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Was muß ein gutes Regelwerk bieten?

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Wraith:
Ah, wiedermal eine schöne Diskussion um das Fundament des Hobbies. Sehr schön, Herr Bauer.
Da wir ja einen sehr ähnlichen Geschmack teilen was Regelwerke angeht, ist es wenig überraschend, dass ich deinen Punkten voll und ganz zustimme.
Noch dazu möchte ich einen Punkt hervorheben der mir wichtig ist, den du ja indirekt auch schon genannt hast:
Ein Regelsystem sollte \"taktisch\" fordernd sein, was einerseits natürlich irgendwie eine Art von vielleicht subjektivem \"Spielgefühl\" ist, was ich andererseits als Gegengewicht zum Faktor Würfelglück sehe. Mir persönliche gefallen Spielsystem deutlich besser, bei denen der Taktik-Faktor gegenüber dem Würfelglück überwiegt, sprich: der bessere Taktiker gewinnt deutlich öfter das Spiel. Ganz ohne den Ungewissheitsfaktor geht es natürlich auch nicht, denn den hatte ein echter Feldherr ja auch, und das soll ja ebenfalls simuliert werden. Dennoch ist in meinen Augen ein gutes Regelsystem an dem ich lange Spass habe immer \"hard to master\".
Bei sehr vielen Regelsystemen im historischen Bereich habe ich jedoch den Eindruck, dass es im wesentlichen drum geht seine Figurensammlung hübsch über die Platte zu schieben und das Ergebnis ist im wesentlichen Resultat von Würfelwürfen. Diese Systeme sind häufig sehr kurzweilig, machen beim ersten Anspielen Spass und bieten ein Bisschen Unterhaltung. Ebenso schnell werden Sie aber langweilig, weil man selbst viel zu wenig gefordert ist und das Glück eine zu Große Rolle spielt. Ein konkretes Beispiel aus meiner Sicht wäre z.B. Warmaster... schön dynamische Bewegungsmöglichkeiten, interessanter Ansatz, aber letztendlich nur eine reine Würfelorgie und so gut wie keine Taktik, da man sich nie drauf verlassen kann seine Befehle durchzukriegen, ähnlich sehe ich es da bei den Nachfolgesystemen wie Hail Ceasar und Black Powder und wie sie alle heissen. Ganz schlimmes Beispiel ist für mich auch das Herr der Ringe System auf dem Warhammer Historical die ganzen Skirmishes aufgebaut hat... ich weiss: viele finden es toll... warum auch immer. Ich finde es furchtbar! Im Nahkampf gewinnt der, der die höhere Zahl würfelt? Tolles System! Gratulation! Seite A bewegt, Seite B bewegt, dann haut man sich und es geht von vorne los... Innovation pur.  ;)
Ein Beispiel bei dem zwar viel taktiert werden kann, aber der Glücksfaktor aus meiner Sicht viel zu hoch ist war für mich immer WAB. Was nützt einem die gute Position in die man sich gebracht hat, wenn der entscheidende misslungene Moralwurf gefallen ist und die superteure Eliteeinheit das Weite sucht? Ist mir sooo nervig oft passiert. Bei Impetus ist der Verlustwurf wie Frank schon erwähnt hat ähnlcih problematisch.
Klar, alle diese Systeme haben gewissen Unterhaltungswert, können Spass machen, es gibt lustige Momente usw. Viele Spieler wollen genau das.
Für mich persönlich braucht es zur Langzeitmotivation aber die taktische Herausforderung, bei jedem Spiel neu. Das haben in der Tat die wenigsten. Meine Favoriten bei denen ich ein sehr gutes bis perfektes Verhältnis zwischen Glück und Taktik sehe:
FOG, SAGA, DBA
Immerhin sind alle drei Systeme einigermaßen verbreitet und \"erfolgreich\".

Was nun macht aber Systeme erfolgreich die das nicht bieten?
Erstmal natürlich, dass Leute eher den genannten Spassfaktor haben wollen und keinen großen Wert auf taktische Tiefe legen, was ja vollkommen Geschmacksache ist.
Aber gerade bei den Warlord Systemen und auch beim mittlerweile vergangenen Warhammer Historical ist glaube ich ganz klar die tolle optische Aufmachung und ein halbwegs fähiger Vertrieb der wichtigste Faktor. So kann ein System weite Verbreitung finden, egal wie schlecht und uninspiriert es vielleicht ist.

