Sweetwater Forum
Epochen => Altertum => Thema gestartet von: Regulator am 26. Juli 2017 - 09:04:30
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Servus zusammen,
ich bin auf der Suche nach ein paar Internetseiten, Blogs oder Büchern zu Kleidungsstücken (vorallem Farbgebung und Mustern) der germanischen Stämme im 1. Jhd. n. Chr., vorallem in der ersten Hälfte des Jahrhunderts. Kann jemand etwas empfehlen? Das Osprey habe ich schon, bin aber nicht sehr zufrieden damit.
Alternativ freu ich mich natürlich auch über jedes Wissen hier von Forenmitgliedern :)
Stephan
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Ich hatte da schon mal einiges gepostet. Später schaue ich mal, ob ich es wiederfinde.
Wenn Du mit einem Buch zufrieden bist: Andreas Strassmeier, Andreas Gagelmann, Das Heer des Arminius - Germanische Krieger zu Beginn des 1. nachchristlichen Jahrhunderts, = Heere und Waffen Bd. 11, Berlin 2009. ISBN 978-3-938447-39-0.
Den Historischen Überblick zu Beginn kannst Du getrost vergessen. Der Rest dürfte für männliche Kleidung und Ausrüstung keine Wünsche übrig lassen. Sie zeigen möglichst Rekonstruktionen von Originalen. Bei einigen Mooropferfunden sind ja Farben und Muster untersucht worden. Von Arminius zeigen sie eine römischere und eine germanischere Version.
Was Fell angeht zeigen sie für die Zeit ein Bisschen viel. Und auch ein Bisschen zu wenig. Im Winter wird es getragen worden sein, während es sonst für die ganz Armen war. Nur die kämpften ja nicht, ...
Brauchst Du auch Angaben zur Kleidung der Frauen?
Die Muster dürften da gleich sein. Aber wenn schaue ich nochmal, was ich an Beschreibungen empfehlen kann. (Oder ob es eine Kopie tut.)
Je nachdem, wofür Du es brauchst, würde ich evt. Anderes empfehlen. Wenn es um die üblichen Kriegerminis geht, sollte es reichen. Das Literaturverzeichnis ist m.E. auch brauchbar.
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Danke schonmal! Ja genau, nur für normale Kriegerminis. Ich habe mich noch nicht für einen Stamm entschieden... Entweder werden es die Markomannen (Obergruppe Sueben) oder Cherusker. Deswegen dieser \"Rundumschlag\", aber wenn du Infos zu diesen beiden Stämmen hättest wäre ich dir auch sehr dankbar :)
Stephan
P.S.: Mit dem Suebenknoten: hatten das auch die Markomannen?
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zu Kleidung und Stoffen aus der Zeit gibt es kaum aussagekräftige Funde.
Im Prinzip mußt Du selber interpretieren, was so an Webmustern aus römischer Zeit bekannt ist und mit vegetabilen Farbstoffen was erfinden.
Alle Rekonstruktionen die Du als Bild sehen kannst sind Interpretationen, und die kannst Du mir wenig Recherche selbst erbringen, gib mal ein paar Begriffe in Google Scholar ein.
