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Autor Thema: wie historisch ist historisch?  (Gelesen 3377 mal)

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Decebalus

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wie historisch ist historisch?
« Antwort #15 am: 18. Oktober 2013 - 12:58:57 »

@burko: Sorry, ich bin manchmal etwas schärfer, aber Du wolltest doch auch provozieren. Ist nicht persönlich gemeint.

\"Wenn nicht einmal Geschichtsbücher immer \"historisch korrekt\" sind wie soll dann ein TT jemals wirklich historisch sein. Ich sehe die Historie als Rahmen in dem man sich bewegt, nicht mehr aber auch nicht weniger.\"

Wir müssen doch unterscheiden zwischen
Vergangenheit =/= Geschichte/Historie.

Vergangenheit ist alles was mal passiert ist, incl. der Sack Reis, der in China umgefallen ist. Vergangenheit lässt sich niemals komplett erfassen. Wie will ich jeden Sack Reis rausbekommen.

Geschichte/Historie ist das, an das wir uns heute aus einem bestimmten Interesse erinnern. Wir haben ein Interesse am 2. WK, weil das etwa noch heute unser Leben bestimmt.
Wir haben kein Interesse an dem erwähnten Sack Reis.

Geschichte spielen ist jetzt eine besondere Form der Beschäftigung mit Vergangenheit. Hier wollen wir ein historisch plausibles Spiel haben, dass heißt wir haben Freude (=Interesse) daran, bestimmte militärische Probleme der Vergangenheit nachzuspielen. Und zwar zumeist strategische und taktische Entscheidungen. Wir haben z.B. kein Interesse daran nachzuspielen, wie es dem Soldaten mit Magen-Steckschuß ging.

Ob ein Spiel historisch ist, hängt also m.E. davon ab, ob ich ein historisches Problem nachspiele. Das Problem von Dark Eldar, wie die imperiale Gardisten zu Sklaven machen, ist schon mal kein historisches Problem.

Wenn ich dieses historische Problem irgendwie umsetze, habe ich m.E. ein historisches Spiel. Wenn was nicht stimmt, was aber für das \"Spielen des Probelms\" unerheblich ist, dann ändert das nichts am historischen Spiel.

D.h.
- Wenn ich Waterloo nachspiele und als Napoleon Entscheidungen treffen muss, wie ich Waterloo gewinne, dann bleibt das Spiel historisch, auch wenn meine Truppen alle Zweispitz tragen (der 1806 abgeschafft wurde).
- Wenn ich imperiale Römer gegen Makedonen spiele, dann kann ich das historisch rechtfertigen, da es immerhin denkbar war, dass ein makedonisches organisiertes Reich noch zu dieser Zeit existiert hat, bzw. ich kann die imperialen Römer als \"Stand in\" für republikanische Römer begreifen. Die Schlachtentscheidungen werden nicht völlig absurd, sondern bleiben wahrscheinlich ganz im historischen Bereich.
- Dass der 2. WK nach 1945 weiter ging, ist denkbar (wenn auch unwahrscheinlich). Dass aber das deutsche Reich dann Zombies eingesetzt hatte, ist reine Fantasy. Also nicht historisch.
- Tatsächlich bin ich der Meinung, dass das größte Problem von FoW nicht die ziemlich unhistorische Kombination von Kompanie und Divisionstruppen ist. Sondern es ist das Punktesystem in Kombination mit nur 3 Epochen. Das führt zu grundlegend unhistorischen Aufstellungen, Paarungen und Kräfteverhältnissen. Und hier spielt sich FoW eben wie WH40k und nicht wie ein historisches Spiel.
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Wraith

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wie historisch ist historisch?
« Antwort #16 am: 18. Oktober 2013 - 14:21:06 »

@Decebalus: Wohl gesprochen. Deine genannten Beispiele finde ich sehr schön.
Wo ich ein wenig widersprechen will, auch wenn ich kein eingefleischter FOW-Speiler bin: da gibt das System ja schon deutlich mehr vor als die meisten anderen WW2-Systeme. Immerhin sind in den Büchern immer bestimmte Kriegsschauplätze/Feldzüge/Zeitabschnitte erfasst und die Listen sind zueinander schon historisch passend. Was die Spielerschaft draus macht ist ja wieder ne ganz andere Sache, insofern: IMMERHIN wird bei FOW in 3 Epochen unterschieden die nicht komptatibel zueinander sind, da geben die meisten anderen Systeme weniger bis keine Restriktion.
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burko

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wie historisch ist historisch?
« Antwort #17 am: 20. Oktober 2013 - 01:33:51 »

@decebalus: Kein Ding, die Diskusion geht ja in den diversen Foren nun dahin, wo ich sie hin haben wollte. Ziel erreicht. :)

Ich finde es unglaublich spannend in den verschiedenen Foren komplett unterschiedliche Diskusionsverläufe zu beobachten. (und nicht eines mochte das was ich geschrieben hatte :thumbup: )
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Schrumpfkopf

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wie historisch ist historisch?
« Antwort #18 am: 20. Oktober 2013 - 04:18:53 »

Die Frage impliziert das es ein auf Spiele angewandtes Rechercheniveau gibt, bei dem, wenn es denn erreicht wird, man von \'historisch korrekt\' sprechen kann.