Constable:
Sehr schwierig zu sagen weil für mich auch viel davon abhängt um welche EPoche es sich handelt, welcher Maßstab, welche Miniaturenanzahl usw. Ich glaube es kommt für mich auch auf viele generelle Faktoren an.

- ich habe gerne übersichtliche und gut aufgebaute Regelwerke. Das hat gar nicht viel damit zu tun ob das Regelwerk nun 40 Seiten oder 400 Seiten hat. Ich muss mich darin zurecht finden können, es sollte einen klaren und logischen Aufbau haben, es sollte gute Regelerläuterungen und Beispiele haben und es sollte einen wirklich tollen INdex haben. Ich HASSE es wenn ich wichtige Dinge suchen, die dann im Index gar nicht zu finden sind oder plötzlich unter anderen Namen zu finden sind. In dieser Hinsicht etwa finde ich Flames of War gut aufgebaut trotz einer relativen Komplexität und zumindest das erste Infinity Regelbuch hat mich super frustriert.

- ich habe gerne tolle Illustrationen, wenn dich SPieltische förmlich anspringen, wenn du nach dem Lesen derart angespitzt bist dass du gleich was bestellen musst, dann ist das optisch gut aufbereitet. Da haben es potentere Firmen natürlich ein wenig leichter; Waterloo von Warhammer Historical etwa ist so ein Buch....total generös verteilte Fotos von Spieltischen, Minis und alles gewürzt mit originalen Illustrationen.....am anderen Ende der Skala steht da etwa so etwas wie \"this very ground\" (FIW Regelwerk), das gerade einmal am Cover ein Farbbild hat und das war es. Lässt sich aber natürlich sicher mit den Produktionskosten erklären und ist wohl unfair da die großen Firmen zu favorisieren.

- Das Regelwerk muss irgendeinen Nerv von mir berühren und da wird es sehr persönlich. Ich kann etwa mit FoG nicht viel anfangen, da rührt sich bei mir nix. Saga habe ich einmal durchgelesen und wusste dass ich das spielen möchte. Ob es nun komplex oder eher easy going ist macht da keinen Unterschied, für mich ist wichtig dass ich eine gute Zeit am SPieltisch verbringe.

- Das Regelwerk sollte mich nicht \"frustrieren\", ich hatte bei manchen SPielsystemen einfach immer einen Punkt wo ich mir dachte \"das ist voll sinnlos\"...wenn man viel zeit mit einem SPiel verbringt und dann irgendeinem \"unbesiegbarem\" Charakter gegenübersteht ist das fad. Wenn man sich dreihundert verschiedene Optionen merken muss und im Grunde auch alle Gegner bis zum Excess können muss um irgendeine Chance zu haben ist das frustrierend.

- ich habe gerne Regelwerke wo man selbst kreativ sein kann, wo es auch um was \"gehen\" kann und nicht nur \"wir treffen uns in der Mitte und klopfen uns - bumm!\"...Herr der Ringe hat da oft ein wenig den touch gehabt dass man sich dann irgendwo auf eine große Keilerei getroffen hat, da tickt FoW für mich wieder viele boxes; ich kann Scenarien machen, man kann viel mit Missionobjectives machen..

- Ich habe im Grunde gerne \"schlanke\" Regelsysteme die nicht auf zu viel \"klimmbimm\" zurückgreifen, wenn ich zu viele karten/Marker brauche dann wird es für mich immer ein wenig schwierig (wobei gerade DAS aber einem Freund von mir wieder voll taugt). Dystopian Wars ist da so ein Beispiel, ist zwar situationsabhängig aber wenn es passiert dann haben die EInheiten plötzlich einen ganzen Rattenschwanz an Markern hinter sich herkriechen...ich mag DW generell aber das ist ein Punkt der mir nicht so gefällt.

- die Regelwerke sollten auch eine zeitlang Bestand haben und gut getestet worden sein. EIn Hauptgrund warum ich mich von GW abgewendet habe, irgendwann einfach die Nase voll gehabt Regelwerke zu kaufen am FLießband und dann noch dazu alle 2 Wochen ein neues FaQ zu lesen. FoW ist ihnen da schon gut auf den Fersen muss ich aber sagen.