https://scholar.google.de/scholar?q=related:P7quIMwQvuEJ:scholar.google.com/&hl=en&as_sdt=0,5
https://scholar.google.de/scholar?q=related:P6le2vkNdQAJ:scholar.google.com/&hl=en&as_sdt=0,5
wunder Dich aber nicht über die Jahreszahl wenn Du \"Germanen\" eingibst, heutzutage würde man \"Barbaricum\" sagen für die Epoche die Dich interessiert
https://scholar.google.de/scholar?q=related:52Qoay-JFPEJ:scholar.google.com/&hl=en&as_sdt=0,5
https://scholar.google.de/scholar?q=related:jqBxI31j3C4J:scholar.google.com/&hl=en&as_sdt=0,5
https://scholar.google.de/scholar?q=related:Z3nM62Rb6XcJ:scholar.google.com/&hl=en&as_sdt=0,5
hier sind hübsche Artikel zum Einstieg
http://rcin.org.pl/Content/22984/WA308_35476_PIII348_KLEIDUNG-UND-KULTURI_I.pdf
http://s3.amazonaws.com/academia.edu.documents/33137915/purpureae_I.pdf?AWSAccessKeyId=AKIAIWOWYYGZ2Y53UL3A&Expires=1501065459&Signature=IHQWUH7bBQN4Hy9Mem9t7VFuyHo%3D&response-content-disposition=inline%3B%20filename%3DPURPUREAE_VESTES_I._Textiles_y_Tintes_de.pdf#page=39
http://s3.amazonaws.com/academia.edu.documents/36513928/2011_VIN_Gavvo_Purpureae_Vestes_III_69-73.pdf?AWSAccessKeyId=AKIAIWOWYYGZ2Y53UL3A&Expires=1501065534&Signature=uWa2myG2GDwZUIHDQx2KIBApol0%3D&response-content-disposition=inline%3B%20filename%3DVindolanda_and_its_textiles_Gavvo_and_hi.pdf
soviel zur Quellenlage der \"Kleidung der Germanen\"
Die Moorleichen (Mooropfer ist übrigens ein Begriff aus der Forschungsgeschichte, längst überholt) stammen alle aus anderen Zeitaltern, außerdem ist es bekannt daß sich bestimmte Färbemittel zersetzen und man nicht wirklich weiß welche Farben verwendet wurden, selbst wenn Pigmente erhalten sind kann es andere nicht erhaltenen Beimengungen geben. Moore sind halt spezielle Erhaltungsbedingungen, die funktionieren etwas anders als Wüste oder Gletscher.
Ich würde mal mit karierten Mustern experimentieren.
Mir ist klar daß die Reenactor Bildbeispiele brauchen für ihre Klamotten, drum gibt es da einiges an populärwissenschaftlichen Publikationen, und auch die Kollegen lassen ihre Interpretationen gerne von Osprey illustrieren, wer mag keine bunten Bildchen, aber wirklich nachweisbar ist kaum was.
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Wenn Du nach einer \'Stammestracht\' suchst, wirst Du nicht fündig werden.
Es stimmt zwar, dass es in vormodernen Zeiten in aller Regel regionale Besonderheiten bei Kleidung, Schmuck und Haartracht gab, aber bezüglich der Germanen gibt es da 3 Probleme:
1- Es ist anhand von regionalen Merkmalen des Schmucks, die an einer Mini nicht zu erkennen sind, zu erkennen, dass sich in der Zeit der Germanenkriege die Unterschiede anglichen. Zum Einen glichen sie sich untereinander aus, zum Anderen gab es den einheitlichen Römischen Einfluss.
2. Wir haben einfach keine genügende Datenbasis und keine genügenden Schriftquellen, um Aussagen dazu zu treffen. Es sind zum Teil ja recht kleine Unterschiede. Wie und wo wird der Mantel mit der Fibel zusammengehalten? Mitunter gibt es schlaglichtartige Nachrichten: die Goten hatten laut Tacitus als einzige kreisrunde Schilde, die Sueben den Suebenknoten.
3. Die Römischen Quellen sind voller Vorurteile und Fehlinterpretationen. Germanen tragen dort Bärte, weil in der Zeit alle Barbaren mit Bärten dargestellt werden, nicht, weil das so war. Die Moorleichen zeigen, dass es Vollbärte, Oberlippenbärte und auch glattrasierte Gesichter gab. Da sind also auch die Bildzeugnisse mit Vorsicht zu betrachten.
Was den Suebenknoten angeht, war er nicht nur bei den Sueben verbreitet. Allerdings gibt es verschiedene Formen solcher Knoten und wir können dazu keine Regel angeben. Die Bezeichnung Suebenknoten mag darauf hindeuten, dass er bei suebischen Stämmen, wie den Markomannen häufiger war.
Für Chauken ist einmal erwähnt, dass sie Locken tragen. Bei den Chatten, dass sich eine bestimmte Kriegergruppe Haare und Bart nicht Schnitt.
