Sweetwater Forum
Epochen => Absolutismus und Revolution => Thema gestartet von: preussischblau am 12. Januar 2016 - 21:33:40
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Moin
Gerade über einen sehr interessanten Aufsatz gestolpert:
Die Lineartaktik im Spiegel zeitgenössischer Ordnungsvorstellungen
An der Uni Potsdam veröffentlicht, von Erberhad Birk, 36 Seiten, für einen wissenschaftlichen Text recht gut zu lesen und sehr informativ. Quelle:
https://publishup.uni-potsdam.de/opus4-ubp/frontdoor/index/index/docId/5986
pdf
https://publishup.uni-potsdam.de/opus4-ubp/files/5986/mgfn16_h1.pdf
Wenn man nach dem Titel bei Gugel sucht, bekommt man auch das PDF mit dem Artikel ohne die anderen Artikle drumherum, geht mit weniger Klicks. Ich mache mich mal an eine zugegebenermaßen knappe und vielleicht provokative Zusammenfassung:
Gründe für die Lineartaktik:
1. Militärische (dem Aufsatz nach nicht unbedingt die wichtigsten Gründe)
- Unpräzise Gewehre
- Notwendigkeit schnellen Ladens --> harter Drill nötig
- Notwendigkeit kurzer Distanz --> eiserne Disziplin nötig
- Verhinderung von Desertion
2. Führungs- und Ordnungsanspruch der Oberen:
- König und Adel sagen, wo es langgeht, es bleibt keine Raum für individuellen Bewegungsraum.
- Absolutistischer Machtanspruch
- Präzision, stoisches Ertragen, sogar Äthetik sind wichtige Kriterien.
- Die Verhinderung von neuen Waffen (präzisere Gewehre, mit denen sich Offiziere und damit Adelige erschießen lassen) ist mittelbare Konsequenz.
3. Kriegsbild des Absolutismus
- Ein stehendes Heer ist ein äußeres und inneres Zeichen der Macht. Das gilt es zu erhalten.
- Der Souverän entscheidet allein über Gerechtigkeit seiner Kriegsgründe: Erbfolge, Ressourcen, Handelswege, etc.
- Krieg ist der \"Sport der Könige\" und gilt, das Spielzeug herzuzeigen (andere Staatoberhäupter, fremde Besucher) und nicht leichtfertig durch eine Schlacht kaputt zu machen.
- Schlachten wurden nach Möglichkeit nicht deshalb vermieden, weil sie nicht entscheidend waren, sondern darum, weil die Gefahr bestand, dass sie es waren.
- Selbst gewonnene Schlachten konnten diplomatsich \"wegdiskutiert\" werden.
4. Der philosophisch-mathematische Aspekt
- Die statische Schlachtaufstellung ist der stabilisierende Gegenentwurf zu humanistischen und freiheitlichen Überlegungen der damaligen Zeit.
- Hof-, Garten- und Festungsbaukunst mit ihrer Ästhetik des Maßes, der Symmetrie, Ornamentik findet sich in den Ordnungen und Strukturen der Schlachtaufstellung wieder.
- Das militärische Schauspiel ist Spiegel der höfischen Inszenierung und Dramaturgie des Theaters.
5. Der kultur- und sozialanthropologische Aspekt
- Dem Tierreich entliehenes Imponiergehabe führt zu demonstrativer Kriegführung. Alles bunt, Grenadiermützen mit Messingschildern, etc.
- Das stampfende Marschieren und die geschlossene Reihe vermitteln dem Einzelnen Stärke und Sicherheit.
- Die Tadellosigkeit der Uniform war das Spiegelbild der Tadellosigkeit der wohlgeordneten Monarchie. Sie schafft eine kollektive Identität.
- Das Gefecht als zeremonieller Akt ähnlich einem religiös-metaphysischen Gottesdienst mit weltlichem Schiedsspruch.
Das ist vielleicht nicht ganz akkurat wiedergegeben, daher empfehle ich Interessierte an der Zeit dringend die Lektüre. Kurzweilig und lehrreich ist es allemal. Und was den ästhetischen Aspekt angeht, da finde ich mich als Freund bunter Schlachtaufstellungn komplett wieder. Weiterpinseln...
Gruß, Stefan
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aufschlußreich...
überträgst Du das jetzt auf jenige, die dem Männchenschubsen in bunten Uniformen und geraden Linien anhängen?
wären die anderen mit den Indianerkriegen und skirmish-Taktiken dann eher .... aufklärerisch/anarchistisch unterwegs? :D :cool:
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Hi
Warum sollte das auf irgendwen übertragen werden? Ist halt ein bisschen Kontext für denjenigen, der sich dafür interessiert. Für mich als Figurenschubser zählt unter anderem die bunte, prachtvolle Darstellung. Ganz subjektiv. Und ich finds ebenso überraschend wie unteressant, dass sowas zu der Zeit im Krieg tatsächlich eine gar nicht so kleine Rolle gespielt hat. Aus der Sicht eines armen, in die Armee gepressten Kantonisten ist das eine ganz schön zynische Betrachtung. Aber das ist eine andere Geschichte. Und ja, die Plänkler und Jäger sind olle Anarchisten, kannst Du doch bei Sharpe nachlesen. 8o
Gruß, Stefan (der auch ein paar Anarchisten anpinseln will, grüne! :P )
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naja, ohne das allzu Ernst zu nehmen, aber die Übertragung
absolutistischer Herrscher - Figurenschubser mit Vorliebe für bunte Uniformen und Lineartaktik
bietet sich doch geradezu an.
nur daß die Figuren wirklich Objekte sind ;)
davon angesehen ist der Artikel recht aufschlußreich - aber nicht wirklich überraschend
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Da bin ich aber froh, dass ich mich vor kurzem auf die Seite der aufgeklärten Kolonne geschlagen habe und die absolutistische Linie anderen überließ. :D
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Spielen die Berliner deshalb so gerne Skirmish, weil se alle kleine Anarchos sind ?
;) :D
Spaß beiseite...sehr interessante Thesen. Das PDF muss ich mir genauer anschauen.
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Das klingt ja zunächst mal ganz interessant.
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Sehr interessant!
Danke für den Link. Auch die anderen Artikel der Zeitschrift finde ich lesenswert!
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Jedem sein eigenes historisches Wargaming
die Bandbreite reicht einerseits vom Minimalismus, daß nur die Aspekte der Recherche relevant sind, die sich auf dem Tabletop \"verwursten lassen\" - oft ist das nur die Uniform und die optische Wirkung des Schlachtfeldes - bis andererseits zum rollenspielartigen Einbeziehen von Taktiken, Biographien und gesellschaftlicher Aspekte der gespielten Epoche.
Ich bin dankbar für das letztere \"Extrem\", es bereichert und instruiert das Hobby, und meistens führt es zu besseren Regelwerken...
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...mal ein verwegener Blick über den Rand der Suppenschüssel. Auch in Japan hat die Einführung von Feuerwaffen Unordnung ins Kriegswesen gebracht. Diesmal waren die Japaner aber etwas Früher dran...
...trotzdem wage ich zu bezweifeln, ob diese Erkenntnis uns Wargamern wirklich etwas bringt ?( ;( :D
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Leute, das ist unser \'Fluff\'. Das macht die Sache doch erst interessant, Fantasyspieler schwoeren auf das bauen von phantastischen Universen, wir haben dafuer solch interessante Artikel.
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Danke für den Hinweis, auch wenn ich die Ansichten des Autors nicht so besonders teile. Aber das Zitat am Anfang ist sehr aussagekräftig und erklärt schon recht gut die teilw. enormen Unterschieden bei den Verlusten zweier Seiten. Auf einem idealen Schlachtfeld haben disziplinierte Truppen einen noch größeren Vorteil. Toll, wenn solche \"Entdeckungen\" geteilt werden, Preußischblau. :thumbsup:
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Vielen Dank für den umfangreichen Aufsatz. Ist doch recht interessant. Ich glaube persönlich ebenfalls nicht, das man als Wargamer nun wirklich viel für sein Hobby aus dem Schrieb gewinnt. Hintergründe sind aber Teil vom historischen Gaming und ein wenig Interesse am \"Fluff\" gehört wohl dazu. Finde ich.
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Die Gründe 1,2,3 und 5 sind bestimmt meistenteils lesenswert und interessant, weil das tief blicken läßt. Mit Punkt 4 kann ich gar nix anfangen. Unwissenschaftlich ausgedrückt, wirkt das ganz schön schräg auf mich und verspüre keine Lust solche Inhalte durchzukauen.
Hallo preussischblau,
probiers mal mit Black Powder und einigen Hausregeln inkl. denen der Border Reivers Wargames Society. Das ist Fine Tuning!
Gruß
Bernd
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Also vielen Dank für den Artikel! Ich habe das PDF noch nicht fertig gelesen aber ich finde den Hintergrund sehr interessant. Optisch finde ich die Linienaufstellung imm Tabletop immer sehr schön. Habe mich aber immer gefragt, warum man das so lange durchgezogen hat, statt besser Deckung zu suchen.
Ich sehe das wie Flotter_Otto: Teile von Punkt 4 halte ich von sehr sehr weit hergeholt. Aber ich habe, das PDF bis dahin noch nicht gelesen. Möglicherweise stehen da ja schlüssige Begründungen drin. Ich habe allerdings noch nie in einer geschichtlichen Abhandlung gehört, dass sich Militärtechnik von Hof- und Gartenbautechnik beeinflussen ließ :) Wäre mal was Neues.
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Ich habe allerdings noch nie in einer geschichtlichen Abhandlung gehört, dass sich Militärtechnik von Hof- und Gartenbautechnik beeinflussen ließ :) Wäre mal was Neues.