Im Grunde habe ich nicht DAS eine Regelwerk bei mir stehen wo ich sage es ist optimal...ich mag FoW weil es einfach für mich persönlich viel hält was es verspricht, gut aufgebaut ist, komplex ist ohne mich ins Nirvana zu treiben und für mich viel richtig macht. Saga ist auch in der kategorie weil es einfach ein erfrischendes und innovatives System ist das viel Spaß macht ohne eben zu komplex zu sein.

das wars..:)

Davout:
Für mich haben einige Regelwerke einfach das Problem, dass die Macher grundlegende Dinge der betreffenden Epoche einfach nicht verstanden haben oder garnicht kennen. Sogenannte nationale Eigenheiten mögen vielleicht vermeintlich Flair verbreiten, aber nicht den der Epoche. Die tatsächlichen Unterschiede z.B. zwischen Armeen der napoleonischen Epoche waren recht gering, Unterschiede bestanden vor allem in der höheren Führung, die seltenst im Tabletop abgebildet werden können. Deshalb sehe ich das Problem vor allem in einer zu starken Turnierorientierung, um es mal so zu nennen. Pauschale Aussagen über ganze Armeen sind äußerst schwer zu treffen und sehr fehleranfällig. Da müsste man die Einheiteneigenschaften schon szenarienabhängig gestalten. Dann gehört eben die geliebte Garde mal zu den Loosertruppen, weil sie an dem gespielten Ereignis ihren schlechten Tag hatte. Insgesamt ist diese Vorstellung natürlich total Old school und damit heute uncool.

Grüße

Gunter

Poliorketes:

--- Zitat von: \'Frank Bauer\',\'index.php?page=Thread&postID=138345#post138345 ----Das Regelwerk muß das Flair der Epoche einfangen. Die Regeln müssen auf die besonderen Taktiken und die Waffentechnik der Epoche abgestimmt sein und über Bonus-/Malussysteme den Spieler zwingen, sich entsprechend der Militärdoktrin der Epoche zu verhalten. Das heißt zum Beispiel, daß die größten Chancen, einen Kavallerieangriff in der napoleonischen Epoche zu überstehen, das rechtzeitige formieren eines Karees sein muß. Andere Reaktionen dürfen möglich sein, müssen aber deutlich geringere Erfolgschancen haben. Eierlegende Wollmilchsäue, die z.B. von der Renaissance bis zur Neuzeit die gesamte Schwarzpulverzeit abdecken, können eigentlich schon mal nichts taugen.
--- Ende Zitat ---

Das sehe ich vollkommen anders, aus einem einfachen Grund. Mit Ausnahme eines relativ kurzen Zeitraums und auch da nur in Europa, beginnend irgendwann im 18. Jahrhundert und endend mit Waterloo, muß ein Regelwerk an diesem Anspruch alleine deshalb scheitern, weil die darzustellenden Truppen zu unterschiedlich sind. Ein wirklich gutes Regelwerk sollte in der Lage sein, völlig unterschiedliche Gegner aufeinandertreffen zu lassen. Wie sonst soll es möglich sein, Rotröcke sowohl gegen Indianer, Inder und Franzosen antreten zu lassen oder die vollkommen verschiedenen Ansätze einer Reichsarmee und ihrer osmanischen Gegner in Einklang zu bringen? Was bringt mir ein Regelwerk, daß den Grabenkrieg 14/18 abdeckt, aber für die insgesamt beweglichere Kriegführung an der Ostfront nicht taugt?


--- Zitat von: \'Frank Bauer\',\'index.php?page=Thread&postID=138345#post138345 ----Das statistische Grundgerüst der Würfelwahrscheinlichkeiten muß sehr genau durchdacht sein. Hier hapert es bei fast allen Regelwerken. Einige Regeln erschlagen das Problem mit einer Würfelorgie, die allein durch die Anzahl der geworfenen Würfel eine statistische Normalverteilung gewährleistet. Andere ignorieren es, indem sie am Ende Wohl und Wehe einer Einheit an einen einzigen Würfelwurf hängen.  Das kann man elegant lösen, indem man es berechenbar macht, wie bei DBA. Da wirft man einen W6 und der entscheidet. Aber der Spieler hat im Vorfeld alle Möglichkeiten, die Wahrscheinlichkeit zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Oder, wie ich finde, unelegant, wie bei Impetus. Ein eigentlich interessantes Regelwerk mit guten Ansätzen, das aber am Ende durch einen völlig zufälligen Wurf der Verlustdifferenz einen erheblichen Glücksfaktor  einbringt, der leicht vermeidbar wäre. Glück ist immer im Spiel, wenn Würfel geworfen werden. Aber das Glück sollte planbar sein, finde ich . Andere sehen das bestimmt anders.
--- Ende Zitat ---
Da bin ich bei Dir. natürlich ist es passiert, daß ein undisziplinierter Pöbelhaufen die Elite der gegnerishen Armee niedergemacht hat, aber solche Extreme sollten nicht durch einen Würfelwurf abgebildet werden (ich denke mit Grauen an mein erstes Hail Cäsar-Spiel, bei dem 1 Wurfspieß, der nicht mal getroffen hat, eine ganze Einheit vernichtet hat), sondern durch die Möglichkeit, eine taktische Situation herbeizuführen, in der so ein Ereignis erklärbar ist. Ritterheere sind nicht an Bauern- und Bürgeraufgeboten gescheitert, weil ein Steigbügel gerissen ist, sondern weil sie ohne Überlegung und Flankenschutz in ungeeignetem Gelände vorgestürmt sind.