Für Markomannen und Quaden wird vermutet, dass der Adel den Bart lang und das Haar, abgesehen von einem evt. Knoten natürlich, kurz trugen. Aber das kann auch eine Verwechslung mit den Langobarden aufgrund einer Fehlinterpretation sein. Ich schaue es nochmal nach. Aber soviel Auswahl bei den Figuren gibt es ja nicht.
Abgesehen davon fallen mir gerade keine Unterschiede Cherusker-Markomannen ein. Vielleicht ein paar Suebenknoten weniger, wenn du Cherusker willst.
Ich würde dieselben Figuren für die meisten Stämme nehmen und ein paar spezifische Figuren mit den wenigen bekannten Besonderheiten bereithalten, um passend zu variieren, d.h. wenn die Truppe klein genug ist.
Vieles davon wird auch in dem angegebenen Heere und Waffen Band thematisiert, und es gibt auch eine Bildtafel dazu. Ich meine die sei auf der Seite der Berliner Zinnfiguren verlinkt. (http://www.zinnfigur.com)
Feldzeichen und Signaltöne sind so ein Problem. In dem Ospreybändchen zu Germanen und Dakern findet sich eine Umzeichnung römischer Abbildungen auf S. 16.
Noch zu drei ganz schlimmen Fehlern:
Die angebliche Eisenknappheit ist Quatsch. Nach Der Eroberung Gallien s brach der Eisenimpo rt von dort zusammen und es dauerte länger bis sich neu Routen etablierten. Das zog sich dann in der Literatur bis Tacitus durch, so das heute noch davon gefaselt wird, dass es nur ganz selten Schwerter gab: die Archäologie hat enthüllt, dass 30 % der Krieger Schwerter trugen. Da kann man nicht von Adel und nicht von oberen Zehntausend sprechen. Auch Knüppel als Waffe sind Quatsch. Die einzige Darstellung damit zeigt germanische Hilfstruppen der Römer mit römischen Polizeiknüppeln. Und vergiss Nackedeis. Das waren Ausnahmen. Einige Kriegerbünde bei Lugischen Stâmmen zum Beispiel.
Noch 2:
Die Sache mit dem Hirsch bei den Cheruskern ist eine Ente, die auf einer falschen Etymologie basiert. Und Arminius führte im illyrischen Aufstand keine reguläre römische Hilfstruppeneinheit an, so etwas gab es zu der Zeit noch gar nicht, sondern ein Aufgebot der Cherusker, dass germanisch gekleidet und gerüstet war. Natürlich mag er um sich beliebt zu machen auch mal eine römische Offiziersuniform getragen haben.
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Du siehst also, lieber @Regulator, du mußt auch noch Deine eigenen Figuren modellieren :smiley_emoticons_outofthebox:
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Vielen Dank Jungs, da habt ihr mir schon mal geholfen. Wegen den Mustern sehe ich dann mal bisschen nach. Werden wohl karrierte und gestreifte sein. Geht ihr davon aus, dass es schon Borten und andersfarbigen Saum an den Kleidern gab und ist es dafür noch \"zu früh\"? Figuren nehme ich die von Foundry, die finde ich sehr toll. Alleine, dass alle einen Sixpack haben stört mich. Aber das kann man vielleicht übermalen :)
Stephan
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aber hallo Borten
such mal nach Brettchenweberei
https://scholar.google.de/scholar?q=Brettchenweberei+arch%C3%A4ologie&btnG=&hl=en&as_sdt=0%2C5
http://www.jstor.org/stable/23030976?seq=1#page_scan_tab_contents
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/germania/article/download/20702/14479
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@ Pedivere:
Ich muss Dir widersprechen. Barbaricum ist eine geographische Bezeichnung, keine Periode und auch kein Ersatz für den Begriff Germanen. Ich würde eher nach den Einzelnen Kulturen suchen . Rhein-Wesergermanen, Elbgermanen, Sueben, Markomannen...
Die moderne Kritik am Germanenbegriff ist übrigens in großen Teilen unhaltbar geworden, da ein germanisches Selbstbewusstsein nachgewiesen ist. Ein typisches Beispiel dafür, wie neue Ideen manchmal erst einmal übertrieben werden. Es gibt da ein paar verräterische Tatsachen, die römische Autoren nicht in diesem Sinne uminterpretieren konnten. Die Mannussage z.Beispiel. Und dass keltische und andere Stämme den Germanennamen als Selbstbezeichnung übernahmen, zeigt, dass diese nicht ganz unsinnig gewesen sein kann. Aber das führt hier zu weit.
