Epochen > Absolutismus und Revolution

Die Lineartaktik im Spiegel zeitgenössischer Ordnungsvorstellungen

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tattergreis:
Ich möchte nochmals anmerken, dass ich niemals von einer absoluten immerwährenden situationsübergreifenden Überlegenheit der Linie über die Kolonne überzeugt war und ich IIRC dies hier auch nicht als axiom verwendet habe.

Ist auch müßig, ich hab mit Preußen in Kolonnen gegen Dirk gewonnen :D

Das bild vom bajonettfechten bei ortenburg bezieht sich m.E. auf die nachnapoleonische Zeit. Und Taktiken der Antike müssen nicht im 18. Jahrhundert klappen. Das Edit 2 verstehe ich nicht.

cheers

Riothamus:
Da Du gepostet hast, während ich gerade die PN beantworten wollte, antworte ich hier:

1. Glückwunsch.

2. Dann habe ich Dich falsch verstanden. Im anderen Thread hatte ich das eh schon halb vermutet.

3. Dann muss ich morgen nicht mehr nachsehen, aber auf das Bild kommt es für die Argumentation nicht an.

4. Die Vergleiche dienen der Illustration, um nicht ausführlich das Gemeinte erklären zu müssen. Dementsprechend sollte man die Vergleiche auch als Hinweis verstehen, nicht als ein \"Das war genauso wie bei Pharsalos!\" oder so. Und die Physik hat sich nicht geändert. ;)

5. Mit dem EDIT2 wollte ich ausdrücken, dass es eben doch vorkam, dass es zum Handgemenge kam. Und dann wurde bei Erfolg eben die Linie von einer Kolonne durchbrochen. Die Frage, wie häufig es zum Nahkampf kam, ist meines Wissens unentschieden. Immer wenn ich Literaturangaben folgte, landete ich bei Memoiren und nicht bei Auswertungen von Gefechten. Das muss nichts heißen; ich bin dem nicht systematisch nachgegangen. Seltener als meist gedacht wird es gewesen sein. Sonst wären die Erwähnungen unverständlich. Und daher kommt ja auch zu einem Gutteil das Bestreben eines martialischen Aussehens der Soldaten und der Uniformen. Aber ein \"meist\" schließt ein Vorkommen nicht aus. Im Gegenteil, um \'meist\' sagen zu können, müssen beide Fälle vorgekommen sein.

Und jetzt werde ich noch versuchen etwas Schlaf zu kriegen.

tattergreis:
ein bsp Nahkampf kolonne gegen linie ist  bei ortenburg waffen der revolutionskriege seite135  ;)

Das Bspbild bajonettfechten bezieht sich allerdings auf den Kampf zw. Infanteristen, das Bild des Kampfes Lancier (in Zwergenform :D  ) gegen Inf hab ich nicht gefunden

was ich ja immer predige ist die Kernaussage Moral über Formen, weshalb ich den Moraltest als save bei BP in gewisser weise ok finde (figurenumkippen finde ich aber noch besser, eben old school  :thumbup:  ). Nur den 2+ save von Garde in Kolonne bei BP ist dann doch etwas OP.

Gute Nacht!

Davout:
Da will ich doch auch noch meinen Senf dazugeben. Es gab und gibt nun zwar den Begriff der \"Angriffskolonne\", ABER diese Formation sollten eigentlich nicht zum unmittelbaren Angriff auf den Gegner dienen, sondern nur die Annäherung erleichtern. Die wesentlichen Vorteilel von Kolonnen auf dem Schlachtfeld war, dass sie wegen ihrer im Vergleich zur Linie geringeren Breite leichter zu manövieren waren und man daraus schneller ein Karree improvisieren konnte. Deutliche Nachteile hatte man dagegen durch die weit geringere Feuerkraft und die erhebliche Anfälligkeit gegen Artilleriebeschuss. Deswegen sollte nach der Annäherung in Kolonne vor der Aufnahme des eigentlichen Kampfes in der Regel immer zuerst in Linienformation übergegangen werden. In der Praxis kam einem häufiger einfach der Gegner zuvor oder die eigene Truppe war für so eine Formationsänderung zu schlecht ausgebildet. Die häufigere Anwendung der Kolonnenformation hatte auch zur Folge, dass die Bataillonsstärker größer werden konnten, da der Kommandeur eine Masse von 1000+ Menschen in einer etwa quadratischen Aufstellung leichter mit seiner Stimme führen kann als eine auseinandergezogene Linie.

Thema Plänkler:
Das Problem damit war einfach, dass sie letztlich kein Gefecht entscheiden konnten. Man rang lange um ein sinnvolles Maß an Plänklern, da ein übermäßiges Ausschwärmen in offene Formationen doch nur sinnlos die eigenen Verluste in die Höhe trieb.
Beispielsweise hatte die preußische Führung um 1806 eine im Grunde irrige Meinung über die französische Infanterie, deren Anteil an leichter Infanterie als recht hoch eingeschätzt wurde. Dabei gab es in Frankreich weder ein eigenes Reglement noch eine übergreifende besondere Ausbildung der leichten Infanterie. Dem gegenüber hatten die Preußen selbst in ihren Füsilieren eine wirkliche eigene Infanterie, sogar mit speziellen Waffen, in Gestalt der Jäger besaßen sie Elite-Scharfschützen. Ausschlaggebend war dann aber doch eher die Strategie und die taktische Kriegserfahrung der französischen Seite.

Um mit noch einem weiteren Mythos aufzuräumen: die französische Armee der Revolutionszeit und des Kaiserreichs hatte sehr wohl gezogene Schusswaffen. Diese wurden jedoch nicht massiert eingesetzt und dienten die meiste Zeit als Ausrüstung der Chargen bei den Voltigeuren. Man konnte also durchaus von französischen Büchsenschützen weggepustet werden. Selbst im mittleren Kaisserreich waren noch gewisse Quanitäten an diesen Waffen verbreitet.

Grüße

Gunter

Pappenheimer:
@ Goltron

Diese Diskussion und sogar weitergehend die Erprobung von Kolonnen gab es ja schon um die Mitte des 18.Jh.. Man muss da nur - vielleicht für Dich überraschend - resümieren, dass die Ergebnisse meistens eher vernichtend für die Kolonne waren. Davout hat ganz richtig das Problem mit den höheren Ausfällen erwähnt. Überhaupt haben sich solche Massierungen von Truppen auf einem Fleck nie ausgezahlt, sondern waren eine üble Falle. Man sieht das an Höchstätt, einer der wohl am besten erforschten Schlachten der ersten Hälfte des 18.Jh.. Die Franzosen warfen, da sie eine Überflügelung oder eine Einnahme ihrer angeblichen Schlüsselpositionen befürchteten, Einheiten um Einheiten bspw. nach Blindheim hinein. Der weitaus überwiegende Teil der Männer kam nie zum Feuern, bekam aber den Kugelregen der feindlichen Artillerie ab, während nur die vorderen der Verteidiger schießen konnten. Als Blindheim aufgab, zeigte sich, dass es viel mehr Gefangene gab, die gemacht wurden, als Truppen der Engländer je den Ort angegriffen hatten(!). Und auch in der Offensive erwies sich die Kolonne als sehr anfällig. Wenn man massiv vorging und der Verteidiger punktuell nachgab, wurde die \"Kolonne\" eventuell von allen Seiten bestrichen, wenn die Verteidiger in Linie, wo diese nicht eingedrückt wurde, einschwenkten.
Wenn man räumlich getrennt angriff, wie es bei Fontenoy passierte, muss diese Attacke gut koordiniert sein, was aber mit den damaligen Kommunikationsmöglichkeiten und durch das Geländer, aber auch anderen Faktoren misslingen kann. Auch muss man bedenken, dass die Tagesstunden begrenzt sind. Deswegen haben wir nicht selten früh am Morgen schon Angriffe, damit die ganze Armee ausreichend Zeit hatte, die Schlachtordnung aus dem Angriff heraus zu entwickeln. Bei Lauffeld, 1747, versuchten die Franzosen auch, vielleicht vergleichbar eher mit Freiberg 1762 als mit Torgau 1760, durch konzentrierte Angriffe an verschiedenen Stellen rasch Schlüsselpositionen zu erobern. Ich glaube, die britischen Zeitgenossen sprechen da auch von gewaltigen \"Columns\" (https://en.wikipedia.org/wiki/Battle_of_Lauffeld#/media/File:Batalla_de_Lawfeldt_1147.jpg). Die enormen Verluste der Franzosen rangen ihren Gegnern immerhin ziemlich Respekt ab.
Die leichten Truppen bildeten auf den großen Schlachtfeldern eine Randerscheinung, welche nach meiner Erfahrung - ich kann mich auch irren - praktisch nie schlachtentscheidend wirkten. Der Kampf der Preußen gegen die leichte österr. Infanterie um den Loboschberg bei Lobositz 1756 mag typisch sein. Dass leichte Infanterie in dem unübersichtlichen Gelände eingesetzt wurde, trug selbst vor Ort Garnichts zum Ausgang bei. Die Preußen konnten auch mit normaler Linieninfanterie die auf das kleine Gefecht spezialisierten Plänkler aus den Weinbergen vertreiben. Wirklich sinnvoll ließen sich die leichten Truppen also in der Kriegsführung des 18.Jh. im großen Maßstab, also die Generalschlachten, offenbar garnicht integrieren. Ihre Stärke war die Übermannung von kleinen, schwach besetzten Vorposten, die Erbeutung von Fourage, Aufbringung von Schiffen und Booten (für wichtige Flussübergänge feldzugsentscheidend!). Im Kleinen waren diese Truppen hoch effizient und konnten mit ihren Nadelstichen dem großen Feldzug auf ihre Weise eine ganz andere Wendung geben, da die großen, schwerfälligen Heere enorm von der Versorgung etc. abhängig waren.

Wenn der Nahkampf die Schlachtfelder gerockt hätte, wäre man sicher nicht von den Piken abgekommen. Vielleicht hätte man sie auf 3m - immernoch länger als eine Muskete - gekürzt, aber wäre doch offensiv damit erfolgreich gewesen.

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