Ich denke, das Aurgument ist nicht, dass das Militär vom Gartenbau beeinflusst war. Sondern dass die Zeit des Absolutismus/Barock von statischen, geometrischen Ordnungsvorstellungen geprägt war, die sich sowohl im Gartenbau, im Tanz, der Körperhaltung als eben auch den militärischen Formationen niedergeschlagen haben.
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Ein bisschen seltsam finde ich den Mix aus Englisch und Deutsch, wenn z.B. ein deutscher Zeitgenosse auf Englisch zitiert wird und kurz hintereinander im selben Beispiel die Bezeichnungen Yard und Schritt auftauchen. Da kommt der Verdacht auf, dass zum Korrekturlesen keine Zeit war. Ein preußischer Schritt ist natürlich kein Yard.
Bei vielem klingt es mir arg spekulativ und als würden die zeitgenössischen Aussagen, die der Autor anzuführen weiß, etwas arg strapaziert. Natürlich fand man es auch ästhetisch schön, wenn eine ideale Aufstellung, also kein unförmiges Gedränge klappte. Aber dass man wegen dem Anblick der Lineartaktik den Vorzug gegeben hätte, klingt absurd, zumal so unschöne Knicke in der Linie, wo das Gelände es diktierte auch in Kauf genommen wurden. Glaubhafter fände ich es, wenn man Beispiel gewusst hätte, wo man zu Gunsten der Ästhetik tatsächlich auf einen Vorteil wie die Besetzung einer Bergkuppe oder die Vorziehung eines Flügels an einen Bach verzichtet hätte.
Freilich bot bei Mollwitz die preußische Infanterie, offenbar des Autors Lieblingsbeispiel, einen schönen Anblick, weil sich diese recht gut entfalten konnte.
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Die Theorie über die Spiegelung von Absolutismus und Kultur auf dem Schlachtfeld ist, zumindest was den Grundsatz belangt, schon älter. Aber ich habe den Eindruck, dass das Prinzip im fraglichen Aufsatz zu Tode geritten wird.
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Ich denke auch, wie zuvor schon gesagt, das da was schon \"zu Tode geritten\" bzw. arg weit hergeholt ist.
Die militärischen Formationen jener Zeit entsprangen der damaligen Waffentechnik und wie man die mit diesen Waffen ausgerüsteten Truppen optimal einsetzen konnte. Hinzu kam noch, daß man die großenteils nicht freiwillig dienenden Mannschaften besser unter Kontrolle hatte (vor den napoleonischen Kriegen), bei der Art und Weise wie damals gekämpft wurde. In der napoleonischen Zeit boten die Formationen (z.B. Kolonnen) eine bessere Kontrolle und Manövrierbarkeit auf dem Schlachtfeld.
Da spielten andere Erwägungen wohl keine oder nur eine untergeordnete Rolle.
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Es ist immer wieder spannend sich einem Thema philosophisch aus verschiedenen Richtungen zu nähern, das mache ich auch immer wieder gerne. Mir scheint jedoch nach der Zusammenfassung das Thema doch etwas überinterpretiert zu werden. Sicher war da viel bunt und geometrisch (zumindest in der Theorie), ABER: letztlich hatte das alles doch nur brutale Effizienz zum Ziel - eben unter den der Zeit angemessenen Bedingungen. Linienformationen sind höchst verlustanfällig gegen Kartätschfeuer. Möglicherweise spielte das aber im 18. Jh. noch weniger eine Rolle, solange man nur Bleikartätschkugeln verwendete. Mit der Umstellung auf Eisen steigerte sich da auch die Wirkung.
Dem Argument mit der Ablehnung gezogener Gewehre kann ich nicht folgen. Wir haben es nicht mehr mit ritterlichen Kämpfern zu tun, die nur im Kampf Mann gegen Mann die Ehre suchen. Tatsache ist, dass sich in absolutischen Heeren letztlich mehr gezogene Waffen fanden als nach den Revolutionskriegen. Warum rüsteten den manche Armeen, z.B. die französische, unterm Königtum ihre Infanterieoffiziere mit Musketen aus, wenn der Feuerwaffeneinsatz kein Kampf der Gentlemen war?
Irgendwelche sozialen, politischen und ästhetischen Aspekte scheinen mir eher vernachlässigbar zu sein. Angesichts der zur Verfügung stehenden Waffen ergab sich die Nutzung solcher Formationen zwangsläufig. Man darf nicht vergessen, dass der Wandel hin zu einer gemischteren Taktik eben nicht auf soziale Veränderungen zurückzuführen war, ganz gewiss auch nicht auf veränderte Waffentechnik, sondern aus dem Unvermögen der vielen Rekruten der diversen Revolutionen geboren wurde. Der Bürgersoldat desertierte schließlich auch in Scharen, vielleicht sogar noch häufiger als der Söldner. Er war nur billiger zu ersetzen.
Grüße
Gunter
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Super spannendes Thema.
Sicher war da viel bunt und geometrisch (zumindest in der Theorie), ABER: letztlich hatte das alles doch nur brutale Effizienz zum Ziel - eben unter den der Zeit angemessenen Bedingungen.
Das ist halt die zentrale Frage. Selbstverständlich entscheidet letztlich die \"brutale Effizienz\". Aber solange die noch nicht greift ODER wenn sie nicht greifen muss, weil alle Kampfparteien sich bestimmte Beschränkungen auferlegen, bleiben eben kulturelle Beschränkungen in Wirkung. Jena 1806, Frankreich 1940 sind ja nur erklärbar, weil eine Seite aus sozialen und kulturellen Gründen der Meinung war, ihre Kampfweise sei die richtige.
Das schon erwähnte Japan ist doch auch ein gutes Beispiel: Solange man die Europäer draußen lassen konnte (also bis 1850), konnte man im quasi gemeinsamen Einverständnis an Kampfweisen festhalten, die eigentlich nicht so effizient waren, wie es möglich gewesen wäre.
John Keegan, die Kultur des Krieges, vertritt letztlich eine ähnliche Anschauung.
Keegan (http://www.amazon.de/Die-Kultur-Krieges-John-Keegan/dp/3499602482)
Ich fand auch sehr anregend: Nicolson, Adam (2005). Men of Honour: Trafalgar and the Making of the English Hero. Der macht deutlich, dass für den Sieg bei Trafalgar weder Waffentechnik noch Ausbildungsstand entescheidend waren, sondern die grundsätzlich andere Mentalität der britischen Führung, die ganz bürgerlich auf Erfolg getrimmt war, während für die Franzosen (Marine noch als Rückszugsgebiet des Adels) entscheidender war, einen heldenhaften Kampf gekämpft zu haben.
Man darf nicht vergessen, dass der Wandel hin zu einer gemischteren Taktik eben nicht auf soziale Veränderungen zurückzuführen war, ganz gewiss auch nicht auf veränderte Waffentechnik, sondern aus dem Unvermögen der vielen Rekruten der diversen Revolutionen geboren wurde.
Also eine \"sozialere Veränderung\" als die Einführung der Wehrpflicht gibt es doch nicht. Dein Beispiel bestätigt doch die These und widerlegt sie nicht.
Zum 18. Jahrhundert habe ich nicht so viel Ahnung. Wie weit also tatsächlich hier kulturelle Argumente greifen, kann ich schwer beurteilen. Aber zumindest die Entscheidung vieler Fürsten ihr Geld nicht für Soldaten, sondern für Schlösserbau, Theater und Kunst auszugeben, hatte klar soziale und kulturelle Gründe.
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Nur weil eine bestimmte Kriegstechnik zur Verfügung steht bedeutet das noch lange nicht das sie kurz- oder mittelfristig auch optimal eingesetzt wird. Ich denke das die Alliierten 1940 durchaus der Meinung waren ihre Kampfweise sei militärisch betrachtet die richtige oder zumindest nicht gravierend falsch. Genau so dürfte es 1805 oder 1806 gewesen sein.
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Keegan greift die Thematik der ritualisierten Kriegführung auf. Ich bin jedoch der Meinung, dass diese im europäischen Kontext längst keine Rolle mehr gespielt hat, denn gerade das brutal-effiziente Vorgehen der Europäer sicherte ihnen den Erfolg in den Kolonialkriegen. Bei den Römern war das nicht anders. Sicher ist es auch effizient, wenn man das gleiche Ergebnis durch eine reine Demonstration erreichen kann. Die Drohung mit massiver Gewalt muss auch dann immer glaubhaft sein, sonst verliert sie ihren Sinn.
Auch in Japan waren die Mächte erfolgreich, die sich nicht gegen alle neuartigen Techniken stemmten, wie z.B. Feuerwaffen. Der Erfolg der Zulus in Afrika beruhte auch nicht zuletzt auf deren Abkehr von ritualisierten und gemäßigten Kriegsformen.
Was 1806 betrifft, so bin ich der Meinung, dass einer der Gründe für die preußische Niederlage in ihrer erst kürzlich eingeführten Divisionsstruktur nach in Frankreich bereits veraltetem Vorbild zu suchen ist. Ähnliches gilt auch für die österreichische Armee von 1805 mit ihren Mackschen Reformen. Im Angesichts des Krieges sollte man eben keine grundlegenden Reformen in einer ansonsten funktionierenden Armee vornehmen, denn ein paar Jahre Zeit braucht man dafür in jedem Fall.
