Und es ist wieder Sonntag, also gehts weiter mit dem Entwicklertagebuch:
Englisch wie immer hier aufm Blog Entwicklertagebuch - Eintrag 2: Design-Philosophie
Nach dem wir uns im letzten Eintrag um die ersten Schritte und die Geburt des eigenen Regelsystem unterhalten haben, soll es heute um die zugrundeliegende Design-Philosophie gehen.
Wie vorher erwĂ€hnt (siehe auch erster Post im Thread) gab es einige Punkte mit denen ich bei FoF nicht konform gehen konnte und die mich zum Ăndern der Regeln bewegt haben. Um ein eigenes und vor allem gutes System zu bauen reicht es aber nicht, das Design eines anderen Autors als fehlerhaft zurĂŒckzuweisen. FrĂŒher oder spĂ€ter muss man sein eigenes Ziel finden, eine Vision entwickeln und Prinzipien festlegen, auf denen das System basieren soll.
Wir reden hier ĂŒber Modellierung komplexer Systeme, was bedeutet, wir mĂŒssen die Kernmechanismen identifizieren die wichtig sind, um abzubilden was wir abgebildet sehen wollen.
Kurz gesagt: Man muss sein Ziel kennen um es erreichen zu können.
Daher gehen wir im Folgenden etwas detaillierter auf die Ziele und Prinzipien des neuen Systems ein, bevor wir uns spÀter mit den Details beschÀftigen.
Der erste wichtige Punkt den ich fĂŒr die Entwicklung des Systems betonen wollte ist das Treffen von
Entscheidungen. Der Spieler soll das Chaos des Schlachtfeldes managen, das heiĂt er muss schwere Entscheidungen ĂŒber begrenzte Ressourcen treffen ohne Vorhersehen zu können was als nĂ€chstes passiert. Offiziere im Feld haben keine perfekte Information ĂŒber alle VorgĂ€nge, nur selten können sie alle verfĂŒgbaren Mittel koordiniert gegen ein Ziel einsetzen â mangelnde Information, fehlender Ăberblick, Kommunikationsschwierigkeiten â vieles trĂ€gt dazu bei, dass der Handlungsspielraum von Offizieren begrenzt ist.
FĂŒr das Spielsystem selbst bedeutet das, dass die Mechaniken den Handlungsspielraum begrenzen mĂŒssen, allerdings nur so weit, dass sie eine Entscheidung interessant machen. Betrachtet man Mechaniken in dieser Hinsicht stellen sich Fragen wie:
Wird durch die Mechanik eine sinnvolle und wichtige Entscheidung provoziert? Ist eine Option ein No-Brainer oder gibt es Trade-Offs zwischen verschiedenen Handlungsalternativen â d.h. Existiert in wichtigen FĂ€llen ĂŒberhaupt ein Dilemma? Existiert eine gute Balance zwischen Risiken und Chancen von Optionen?
Oder kurz zusammenfasst: Stellt das Spiel interessante und fordernde Entscheidungen zur VerfĂŒgung?
Der zweite Aspekt ist
Taktischer Realismus. Mag ein StĂŒck weit kĂŒnstlich klingen, bedeutet aber folgendes: Modelliert das System die RealitĂ€t in angemessener Weise, um reale Taktiken zu belohnen? Werden schlechte Taktiken bzw. unrealistische Aktionen entsprechend bestraft?
Kurz: Die RealitÀt soll (abstrahiert) dargestellt werden, nicht irgend ein Hollywood-Film.
Mir persönlich wichtig ist auĂerdem
erzĂ€hlerische QualitĂ€t. Klingt schon wieder so kĂŒnstlich, soll heiĂen: ErzĂ€hlt das System mit seinen Mechaniken eine Geschichte? Ist der Ablauf von Ereignissen so dargestellt, dass er eine Geschichte im Kopf des Beobachters erzeugt und ist das System in der Lage eine âSuspension of Disbeliefâ aufrecht zu erhalten?
FĂŒr mich besonders wichtig weil ich ursprĂŒnglich aus dem Rollenspielbereich komme und auch Tabletop-Wargaming meines Erachtens nach in der Lage sind eine Story zu erzĂ€hlen. Wichtig dafĂŒr ist, dass die Spielelemente nur so weit abstrahiert sind, dass sie vorgeblich logisch sind und eine ausreichende ErklĂ€rung fĂŒr beobachtete PhĂ€nomene liefern.