Wenn es ums googeln geht: Auch die Engländer reden vernünftigerweise nicht mehr von german, sondern von germanic, wenn sie germanisch meinen.
Und natürlich ist der Begriff Mooropferfunde ganz und gar nicht überholt. Nur, dass die fraglichen Moore damals Gewässer waren. Und er hat wenig bis nichts mit Moorleichen zu tun. Das war die Autokorrektur meines Smartphones. :cursing:
Ja, die aussagekräftigen Textilfunde sind jünger oder älter als das 1. Jahrhundert. Aber sie entsprechen den Darstellungen und Beschreibungen. Und haben wir anderes? Du bringst ja sogar Vindolanda ins Spiel. Die Analyse wird übrigens in dem Buch auch kurz angesprochen. Und karierter sowie gestreifter Stoff ist durchaus nachgewiesen. Größtes Problem ist, dass nur wenige Stücke untersucht werden können. Das sehe ich also durchaus positiver, zumal ja auch Inspiration gesucht wird und die Interpretation nicht zu vermeiden ist.
Ich bleibe da bei meiner Empfehlung. Für den Wargamer ist es fast schon zu viel, für den Wissenschaftler zu leicht. Nur bei der Geschichtszusammenfassung am Anfang hätten sie wirklich besser recherchieren müssen.
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Pedivere, schau dir Joachim Herrmann, Die Germanen - Geschichte und Kultur der germanischen Stämme in Mitteleuropa, Bd.1, Tafel 15 und 16 an.
Die Muster sind klar zu erkennen. Karos und Streifen. Und auf Tafel 15 auch Fransen.
Die Abbildungen der Mäntel von Gagelmann sind schon wesentlich mehr als ein educated guess. Er gibt im Gegensatz zu anderen Bilderbüchern auch die Originalstücke an und weist darauf hin, woher er unbelegtes ergänzt hat.
Edit: Tafel 15 und 16 sind übrigens Frauenkleider. Irgendwo finden sich auch einige der angesprochenen Mäntel von Gagelmann, nur finde ich das gerade leider nicht.
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Borten und Fransen (An einer oder zwei Seiten) sind geradezu Kennzeichen germanischer Mäntel.
Die galten als so chic und so qualitätvoll gefertigt, dass selbst einige römische Feldherren sie trugen. Sie waren oft wohl das teuerste Stück eines Germanen und waren wohl auch Statussymbol.
In der Schlacht wurden sie daher von einfachen Kriegern nicht getragen -die Fertigung soll Monate gedauert haben. Vielleicht mit Ausnahme der Reiter, die ja wohlhabender waren. Daher vielleicht die Quellen, dass die Oberschicht angezogen kämpfte, die anderen mit freiem Oberkörper.
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da ich weiß und heute noch sehe welcher Unsinn mit dem Begriff \"Germanen\" angestellt wird, bleibe ich bei meiner Kritik, im archäologischen Kontext sollte man lieber die Begriffe der archäologischen Kulturen benutzen.
im sprachwissenschaftlichen Kontext ist der Begriff viel besser aufgehoben, da gehört er auch wegen der Quellenlage hin
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Lieber Regulator,
zur Recherche empfehle ich musikalische Untermalung (https://www.youtube.com/watch?v=QTSru8Qv-Ug) . Verdammter Ohrwurm...
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Du übergehst da die Geschichte und die Ethnologie. Was bequem ist, da sich Archäologie nicht mit Völkern, sondern mit Kulturen beschäftigt. Und da könnten wir jetzt natürlich ewig weiterstreiten, ob die Geschichte sagen darf, dass Krieger germanischer Gruppen Mäntel mit Borten trugen...
