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Was muß ein gutes Regelwerk bieten?

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Frank Bauer:
Mein persönlicher, subjektiver Eindruck ist, daß die Zahl der Regelwerkspublikationen von Jahr zu Jahr zunimmt und somit immer unüberschaubarer wird.
Das macht mich unzufrieden, denn durch die schiere Anzahl der Neuerscheinungen ist es nahezu unmöglich, auf dem Laufenden zu bleiben und die Regelwerke aus dem Stapel herauszufinden, die man gerne spielen möchte. Zu oft (eigentlich meistens) finde ich, daß die Regelpublikationen nur alter Wein in neuen Schläuchen sind. Die immer gleichen, vermeintlich bewährten Regelmechanismen werden wiedergekäut und unterscheiden sich oft nur in dem Schwerpunkt, der dem jeweiligen Regelschreiber nun gerade persönlich wichtig ist.
Das Ende vom Lied ist, daß alle paar Monate eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird, die kurz grunzt und dann in den meisten Fällen in der Versenkung verschwindet. Oder daß Regeln nur in kleinen Spielerenklaven gespielt werden. Oder man sie nicht spielen kann, weil man keine Mitspieler findet.

Einige wenige Regelwerke aber setzen sich über Jahre durch und erhalten sich überregional eine aktive Spielerschaft. Was zeichnet diese Regeln aus, was hebt sie über die Masse hinaus?
Die offensichtliche Antwort wäre, sie sind besser. Aber was ist besser?

Mir persönlich sind immer folgende Dinge wichtig:
-   Das Regelwerk muß das Flair der Epoche einfangen. Die Regeln müssen auf die besonderen Taktiken und die Waffentechnik der Epoche abgestimmt sein und über Bonus-/Malussysteme den Spieler zwingen, sich entsprechend der Militärdoktrin der Epoche zu verhalten. Das heißt zum Beispiel, daß die größten Chancen, einen Kavallerieangriff in der napoleonischen Epoche zu überstehen, das rechtzeitige formieren eines Karees sein muß. Andere Reaktionen dürfen möglich sein, müssen aber deutlich geringere Erfolgschancen haben. Eierlegende Wollmilchsäue, die z.B. von der Renaissance bis zur Neuzeit die gesamte Schwarzpulverzeit abdecken, können eigentlich schon mal nichts taugen.
-   Das statistische Grundgerüst der Würfelwahrscheinlichkeiten muß sehr genau durchdacht sein. Hier hapert es bei fast allen Regelwerken. Einige Regeln erschlagen das Problem mit einer Würfelorgie, die allein durch die Anzahl der geworfenen Würfel eine statistische Normalverteilung gewährleistet. Andere ignorieren es, indem sie am Ende Wohl und Wehe einer Einheit an einen einzigen Würfelwurf hängen.  Das kann man elegant lösen, indem man es berechenbar macht, wie bei DBA. Da wirft man einen W6 und der entscheidet. Aber der Spieler hat im Vorfeld alle Möglichkeiten, die Wahrscheinlichkeit zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Oder, wie ich finde, unelegant, wie bei Impetus. Ein eigentlich interessantes Regelwerk mit guten Ansätzen, das aber am Ende durch einen völlig zufälligen Wurf der Verlustdifferenz einen erheblichen Glücksfaktor  einbringt, der leicht vermeidbar wäre. Glück ist immer im Spiel, wenn Würfel geworfen werden. Aber das Glück sollte planbar sein, finde ich . Andere sehen das bestimmt anders.
-   Das Regelwerk sollte möglichst alle Spielsituationen interpretationsfrei abdecken. Auch so ein Punkt, wo die meisten Regeln scheitern. Das gebräuchliche Argument ist dann immer: „Macht doch nichts, da kann man sich doch mit seinem Spielpartner einigen!“ Klar kann man. Das ist auch kein Problem. Aber es ändert nichts daran, daß die Regeln an dieser Stelle anscheinend lückenhaft waren und mich als Spieler zwingen, diese Unzulänglichkeit selbst zu füllen. Das hindert den Spielfluß, birgt Potenzial für Unstimmigkeiten zwischen den Spielern und im schlimmsten Fall sogar für hanebüchene Aktionen von erfolgsorientierten Spielern, weil es ja in den Regeln nicht ausdrücklich untersagt ist.
-   Eine gute Ausgewogenheit zwischen den verschiedenen Truppentypen und den verschiedenen Spielphasen ist extrem wichtig. Es gibt viele Regelwerke, wo der Autor seine Lieblingswaffengattung bevorzugt oder eine schlechte Ausgewogenheit zwischen Fern- und Nahkampf oder auch im Kommandosystem besteht.
-   Eine professionelle Aufmachung der Regeln, mit guter Gliederung zum schnellen Auffinden von Regeln, guten Schaubildern zum besseren Regelverständnis und – ja – auch schönen Bildern kann nie schaden.