Letzter wichtiger Punkt:
SimplizitĂ€t. Dieser Aspekt schwebt ĂŒber allen anderen, steht teilweise im Widerspruch zu den anderen Zielen, muss aber beachtet werden wenn das System seinen Rahmen nicht sprengen soll â wie können die Mechaniken soweit vereinfacht werden, dass ich die gewĂŒnschten Details mit minimalem Aufwand darstellen kann? Welche Aspekte sind im Rahmen des Spiels zu komplex und zu tiefgreifend und mĂŒssen daher ausgeklammert oder vereinfacht werden?
Ziel hier ist ein reibungsloser Spielfluss mit möglichst wenigen WĂŒrfelwĂŒrfen, Berechnungen und Nachschlagen von Regeln. Optimalerweise sollten die Mechaniken dem Spieler erlauben sich auf die wirklich wichtigen Aspekte und Entscheidungen des Spiels zu konzentrieren statt uns zum endlosen generieren von Zufallszahlen und zu komplexen Berechnungen zu verdammen.
Einfachheit bedeutet aber nicht, dass das Spiel simpel oder anspruchslos wird. Es geht hier um Effizienz und Eleganzâ den gewĂŒnschten Effekt mit minimalem Einsatz von Mechaniken erreichen zu können. Das sollte auch dabei helfen, die typischen Probleme mit vergessenen Sonderregeln zu vermeiden.
Zusammengefasst also meine Gesamt-Vision des modernen Regelwerks:
Das System soll einfach zu lernen sein, aber hart zu meistern, es soll eine erinnernswerte Spielerfahrung erzeugen wobei die Entscheidungen des Spielers im Vordergrund stehen â d.h. Der bestmögliche Einsatz der Truppen unter den gegebenen BeschrĂ€nkungen des Schlachtfeldes. Dabei sollen realistische Taktiken belohnt und ein glaubwĂŒrdiges Szenario erzeugt werden.
Apropos Szenario...
Ein wichtiger Teil des Systems, auf den wir spÀter nochmal im Detail eingehen ist Szenariodesign. Hierzu ein paar grundlegende Anmerkungen, die in gewisser Weise auch Design-Philosophie sind:
Ich kenne sowohl Leute die punktbasierte Spiele ablehnen und voll auf Szenarien setzen, als auch umgekehrt. Beide Systeme haben ihre klaren Vorteile: Szenarien erlauben realistischere Spiele mit unbalancierten Truppen, die durch asymmetrische Spielziele ausbalanciert werden. Punktebasierte Spiele erlauben schnelle Partien ohne groĂe Vorbereitung.
Allerdings habe ich mich schon seit einer Weile gefragt wieso diese endlose Diskussion (vor allem im englischsprachigen Internet) zwischen Punkten vs. Szenarien so hartnĂ€ckig gefĂŒhrt wird. Stehen sich die beiden AnsĂ€tze wirklich diametral entgegen?
Da ich mich daraufhin nĂ€her mit dem Thema beschĂ€ftigt habe bin ich zur Ansicht gekommen, dass Punkte und Szenarien keine GegensĂ€tze sein mĂŒssen.
Wie balanciert man Szenarien? Indem man fĂŒr zusĂ€tzliche Truppen von Spieler A einfachere Ziele fĂŒr Spieler B festlegt. Was macht man wenn man Anfangs daneben lag und das erste Testspiel im Szenario noch etwas unbalanciert war? Man fĂŒgt Truppen hinzu (oder entfernt welche), modifiziert Spielziele und Zeitlimits...
Das ganze macht man ĂŒblicherweise Pi-mal-Daumen nach dem Prinzip GutdĂŒnken, weshalb erfahrene Designer bessere Szenarien entwickeln können. Aber wieso sollte es nicht möglich sein, diese Aspekte auch mit Punkten zu bewerten? Was anderes tut doch der erfahrene Designer auch nicht...
Daher bin ich der Meinung, dass es sehr wohl möglich ist einen guten Punktebasierten Szenario-Generator zu bauen â ein System, dass den Spielern erlaubt daheim zwei Listen mit definiertem Punktwert zu entwerfen, in denen Truppen, Spielziele und Szenarioregeln definiert werden (mit entsprechender Bepreisung). Dann bringen beide einfach ihre Truppen mit und spielen los â ganz ohne drei vorherige Spieltests um das Szenario auszubalancieren.
Details dazu gibtâs wie gesagt spĂ€ter in einem eigenen Beitrag, aber ich sage soviel: Bisher machen wir gute Fortschritte damit und ich bin recht optimistisch, dass es weiterhin funktioniert.
Das solls auch schon wieder gewesen sein, bis nÀchste Woche, dann mit Command & Control.
Edit: Verkackte Formatierung gefixed.