Tatsaechlich ist es meiner Erfahrung nach so, das vor einem historischen Hintergrund eine Schlacht gespielt wird anstatt eine historische Schlacht moeglichst genau
nachzustellen, was bei einer 100% Realitaetsnaehe ja nichts anderes als das historische Endergebnis bedeuten muesste.
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Franz

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wie historisch ist historisch?
« Antwort #19 am: 20. Oktober 2013 - 09:19:25 »

Das 100% Nachstellen einer Schlacht ist eher was für eine Ausstellung. Freude hat man dann an dem Anblick.

Damit das Spiel Spaß macht, sollte der Spieler möglichst viel eigenen Entscheidungsspielraum haben.
Ich wünsche mir einen Feldzug mit historisch vorgegebenen Truppen, der Ort der Schlacht und die Anzahl der eintreffenden Truppen hängt dann von den Spielern ab.
Durch viele Spieler und deren Einzelentscheidungen, kann es dann sehr spannend werden, denke ich.
Gruß
Franz
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Ich habe etwas Lächerliches über die Menschen herausgefunden. Sie sind bereit, für Orden und bunte Bänder zu sterben.

von Napoleon

Mansfeld

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wie historisch ist historisch?
« Antwort #20 am: 21. Oktober 2013 - 21:55:26 »

Tja, als berufsmäßiger Historiker muß ich jetzt aber mal zur Ehrenrettung der TT-Szene laut und deutlich sagen, daß in diesem Hobby mit tonnenweise mehr historischer Kenntnis und Skepsis operiert wird als in diversen TV-Produktionen, Zelluloidopern, sogenannten \"historischen\" Romanen oder total verblödenden Pseudofachbüchern in Thalias Grabbelregal.

Zur Zeit spiele ich gerne SAGA, und da mein Studienschwerpunkt so ziemlich diese Epoche war, fallen mir schon Ungenauigkeiten auf. Wenn man aber mal hinschaut, was die Spielmechanismen abbilden, so ist es gar nicht mal so daneben. Zum Beispiel die Resilience-Regel für den Warlord: Das heisst ja nicht, daß ein frühmittelalterlicher Gefolgschaftsanführer mal locker einen Schwerttreffer wegstecken kann, sondern daß ein sehr gut ausgebildeter und motivierter Kämpfer nicht so schnell zu Boden geht (ist halt doch noch ausgewichen, seine Rüstung ist besser etc.). Natürlich gab es damals auch Anführer von Gefolgschaften, die sich wahrscheinlich eher ungeschickt angestellt haben, aber das spricht ja nicht dagegen, daß es eben auch die kämpferisch überlegenen Anführer gab (und man sollte mal psychologische Dinge wie den sozialen Druck durch die Erwartungen an einen Anführer in einer heroisierenden Gesellschaft nicht unterschätzen).

Dann kommt noch hinzu - und das kann ma nicht oft genug betonen - daß viele Dinge bis heute ungeklärt sind (gab es Berserker? Wie verbreitet waren Kettenhemden? Wie gut ausgebildet war der sächsische Fyrd?). Und das ist in so ziemlich allen historischen Epochen so. Ich muß immer wieder feststellen, daß viele Leute irritiert sind, weil anscheinend feststehende historische Erkenntnisse immer wieder revidiert oder modifiziert werden, aber so ist es in Wissenschaften nun mal, man gewinnt immer neue Erkenntnisse.