--- Zitat von: \'Frank Bauer\',\'index.php?page=Thread&postID=138345#post138345 ----Das Regelwerk sollte möglichst alle Spielsituationen interpretationsfrei abdecken. Auch so ein Punkt, wo die meisten Regeln scheitern. Das gebräuchliche Argument ist dann immer: „Macht doch nichts, da kann man sich doch mit seinem Spielpartner einigen!“ Klar kann man. Das ist auch kein Problem. Aber es ändert nichts daran, daß die Regeln an dieser Stelle anscheinend lückenhaft waren und mich als Spieler zwingen, diese Unzulänglichkeit selbst zu füllen. Das hindert den Spielfluß, birgt Potenzial für Unstimmigkeiten zwischen den Spielern und im schlimmsten Fall sogar für hanebüchene Aktionen von erfolgsorientierten Spielern, weil es ja in den Regeln nicht ausdrücklich untersagt ist.
--- Ende Zitat ---
Das ist beinahe unmöglich. Ich habe jahrelang über die schlecht formulierten GW-Regeln geschimpft, bis ich immer mehr Regelwerke anderer Anbieter kennengelernt habe, die das schlechteste GW-Buch wie ein leuchtendes Beispiel an unmißverständlicher Klarheit erscheinen lassen. Ein Regelautor kann schlicht nicht alle Möglichkeiten abgreifen. Sobald die Paragraphenreiter sich auf ein Werk stürzen, werden sie Lücken finden. Trotzdem sollte ein Regelwerk in sich logisch sein und für alle Standardsituationen eine Lösung haben. Für den Rest ist ein regelmäßiges Update von FAQ oder eine schnelle Antwort in offiziellen Regelforen notwendig.


--- Zitat von: \'Frank Bauer\',\'index.php?page=Thread&postID=138345#post138345 ----Eine gute Ausgewogenheit zwischen den verschiedenen Truppentypen und den verschiedenen Spielphasen ist extrem wichtig. Es gibt viele Regelwerke, wo der Autor seine Lieblingswaffengattung bevorzugt oder eine schlechte Ausgewogenheit zwischen Fern- und Nahkampf oder auch im Kommandosystem besteht.
--- Ende Zitat ---
Das ist ein Kardinalfehler, der eigentlich gute Regeln ungenießbar machen kann. Ein Klassiker sind für mich Normannen, deren Stärke ein Autor damit erklärte, daß sie in jedem Regelsystem die härteste Armee wären und daher auch bei ihm...  Ein beliebter Fehler ist es auch,  eigentlich extrem selten eingesetzten Elitetruppen frei verfügbar zu machen. Dann hat plötzlich jede deutsche kampfgruppe einen Jagdtiger.


--- Zitat von: \'Frank Bauer\',\'index.php?page=Thread&postID=138345#post138345 ----Eine professionelle Aufmachung der Regeln, mit guter Gliederung zum schnellen Auffinden von Regeln, guten Schaubildern zum besseren Regelverständnis und – ja – auch schönen Bildern kann nie schaden.

--- Ende Zitat ---
Und ganz, ganz wichtig einem guten Glossar.

Soldat Ryan:
Ich habe eine Sache vergessen: Es sollte verständlich und logisch aufgebaut sein. Also negative Beispiele fallen mir spontan Too Fat Lardies mit ihren Regelwekren ein udn Chris Peers. Gute Regelwwerke, die aber schlecht auf gebaut und bearbeitet sind.
Gut verständlich sind immer die Sachen von Rick Priestley. Der kann gut und verständlich schreiben.

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