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Epochen => Altertum => Thema gestartet von: Wolfslord am 08. Februar 2011 - 19:20:30

Titel: Germanische Kleidung - Farbenfroh ?
Beitrag von: Wolfslord am 08. Februar 2011 - 19:20:30
Im Gegenzu zum keltischen Farbenthema nochmal das ganze in blau ;)

Ich hab nun schon die verschiedensten Thesen gelesen: Eher ungefärbte Stoffe, auch bunte Stoffe, usw.

Nun ist die Frage, kann man sich bei germanischen Stämmen 200 bis 100 v.Chr auch soviel (Farb)-Freiheit rausnehmen wie bei ihren keltischen Cousins ?

Gruß Jan
Titel: Germanische Kleidung - Farbenfroh ?
Beitrag von: Mehrunes am 08. Februar 2011 - 19:51:46
Mit Pflanzen kann man schon ne Menge färben. Ich denke aber angesichts deiner gewählten Zeitspanne (also eher noch kein Handelskontakt zum Mittelmeerraum) würde ich die Farben gedeckt halten und nicht knallig bemalen (die Farben bleichen schnell aus).
Im Gegensatz zu Kelten würde ich Germanenkleidung also eher weniger bunt bemalen, mich dafür aber bei den Schilden austoben.
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Beitrag von: Wolfslord am 08. Februar 2011 - 19:53:44
Zitat
Im Gegensatz zu Kelten würde ich Germanenkleidung also eher weniger bunt bemalen, mich dafür aber bei den Schilden austoben.
Das ist natürlich eine sehr gute Alternative :)
Titel: Germanische Kleidung - Farbenfroh ?
Beitrag von: Ursus Maior am 08. Februar 2011 - 21:34:39
Ich denke, man muss sich da immer vor Augen führen, wer man glaubt kämpft. So Trecks aus Mann und Maus (Kimbern, Teutonen) sind eben massiv aus Leuten zusammengesetzt, die nicht am WIrtschaftssystem partizipieren und womöglich keine Färbertechniken erlernt haben (wozu auch?). Das gilt auch für Kelten, aber bei denen besteht früher Kontakt zum \"globalisierten Mittelmeermarkt\" und sie leben länger auf urbaren Land. Die Erträge sind also massiv höher.

Wenn Deine Streitmacht eher aus erfahrenen Kämpfern besteht, dann sind sie vermutlich besser situiert und bunter angezogen, als ärmere Jungspunde, die noch wenig Buntes erbeuten oder kaufen konnten. Das drückt sich gleichermaßen in Kleidung, Waffen und Schildfarben aus. Reichtum wird in Metall (Waffen, Rüstungen, Ringe) angelegt und ständig mitgeführt. Kleidung ist sekundär, aber keinesfalls unwichtig.

Die Idee mit den bunten Schilden und der eintönigeren Kleidung finde ich daher auch sehr passend. Es drückt aus, dass Deine Germanen schon Reichtum erwerben konnten, sich daraus aber noch keine Modekultur entwickelt hat. Sie sind dann noch sozusagen am Übergang in die Zivilisation. Die Anführer (Champions, General etc.) sollten dann vielleicht schon mehr Wert auf Kleidungen legen.
Titel: Germanische Kleidung - Farbenfroh ?
Beitrag von: Wolfslord am 08. Februar 2011 - 23:46:52
Vielen Dank für die sehr kompetente Hilfe. :)

Zitat
Die Idee mit den bunten Schilden und der eintönigeren Kleidung finde ich daher auch sehr passend. Es drückt aus, dass Deine Germanen schon Reichtum erwerben konnten, sich daraus aber noch keine Modekultur entwickelt hat
Die Variante plus Erklärung gefällt mir. Ob ich den Chefs buntere Kleidung gebe, entscheide ich wenn ich sehe, ob das überhaupt auffällt bei 20 Figuren in 6mm auf einem Base. ;)