Das mit der Wehrpflicht sehe ich nicht so. Es gab doch bereits in absolutistischer Zeit eine Art Wehrpflicht. Was anderes als Wehrpflichtige waren denn Friedrichs Kantonisten? Von einer allgemeinen Wehrpflicht konnte freilich keine Rede sein, nur gibt es sowas konsequent betrachtet praktisch nie udn nirgends. Im Russland der Zaren wurden die Soldaten auch aus den Leibeigenen zwangsverpflichtet - und trotzdem funktionierte diese Armee auf dem Schlachtfeld des 18. Jh. nicht anders als die ggf. mehrheitlich aus Angeworbenen bestehenden Truppen anderer Mächte. Wo ist da also die Grenze zu ziehen? Der Unterschied liegt meiner Meinung nach keineswegs in der Frage der Rekrutierung, ob das nun Freiwillige, Söldner, Kantonisten oder Wehrpflichtige sind, sondern darin wie gut die Truppen ausgebildet sind. Das französische Revolutionsheer war in weiten Teilen genauso wenig professionell wie die Freiwilligen des ACWs und in beiden Fällen brachte das eben seine Defizite mit sich. Profitruppen zu formen und zu unterhalten ist eben teuer, weshalb ein Herrscher oder eine Regierung sie ungern verschwendet. Stehen stattdessen viele billige Wehrpflichtige oder Freiwillige zu Verfügung, dann fallen auch die Hemmungen die Leute zu opfern. Im Grunde ist das reine Ökonomie. Im 18. Jh. wurden eben die teuren Berufssoldaten geschont, später die billige Menschenmasse geradezu verschwendet, im Extrem bei der \"menschlichen Welle\" der Chinesen im Koreakrieg u.a.
Fürsten des 18. Jh. gaben alle in Geld für ihre Armee UND für Kunst und Kultur aus. Beides waren gleichermaßen Quellen des Prestiges, wenngleich die Armee natürlich zugleich den Nutzen unmittelbarer Machtentfaltung hatte. Das beste Beispiel dafür ist August der Starke. Er hat eben nicht nur lauter Schlösser und Gärten bauen lassen, sowie Kunst (und Frauen) gesammelt, nein, zumindest zum Ende seiner Regierungszeit gelang es ihm auch eine respektable Armee zu unterhalten. Das die Orientierung in Preußen einseitiger verlief, lag nicht zuletzt an der religiösen Ausrichtung des Herrscherhauses und der relativen Armut des Landes, die eben keine gleichzeitige aufwendige Hofhaltung und ein stehendes Heer ohne existenzbedrohende Schulden zu machen erlaubte.
Grüße
Gunter
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Hallo Gunter,
Ein interessantes Detail, das Schonen der professionellen Soldaten: Wenn ichs recht verstanden habe, dann waren zu der Zeit pro Aufstellung zwei Treffen, will heißen Schlachtreihen vorgesehen, die zweite 50-150 Meter hinter der ersten. Im zweiten Treffen standen aber die \"kürzeren\" Füsiliere, die erstens nicht so viel hermachten wie die großen Grenadiere (noch dazu mit Genadiersmütze) und zweitens auch weniger genau schießen konnten, da sie kürzere Musketen hatten.
Da scheint es einen Widerspruch zu geben, oder vielleicht doch nicht? Die schmucke große erste Reihe ist furchteinflößender, was einige der Theorien bestätigen würde. Andererseits ist sie auch besonders im Feuer und mehr gefährdet, was Ausfälle angeht. Jedoch bringt größere Reichweite und/oder Treffgenauigkeit militärische Vorteile.
Da scheinen sich die Gründe für die Aufstellungspraxis zu vermischen, wie es auch sonst glaube ich keinen alleinigen Grund für eine bestimmte Praxis in der Schlachtaufstellung gab, sondern eine Entscheidung aus der Summe vieler Faktoren getroffen wurde. Und ich glaube je nach Schlachtenlenker ist die durch den Zeitgeist beeinflusste Geisteshaltung schon ein Faktor. Wenn ich so an die poetischen Betrachtungen der Offiziere angesichts der exerzierenden Soldaten denke...
Mal ein Gedankenexperiment dazu (das man vielleicht auch mal durchspielen könnte): Was wäre, wenn einer klassischen Linieninfanterie nur die leichten Jäger in loser Aufstellung gegenüberstünden? Wenn also einige der Paradigmen der Zeit aufgegeben würden, vielleicht durch einen Offizier aus einem anderen Kulturkreis? Natürlich vorausgesetzt, die Frage der Disziplin und Loyalität stellte sich nicht. Wenn also ein größerer Verband Jäger mit ihren weit reichenden Waffen ausser Reichweite der Linieninfantrie blieben, könnten sie diese geradezu bequem dezimieren und demoralisieren, bei minimalen eigenen Verlusten. Sie brauchen nur genug Rückzugsraum, um einem eventuellen Sturmangriff ausweichen zu können. Und sie müssten von Kavallerie gedeckt werden, denn ein gegenerischer Kavallerieangriff wäre das Ende der Jäger.
Das wäre zwar keine Guerillataktik (die war da eh noch nicht erfunden), weil es sich schon um eine \"offizielle\" Schlachtaufstellung handelt, hätte aber Elemente davon, denn es gäbe keine definierte Schlachtreihe als Gegner, sondern einen \"weichen\", und zurückweichenden Gegener, der aber nichtsdestotrotz schwere Verluste anrichten kann. Wie sowas wohl ausgehen würde? Ob eine solche Schlacht überhaupt per Definitionem der damaligen Zeit als gewonnen bezeichnet werden könnte, selbst wenn die Taktik von Erfolg gekrönt wäre? Was würde passieren?
Gruß, Stefan
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Das ist ja der Punkt: Diese Jäger würden von der Kavallerie niedergeritten. Wenn du sie im engen Verbund mit Linieninfanterie als \"sicheren Hafen\" einsetzt bist du bei den napoleonischen Taktiken.
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Dabei wurden ja durchaus Jäger aus Wäldchen und im Schutz von Gebäuden eingesetzt.
Beim Reichsheer mussten Kontingente ja erst ersetzt werden, wenn sie vollkommen aufgerieben waren. Solche Rest-Bataillone konnten oft auch nur in solcher Deckung eingesetzt werden. Wie das Beispiel des Rests des Paderborner Bataillons bei Saalfeld zeigt, war allerdings nicht ausgemacht, dass dies gegen Kavallerie, Husaren in dem Fall, erfolgreich war. Noch über 200 Mann sollten ein Waldstück verteidigen. Am Ende nahmen die Husaren die restlichen 40-50 gefangen. Natürlich handelte es sich bei den Paderbornern um Soldaten ohne jede Ausbildung und mit zweifelhafter Bewaffnung.
Dies zeigt auch ein anderes Problem der absolutistischen Kriegsführung: Im Gegensatz zum theoretischen Anspruch, hing vieles von Althergebrachtem, wie z.B. der Reichsmatrikel ab. Selbst wenn der Fürstbischof von Paderborn gewollt hätte, die Landstände genehmigten ihm nicht mehr Militär. Der Ersatz für das gefangene Bataillon musste mangels Geld sogar ohne Decken ins Feld ziehen.
Und selbst Friedrich der Große konnte seine Bataillone nicht aufstellen wie er wollte, er musste die Anciennität beachten und sie nach Rang in der vorgesehenen Reihenfolge aufstellen. Da die gegnerischen Offiziere bei seinem Umgehungsmarsch bei Roßberg keine Anzeichen hierzu erkannten, und es auch nicht für möglich hielten, rechneten sie nicht mit einem Angriff. Wie gesagt, da spielten noch andere Faktoren eine Rolle, aber man hatte die ordentlich rangierte Feldschlacht im Kopf, was der Preußenkönig ausnutzte. Und somit wäre das ein Beispiel, wie soziale und ideologische Faktoren zu einer großen Niederlage, oder auch großem Sieg führten.
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mir fällt auf wie hier zum Teil mit Effizienz argumentiert wird, wo doch ein wichtiger Aspekt das Papers ist daß die kostspieligen Armeen eben nicht eingesetzt werden sollten, oder eben nur im Notfall, es also mehr darum ging die andere Partei zu beeindrucken.
Das ist doch schon sehr eine subjektive Perspektive der Wargamer Szene, die aus der mittlerweile jahrzehntelangen tradition der kompetitiven Turniere (und Regelwerke) die Effizienz der Armeeauswahl als wichtigstes Alleinstellungsmerkmal verfolgt, interessanterweise teilweise entgegen den Versuchen der \"offiziellen\" Veranstalter, die durchaus auch die Tendenz hatten, die bestbemalte Armee bei einem Turnier zu belohnen. Das ging früher sogar so weit, daß Leute mit halbbemalten Armen gespielt haben (ich erinnere mich auch an halb zusammengebaute Fahrzeuge) weil eben die Ästhetik des Hobbys irrelevant war - dafür wurden dan Turnierregeln eingeführt daß Armeen bemalt sein mußten.
Eine sinnvolle Argumentation in diesem Fall wäre zu untersuchen wie sich absolutistische Armeen in Rahmenbedingungen geändert haben, die jenseits der üblichen Konventionen waren, zB FIW. Mir fällt immer wieder auf wie stark die meisten historischen Wargamer in der Beurteilung ihrer Epoche von den Spielen beeinflußt werden die sie in ihrer Biographie gespielt haben. Und wie häufig die Spielrealität des jeweiligen Spiels nichts mit der Realität der tatsächlichen Konflikts zu tun hat jedoch trotzdem darauf übertragen wird. Wo doch der Weg genau andersherum sein sollte.... (das gerade aktuelle Beispiel für mich ist Bolt Action, weil ich gerade in der Thematik drin bin, ist mir aber auch schon bei Black Powder aufgefallen)
Ich schließe mich übrigens mit ein, trotz geschichtswissenschaftlichen Hintergrunds :P
Nachtrag: der interessante Aspekt für mich an dieser Diskussion (und an der historischen Rezeption der Vergangenheit, der Unterschied ist gar nicht so groß) ist übrigens wie sich anerzogene Diskurse auf diese Wargamer-Rezeption auswirken. Denn häufig wissen wir nochnichtmals wirklich, was die überhaupt anhatten, die Quellenlage ist doch oft zweite bis X-te hand, man schaue sich nur die Rezeption des zweiten Weltkriegs an und wie sie sich im Laufe der letzten 50 Jahre gewandelt hat, unetr dem Einfluß der Unterhaltungsindustrie...
wollt ich nur mal sagen....
