Es gibt in meinen Augen kein Patentrezept, und die Frage nach dem Richtig oder Falsch muss jeder von Fall zu Fall für sich selbst ausmachen. Es kommt auch immer auf das Klientel an.Habe ich jetzt zwei pöbelnde Typen vor mir, die Parolen runtergrölen, weil sie es nicht besser wissen oder zwei ältere Damen, die bei Markus Lanz ein verunglücktes Interview gesehen haben, zwei Professoren etc. Es ist schwierig, wenn nicht gar unmöglich, das eigene Verständnis der Situation in einer Lage wie der Beschriebenen auf einen anderen Menschen zu projizieren.
Ich halte den eher ruhigen Weg für den Richtigeren - wenn die Herren ihre Meinung rumdröhnen, dann wird sich da auch auf eine Richtigstellung hin nicht unbedingt was ändern - allerdings kann das ungefragte Einmischen dann ganz schrecklich in die Hose gehen. Also eher den Hinweis, dass das laute Gespräch stört. Dann hast du zumindest einmal vorgewarnt und kannst, wenn sie weitermachen, den Fokus setzen auf: \"Aber wenn ihr die Umgebung weiter unterhalten wollt, dann solltet ihr euch erst einmal informieren.\"
So hast du nämlich a) den anderen darauf aufmerksam gemacht, dass er \"beobachtet\" wird und daher eher auf das achten sollte, was er sagt und b) gleich geprüft, inwiefern die andere Person zugänglich ist. Denn Idealismus hin oder her. Es kann auch in die andere Schiene gehen, wo die ... nennen wir\'s jetzt mal Einmischung ... für einen selbst gefährlich werden kann. Und in Deutschland sind leider Leute schon für weit weniger totgeschlagen worden.
Ein Beispiel - Ich war nach Dienst einkaufen in der Stadt nahe meiner Kaserne und wollte gerade über die Ampfel (mit Zebrastreifen etc), als mich ein Typ auf dem Fahrrad nebst angeleintem Hund überholt und mich fast noch umradelt, auf der anderen Seite dann beinahe an der Ampel hängenbleibt, weil er linksrum an dem Mast vorbeifährt, der Hund aber rechtsrum will. Dabei fährt der Herr, etwa 50 (um jetzt einmal auf die Behauptung, die Jugend habe ein Vorrecht auf Dummheit einzugehen), zwei vor der Eisdiele stehende Kinder und ein ebenfalls etwas älteres Ehepaar beinahe an, dann radelt er weiter. Entschuldigt sich nicht, macht auch sonst keine Anstalten irgendwas zu tun. Er radelt einfach weiter. Er war nicht betrunken und wirkte auch sonst vollkommen klar.
Der Mann des Ehegespanns rief ihm dann zu, er solle gefälligst absteigen oder aufpassen, woher hinfährt, worauf der Radfahrer ihm zurief, er solle sich um seinen Kram kümmern, was den Ehemann dann wieder dazu veranlasst zu rufen, er könne auch beißen. Das wiederrum führte dazu, dass der Radfahrer stoppte den Hund ans Rad leinte und auf den Ehemann losging und ihn angebrüllt hat, warum er ihn und den Hund bedrohe und ob er was auf die Fresse wolle etc.
Ich habe noch NIE zuvor erlebt, dass eine Situation so schnell so außer Kontrolle geraten ist, wie da. Nun stand ich daneben und habe mich eingemischt, da ich nicht nur die Gefährlichkeit der Situation entschärfen wollte, sondern auch als \"Opfer\" der rücksichtslosen Fahrweise des Herren betroffen war, habe die eben beschriebenen Dinge ruhig aufgezählt und dem Herren klar gemacht, dass er den einzige ist, der hier jemanden bedrohe. Das wiederrum führte dazu, dass der Herr auf mich losging - und als allerletzte Wahl habe ich mein Handy gezogen und ihn gewarnt, dass er, wenn er noch einen Schritt macht, am Boden auf die Polizei wartet. Er hatte jetzt die Wahl zum nächsten Schritt und ist abgezogen.
Was ich damit sagen will: Du kannst noch so recht haben und deine Meinung richtig vertreten - wenn der andere dem Gegenüber nicht zugänglich ist, sondern sich angemacht fühlt, wirst du absolut nichts anderes erreichen als die Situation zu eskalieren.
Ich muss auch ganz ehrlich sagen, dass der Weg: \"Ich bin zwei Meter groß und breit wie ein Schrank, da mische ich mich automatisch ein\" (um es jetzt einmal so allgemein runterzubrechen) auch nicht unbedingt der richtige Weg sein muss, denn auch damit kannst du böse in die Falle treten. Habe ich auch schon erlebt - da fühlte sich der Gesprächsgegner plötzlich bedroht. Das ist auch nicht sehr hilfreich.