Wenn Du den Begriff aus ethischen Gründen ablehnen, solltest Du einen Ersatzbegriff vorschlagen, was bei einer Bezeichnung für eine Gruppe von Menschen, die als Selbstbezeichnung genutzt wurde, aber ethisch noch weniger zu vertreten ist. Zudem wäre es nicht zu einer allgemeinen Regel zu machen und schon deshalb solltest Du darüber nochmal nachdenken. Oder Du darfst auch nicht mehr deutsch schreiben oder reden. Mit der Sprache ist auch schon viel Unsinn gemacht worden.
Die Quellenlage ist m.E. extrem gut, da der Name schon von Anfang an von den Autoren durchleuchtet wurde und hinterfragt wurde. Und schon Cäsar kann ihn so mißbrauchen, während Tacitus ihn ganz herrlich fehlinterpretiert und damit sprachliche Verwirrungen schafft, die bis heute alle paar Jahre wieder auftauchen. Die Stämme des Germanicums als in Sippen organisierte Gesellschaften. Das kam sogar in die Begleitbände zur Varusschlachtausstellung 2009.
Erklärung für die, die sich da nicht so gut auskennen:
Tacitus unterteilt die Germanen in gentes, korrekt mit Stämmen oder Ethnien übersetzt. Nun sind gentes aber eigentlich die Sippen innerhalb der römischen Gesellschaft und durch wörtliche Übersetzung mit Schukostecker (Autokorrektur, dass muss Schullatein heißen) landet man bei Sippen. So wurde 2009 tatsächlich argumentiert. Nun war aber das Volk der Römer in Tribus (Stämme oder Bezirke) unterteilt, wie die Germanen nach Tacitus in die 3 \'Stämme\' der Ingwäonen, Istwäonen und Herminonen unterteilt waren. Für einen Römer kamen dann die gentes. Damit ist das ganze aber unpassend in römische Begriffe gepresst. Da nun für die gentes Institute von in Stämmen geordneten Gesellschaften belegt sind, ist Ethnie, bzw. Stamm die korrekte Übersetzung. (Vereinfacht erklärt.) Aber es geht noch weiter. Die Begrifflichkeiten und Theorien der Ethnologie wechseln ja auch. Und da ist dann jemand wieder bei dem Fehler gelandet, eine Übereinstimmung von antiken und heutigen Begrifflichkeiten anzunehmen. Und es dann auch noch in die alten Vorstellungen zu übertragen.
Und das ist dann ein ganz handfester wissenschaftlicher Grund, den antiken Begriff nicht zu streichen. Da schlage ich dann eher vor, ihn mit klarstellendem Zusatz zu verwenden: Germanen im Sinne Tacitus. Oder Germanenbegriff der NSDAP. Dann kann man auch Unterscheiden: Stämme des Germanicums, Sprecher germanischer Sprachen, Germanen im Sinne der Eigenbezeichnung u.s.w., was dann dazu führt, das die unreflektierte Verwendung des Begriffs schließlich nur noch im Bewusstsein eines mit sachfremden Vorstellungen aufgeladenen Begriffs erfolgt und dadurch der Begriff \'Germanen\' eben nicht mehr unreflektiert durchgeht. Im Gegensatz zur affektbedingten Meidung des Namens verhindert das so den dann nicht mehr funktionierenden Mißbrauch effektiv.
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Du übersiehst, daß ich in meinem letzten post von mir gesprochen habe. Ich bin sicher die Kollegen werden es mir danken wenn ich im archäologischen Kontext mit dem Germanentum vorsichtig umgehe.
wie Wargamer oder Reenactor damit umgehen ist mir ein bißchen schnuppe.
Daß Einzige das mich stört ist wenn ich höre wie die Wahrheit vollmundig verkündet wird und ich begründet eine differenziertere Kenntnis darüber habe.
@riothamus, ich schlage vor wir belassen es dabei, denn Du fängst an so richtig undifferenziert zu vermischen und mir Dinge in den Mund zu legen.
\"die sich nicht so gut auskennnen\" können sich ja eine eigene Meinung bilden, der Rechereche sind ja heutzutage kaum Grenzen gesetzt.
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1- Ich habe darauf geachtet, dass ich Dir nichts in den Mund lege. Meine Prämissen waren in dieser Hinsicht Deine Ansprache der ethischen Problematik und die Ablehnung der Verwendung des Begriffs in diesem Zusammenhang.
