ab - manchmal ist die Überliefert, manchmal nicht - und oft hat sie im Kampfverlauf gewechselt. Wenn der Schildwall aufgerieben wurde, warum sich dann an die \"Regeln\" des Schildwalls halten? Ich finde es also eigentlich müßig hier auf ein richtig oder falsch zu bestehen...

Mir liegt die Kampfweise Speer unten weit mehr. Oben empfinde ich dies als unangenehm. Kämpft man einzeln oder in loser Formation, hat man die freie Wahl. Beides ok.

Sah der Schildwall (oder die frühe Phalanx) wirklich so aus, dass die Schilder alle mittig gehalten wurden, möglichst starr, ist eine Kampfhaltung von unten schlicht unmöglich. Es ist quasi so, als würden die Soldaten ein riesiges Brett vor sich halten, über die gesamte Front. Darunter, Oberschenkel abwärts (bestenfalls) kann man keinen Speer führen. Zerbricht die Formation, gehen wieder beide Haltungen. Ein umgreifen halte ich im Schlachtgetümmel und gerade der Frontreihe für albern.

Geht man davon aus, dass der Schild auch mal bewegt werden durfte, für Angriffe, kurze Ausbrüche oder Finten, kann man natürlich wieder eine niedrige Haltung des Speeres verwenden. Das stelle ich mir aber nicht unter einer Phalanx vor. Obwohl es bei 300 ja schön aussah ;)

Die Hopliten werden ihre Speere also je nach Lage eingesetzt haben - immerhin ging\'s ja ums überleben. Es kann also durchaus sein, dass sie am Anfang der Schlacht \"Parademässig\" von oben gekämpft haben, das würde zu den zig Vasen passen. Wenn dann Sie oder der Feind gebrochen war und der Instinkt die Oberhand einnimmt, von unten. So wie es halt effizienter ist.