Noch eine Anschlussfrage zur Kleidung: Unbekleidete Krieger passen zu den Germanen auch oder ? Ich hab das bisher nur bei keltischen Armeen gesehen.
Titel: Germanische Kleidung - Farbenfroh ?
Beitrag von: Mehrunes am 08. Februar 2011 - 23:54:50
Gänzlich nackte Krieger würde ich vermeiden. Von so einem Kult wüßte ich nichts. Finde das selbst bei Kelten oft viel zu übertrieben. Gibt es eigentlich mehr Quellen dafür als Telamon? Und selbst da könnten nur entblößte Oberkörper gemeint gewesen sein.Dabei würde ich es auch für Germanen belassen.
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Beitrag von: Ursus Maior am 09. Februar 2011 - 00:31:56
Mir fällt nix ein. Müsste man mal die Galater genauer auswerten. Sind aber natürlich auch andere Kelten, als die in der Cisalpina. Immerhin ist Polybius nur eine Generation danach, die Aussagen sind also noch verhältnismäßig verlässlich, auch was Streitwagen angeht. Aber damit dürfte der Einsatz wie auf den Inseln gemeint sein, also als Battle Taxi, nicht wie im Orient 500 Jahre früher.

Polybios schreibt wörtlich sie waren \"gymnoi\" und hatten nur \"hoplôn\" in den Händen. Nun kann \"gymnos\" vor allem nackt bedeuten, aber im militärischen Sinne schon bei Xenophon und Thukydides die ungerüsteten Stellen meinen (spezifisch die rechte, schildlose Seite). Es bedeutet durchaus auch ungerüstet, und zwar sowohl im Sinne von waffenlos, als auch ohne Rüstung. Ersteres fällt weg, da die Waffen ja explizit genannt werden (\"hoplôn\"). Ich verstehe die noch üblichen Übersetzungen (z. B. Loeb Classical Library) daher als veraltet. Ich würde sagen, Polybios merkte an, die Kelten kämpften ohne Rüstungen. Das war schon ungewöhnlich für ihn, denn die Römer und Griechen taten dies nicht. Zumal die Kelten ja bekannt waren für gute metallurgische Kenntnisse (Schwerter insbesondere).

Ich halte die nackten Wilden für einen Mythos des 19. Jahrhunderts, der sich in der Historical Wargaming Szene hält, weil er durch die populärwissenschaftlichen Recherchen der Verlage (Osprey etc.) gestützt wird und eine nette Abwechslung in den Molds darstellt.
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Beitrag von: Koppi (thrifles) am 09. Februar 2011 - 14:46:02
Zitat von: \'Ursus Maior\',index.php?page=Thread&postID=77943#post77943
Ich halte die nackten Wilden für einen Mythos des 19. Jahrhunderts, der sich in der Historical Wargaming Szene hält, weil er durch die populärwissenschaftlichen Recherchen der Verlage (Osprey etc.) gestützt wird und eine nette Abwechslung in den Molds darstellt.

Dem ist nicht mehr hinzuzufügen.
Ich stimme Ursus Maior zu, dass hier einfach eine falsche Interpretation des antiken Wortlautes vorliegt. Von den antiken Schriftstellern entweder rein waffen- und rüstungstechnisch beschrieben oder als Propaganda zu deuten (der \"nackte\" Barbar gegen den zivilisierten Römer) wurde hier eine Interpretation entwickelt, die einfach nicht zu halten ist.
Warum bitte soll man durch die Wälder Germaniens, bei dem Wetter, das hier schon in der Antike herrschte, nackt laufen. Auch der antike Mensch hatte durchaus ein Bewußtsein sich gegen die Unbillen der Natur schützen zu wollen, denn Krankheiten wurden auch damals nicht unterschätzt.
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Beitrag von: Ursus Maior am 09. Februar 2011 - 15:08:15
Ja, Dinge, die warm halten haben wir so ziemlich als erstes erfunden. Kleidung, Feuer machen, kochen.
Titel: Germanische Kleidung - Farbenfroh ?
Beitrag von: Eversor am 09. Februar 2011 - 18:25:51
Ich blättere gerade die aktuelle Wargames Illustrated durch, in der ein Artikel über Germanen ist. Als Farben der Kleidung werden vor allem Cremefarbe, Grau, Braun und Schwarz angegeben. Nur die reicheren hatten bunte Kleidung. Dabei berufen sich die Autoren auf relativ aktuelle Erkenntnisse der Archäologen.
Titel: Germanische Kleidung - Farbenfroh ?
Beitrag von: Ursus Maior am 09. Februar 2011 - 19:53:25
He, he, he. Naja, neu würd ich das nicht nennen.

Cremefarben bleibt\'s, wenn man es nicht färbt, braun geht mit Erlenrinde, schwarz mit Gallusäpfeln und Eisen-/Kupfersulfat. Grau erhält man durch wenig Farbzugabe, oder viel waschen (weiß ja jeder).