Anderen Leuten sind noch andere Dinge wichtig, wie dauerhafter Support und Weiterentwicklung der Regeln. Oder ein Gesamtpaket mit Regeln, Figuren, Szenarien etc. alles aus einer Hand, wie bei Flames of War.

Wie seht ihr das? Was zeichnet ein gutes Regelwerk aus? Welche Regelwerke sind gut und warum? Was macht sie besonders, hebt sie aus der Masse?

Soldat Ryan:
Ich stimme mit Dir zu fast 100% überein. Es kommen zu viele Regeln, teilweise nicht bis zum Ende gedacht. Würfelorgien als Ergebnis von fehlender Überprüfung bei der Entwicklung. Statt das Grundsystem zu überdenken wird häufig noch ein Wurf oder noch eine Modifikation eingeführt. Und nicht jede neue Figurenreihe braucht ein neues System. Anhand von SAGA sieht man sehr gut, dass ein gutes System sich auch für viele Sachen nutzen lässt (Dark Age, Herr der Ringe, Westeros, Mittelalter, Japan).

khde:
Für mich sollte ein Regelsystem zwei Dnge verbinden. Es sollte zunächst das Flair dessen wiedergeben, was ich spielen möchte. Das bezieht sich auf die Epoche sowie auf die gewünschten Ebene (Skirmish, Battalion, Division, Kampagnen etc.). Andererseits sollten die Regeln gut spielbar sein und nachhaltigen Spaß bieten. Hierzu gehört der richtige MIx eben alles Relevante gut abzudecken aber nicht durch ein Wust an Regeln Ausnahmen etc. den Spielfluss behindern.

Wir spielen ja jetzt schon lange BP bei unseren Nappi Spielen und das dauerhafte Spielen mit einem Regelwerk hat mMn Vorteile. Wir können locker ein Spiel mit einem Riesenhaufen Zinn auf dem Tisch am Laufen halten. Diese Beständigkeit zahlt sich durchaus aus. Und letztlich hängt auch viel von der eigenen Einstellung und Kreativität ab. Viel gestalten kann man ja selber dadurch das man sich entsprechende Herausforderungen schafft oder annimmt, also z.B. Szenarien etc. Was ich sagen will ist, wenn das Spiel nicht so läuft wie man es sich wünscht, muß es nicht an den Regeln liegen.

gwyndor:
Was ein gutes Regelwerk bringen sollte, ist hoch subjektiv, deshalb will ich meine persönlichen Präferenzen hier auch gar nicht nennen.  Dem Einen kann es z.B. nicht detailliert genug sein, der Andere mag keine Regeln mit mehr als 4 Seiten. Dem Dritten ist Flair das Wichtigste, er macht sich keinen Kopf über ausbalancierte Regeln usw.

Was zeichnet die \"Großen\", also weltweit erfolgreichen, aus?
Als erstes fällt mir die professionelle Aufmachung ein. Vollfarbig, Hochglanz, viele Fotos von top bemalten Minis und Diagramme mit Spielsituationen müssen heute schon sein.
Dann der Support: was z.B. Battlefront an PDFs zum Hintergrund bestimmter Kompanien raushaut, erstaunt mich immer wieder. Aber auch regelmäßige Szenarien, die durchdacht sein wollen, halten die Lust am Spielen frisch.
Das sind für mich die wichtigsten beiden Punkte, die mir so einfallen und die erfolgreiche Regelwerke haben.

Gruß gwyndor

chris6:
Ich kann mich euch allen anschliessen. Jedoch ist fuer mich der wichtigste Punkt, dass das Regelsystem gespielt wird. Ich also Mitspieler moeglichst nah finde. Das ist der Grund weshalb ich nun doch in die FOG Serie einsteige. Bisher erschien mir das nicht das Richtige fuer mich. Aber so langsam finde ich gefallen.

btw bei den Regeln von PeterPig wird viel gewuerfelt, aber die Systeme, die ich von PB selbst kene sind alle grossartig.

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