2- Ich habe mich dagegen gewandt, dass der Begriff nicht wissenschaftlich zu verwenden sei und daran erinnert, dass die 4 ins Spiel gebrachten Wissenschaften unterschiedliche Begrifflichkeiten besitzen. Ich ging davon aus, dass dem ein Experte folgen kann. Gerade Kultur und Gruppe können da ja als Schlagworte dienen.
3- Dazu habe ich eine durchaus in dem Zusammenhang bekannte und anerkannte Argumentation vorgetragen und dann eben auf eine Begriffsverwirrung verwiesen, um Dir diesen Vorwurf nicht direkt machen zu müssen. Der zusätzliche Hinweis, dass in Quellen belegte zeitgenössische Begriffe nicht zu streichen sind, der innerhalb der Geschichtswissenschaft anerkannt ist, leitet dann später zu 4 über.
4- Desweiteren habe ich meine Ansicht zum von Dir aufgebrachten ethischen Aspekt geäußert, wobei ich das Spiel mit den Begriffen fortgeführt habe, da es so wunderbar zu dem Argument passt.
5- Wenn ich weiß, dass Leute mitlesen, die mangels Hintergrundwissen meine Argumente nicht verstehen, Versuche ich zumindest das Gemeinte anzudeuten. Alles andere wäre unhöflich. Wie alles Vereinfachte hakt es natürlich, weshalb es als Erklärung gekennzeichnet ist. Eine konsistente Version habe ich irgendwo im geschichtsforum.de mal gebracht.
Da ich ja eher durch die Philologie geprägt bin, wundert es mich nicht, dass ich mich mit einem Archäologen nicht über Begriffe einigen kann. Zumal ich auf den Zweck der Inspiration verwies, der bei der reinen Recherche zu kurz kommt. Das fällt mir auch immer schwer zu berücksichtigen. Und auch hier müsste ich mich dazu überwinden.
Ich wollte Dich wirklich nicht vor den Kopf stoßen, dachte eigentlich, Du hättest Spaß an dem Begriffspingpong in meinem letzten Post.
Und mit Photographien lässt sich die Wahrheit in der Tat leicht verkünden. Ich sehe wirklich nicht, was das Ersetzen von Unbekanntem durch Beispiele aus entfernterem Rahmen ersetzen soll. Bloße Spekulation erscheint mir da wenig hilfreich. Aber vielleicht hätte ich Dich da auch nicht richtig verstanden.
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keine Sorge, Du hast mich nicht vor den Kopf gestoßen.
unser kleiner Diskurs ist nur ausgeufert und wohl jenseits der Nachvollziehbarkeit, drum wollte ich einfach nur aufhören Haare zu spalten.
Mir ging es auch inhaltlich nur darum auf die Komplexität der Fragestellung von @Regulator hinzuweisen.
nicht einfacher verhält es sich mit der ethnischen Deutung in der Archäologie, und da ist es m.A. auch nicht falsch auf die Fallstricke hinzuweisen. Ich erinnere mich an eine Diskussion unlängst über Hakenkreuze auf germanischen Schilden....
Wie sich die germanische Dialekte Sprechenden jenseits des Rheins (aus meiner römischen Perspektive :cool: ) selbst genannt haben, kann man vielleicht aus den römischen Schriftquellen rekonstruieren. Vereinfachende Begriffe wie \"Germanen\" oder \"Kelten\" sind Exonyme und nur aus der rezipierenden Perspektive statthaft. Zumal sie von römischen Historiographen (=Propagandisten) erfunden wurden.
Aber das war auch nicht wirklich das Thema
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Guten Morgen,
hilfreich ist bestimmt die Auflistung gesicherter natürlicher Farben von Wollstoffen. Schafwolle kann weiß, gelblich, beige, bräunlich, grau ? bis schwarz sein. Diese Farben sind dann auch echt (stabil). Webmuster sind Streifen, Wellen oder Karos. Über Färbemittel weiß ich nichts, da aber sogar Mamorstatuen damals bunt waren, wird es auch Farben für Stoffe gegeben haben.