Es gibt allerdings einen GANZ GEWALTIGEN KRITIKPUNKT, den ich hier mal anbringen muß:

ZWANZIG ODER HUNDERT MANN SEHEN NICHT AUS WIE EIN EINZELNER SOLDAT!!!! :smiley_emoticons_pirate_censored:


Ähem, tschuldigung, persönlicher Rant-Ausrutscher eines bekennenden What-you-see-is-what-you-get-Fetischisten :blush2:
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Constable

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wie historisch ist historisch?
« Antwort #21 am: 21. Oktober 2013 - 22:04:27 »

Gut gebrüllt Löwe, äh Mansfeld...:)

Wie viele echte Historiker sind hier eigentlich unterwegs. Und mir kommt oft vor dass wir das alles oft lockerer nehmen als andere hier.  :party:

Mansfeld

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wie historisch ist historisch?
« Antwort #22 am: 21. Oktober 2013 - 22:20:02 »

Naja, wie gesagt, wenn man mit der historischen Sachkenntnis von Politikern, TV-Leuten, Jouralisten und Romanschreibern konfrontiert ist, so ist das Abtauchen in die Tabletopcommunity doch geradezu eine Rückehr ins Paradies: Leute, die sich mit Geschichte wirklich mal beschäftigt haben! Ohne es studiert zu haben, und ohne damit herumzuprotzen!

Musste wirklich mal gesagt werden, und ich wiederhole es gerne:

Tabletopspieler hier, ich bin sehr froh, daß es Leute wie euch gibt, die sich gerne mit Geschichte beschäftigen, und die sich auch wirklich fundierte Ahnung angeeignet haben, und dazu noch ein zivilisiertes und höfliches Verhalten an den Tag legen.

Okay, es gibt auch Leute wie mich, aber damit müsst ihr leben :P
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AndréM

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wie historisch ist historisch?
« Antwort #23 am: 22. Oktober 2013 - 11:18:51 »

Zitat
Ich bin der Meinung, dass sich reine historische Wargamer durchaus als die Elite des Tabletop-Hobby\'s bezeichnen können, sowohl was ihr Wissen, was auch oft ihre handwerklichen Fähigkeiten angeht.

Geht das schon wieder los....

Mir ist ja inzwischen fast jeder suspekt, der sich als Elite seines Hobbys bezeichnet. Erfahrungsgemäß dient so ein Ausspruch meist eher der Aufwertung des eigenen Selbstbewußteseins als irgendwelcher wirklicher Information.  Und ich dachte diese Art von Einstellung hätten wir so langsam überwunden, aber es scheint immer noch Einzelexemplare zu geben, die sich für was Besseres halte als die anderen.

@Historisch
An erster Stelle ist mir wichtig, dass alle Beteiligten Spass haben. Danach kommt erst die Akuratesse, wobei ich nie das Spiel verweigern werde, wenn einer seine römischen Schilde mal in Blutrot statt in Ziegelrot angemalt hat, sollte er aber nur mit ausgefransten Papierfetzen als Miniersatz und einer speckigen und colaverklebten Armeeliste ankommen behalte ich mir trotzdem vor das Spiel zu verweigern ;) Auch ich hab da meine Schmerzgrenze.

Historische Akkuratesse betrachte ich fast immer als Bonus, wenn der Spielspass gegeben ist und die Armee halbwegs schön aussieht. Wobei auch gesagt werden muss, dass in weiter entfernten Epochen wir ja nur den aktuellen Vermutungsstand kennen und dieser sich immer wieder ändern kann. Von daher kann man nicht 100% akkurat sein. Selbst bei WWII-Panzerbemalungen geraten wir ja schon ins Schwimmen, da zum einen im Feld mit dem bemalt wurde was grad da war und zum anderen die Vorgaben auf Papier mit Blick auf die Realität gerne mal gepfiffen wurde.

Spielerisch sollte halt ein halbwegs mögliches Ergebnis rumkommen. Also die Kelten sollten nicht Caesar allein durch einen Flankenangriff ihrer gepanzerten Igelhorden in die Flucht geschlagen haben...

Nebenbei, FoW basiert auf 40K und war ursprünglich eine direkte Weiterentwicklung aus den Panzerregeln. Das merkt man heute noch an einigen Stellen, auch wenn es sich mit V3 schon deutlich entfernt hat.

Generell aber ist man bei hist. TTlern in der Regel vom Wissen her besser drauf als in den meisten anderen Kreisen, dass kann ich so bestätigen.

@Fetter Ausruf
Volle Zustimmung, spielt mehr 6mm Leute ! ;)
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> I like Tabletoppers with a stiff upper lip but not a broom up their arse!

> Dublin Mud is a mix of Baily\'s and Guiness... and should not be used to paint ships!

Mansfeld

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wie historisch ist historisch?
« Antwort #24 am: 22. Oktober 2013 - 21:53:23 »

Andre: Gut gebrüllt, Comicpanther! Das mit 6mm hab ich mir tatsächlich schon angesehen, will ich irgendwann mal für FoG in Angriff nehmen. Es gibt es ja schicke Wikinger, Angelsachsen und Normannen bei Baccus (https://www.baccus6mm.com/index.php?content=products).
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