Gruß,

Garf
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: Hanno Barka am 05. Juli 2013 - 11:11:56
@Kniva - entschuldige die späte Replik, ich war gestern mit Brutpflege ausgelastet (Sohnemann hat mich in neuem Domizil besucht).
Zu Deinen Ausführungen. Grundsätzlich hast Du natürlich recht, daß man eine künstlerische Darstellung nicht einfach \"as it is\" übernehmen kann (da sind schon etliche Fehlschlüsse gezogen worden :) ) sondern sie im Kontext ihrer zeitgenössischen Darstellungsmethodik (Symbolik, Proportionskanon etc.) sehen muss.
Es ist durchaus auch richtig, daß die griechische bildende Kunst nicht den Auftrag hatte die Realität abzubilden wie Du richtig ausgeführt hast, ist das eine im weltweiten gesamtkunsthistorischen Kontext eher kurze Episode im Europa der Neuzeit. Ebenso muß man immer im Auge behalten, wieweit ein Fund repräsentativ für eine Epoche/ Gegend ist. Ich bin auch immer skeptisch wenn aus dem Fund eines Helmfragments und einer Schwertspitze gleich die Ausrüstung und Taktik einer Armee über 200 Jahre abgeleitet wird :)
Wie komme ich also zu meinen Aussagen betreffs der Vasendarstellungen - nunja ich habe eine ganz gut fundierte Ausbildung in Kunstgeschichte und Darstellungsmethodik, interessiere mich seit Kindesbeinen an für die griechische Kunst und bin mit ihr sagen wir mal vertraut. (ich habe auch jahrelang an der Uni Darstellungsmethodik unterrichtet ;) - im Gegensatz zur landläufigen Meinung besteht ein Kunststudium nicht nur darin, mit einer Paintballpistole Farbkleckse auf eine Leinwand zu schießen und sie dann einem Prof als Kunst zurecht zu interpretieren, sondern umfasst auch eine sehr fundierte theoretische Ausbildung über Geschichte, Darstellungsmethodik, Materialkunde etc.)
Betreffs der griechischen Kunst, ja sie bildet nicht (und soll auch gar nicht) die Natur ab. Ich glaube nicht, daß es einen gesunden Menschen gibt bei dem Stirn und Nase eine gerade Linie bilden :D (Schönheits OPs mal ausgeschlossen). Allerdings war die griechische Kunst (ich spreche jetzt mal vom klassischen Zeitraum - die griechische Kunstgeschichte erstreckt sich immerhin über ein Jahrtausend und hat dabei ähnlich große Entwicklungsschritte gemacht wie die mitteleuropäische vom Mittelalter bis zur Neuzeit ;) ) sehr wohl von der Natur \"inspiriert\". MAn kanbnte die Auswirkungen optischer Täuschungen (die Stufen der Tempel sind z.B. leicht nach oben gewölbt, da bei einer langen Geraden der Effekt des scheinbaren Durchänges auftritt. Man erkannte Grundsätze der Zentralerspektive und experimentierte mit ihr (wenn man auch die genaue Mathematik dahinter nicht erkannte) und lieferte damit den Renaissancekünstlern das fundament für ihre perspektivischen Darstellungen. Und man liebte Geometrie, Symmetrie, Spannung und Entspannung (und Farben - auch wenn das heute nicht so präsent erscheint).
Kurzum ich denke man kann sagen, die Intention der griechischen Kunst war es die Natur wie sie sein sollte wiederzugeben. (ok stimmt für Keramikmalerei wieder nur bedingt, die hat einen eigenen sehr komplexen Proportionskanon) Das resultiert darin, daß manches nicht so sehr der Realität entsprach (die Portraits der griechischen Prominenz sehen ihren Modellen vermutlich nur eher oberflächlich ähnlich, da wurde an den Gesichtsproportionen sehr viel gedreht um sie den griechischen Idealen anzupassen) anderes, das von der idealisierung nicht beeinflusst wurde kommt hingegen der Realität wahrscheinlich sehr nahe.
Zu den Tonbildern selber: Zwar kenne wir vermutlich nicht mal 1% der produzierten griechischen Töpferware, allerdings erstrecken sich unsere Funde über einen sowohl zeitlich als auch geographischen recht großen Zeitraum und weisen dabei (in ihrem zusammengehörigen Konnex) durchgehende Elemente und Inhalte auf, sodaß man eine gewisse Repräsentativität annehmen darf. Natürlich gibt es Ausnahmen (die von Dir erwähnten übergroßen Phalli, die es üblicherweise nur bei Darstellungen im Zusammenhang mit dem Gott Priapus gibt - normalerweise wurden die männlichen Sexualorgane ästhetisch verkleinert, die weiblichen überhaupt weggenommen), wobei ich die Duellszenen zwischen Hektor und Achilles gar nicht als Ausnahme für die Speerhaltung sehe, da es sich dabei um einen Zweikampf und nicht um eine Phalanx handelt. Aber ich bin auch überzeugt, daß es irgendwo Darstellungen einer Phalanx gibt, die den Speer in Hüfthöhe hält - vielleicht muß an sie erst ausgraben, aber bei der Vielfalt der griechischen Kunst gibts davon Bestimmt zumindest ein Exemplar. (Ich habe meine Verallgemeinerung absichtlich so formuliert, daß es Platz für Ausnahmen gibt)  Ich glaube auch nicht, daß die Griechischen Phalangiten nur überkopf gekämpft haben, es gab imo für verschiedene Situationen auch verschiedene Speerhaltungen/ stösse. (Auch die Pikeniere des 30jährigen Krieges lernten 30 verschiedene Handgriffe für ihre Pike - die 30sind jetzt aus dem Gedächtnis, bitte net auf der genauen Zahl rumreiten).
Allerdings denke ich, daß der Speer überkopf sowas wie eine Standardhaltung war, denn er ist in der bildliche Darstellung sehr verbreitet, die Haltung hat - im Gegensatz zu \"Deinem\" nackten Fuß - auch keine bekannte Symbolik (wobei die von Dir erwähnte Interpretation nur eine, wenn auch wahrscheinlich korrekte, Interpretationsmöglichkeit ist - die Symbolik des nackten Fußes in der griechischen Kunst - und nicht nur dort - ist eine sehr komplexe und vielschichtige :D ) und sie entspricht auch keiner geometrischen oder symmetrischen Anforderung, die die Griechen so liebten. Man könnte am ehesten noch mit Körperspannung arguimentieren, aber da halte ich dagegen, daß dafür diese Haltung (überkopf) nicht notwenig ist, man kann ja bei den erwähnten Duellszen zwischen Achilles und Hektor sehen, daß selbige auch in anderer Haltung machbar ist.
Kurzum, da die Überkopfhaltung des Speers keiner (uns bekannten) idealisierungsanforderung entspricht, war sie vermutlich - Realität :) Und die Häufigkeit der Darstellung lässt den Schluss zu, daß es eine zumindest sehr übliche, bzw. Standardhaltung war.
So wers tatsächlich bis hierher geschafft hat: 1. Gratulation zum Durchhaltevermögen und 2.Danke - sie haben einen einfachen Wargamer sehr glücklich gemacht.