M. f. G. Sebastian
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das ist auch wieder eine Wissenschaft für sich
im Grunde kann man so gut wie jede Farbe verwenden, wenn man nur die typischen Töne der im 19.Jh erfundenen Anilinfarben vermeidet, so Kobaltblau und Grün und so Sachen.
Die konnten fast jede Farbe färben in der Antike, es gab nur zuweilen auch Farbsymbolik über die wir nur wenig wissen.
das Farbkonzept vor den industriellen Farben war daß es vom Färbmittel und seiner Behandlung abhängt, und das tatsächliche Aussehen weniger wichtig ist. Beispiel Purpur, was eine gante Palette von Farbtönen haben kann je nachdem wie man es behandelt, die aber alle erkannbar sind weil man sie nur mit Purpurschnecken erzeugen kann, usw.
Ich hab selten Wargamer gesehen oder Reenactor die sich über sowas Gedanken machen.
Liegt auch daran daß Farbstile seit der Moderne ein Ausdrucksmittel sind.
Färbemittel der Antike inklusive Herstellungskosten und damit verbundene Häufigkeit, Symbolik und Modeerscheinungen zu rekonstruieren könnte ein bißchen zuviel des Guten sein, vor allem weil man dann lange ausprobieren muß um einen bestimmten Farbton zu erzeugen. Wenn sich jemand den Aufwand antut, Hut ab...
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Zu den natürlichen Wollfarben ist zu ergänzen, dass es da auch auf Zeit und Gegend ankommt:
In der Bronzezeit soll es in Mitteleuropa nur braune Wolle gegeben haben.
Seit der Eisenzeit dann braune, schwarze, graue und weiße, die auch zu Mustern verbunden wurden und den germanischen Ehnien zur Verfügung standen.
Auch das Färben war dort damals noch relativ jung: Im 4. oder 3. Jahrhundert soll das Färben im nördlichen Mitteleuropa begonnen haben.
Untersuchungen an Textilien aus dänischen Mooren ergab folgende Zahlen:
60% Flavonide (gelb/grün)
16% Indigo (blau)
Seltener wurde Alizarin (rot) festgestellt.
Ungefärbte Stoffe waren in der Minderheit.
Ja, weiter nördlich, die Zeit passt auch nicht so ganz und die Stichprobe ist eigentlich zu klein. Aber bessere Zahlen gibt es m.W. nicht. Also ist es nur ein grober Anhalt. Auch das sollte im genannten Büchlein nachlesbar sein. Aber ich habe es gerade nicht hier.
@ Germanen: Beim Germanennamen ist es keinesfalls sicher, dass es ursprünglich eine Fremdbezeichnung war. Wenn man den spärlichen Angaben folgt, wurde der Name einiger oder eines Stammes auf die anderen fraglichen Stämme übertragen. Wenn dass \'H\' der Herminonen, Hermunduren u.s.w. nicht stumm ist, wären das auf gallisch, vereinfacht gesagt, Germanen. (Die Sache mit dem Stabreim ist schlichtweg nicht belegt. Die erste Überlieferung mit Stabreim nennt andere Namen, die mit \'W\' beginnen, obwohl 2 der Namen noch bezeugt sind, was einen ursprünglichen Stabreim unwahrscheinlich macht. Zudem wäre es ein unzulässiger Zirkelschluss, noch dazu in Analogie zu einer ganz anderen Zeit.) Es gibt natürlich andere Erklärungen, aber es sind eben nicht nur Erklärungen für eine Fremdbezeichnung. Anders sieht es natürlich mit der Definition aus, was unter \'Germanen\' verstanden werden sollte. Das wurde von Außenstehenden zum großen Teil aufgrund von Vorurteilen und politischen Interessen festgelegt. Aber es gab für einige Autoren auch andere Kriterien. Tacitus z.B. nennt Sprache und Religion als Kriterium, was auch problematisch ist, da Sprache kein Kriterium für das Erkennen einer Ehnien ist. Bei der Religion kommt noch hinzu, dass unbekannt ist, in welcher Hinsicht er das meinte. Aber er benennt auch die Selbstbezeichnung als Kriterium. Und er, sowie ein paar andere, berichten Fakten, die zeigen, dass das nicht nur von außerhalb kam. Es werden Stâmme kenntlich, die sich als die berühmte \'wahre Menschheit\' begriffen und somit durchaus als gewisse Einheit betrachteten, wie sich im 19. Jahrhundert die \'zivilisierten Nationen\' Europas als Gemeinschaft verstanden. Das ist nun auch keine große Überraschung. Sehr sicher ist aber auch, dass das vor der Römischen Einflussnahme nur für einen Teil der Germanen galt.