Erdtöne sind wohl immer das einfachste. Rinden aufkochen ist ja keine Kunst.


http://farben.avanova.at/farbe-351.htm

Übersicht über Naturfärbemittel. Ich weiß jetzt aber natürlich nicht, was davon auch genutzt wurde.
Titel: Germanische Kleidung - Farbenfroh ?
Beitrag von: Eversor am 10. Februar 2011 - 01:19:36
Ich wollte eigentlich auch sagen, dass sie sich auf neue archäologische Publikationen berufen, nicht auf überholte Klischees.
Titel: Germanische Kleidung - Farbenfroh ?
Beitrag von: Eversor am 10. Februar 2011 - 11:55:49
@ Mehrunes:
Da Dein Postfach momentan voll ist, hier die Antwort auf Deine PN:
Der Germanenartikel in der WI ist eine nette Zusammenfassung von acht Seiten. Er enthält die wichtigsten Infos, geht aber in keinem Bereich in die Tiefe. Wer sich also zu dem Thema bereits eingelesen hat, der wird wenig Neues erfahren.
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Beitrag von: 14th Brooklyn am 11. Februar 2011 - 17:20:32
Zitat von: \'thrifles (Koppi)\',index.php?page=Thread&postID=77964#post77964
[...]
Warum bitte soll man durch die Wälder Germaniens, bei dem Wetter, das hier schon in der Antike herrschte, nackt laufen. Auch der antike Mensch hatte durchaus ein Bewußtsein sich gegen die Unbillen der Natur schützen zu wollen, denn Krankheiten wurden auch damals nicht unterschätzt.
Das Argument könnte man aber auch um 180° drehen.

Die meisten Kampfverletzungen damals, wie auch bis in das 20. Jahrhundert waren nicht wegen der Verletzung selbst tödlich, sondern weil Verunreinigungen in die Wunde gelangen und dann zu Sepsis führen. Ganz beliebt sind dabei Stoffreste, die sich nur schlecht komplett auswaschen lassen.

Ich habe die Erzählungen von nackten Kriegern nie so gewertet, dass die Tag ein Tag aus FFK machten sondern sich zum Kampf ausgezogen haben. Wenn man keine Rüstung hat die einem schützt und die Erfahrung gezeigt hat, dass Verletzungen die die eigenen Vorfahren an Stellen erlitten haben wo sie keine Kleidung trugen seltener tödlich waren, warum nicht nackt kämpfen!

Nur so ein Gedanke!

Schönes WE,

Burkhard
Titel: Germanische Kleidung - Farbenfroh ?
Beitrag von: Ursus Maior am 11. Februar 2011 - 18:53:36
Ja, und nach der Schlacht rennt jeder zu seinem Kleiderhaufen zurück, wie nach dem Nacktbaden. Und wehe Du nimmst meinen Lendenschurz! ;)


Nein, da zäumst Du das Pferd von hinten auf. Zunächst einmal müsste die Verbindung hergestellt werden zwischen Wundheilung mit und ohne Kleidung. Eine misslungene Wundheilung hat viele Gründe, Kleidung ist an sich ein kleineres Problem. Problematischer sind Substanzen, die bei dem geringen Verständnis von (Wund)hygiene überall zu finden sind. Wer schonmal von einer Katze gekratz oder einem Hund gebissen wurde, weiß was ich meine. Man unterstellt damit den Germanen vor allem aber ein immens hohes kontextuelles Wissen in der Wundmedizin, das man alle Völkern mit Ärzteschulen, Buchwissen und medizin-handwerklicher Tradition abspricht. Denn nur weil Römer eine Rüstung trugen, heißt das nicht, dass sie keinen Stoff trugen und Verletzungen erlitten.

Aber es ist müßig über Wundheilung zu reden, weil wir nichts zur Hand haben, was uns eindeutig sagen kann, dass von zwei Gruppen Verletzter mit identischen Wunden eine überlebte, weil sie unbekleidet war. Noch dazu sind die auftretenden Wunden in der Vormoderne substanziell unterschiedlich. Mangels Splitterwunden und großflächigen Verletzungen, auch Brandwunden waren seltener, sind feinfasrige Rückstände in Wunden sehr viel seltener. Wenn eine Klinge tief in Fleisch eindringt, nimmt sie selten Tuch mit, sie schneidet hindurch. gleiches gilt für Schnittverletzungen.