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In dem Zusammenhang kann es ganz heilsam sein, sich mit dem Strategiestreit zu beschäftigen, ob nun der alte Fritz ein Vertreter der Ermattungs- oder der Vernichtungsstrategie war.
Das Problem, erfahrene Soldaten bei mehreren Schlachten im Jahr mit 20-30% Verlusten vorhalten zu müssen, war durchaus bewusst. Man denke bloß an die Probleme Friedrichs nach Kunersdorf die Verluste bei den Offizieren aufzufüllen.
Was die Probleme der Uniformierung angeht, ist das Beispiel Paderborn ganz interessant. Nach dem Tode des Soldatenkönigs wurden in Preußen die Kurzgewehre ausgetauscht. Sie wurden von Paderborn und Münster aufgekauft. In Paderborn wurden sie nicht nur an die 2 stehenden Kompanien (Musketiere in Pb, Grenadiere in Neuhaus) ausgegeben und für die Truppen nach Reichsmatrikel vorgehalten, sondern auch an den Landesausschuss (eine Art Miliz, die im 18. Jh. aber nur als Ordner für das Liborifest diente) und an Schützenbruderschaften ausgegeben. Da waren sie teilweise bis zum 2. Weltkrieg in Gebrauch. Aber niemand kann sagen, wo nun Hellebarden, wo Partisanen, wo anderes genutzt wurde. Ebenso weiß man nicht, was für Grenadiermützen für die Grenadierkompanie in Neuhaus bei Preußens gekauft wurden. Es ist nur überliefert, dass das der \'Friedrich Wilhelm\' trotz Umarbeitung noch zum Ende des Reiches hin erkennbar war.
Zur eigentlichen Uniformierungen gibt es ein paar Rechnungen über Stoff, die aber bis auf die Farbe wenig aussagen. Dann existieren 3, wenn man will 4 Abbildungen:
Paderborner Grenadier aus der Gudenus-Handschrift (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/5d/Paderbornischer_Soldat_Gudenushandschrift_1734_Karlsruhe.jpg) (Entstanden 1734 im Lager von Heilbronn.)
Aquarell des Paderborner Marktplatzes (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/51/Paderbornisches_Infanterieregiment_1755_auf_Marktplatz_Paderborn_1100x982.jpg) von Gleseker (1755, Stadtmuseum Paderborn)
Gemälde des Marktplatzes von Gleseker (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/2d/Gleseker_Paderbornischer_Musketier_ca_1750.png) nach dem Aquarell (ca. 1755, Historisches Museum im Marstall, Schloss Neuhaus)
Satire zum Paderborner Kaffeelärm (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d8/Kaffeekrieg_in_Paderborn_1777_Fliegende_Bl%C3%A4tter_1878.png) 1781 (Die Zeichnung stammt allerdings erst aus den Fliegenden Blättern, 1878 )
Auf 2 oder 3 weiteren Abbildungen aus der Zeit des 7jährigen Krieges kann man nicht mal entscheiden, ob Paderborner oder Preußische Soldaten zu sehen sind.
Dabei gibt es also die Darstellung eines Grenadiers von 1734, auf dem Gemälde von 1755 ein Offizier, und auf dem Aquarell von 1755 sind mehrere Soldaten zu sehen. Gemälde und Aquarell könnten für den 7jährigen Krieg herangezogen werden, werfen aber mehr Fragen auf, als dass sie Antworten liefern. Die Buchführung bestätigt lediglich die dargestellten Farben.
Dann gab es noch zeitweise einen Zug Dragoner, die zu Polizeizwecken eingesetzt wurden. Wer sich in der Zeit auskennt, kann nachvollziehen, dass der Hinweis auf weiße Uniformen nicht viel besagt.
Und was man militärisch zu dem Bataillon, meist hochtrabend als Regiment bezeichnet, geht zum größten Teil auf einen Bericht des Majors von Kleist zurück. Kommandeur und Oberstleutnant hatten sich recht schnell nach Paderborn abgesetzt. Der Bericht entstand, weil sich der Major rechtfertigen sollte, wieso die Ausrüstung verloren ging. Im Vorpost schrieb ich aus der Erinnerung, daher mag die Schilderung abweichen, aber für die von Jean-Armand angesprochenen Problem, wie wenig wir mitunter wissen, ist es interessant. Bericht des Majors von Kleist (Im Text wird er Oberst genannt, dass ist für den infragekommenden Zeitpunkt aber nicht korrekt.), präsentiert von Georg Joseph Rosenkranz in der Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde, (https://de.wikisource.org/wiki/Das_Paderbornsche_Bataillon_im_siebenj%C3%A4hrigen_Kriege) 1849. Hier sieht man auch, dass es nicht nur rangierte Schlachten gab, sondern auch andere Formen des Kampfes.
Es gibt natürlich noch Quellen zur Sozialgeschichte, wie rekrutiert wurde z.B. und dass sich der Bischof eine Militärkapelle leistete, die gleichzeitig am Hof spielen sollte, und das ausschließliche Privileg hatte im Hochstift zu musizieren , aber für den Wargamer ist das kaum interessant. Wer weiteres wissen will, sei auf die Literatur im Wikipedia-Artikel (https://de.wikipedia.org/wiki/Paderbornisches_Infanterieregiment) verwiesen. Insbesondere Mürmann ist dabei interessant.
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Effizienz ist doch auch in Bezug auf die optische Wirkung auf den Gegner relevant. Wenn wir hier schon die friderizianischen Füsiliere hernehmen, dann sind die doch ein sehr gutes Beispiel dafür. Die kleineren Soldaten mit kürzeren Musketen ins 2. Treffen zu stellen war doch nur eine Übertragung der Gliederstruktur auf eine höhere taktische Ebene. In einer Linienformation standen doch auch immer die größten Leute vorn, die zweitgrößten hinten und die kleinsten in der Mitte. Bei den Füsilierregimentern kam noch ihre Füsiliermütze dazu. Damit sollten nämlich dem Gegner suggeriert werden, dass wären Grenadiere. Nur aus der Nähe war der Unterschied wirklich gut zu erkennen. Schlechter gekämpft haben die Füsiliere auch nicht. Es wurde somit also eine den Konventionen entsprechende größere Effizienz vorgespiegelt, ein Teil der Armee in den Augen des Gegners nicht degradiert sondern aufgewertet. Sobald das 2. Treffen irgendwo zum Einsatz kam, spielte die Länge der Musketen wohl kaum eine Rolle mehr, denn da war man sowieso schon sehr nahe dran am Gegner, so dass der schon mitbekam, dass die Kleinen kämpfen konnten.
Den ökonomischen Aspekt der Kriegsführung kann man gerade in den napoleonischen Kriegen sehr gut sehen. Da wurden gerade in Frankreich und Russland die elitär aus Gedienten ausgewählten wertvollen Alten Garden aufgespart wo es nur ging, häufig zu Lasten der Linientruppen.
Eine schönes Beispiel für die Situation Plänkler in Deckung vs. Linienformation ist die Schlacht bei Auerstedt 1806. Da marschierten die Preußen in Linie auf und begannen ihr Feuer. Taktisch zweckmäßig wäre aber ein direkter Bajonettangriff gewesen. Hier ist man sogar von der friderizianischen Praxis abgewichen. Ich schätze, dass wir uns in diesem Zusammenhang ein etwas irreführendes Bild von den friderizianischen Grenadieren machen. Das war schon eine Art Allroundelitetruppe, nicht nur für schwierige Einsätze an vorderster Front, Sturmangriffe, Erstürmen von Schanzen, Häuserkampf etc., sondern auch auf Vorposten und als Plänkler. Ausgewählt wurden wohl nicht nur einfach die größten Leute, sondern es wurde auf umfassende Qualitäten als Soldat geachtet. Geführt wurden sie nicht selten von königlichen Flügeladjutanten. Später war das natürlich anders, wo die Inflation der Elitekompanien das Konzept der Elitetruppe stark verwässerte.
Zu Turniermechanismen kann ich nichts sagen, ich bin Historiker, mein Einstieg ins Figurenhobby erfolgte nicht übers Spielen und etliche Regeln finde ich vor den historischen Hintergrund schon recht fragwürdig, weshalb ich Hausregeln so gerne mag.
Grüße
Gunter
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Ich sag\' es ungern, aber die Preußischen Grenadiere waren, trotzdem die \'langen Kerls\' Grenadiere waren, nicht die größten, sondern die kleinsten Soldaten des Regiments. (Olaf Groehler, Das Heerwesen in Brandenburg und Preußen von 1640 bis 1806, Das Heerwesen, Berlin 2001, S.75.) Das kam daher, dass sie ja ursprünglich Granaten werfen und andere Sonderaufgaben versehen sollten. Da wäre es eine Verschwendung gewesen, die größten Soldaten aus der Feuerlinie zu nehmen.
Unter Friedrich dem Großen wurden sie wohl nach Einführung gesonderter Grenadierkompanien aus allen Größen genommen, aber Erfahrung und Eignung sollte bei ihnen vor der Größe berücksichtigt werden. Bei dem Bataillon Grenadiergarde mögen auch unter ihm andere Zustände geherrscht haben.