Natürlich hat sich der Name auch durch die Benutzung durch die Römer verbreitet. Nur wurde er dadurch oft -mehrfach bezeugt- zur Selbstbezeichnung.
Es gab also Germanen, ist aber unbekannt, für wen es Selbstbezeichnung war. Und wichtig ist auch darauf hinzuweisen, dass diese Selbstbezeichnung wieder verloren ging, zu einem rein literarischen Begriff wurde, wie auch andere Ethnonyme. Die Definition der Nation aus dem 18. Jahrhundert basiert darauf, hat also nichts mit Realität zu tun. Auch wenn jemand die Theorie der Ethnogenese verwirft, bleibt doch die Tatsache vom sich wandelnden Selbstverständnis.
Dazu gehört eben auch, dass es, obwohl Caesar, Tacitus und Co. \'die\' Germanen erfunden haben, es dennoch Germanen gegeben hat. Für eine gewisse Zeitspanne und sicher nicht so, wie Caesar und Tacitus es gerne gehabt hätten.
Und ein Trigger für Rechtsradikalismus ist der Begriff auch nicht, dass haben noch im Dritten Reich Leute wie Ludwig Schmidt verhindert, indem sie sich in ihren Schriften erfolgreich dem Zeitgeist verweigerten, natürlich ohne dagegen zu Wettern. Der Begriff konnte nicht \"übernommen\" und ideologisch vereinnahmt werden.
Die logische Konsequenz eines Triggers ist auch nicht akzeptabel. Ähnlich wie in der Frühmittelalterlichen Vorstellung vom Heil, die mit dem abwertenden Begriff des Opfers und der missverstandenen Ehrbegriffs seitens verschiedener Einwanderergruppen eine erschreckende Renaissance erlebt, käme damit dem Menschen damit keine Würde als Eigenschaft zu. Ja, Würde wäre dann kein Wert mehr. Sowohl im Sinne der Stoiker, als auch in dem moderner Philosophen. Schon Augustinus hat das dargelegt und Schopenhauer hat es genutzt, um die albernen Ehrvorstellungen des 19. Jahrhunderts zu demontieren. Daher kann ich solch magischen Vorstellungen nichts abgewinnen. Der Unterschied zum formalen Gesetz ist da wichtig. Das Gesetz muss auch formal gelten, da es nicht beliebig sein darf. Und es kann Einiges nur formal fassen. Daher ist es in Ordnung verfassungsfeindliche Symbole zu verbieten, während die Interpretation von Begriffen nicht von vornherein feststehen darf, sondern das je Gemeinte festgestellt werden muss, soweit dies praktikabel ist. Und daher konnte ich das nicht so stehen lassen. Und darum halte ich es auch für effektiver, Begriffe nicht aufzugeben, nicht zu lexikalischen Parias zu erklären, sondern sie zu erklären, falsche Assoziationen und Vorstellungen zu entlarven und den Inhalt zu klären, der sich ja immer auch wandelt.
Bei der Problematisierung muss es um den Inhalt gehen. Oft gefordert, oft missachtet. Die Türkei betrachtet in ihrer Argumentation die Tätigkeit der Journalisten rein formal und findet so Terrorunterstützer. Das funktioniert, eben weil das Gesetz formal ist, spanische Stiefel für Inhalte bietet. Und auch da kann nur immer wieder der Inhalt aufgesucht werden.
Wenn wir in dem Sinne formal werden, müssen wir unsere Minis einschmelzen und Herzen oder Friedenstauben daraus gießen. Und darum ist mein Geschreibsel hier auch nicht abwegig.
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