So long and thanks for all the fish!

pS: ich bin nach diesem Schreibmarathon nimmmer motiviert Korrektur zu lesen, wer also Recht schreib/ Grammatik oder sonstige Fehler findet darf... Ihr wisst schon :P

Edith: Du hast meine Aussage bez. experimenteller Archäologie falsch verstanden - ich bin eine großer Anhänger von ihr und finde sie sehr wichtig. Es war auch nicht in meiner Intention zu sagen, daß sie den schriftlichen und Bildlichen Quellen nicht das Wasser eichen kann.
Wie Du richtig sagst können wir mithilfe der e.A. des öfteren Dinge ausschliessen, weil sie sich eben als nicht möglich erweisen. Da leistet sie ganz große Dinge. Sie ist auch großartig um zu zeigen, daß Dinge, die \"man doch gar nicht so gemacht haben kann\" durchaus möglich sind und kann dadurch helfen \"traditionelle\" Quellen zu untermauern.
Was ich meinte ist (das passiert halt leider manchmal auch), daß man nur weil man entdeckt, daß man etwas auch anders (meist leichter oder besser) machen kann, damit meint bewiesen zu haben, daß die Realität von der Quelle abwich - Menschen nehmen nicht immer den besseren bzw. leichteren Weg. Sowas passiert auch seltener bei Experimentalarchäologfen mit archäologisch wissenschaftlichem Background, als im Umfeld wo experimentelle Archäologie und Reenactment aufeinander treffen und dann oft von peronen ohne fachlicher Ausbildung postuliert wird - kein vernünftiger Mensch würde es so machen (wie in der Quelle beschrieben), wenn es viel einfacher geht - und das haben wir bewiesen - das ist ein gefährlicher Umkehrschluss, der nicht immer stimmt. (Und bevor jetzt wer losfetzt, nein das ist auch keine Pauschalverurteilung von Reenactoren, es kommt nur manchmal bei ein paar Personen vor.)
Titel: Victrix Athener
Beitrag von: xothian am 05. Juli 2013 - 12:29:15
Zitat
WEGEN der ungeschützen rechten Seite dreht sich jeder Kämpfer - da hat Mehrunes völlig recht - so, dass seine Schmalseite nach vorne steht. Ich hatte es auch schon erwähnt: Da Du den Schild links trägst, wirst Du die linke (durch Hoplon geschützte) Schulter den Feind zuwenden und die rechte ungeschützte von ihm abwenden. Kurz: Du versuchst, Dich so gut es geht HINTER dem Schild zu verbergen.
Das hat zur Folge, dass Deine Füße nicht parallel zum Feind gerichtet stehen, sonder nach rechts vorne weisen.
hmmm ich hab irgendwie ein grosses problem mit dem begriff der \"ungeschuetzten\" rechten seite, das lenkt etwas ab und ich bin nicht der meinung, dass das rechte ende einer phalanx grundsaetzlich die verwundbarere seite war (und so die besten truppen dort abverlangte)

die eingedrehte haltung ist sicher korrekt und unterstuetzt die tragweise und form des schildes, allerdings trage ich in der rechten auch meine waffe, und wie man ja weiss ist offensive die beste verteidigung ;)
als ich noch aktiv gekaempft habe bekam ich mit schild meist treffer auf meine waffenhand/arm, meinen helm, evtl mein vorderes bein und auf meine linke schulter/rueckenseite
besonders durch ermattung und sinkendes schild wird meine linke seite immer verwundbarer

fuer mich stellt die rechte seite eine phalanx die potentiell offensivere seite dar, selbst wenn meine fuesse nicht schraeg rechts ausgerichtet waeren , wuerde ich immer eher nach rechts als links driften, denn warum soll ich mich direkt in die waffe meines gegners hineinbewegen ;)
extremer ist bei zweikaempfen von rechtshaendern dieser CCWspin zu beobachten

die rechte als ehrenseite ist sicherlich auf diese zeit zurueckzufuehren, fuer mich allerdings einerseits dem kulturellen symbolismus der \"rechten waffenhand\" und dem sich teils selbst bewahrheitenden fakt geschuldet, dass es die seite war mit evtl. potentiell mehr aussicht auf \"heroische\" taten  :vinsent:
wie sich dies dann selbststylisisert weiterentwickelt hat mal aussen vor gelassen ;)

meinungen ?
ciao chris