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Große Soldaten waren sicherlich auch nützlich um die Granaten weiter werfen zu können, nur spielte das unter Friedrich keine Rolle mehr. Wir haben es bei dieser Körpergrößenfrage der Flügelgrenadiere und der Garde mit zwei parallel durchgeführten Formen der Elitenauslese zu tun. Das Leibgardebataillon dürfte sicherlich noch immer aus ausgesucht großen Leuten bestanden haben, ähnlich, nur etwas weniger strikt auch die anderen Gardebataillone. Die Garde erhielt ihren Ersatz über die \"Unrangierten\" der Garde, bei denen Gediente aus der Linie gesammelt wurden - so eine Art Depottruppe. Die normalen Grenadierbataillone erhielten ihren Ersatz direkt aus ihrem Stammbataillon. Im Endeffekt war die Situation im 7YW dann so, dass bei etlichen Regimentern irgendwann nur noch die Grenadiere kampffähig waren, das Leibgardebataillon war nach Kolin de facto Garnisonstruppe und nur seine Flügelgrenadierkompanie diente als Hauptquartierwache. Die übrige Garde stand im Feld.
Verglichen mit späteren Zeiten und anderen Armeen war die preußische Elitentruppenbildung noch ziemlich simpel.
Grüße
Gunter
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Nur, dass die Quellen, also die Vorschriften für die Infantrie, ich meine zu 1713/1717, sagen, dass die Kleinsten für die Flügelgrenadiere genommen worden sind, was nach Bildung der Grenadierkompanien unter Friedrich dem Großen in gewisser Weise relativiert wurde.
Die Grenadier sollten nach dem genannten Reglement 1713/1717 aus dem 3. Glied genommen werden. Die Reglements 1735/1743, evt. auch 1726 werde ich bei Gelegenheit nachsehen. Warum um etwas streiten, was man nachschlagen kann?
Gab es nicht eine Webseite mit den ganzen Quellen zum Friderizianischen Militär?
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Hallo Davout,
Hausregeln :thumbsup:
So gehts mir auch mit einigen fragwürdigen Regelmechanismen. Dabei gehts mir auch nur um eine historische Annäherung, die auf eine leichte Weise ins Spiel integriert werden sollen. Bedeutsame Sachen komplett zu ignorieren, während andere Dinge aufgegriffen werden, leuchtet mir nicht ein. Und Todschlagargumente, wie Spielregelerstarrung oder zu viele Mechanismen im Spiel, ist sowieso Unsinn. Manches wird geradliniger, Spielspasstöter eliminiert oder historisch etwas korrekter gehändelt. Ansonsten habe ich auch mal Mut zur Lücke. Jetzt bin ich off topic.
Gruß
Bernd
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@Riothamus :thumbup:
@Davout :thumbup:
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@Riothamus,
ich dachte die kleinsten Leute standen im 2. Glied?
Grüße
Gunter
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Nicht ganz falsch:
1. Glied: die Größten
2. Glied: die Drittgrößten
3. Glied: die Kleinsten
4. Glied: die Zweitgrößten
Erst 1735 wurde die 3gliedrige Aufstellung eingeführt, wodurch die Kleinsten ins 2. Glied kamen.
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Im Reglement von 1743 bin ich nicht fündig geworden, habe aber auch nur an ein paar einschlägigen Stellen gesucht.
Dafür ein Literaturtipp, der den ein oder anderen Wargamer interessieren mag. Friedrich der Große hat eine Anleitung für seine Generäle geschrieben. Zunächst geheim, fielen 1759/1760 2 Exemplare den Österreicher in die Hände und wurden 1761 in Frankfurt gedruckt:
Des Königs von Preußen Majestät Unterricht von der Kriegs-Kunst an seine Generals, übers. von Georg Rudolf Färch, Frankfurt und Leipzig 1761 (http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10784877_00001.html).
S.197: \"Ein langer Krieg schwächt unvemerkt unsere vortrefliche Mannszucht, entvölkert unser Land, und erschöpft unsere Kräfte.\"
Irgendwo darin schreibt er auch, er würde mit den Preußischen Soldaten \"die gantze Welt bezwingen, wann die Siege ihnen nicht eben so fatal wären als ihren Feinden.\"
Das wurde im Thread ja auch schon thematisiert. Davon abgesehen, handelt es sich um ein Handbuch für die Praxis, nicht um ein theoretisches Werk. Damit ist es aber eine gute Quelle für die Beurteilung der Sinnhaftigkeit von Regeln.
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Hallo,
Cooler Hinweis auf Friedrichs Büchlein, vielen Dank! Das werde ich in einer ruhigen Stunde mal durchgehen. Sehr schade nur, dass die Skizzen ab Seite 174 allesamt unbrauchbar sind, da hat der automatische Scanner versagt, oder die Hilfskraft. Skizzen von Schlachtaufstellungen wären für uns grad besonders interessant. Ich frage mich, ob die Bayerische Staatbibliothek sowas fixen würde?
Gruß, Stefan
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Einfach mal nachfragen. Aber kennst Du Günter Dorn, Joachim Engelmann, Die Schlachten Friedrich des Großen Führung. Verlauf. Gefechts-Szenen. Gliederungen. Karten., Augsburg 1997? Die Illustrationen sind von Günter Dorn. Zu jeder Schlacht gibt es mindestens eine Karte, eine Skizze und die Schlachtordnung (\"Aufstellung\") sowie natürlich die Beschreibung.
Bezüglich der Grenadiere bin ich fündig geworden:
Seit 1732 gab es Vorschriften für die Größe preußischer Rekruten:
Musketiere mussten 5 Fuß, 6 Zoll (172 cm) groß sein, Grenadiere nur 5 Fuß, 5 Zoll (165,5 cm).
In seinem militärischen Testament (1752) geht Friedrich von folgenden Größen für die alten Regimenter aus:
Musketiere wiederum 5 Fuß, 6 Zoll (172 cm), Grenadiere mussten aber jetzt 167 cm erreichen.
(Abgeschrieben aus dem bereits erwähnten Heerwesen von Groehler, S. 30.)
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Hi
Nochn Lesetipp, danke! Das Buch gibt es bei Amazon für 0,61 Euro oder 100,48 Euro, und vieles dazwischen. 8| Rate mal, welches ich bestellt habe 8o Das ist einfacher als Korrespondez mit nem Amt...
Gruß, Stefan
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Jetzt wo ihrs schreibt, ich hab die Bände auch alle im Regal stehen...
Der Sinn der Grenadiermützen war dann wohl nicht zuletzt deren geringere Größe optisch auszugleichen. Außerdem kann man die späteren bevorzugt großen Grenadiere wohl als Folklore betrachten. Ich würde sogar soweit gehen, dass ihre Funktion dann die Voltigeure (oder andere leichte Kompanien/Züge) übernahmen, bzw. dass es garkeine wirklich relevanten Unterschiede zwischen beiden gab. Man findet schließlich auch in Zeiten von leichten Kompanien immer noch Grenadiere separat vor der Front kämpfend erwähnt.
Das mit den großen Soldaten war selbst bei der Linie eine ziemliche Marotte, denn die \"Übergroßen\" klappten doch zuerst kreislaufmäßig weg.
Das mit den mittelgroßen Soldaten nur bei den Grenadieren wirkt bei Groehler etwas seltsam, denn das würde bedeuten, dass sie ungediente Leute rekrutierten, wenn doch die Musketiere ihrer Stammbataillone nur größere nehmen durften. Das kann man kaum glauben, zumal z.B. Guddat explizit schreibt, die hätten sich aus berreits 2 Jahre gedienten Musketieren rekrutiert. Wenn er dann freilich erwähnt, die Grenadiermützen wären häufig vom Kopf gefallen, wo sie doch mit einem unter dem Zopf durchgezogenen Band am Kopf befestigt war. Man sieht zwar häufig auf Gemälden wie den Grenadieren die Mütze wegfliegt, aber dass das so ein akutes Problem gewesen sein soll wage ich zu bezweifeln. Es ist doch ziemlich auffällig, dass in allen Armeen erst dann Kinnriemen für hohe Kopfbedeckungen auftauchten, als die Zöpfe verschwanden. Bei Napoleons Carabiniers ist dieser Zusammenhang sogar besonders bekannt geworden.
Was soll ich sagen, wieder mal gründlich abgeschweift heute :D
Grüße
Gunter
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Aber so ist Abschweifen doch in Ordnung. :D
Ich nehme an, die unterschiedlichen Informationen bezüglich der Rekrutierung von Grenadieren gehen entweder auf unterschiedliche Zeiten zurück - einige Zeit nach dem 7jährigen Krieg hat man in Preußen die Größenanforderungen ja nicht mehr einhalten können, weil immer mehr Gruppen von der Enrollierung ausgenommen wurden - oder es wurden für Grenadiere vorgesehene Rekruten erst bei den Musketieren geführt und je nachdem, wie sie sich geführt haben entlassen oder zu den Grenadieren versetzt. Oder man zählte sie, bis sie einsatzfähig waren als Überkomplette.
Aber das sind nur Vermutungen, wie man die Angaben der Sekundärliteratur in Einklang könnte.
Wo Du Guddat erwähnst, ich mache mal einen Thread zu Literaturtipps für Preußenanfänger auf, wenn es ihn nicht schon gibt.