Letztenendes ist die Idee vom nackten Kampf aber durch das romantisierende Barbarenbild des 19. Jhs. entstanden. Man übersetzt erstmal ganz schulbuchmäßig gymnos mit \"nackt\", weil es ins Bild passt. Wie ich aber ausgeführt habe heißt gymnos aber auch einfach nur unbewaffnet oder ungerüstet. So, als ob ich sagen würde \"praktisch nackt\", im Vergleich zu den hochgerüsteten Römern. Es ist eine Frage, wie ich die Textpassage auffassen will, und wie vergleichbare Textpassagen übersetzt worden sind.
Titel: Germanische Kleidung - Farbenfroh ?
Beitrag von: Donner am 07. März 2011 - 12:13:27
Ich möchte hier auch noch meine bescheidene Meinung zum Thema kundtun, da ich selber oft solche Fragen zum Thema gestellt habe.

Man weiss nicht mal bei den Legionären, ob sie eher einheitliche Farben verwendet haben, oder ob da ein wilder Mix gelebt wurde. Über die Germanen und Kelten weiss man- im Verhältnis gesehen- ja sowieso fast gar nichts.

Man vergisst oft, dass diese Kulturen ein handwerkliches Niveau hatten, dass man heute (natürlich mit den selben Methoden) niemals mehr erreichen wird. Bei den Germanen und Kelten wird es ja sowieso darauf hinauslaufen, dass die viel weniger barbarisch und primitiv waren, als man immer glaubte. Das ist nichts neues, aber ich denke da kommt noch sehr viel mehr in naher Zukunft. Gerade in handwerklichen Bereichen hatten diese Leute ein unglaubliches Geschick. Habe es selber gesehen an der Keltenaustellung in Bern! :) Man darf sicher Kleidung mit sehr viel Finesse für jede Art von Krieger bemalen.

Die Vorstellung vom armen Krieger mit bleicher Kleidung und dem Häuptling mit dem tollen Purpurmantel aus dem Mittelmeerraum trifft sicher in einer gewissen Weise zu, jedoch würde ich solche Überlegungen mit grösstmöglicher Zurückhaltung umsetzen. Man läuft einfach Gefahr, dass man sich so die Dinge zu sehr nach dem eigenen Gusto zurechtbiegt.

Ich denke, dass eine schlechte Faktenlage in gewissem Sinne auch eine Chance für uns TTer sein kann. In unserem Hinterkopf lauern sehr viele Klischees, welche man kaum noch wegbekommt. Der rote Römer ist wohl das berühmteste Beispiel. Es gibt ja einige sehr interessante Funde von Moorleichen und auch heute stellen noch einige Naturvölker Kleidung mit den selben/ähnlichen Methoden wie damals her. Warum nicht hier schauen, wie sehr die Stoffe leuchten und welche Vielfalt an Mustern bestehen kann? Man merkt schnell, dass Farbenvielfalt und Leuchtkraft etc. zu einem sehr kleinen Teil dem materiellen Besitzstand des Trägers entsprechen. Bei Rüstungen, Waffen und Schmuck ist dies sicher sehr viel stärker der Fall.

Nochmals kurz zum Thema Klischee:

Zum Glück besteht ja bei den historischen TTer kein Realitätswahn. Ich habe schon oft erlebt, dass Leute Infos für eine Realitätsnahe Bemalung gesucht haben und dann enttäuscht waren, als sie erfuhren, dass diese Jungs früher gar nicht uniformiert waren und sogar Karnevalsmässig (für unseren Geschmach freilich!) rumliefen. Um wieder ein prominentes Beispiel zu nennen: All diese Leute, welche die Bretonen so super finden und dann eine weiss/rote Templerarmee bemalen wollen! sm_party_box

Was ich damit sagen will: Wenn man nahe an die Wirklichkeit will, sollte man sich so gut wie möglich von gängigen und persönlichen Geschmäckern und Klischees lösen und sich darauf einlassen, dass z.B. die Landsknechte vor 500 Jahren Rosarot ganz und gar nicht tuntig fanden. Es lohnt sich und macht unglaublich viel Spass. Ich selber habe das Glück, aus Quellen vom Spätmittelalter zu schöpfen und es ist erstaunlich wie viel man über Kleidung erfährt, wenn man sich Zeit nimmt und Spass dabei hat. :sehrgut: