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Autor Thema: Lanzentransport  (Gelesen 5227 mal)

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Riothamus

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Lanzentransport
« Antwort #15 am: 07. Dezember 2015 - 16:52:47 »

Der Teppich von Bayeux ist in diesem Zusammenhang natürlich in sofern etwas ungünstig als Quelle, da er sozusagen eine Ausnahme von der Ausnahme darstellt. Bekanntlich kann man die Normandie als Musterstaat betrachten. Zum anderen aber musste Wilhelm auf externe Krieger zurückgreifen, da ein Teil seiner Vasallen abstritt, ihm zur Eroberung Englands dienen zu müssen. Auch sonst wäre sein normales Aufgebot wohl zu klein gewesen. Welche Gründe man auch immer nennt, sein Heer bestand zu einem großen Teil aus Söldnern und Rittern, die sich dringend ein Lehen erkämpfen mussten. Hier musste der Kriegsherr zurüsten, allein schon um die Qualität der Bewaffnung sicher zu stellen. Es war eben nicht das normale Aufgebot.

Aber es wird auch niemand bestreiten, dass, auch wenn der Teppich die Ausnahmesituation einer besonders großen Unternehmung darstellt, ein Aufgebotsherr Ersatz mit sich führte und bei Bedarf an sein Aufgebot austeilte. (Wobei nicht nur der jeweilige Kriegsherr ein Aufgebotsherr war, sondern auch diejenigen seiner Vasallen, die ein eigenes Aufgebot anführten. Mit diesem Status war ursprünglich das Recht, eine Fahne zu führen, verbunden. Das eigentliche Tragen der Fahne war später meist an eine bestimmte Adelsfamilie als Privileg vergeben.)

(Dazu dienen die Lanzen auf dem Teppich von Bayeux noch in erster Linie als Wurfwaffe und zum Fechten, weniger zum Angriff in der Formation. Aber das ist wieder ein anderes Thema.)

 Doch war im Normalfall genau festgelegt, dass das Aufgebot bewaffnet zu erscheinen hat. Ich habe gerade keine Zeit, es herauszusuchen, weshalb ich dazu noch nichts geschrieben hatte, aber es gibt dazu über das ganze Mittelalter hinweg Schriftquellen. Da soll keine Lanzenspitze mitgebracht werden, sondern ein Speer oder eine Lanze. Keine Pfeilspitzen, sondern Pfeile. Was dann im Dienst verbraucht wurde, musste natürlich ersetzt werden. Der Ritter musste ja schon deshalb einen Satz Waffen besitzen, um sich üben zu können. Was nach Aussage der Fachliteratur gerade für den Lanzenritt besonders notwendig ist.

Dass es einen Unterschied machte, ob man reiste oder gerüstet zu Pferd saß, geht daraus hervor, dass man das Schlachtross eben nicht nicht zum Reiten, also für den Personentransport von A nach B nutzte, sondern dafür ein Reisepferd mit sich führte. Daher muss es notwendigerweise Gewohnheiten gegeben haben, wann ein Heer bereit zur Schlacht marschierte, oder wann es reiste, um mit dem anachronistischen Ausdruck \'marschieren\' den Gegensatz zur ungerüsteten Positionsveränderung zu betonen.

Was die Ursprungsfrage angeht, muss man also feststellen, dass es situationsabhängig war.

Dazu kommt, dass Mittelalter und frühe Neuzeit (Für diese Frage sicher bis in die ersten Jahre des 30jährigen Kriegs zu fassen.) einen sehr langen Zeitraum mit gewaltigen Änderungen bei Kampfesweisen und Logistik umfasst, dass eine pauschale Beantwortung eigentlich zu kurz fasst. Auch muss bewusst sein, dass von einem begrenzten Raum auszugehen ist. Schon auf den Britischen Inseln, in Ost- und Nordeuropa herrschten, zumindest zeitweise andere Regelungen zur Heeresorganisation.
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Gruß

Riothamus