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Ich stelle meine Frage mal hier da es doch irgendwie zum gesamten Themenkomplex passt:
Wieso wurde die Lineartaktik trotz ihrer (scheinbaren?) Unzulänglichkeiten beibehalten - oder besser gesagt, überhaupt eingeführt? Es wird ja gerne angemerkt das die absolute Maximierung der schießenden Soldaten aufgrund der geringen Trefferwarscheinlichkeit erfolgte, doch wenn diese zu gering gewesen wäre hätte sich die Muskete als Fernkampfwaffe doch zuallererst überhaupt nicht durchsetzen können. Liegt die spätere Einführung der Angriffskolonne aber daran das vorher einfach niemand daran gedacht hatte oder hat sich zwischen dem 7JK und den Revolutionskriegen etwas an der Verfügbaren Technik geändert? Ich habe keine Ahnung inwiefern sich die Musketen in diesem Zeitabschnitt weiterentwickelt haben aber eine höhere Zielgenauigkeit oder auch Schussfolge hätte doch genau den umgekehrten Effekt, das die Linie mehr an Feuerkraft gewinnt als eine andere Formation. Wäre die Feuerkraft aber zu Zeiten des 7JK so gering gewesen, hätte dann nicht schon dort irgendwer darauf kommen müssen eine Linie mit einer konzentrierten Kolonne zu durchbrechen? Vorallem in Preußen wo man am Rande der Niederlage war, nicht ganz unähnlich zum revolutionären Frankreich schnell frische Truppen ausheben musste?
Mein bisheriger Eindruck ist das der Entscheidende Unterschied die leichte Infanterie ist. Es erscheint mir plausibel das der entscheidende Unterschied sein könnte ob eine Kolonne von Infanterie im zerstreuten Gefecht vor einer Infanterielinie abgeschirmt wird oder nicht. Man könnte auch vermuten ob zielgenauere Musketen (wenn es die gab) dieser leichten Infanterie einen größeren Vorteil bringen als es bei einer Infanterielinie (die ohnehin nicht gezielt feuert) der Fall ist. Der Verfügbarkeit von Büchsen kann es ja nicht sein da diese von den Franzosen nicht eingesetzt wurden.
Ich habe mir das Buch von Guddat zur preußischen Infanterie gekauft und bin da auch weitgehend durch. Viele interessante Einblicke auch wenn für den Wargamer eher wenig relevantes dabei ist. Eine Sache wird aber öfters angesprochen: Das Problem der Desertation, vorallem bei ungeordneten Infanterieeinheiten. War das wirklich ein Grund gegen den Einsatz von zerstreut kämpfender Infanterie? Gibt es hier einen gesellschaftlichen wandel, bspw. hin zu größeren Nationalbewusstsein, der dieses Problem ein paar Jahrzehnte später verringert wodurch leichte Truppen besser eingesetzt werde können? Bei den revolutionären Franzosen kann man natürlich davon ausgehen, aber es gibt ja auch genug andere Kriegsteilnehmer welche keinem solch radikalem Wandel unterworfen waren.
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hätte dann nicht schon dort irgendwer darauf kommen müssen eine Linie mit einer konzentrierten Kolonne zu durchbrechen?
Man durchbricht eine Linie nicht mit einer Kolonne. Die Linie flüchtet vielleicht, das ist ein Unterschied.
Die Feuerwaffen waren den Piken überlegen, im 30jährigen Krieg haben die Soldaten nach Möglichkeit ihre Piken gegen Musketen getauscht. Durch die Einführung des eisernen Ladestocks konnte die Feuergeschwindigkeit erhöht werden. Eine gut ausgebildete Infanterie konnte in den schlesischen Kriegen mit ihrer Feuerkraft und Disziplin sowohl in Linie angreifen als auch verteidigen. Allerdings führte die Zunahme an (Bataillons-)Geschützen zu einer Stärkung der Defensive.
Die Franzosen haben nach dem SJK viel mit Kolonnen experimentiert. In Verbindung mit einem Schützenschleier und beweglicher Artillerie konnte die Kolonne ihre Erfolge erzielen. Siehe Battle Tactics of Napoleon and his Enemies von Nosworthy.
Die Französischen Voltigeure haben sehr erfolgreich im zerstreuten Gefecht gekämpft, die franz. Massen in den Revolutionskriegen vor Nappi weniger. Ob die Voltigeure für ihre Nation, ihren Kommandeur oder ihren Kameraden gekämpft haben oder durch die Möglichkeit des Beutemachen motiviert waren, kann ich nicht wirklich beurteilen.
cheers
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Es ist spät, und ich bin nur wach, weil ich einen Alptraum hatte. Daher ohne groß nachzuschlagen:
Preußen war natürlich extrem im Mangel von leichter Infanterie, auch wenn in dieser Hinsicht Freibataillone und Freikorps aufgestellt wurden. Die Österreicher hatten da schon eine Menge.
Und über die Kolonne wurde lange diskutiert, bevor man sie ausprobierte. (Ortenburg, Heerwesen der Neuzeit, diskutiert das an entsprechender Stelle.) In Preußen hielt man starrsinnig an der Überlieferung des Alten Fritz fest. In Frankreich überlegte man, was man ändern kann. Zu Ende des 7jährigen Krieges hatte sich gezeigt, dass man mit den großen Armeen nicht mehr als Einheit agieren konnte. Friedrich der Große hat das durchaus auch erkannt. Nur scheiterte sein Versuch, die Armee bei Torgau in 2 Kommandos einzuteilen, weil er nicht genügend koordiniert werden konnte. Dennoch wies das -notwendiger Weise- in die Zukunft. (Zudem befestigten die Gegner Friedrichs bei Torgau ihre Stellungen, was wieder ein anderes Thema ist.)
Nur hatten jetzt die Truppenverbände das Problem, dass ihre Flanken nicht umfasst werden durften. Ähnlich, wie man es sich früher bei Manipeln und Kohorten vorstellte, sollten die Bataillone daher flexibler eingesetzt werden. (Heute stellt man sich die Römische Taktik eher so vor, wie in dem vor einiger Zeit verlinkten koreanischen Polizeivideo, also als Kombination der beiden früher entgegengesetzten Hypothesen.) Dazu gehörte eben auch die Kolonne. Und im Gegensatz zu Tattergreis, dessen Schreibung immer wieder automatisch korrigiert wird, war eine Kolonne durchaus in der Lage eine Linie zu durchbrechen. Darauf basierte ja die ganze Kriegführung der Antike. Das Problem, welches man in der Neuzeit damit hatte, war, dass eine Linie durchaus in der Lage war, so einen Angriff abzuweisen, wenn es kein Gegenfeuer gab. Und hier war man durchaus lange blind dafür, einen Teil der Formation für das Schützengefecht vorzuhalten.
Und bevor das hier wieder in einer Diskussion über eine angebliche absolute Überlegenheit der Linie endet, sei an die \'Highland Charge\' erinnert. Es gibt da ein Bild der Schlacht bei Culloden 1746 (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d5/The_Battle_of_Culloden.jpg) (s.u.). Erst hier, also mitten im Zeitalter der Linie, fand man einen Weg, so einen Angriff aufzuhalten. Und schon bei diesen Angriffen, musste wirklich alles stimmen, damit die Linie stehen bleiben konnte. Insbesondere war die Unterstützung der Artillerie wichtig. Die dritte Reihe der Linie sollte dann auf die 12 Meter entfernten Angreifer schießen. Dann sollten die ersten beiden Reihen auf die direkt vor den Bajonetten befindlichen Angreifer schießen. Selbst hier agierte die Linie also nur dann erfolgreich, wenn sie von Artillerie unterstützt wurde. (Geoffey Parker, Die militärische Revolution, S. 56-59, Das beeindruckende, oben erwähnte Bild des Vorgangs auf S.58.)
Und dass Soldaten der einen oder anderen Seite stiften gingen, bevor sie in den Nahkampf gerieten, hat auch damit zu tun, dass nur ein geringer Teil im Bajonettkampf ausgebildet war, obwohl es natürlich auch dafür Vorschriften gab. (Österreich hatte sogar Vorschriften für den Kampf Bajonett gegen Lanzenreiter. Bilder finden sich in den entsprechenden Bänden der Reihe Ortenburg, Heerwesen der Neuzeit.)
Für beide, die Linie und die Kolonne kam es auf die Unterstützung an. Das hieß aber nicht, dass nicht auch einzelne Bataillone in Formation gegeneinander gekämpft hätten. Keine 5km von hier ist das mehrfach passiert. Sowohl im 7jährigen Krieg, als auch beim Rückzug der Franzosen 1813. Man fragt sich unwillkürlich, warum da so starr an den Formationen festgehalten wurde. Für 1813 vermute ich eher einen Überlieferungsfehler aufgrund der älteren Vorkommnisse, aber einen Beweis habe ich nicht. Damit ist aber die Frage, ob eine vereinzelte Linie einer vereinzelten Kolonne auf dem Golfplatz standhalten konnte, nicht ganz unrealistisch. Wie ich schon im anderen Thread schrieb, denke ich, dass die Kolonne, wenn sie in Ordnung blieb, die besseren Chancen hatte. Keil gegen eine zu dünne Phalanx eben. Oder, wie gesagt, Highland Charge. Im Szenario fehlt ja die Artillerie. Und Plänkler konnten beide Einheiten einsetzen.
In der Gesamtschlacht, um abschließend darauf zurückzukommen, war die Frage, wie die Infanterie unterstützt wurde. Wenn die Kavallerie vergisst, die Kanonen zu vernageln und die Garde an der falschen Stelle angreift, während Wellington alles nach Plan ablaufen lassen kann, gewinnt eben die Britische Linie nicht nur ein Treffen mit einer Kolonne, sondern die ganze Schlacht.
Darum wieder hier die Frage, wie man die verschiedenen Arten der Unterstützung in den Regeln abbilden soll, ohne dass es zu komplex wird. Entweder will man ein schnelles Spiel und gibt, wie bei Black Powder Werte vor, oder man geht weiter in Richtung Simulation und berechnet die Bedingungen für jeden Angriff neu.
EDIT: Die Linie war das Ergebnis einer Entwicklung. Und ihre Taktik entwickelte sich weiter. Im 7jährigen Krieg hatte man sie wohl ausgereizt. Die nächsten großen Kriege brachten dementsprechend ihr Ende. Man behielt sie also bei, weil die Zeit noch nicht so weit war.
EDIT2: @Tattergreis: \"Meist\" oder \"Gewöhnlich\" heißt nicht \"immer\". Und das ist ein viel wesentlicher Unterschied. Es kam eben doch vor.
EDIT3: Das erwähnte Bild (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d5/The_Battle_of_Culloden.jpg) ist jetzt verlinkt.
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Ich möchte nochmals anmerken, dass ich niemals von einer absoluten immerwährenden situationsübergreifenden Überlegenheit der Linie über die Kolonne überzeugt war und ich IIRC dies hier auch nicht als axiom verwendet habe.
Ist auch müßig, ich hab mit Preußen in Kolonnen gegen Dirk gewonnen :D
Das bild vom bajonettfechten bei ortenburg bezieht sich m.E. auf die nachnapoleonische Zeit. Und Taktiken der Antike müssen nicht im 18. Jahrhundert klappen. Das Edit 2 verstehe ich nicht.
cheers
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Da Du gepostet hast, während ich gerade die PN beantworten wollte, antworte ich hier:
1. Glückwunsch.
2. Dann habe ich Dich falsch verstanden. Im anderen Thread hatte ich das eh schon halb vermutet.
3. Dann muss ich morgen nicht mehr nachsehen, aber auf das Bild kommt es für die Argumentation nicht an.
4. Die Vergleiche dienen der Illustration, um nicht ausführlich das Gemeinte erklären zu müssen. Dementsprechend sollte man die Vergleiche auch als Hinweis verstehen, nicht als ein \"Das war genauso wie bei Pharsalos!\" oder so. Und die Physik hat sich nicht geändert. ;)
5. Mit dem EDIT2 wollte ich ausdrücken, dass es eben doch vorkam, dass es zum Handgemenge kam. Und dann wurde bei Erfolg eben die Linie von einer Kolonne durchbrochen. Die Frage, wie häufig es zum Nahkampf kam, ist meines Wissens unentschieden. Immer wenn ich Literaturangaben folgte, landete ich bei Memoiren und nicht bei Auswertungen von Gefechten. Das muss nichts heißen; ich bin dem nicht systematisch nachgegangen. Seltener als meist gedacht wird es gewesen sein. Sonst wären die Erwähnungen unverständlich. Und daher kommt ja auch zu einem Gutteil das Bestreben eines martialischen Aussehens der Soldaten und der Uniformen. Aber ein \"meist\" schließt ein Vorkommen nicht aus. Im Gegenteil, um \'meist\' sagen zu können, müssen beide Fälle vorgekommen sein.
Und jetzt werde ich noch versuchen etwas Schlaf zu kriegen.
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ein bsp Nahkampf kolonne gegen linie ist bei ortenburg waffen der revolutionskriege seite135 ;)
Das Bspbild bajonettfechten bezieht sich allerdings auf den Kampf zw. Infanteristen, das Bild des Kampfes Lancier (in Zwergenform :D ) gegen Inf hab ich nicht gefunden
was ich ja immer predige ist die Kernaussage Moral über Formen, weshalb ich den Moraltest als save bei BP in gewisser weise ok finde (figurenumkippen finde ich aber noch besser, eben old school :thumbup: ). Nur den 2+ save von Garde in Kolonne bei BP ist dann doch etwas OP.
Gute Nacht!
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Da will ich doch auch noch meinen Senf dazugeben. Es gab und gibt nun zwar den Begriff der \"Angriffskolonne\", ABER diese Formation sollten eigentlich nicht zum unmittelbaren Angriff auf den Gegner dienen, sondern nur die Annäherung erleichtern. Die wesentlichen Vorteilel von Kolonnen auf dem Schlachtfeld war, dass sie wegen ihrer im Vergleich zur Linie geringeren Breite leichter zu manövieren waren und man daraus schneller ein Karree improvisieren konnte. Deutliche Nachteile hatte man dagegen durch die weit geringere Feuerkraft und die erhebliche Anfälligkeit gegen Artilleriebeschuss. Deswegen sollte nach der Annäherung in Kolonne vor der Aufnahme des eigentlichen Kampfes in der Regel immer zuerst in Linienformation übergegangen werden. In der Praxis kam einem häufiger einfach der Gegner zuvor oder die eigene Truppe war für so eine Formationsänderung zu schlecht ausgebildet. Die häufigere Anwendung der Kolonnenformation hatte auch zur Folge, dass die Bataillonsstärker größer werden konnten, da der Kommandeur eine Masse von 1000+ Menschen in einer etwa quadratischen Aufstellung leichter mit seiner Stimme führen kann als eine auseinandergezogene Linie.
Thema Plänkler:
Das Problem damit war einfach, dass sie letztlich kein Gefecht entscheiden konnten. Man rang lange um ein sinnvolles Maß an Plänklern, da ein übermäßiges Ausschwärmen in offene Formationen doch nur sinnlos die eigenen Verluste in die Höhe trieb.
Beispielsweise hatte die preußische Führung um 1806 eine im Grunde irrige Meinung über die französische Infanterie, deren Anteil an leichter Infanterie als recht hoch eingeschätzt wurde. Dabei gab es in Frankreich weder ein eigenes Reglement noch eine übergreifende besondere Ausbildung der leichten Infanterie. Dem gegenüber hatten die Preußen selbst in ihren Füsilieren eine wirkliche eigene Infanterie, sogar mit speziellen Waffen, in Gestalt der Jäger besaßen sie Elite-Scharfschützen. Ausschlaggebend war dann aber doch eher die Strategie und die taktische Kriegserfahrung der französischen Seite.
Um mit noch einem weiteren Mythos aufzuräumen: die französische Armee der Revolutionszeit und des Kaiserreichs hatte sehr wohl gezogene Schusswaffen. Diese wurden jedoch nicht massiert eingesetzt und dienten die meiste Zeit als Ausrüstung der Chargen bei den Voltigeuren. Man konnte also durchaus von französischen Büchsenschützen weggepustet werden. Selbst im mittleren Kaisserreich waren noch gewisse Quanitäten an diesen Waffen verbreitet.
Grüße
Gunter
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@ Goltron
Diese Diskussion und sogar weitergehend die Erprobung von Kolonnen gab es ja schon um die Mitte des 18.Jh.. Man muss da nur - vielleicht für Dich überraschend - resümieren, dass die Ergebnisse meistens eher vernichtend für die Kolonne waren. Davout hat ganz richtig das Problem mit den höheren Ausfällen erwähnt. Überhaupt haben sich solche Massierungen von Truppen auf einem Fleck nie ausgezahlt, sondern waren eine üble Falle. Man sieht das an Höchstätt, einer der wohl am besten erforschten Schlachten der ersten Hälfte des 18.Jh.. Die Franzosen warfen, da sie eine Überflügelung oder eine Einnahme ihrer angeblichen Schlüsselpositionen befürchteten, Einheiten um Einheiten bspw. nach Blindheim hinein. Der weitaus überwiegende Teil der Männer kam nie zum Feuern, bekam aber den Kugelregen der feindlichen Artillerie ab, während nur die vorderen der Verteidiger schießen konnten. Als Blindheim aufgab, zeigte sich, dass es viel mehr Gefangene gab, die gemacht wurden, als Truppen der Engländer je den Ort angegriffen hatten(!). Und auch in der Offensive erwies sich die Kolonne als sehr anfällig. Wenn man massiv vorging und der Verteidiger punktuell nachgab, wurde die \"Kolonne\" eventuell von allen Seiten bestrichen, wenn die Verteidiger in Linie, wo diese nicht eingedrückt wurde, einschwenkten.
Wenn man räumlich getrennt angriff, wie es bei Fontenoy passierte, muss diese Attacke gut koordiniert sein, was aber mit den damaligen Kommunikationsmöglichkeiten und durch das Geländer, aber auch anderen Faktoren misslingen kann. Auch muss man bedenken, dass die Tagesstunden begrenzt sind. Deswegen haben wir nicht selten früh am Morgen schon Angriffe, damit die ganze Armee ausreichend Zeit hatte, die Schlachtordnung aus dem Angriff heraus zu entwickeln. Bei Lauffeld, 1747, versuchten die Franzosen auch, vielleicht vergleichbar eher mit Freiberg 1762 als mit Torgau 1760, durch konzentrierte Angriffe an verschiedenen Stellen rasch Schlüsselpositionen zu erobern. Ich glaube, die britischen Zeitgenossen sprechen da auch von gewaltigen \"Columns\" (https://en.wikipedia.org/wiki/Battle_of_Lauffeld#/media/File:Batalla_de_Lawfeldt_1147.jpg). Die enormen Verluste der Franzosen rangen ihren Gegnern immerhin ziemlich Respekt ab.
Die leichten Truppen bildeten auf den großen Schlachtfeldern eine Randerscheinung, welche nach meiner Erfahrung - ich kann mich auch irren - praktisch nie schlachtentscheidend wirkten. Der Kampf der Preußen gegen die leichte österr. Infanterie um den Loboschberg bei Lobositz 1756 mag typisch sein. Dass leichte Infanterie in dem unübersichtlichen Gelände eingesetzt wurde, trug selbst vor Ort Garnichts zum Ausgang bei. Die Preußen konnten auch mit normaler Linieninfanterie die auf das kleine Gefecht spezialisierten Plänkler aus den Weinbergen vertreiben. Wirklich sinnvoll ließen sich die leichten Truppen also in der Kriegsführung des 18.Jh. im großen Maßstab, also die Generalschlachten, offenbar garnicht integrieren. Ihre Stärke war die Übermannung von kleinen, schwach besetzten Vorposten, die Erbeutung von Fourage, Aufbringung von Schiffen und Booten (für wichtige Flussübergänge feldzugsentscheidend!). Im Kleinen waren diese Truppen hoch effizient und konnten mit ihren Nadelstichen dem großen Feldzug auf ihre Weise eine ganz andere Wendung geben, da die großen, schwerfälligen Heere enorm von der Versorgung etc. abhängig waren.
Wenn der Nahkampf die Schlachtfelder gerockt hätte, wäre man sicher nicht von den Piken abgekommen. Vielleicht hätte man sie auf 3m - immernoch länger als eine Muskete - gekürzt, aber wäre doch offensiv damit erfolgreich gewesen.
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Nein, ich halte das gar nicht für überraschend. Tatsächlich deckt sich das genau mit meiner Meinung: Eine Kolonne die auf Infanterie in Linie ohne Unterstützung zumarschiert wird einfach zusammengeschossen. Ich bin deshalb auch zu dem Schluß gekommen das die \"Angriffskolonne\" als Kampftaktik erst sinnvoll nutzbar war als man sie in Verbindung mit Infanterie im zerstreuten Gefecht als Schirm und ggf. Artillerie zur Aufweichung der Linie eingesetzt hat. Wobei ich den Vorteil der Kolonne auch vorallem darin sehe mehr Truppen auf weniger Raum an den Feind heranführen zu können. Das die Kolonne vor dem eigentlichen Gefecht wieder zur Linie umformiert wurde ist mmn umstritten, mir erscheint es auch schwer vorstellbar das in Musketenreichweite des Gegners zu tun.
Eine weitere Frage wäre aber ob leichte Infanterie in dieser Rolle im 18.Jhd. nicht oder nur kaum eingesetzt wurde weil man diese Möglichkeit nicht erkannte oder weil die Technik der Schusswaffen das nicht zuließ (oder weil andere Gründe die Rekrutierung von solchen Truppen nicht ermöglichte).
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Eine weitere Frage wäre aber ob leichte Infanterie in dieser Rolle im 18.Jhd. nicht oder nur kaum eingesetzt wurde weil man diese Möglichkeit nicht erkannte oder weil die Technik der Schusswaffen das nicht zuließ (oder weil andere Gründe die Rekrutierung von solchen Truppen nicht ermöglichte).
Die leichte Infanterie scheint mir gegen sich gehabt zu haben, dass sie schwer zu führen war. Noch schwerer war sie offensichtlich in das Gesamtkonzept der Lineartaktik mit sehr unterschiedlicher Anzahl von Bataillonen pro Brigade integrierbar. Die Hauptkritik, die bei den mit ihren Panduren im Österr. Erbfolgekrieg enorm erfolgreichen Österreichern, auftaucht, ist eben die mangelnde Disziplin. Franz von der Trenck war ein sehr erfolgreicher Anführer, der obwohl mehrfach hintereinander für seine Tapferkeit nach Wien für Beförderung vorgeschlagen immer wieder hintenangesetzt wurde, weil er für viele Insubordinationen und Plünderungen berüchtigt war. Was davon auf sein Konto oder das seiner Soldaten ging, ist offenbar umstritten. Fakt ist, dass sich die leichte Infanterie eben als Vorhut oder Schirm der Haupttruppen damals durchaus bewährte. Ich spiele ja Szenarien, die auf Berichten über solche Kampfweisen 1742-44 beruhen. Die Befehlshaber der leichten Truppen mussten oftmals vor der eigentlichen Armee auf eigene Faust Entscheidungen treffen, während der x-beliebige Generalfeldwachtmeister beständig mit seinem Generalfeldzeugmeister oder gar Feldmarschall Rücksprache halten konnte. Dieses Agieren auf eigene Faust war nötig, führte aber praktisch laufend dazu, dass die Kommandeure der leichten Infanterie in Gegensatz zu ihren Oberkommandeuren kamen. Mit zu enger Bindung in das normale Heer aber, verloren die leichten Truppen rasch an Schlagkraft (man denke an die Umformung der Panduren vor dem SYW). Ein Teufelskreis. Außerdem entwickelte sich erst im 18.Jh. die Strukturierung der Armee. Im Siebenjährigen Krieg kamen selbstständig agierende Divisionen auf, deren Kommandeuren vom Oberkommando ausreichende Freiheiten zugestanden wurden. Zuvor war der wichtigste Verband die Brigade von denen mehrere einen Flügel bzw. das Zentrum bildeten. Diese Flügel, idealerweise anfangs im Österr. Erbfolgekrieg (wie bei Mollwitz) wie im English Civil War (!) noch überwiegend oder ausschließlich aus Kavallerie bestehend, wurden von einem höheren General oder Feldmarschall kommandiert. Die vor der Linie eventuell agierenden Vorposten waren m.E. überwiegend nicht mehr als das, was wir schon in den Schützen finden, die 1632 in der Schlacht bei Lützen vor der Linie postiert wurden.
Die Vorteile der österr. lt. Inf. wurden ja auch in Frankreich begriffen und man versuchte sie zu kopieren. Wenn man sich aber anschaut, dass die sozusagen \"Blaupause\" Gschrey im direkten Aufeinandertreffen auf die österr. Konkurrenz den Kürzeren zog - praktisch immer, soweit mir geläufig, dann versteht man die große Hürde, die einer effizienten leichten Infanterie im Wege stand. Der Schützenschwarm integriert in ein taktisches Konzept wie in der Napoleonik scheint mir ein Ergebnis praktisch jahrhundertelanger Experimente und Erfahrungen. Kontrollierbar, weil in die Brigade oder sogar ins Bataillon integriert (die franz. lt. Inf. der Koalitionskriege ließ z.B. bisweilen nur die ersten beiden Glieder tiraillieren), aber doch beweglich.
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Ja, das deckt sich mit meinen Vorstellungen. Das Problem mit der mangelnden Disziplin der Plänkler wird in dem Buch von Martin Guddat zur preußischen Infanterie auch öfters erwähnt. Die Frage ist hier aber natürlich auch ob dieser Mangel nur im Auge der Befehlshaber dieser Zeit existierte und die leichte Infanterie auch im 18.Jhd. Leistungsfähiger gewesen wäre, ob sich das Problem später durch ein höheres Augenmerk auf Ausbildung und Ansehen erledigt hat oder ob es einen möglicherweise gesellschaftlichen (höheres Nationalbewusstsein?) oder technischen (genauere Musketen?) gibt. Fände ich durchaus interessant wenn da jemand tiefe Einblicke hat.
Die Österreicher scheinen ihren Vorteil bei den leichten Truppen gegenüber den Franzosen in den napoleonischen Kriege aber abgegeben zu haben. Zwar werden gerade die Jäger und Grenzer durchaus immer wieder Lobenswert erwähnt, aber erstere waren zu wenige und letztere wurden oft falsch eingesetzt. In einem Osprey zur österreichischen Infanterie ist öfter die Rede davon das diese zu stark gedrillt wurde und dieser Mangel trotz Anstrengungen von Erzherzog Karl auch nicht ganz beseitigt werden konnte. Andersrum habe ich aber auch schon von der Disziplinlosigkeit der französischen Truppen gelesen.
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Die Frage ist jetzt, was Du mit Disziplinlosigkeit meinst. Napoléon erwartete von seinen Untergebenen oftmals das Unmögliche, wie eben dass sie praktisch von Wasser und Luft lebten - d.h. nicht versorgt wurden, aber auch nicht stehlen sollten*. Disziplinlosigkeit heißt für mich aber primär, wenn man sich gegen die Disziplin vergeht, auch wenn es eine andere Option gäbe. Nehmen wir den Sturm auf eine Stadt. Wenn es keine Gründe gab, dass es in ein wildes Plündern überging, dann war das i.m.A. Disziplinlosigkeit. Disziplinlos war es allerdings evtl. auch, wenn ein Regiment aufgefordert wurde sich zurück zu ziehen, aber stur blieb. Das ist übrigens auch ein Aspekt, der mir in den letzten Jahren aufgefallen ist. Die sozialistische Geschichtsschreibung behauptet immer, man habe damals die Fuchtel gebraucht, weil die Soldaten unmotiviert waren. Dabei habe ich unzählige Beispiele gefunden, wo aus freien Stücken Todesverachtung gezeigt wurde, auch aus Gruppenzwang. Die Ehre allein scheint schon Antrieb genug gewesen zu sein und das trifft nicht nur auf die Offiziere, sondern eben auch auf die Mannschaften zu. Den größten Schwachsinn habe ich in der einen Austerlitz-Doku gehört, dass der Nachteil der Österreicher ein Mangel an Motivation und eine falsche Einstellung des Offizierskorps gewesen sei. Dabei finden sich gerade bei den Österreichern vielzählige Beispiele, wo einfache Soldaten bis hin zur Zivilbevölkerung und das nicht nur in Tirol Aggressoren zurückwarf und eben den angeblich, weil freiheitlich gesonnenen, Franzosen in nichts nachstand. Von daher hätte es bestimmt auch nicht am nötigen Zusammenhalt gemangelt.
* Das fanden zum Glück für uns Künstler wie Seele so malerisch, dass bevorzugt unterversorgte, plündernde Franzosen im 1. Koalitionskrieg dargestellt wurden. Die Ursachen für die schlechte Versorgung trotz kurzer Nachschublinien liegt auf der Hand: Korruption der Regierung (Directoire), Kapitalflucht (Emigration des Adels), wirtschaftlicher Niedergang (eigener Schuss ins Bein: Verteufelung der Seidenkleidung - wenn man selber Marktführer in der Seidenindustrie in Europa ist! :wacko: )...