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1672-1721 - Armeelisten - Europa

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Pappenheimer:
Tolle Details, bester Rio.

Die Geschichte der Kreiskontingente ist voll von solchen Widersprüchen.

Was mich persönlich immer wieder erstaunt ist, dass trotz des schlechten Rufes der Kreistruppen, sich in den Akten immer wieder Veteranen aus preußischen, holländischen oder anderen Diensten finden, die um eine Anstellung bei den Kreistruppen ansuchen. Vielleicht weil man sich dort gemeinhin keinen anstrengenden Dienst und noch weniger eine Beteiligung an einem Krieg erwartete. Weil die Kontingente in Relation zur Staatsgröße in Friedenszeiten recht klein waren, konnte man sich auf eine freiwillige Anwerbung stützen. Wenn in Württemberg von der Aufbietung des Ausschusses die Rede ist, so kommt es ja daher, dass man dort neben den Kreistruppen auch zahlreiche Haustruppen aufstellte, die man gegen Subsidien und dergleichen vermietete.

Es ist auffällig, dass viele Mittel- oder größere Kleinstaaten wie Paderborn-Münster temporär Kavallerie aufstellten, dies dann aber rasch wieder verwarfen. Manchmal kamen dann so komische Konstrukte dabei heraus wie das von Dir erwähnte einzelne Schwadron. Man stelle sich einen armen Oberbefehlshaber vor, der solche Mikroeinheiten irgendwie in das System einer professionellen Armee pressen musste. Auch in Württemberg, glaube ich, gab es so eine 1 Esk. starke Reitereinheit. Wenn man bedenkt, dass beispielsweise das Kopfgeld für die Ergreifung eines desertierten Reiters mit Pferd (Zeitschnitt Polnischer Thronfolgekrieg) doppelt so hoch war wie die für den Infanteristen (etwa ein Jahresgehalt einer Magd bei uns in Schwäbisch Hall) und die Preise für Pferde, Sättel etc. liest, liegt es auf der Hand, warum man gern Reiter in Infanteristen umwandelte. Militärisch hieß das natürlich, dass die Armee keine oder zu wenige Augen (Späher) hatte. Außerdem waren die Dragoner oder selbst Reiter für Polizeiaufgaben in Friedenszeiten gut geeignet. Auch im Fall von Grenzstreitigkeiten wurden sie natürlich gern eingesetzt.

@ Steffen
Mal ne Frage am Rande: warum hast Du den Niederländern keine Garden gegeben? Die hatten doch einige und mit ziemlich gutem Ruf.

Riothamus:
Österreichische Garde hat es auch meines Wissens nicht gegeben. Einige Regimenter hatten aber besondere Vorrechte. Schreiber, Des Kaisers Reiterei, Wien 1967 führt an:
Kürassiere 16. Jh. bis 1867
Arkebusiere 16. Jh. bis 1648
Dragoner Anfang 17. Jh. bis 1938
Husaren 1526 bis 1918 (in Ungarn bis 1945)
Chevaulégers 1758 bis 1851
Karabiniers 1768 bis 1778
Jäger 1798 bis 1801
Ulanen 1791 bis 1918
Berittene Landesschützen, aus dem lokalen Aufgebot hervorgehend, bis 1918

Hanno Barka:

--- Zitat von: \'steffen1988\',\'index.php?page=Thread&postID=253843#post253843 ---Die Österreicher bereiten mir immernoch Kopfzerbrechen; ich finde nichts dazu ob die Össis zu Zeiten des WSS überhaupt berittene Garde besassen.
--- Ende Zitat ---
Die Österreicher hatten keine Garde, weder beritten noch zu Fuß (ausser der tatsächlichen Palastgarde, die zahlenmäßig militärisch irrelevant war) Nach den Erfahrungen mit Wallenstein im 30JK hatten die Habsburger eine Paaranoia, daß das Militär, insbesondere eine Garde, politischen Einfluß nehmen könnte. Und Geld haben sie fürs Militär sowieso immer nur ungern rausgerückt.
Grenadiere müßen daher als Elite genügen, in Regimentsstärke gibts die Garde erst seit wir Republik sind :)

steffen1988:
Dann streiche ich auch die Guard Cavalry bei den Schluchtenscheißern.
--- Zitat von: \'Pappenheimer\',\'index.php?page=Thread&postID=253850#post253850 ---@ Steffen
Mal ne Frage am Rande: warum hast Du den Niederländern keine Garden gegeben? Die hatten doch einige und mit ziemlich gutem Ruf.
--- Ende Zitat ---
Soweit ich weis gab es bei den Niederländern keine berittene Garde. Laut dem Buch \"Het Staatse Leger - Band 7\" gab es nur die Blaue Garde (drei Battalionen), die Frisische Garde (2 Battalione) und zwei unabhängige Kompanie als Garde bei den Niderländern, alle zu Fuss. In anderen Quellen finde ich absolut garnichts zu Niederländischer Garde.

Guard Infantry ist in der Liste enthalten und die ist sogar Stubborn.

Riothamus:
Ja, die Kreiskontingente! Im siebenjährigen Krieg war es im Niederrheinisch-Westfälischen Kreis schließlich so weit, dass nur Münster und Paderborn Truppen stellten: Münster zwei Bataillone und Paderborn eines. Und da Clemens August von Bayern Erzbischof von Köln, Fürstbischof von Münster, Hildesheim, Osnabrück und Paderborn, Fürstprobst von Berchtesgaden, Probst von Altötting und Hoch- und Deutschmeister des Deutschen Ordens war, brachte er es zustande, dass seine Truppen in der Regel nur zusammen eingesetzt wurden. Dabei wurden Köln, Münster und Paderborn zusammen eingesetzt. Er schlug seinen Landtagen sogar vor, ein gemeinsames Lazarett zu errichten. Das Ergebnis ist nicht bekannt, wahrscheinlich verlief es im Sande.

Die Reichskontingente sollten ja eigentlich passend zusammengefügt eingesetzt werden, was die Landesherren hintertrieben. So kamen die Paderborner Artilleristen aus Münster und die beiden nicht mehr einsatzfähigen Kanonen würden dort repariert. Aber, obwohl mit Clemens August derselbe Fürst die Stifte regierte, bestand der Landtag in Sorge um die selbständig darauf, dass die Artilleristen nunmehr zu Paderborn gehörten.

Was die Reiter angeht, hatten sich die Norddeutschen Fürsten auch auf die hier teils zahlreichen Wildpferde verlassen und angesichts der Senne hätten wohl auch die Paderborner Bischöfe nicht vermutet, dass das zu einem Problem wird. Doch seit dem 17. Jh. nahm deren Lebensraum ab. Und betrug die Paderborner Matrikel noch 1648 18 Reiter und 34 Infanteristen, wurde sie 1681 auf 52 Reiter und 59,5 Infanteristen und 1702 auf 162,5 Reiter und 332 Infanteristen festgesetzt. Bei den anderen Territorien wuchsen die Zahlen natürlich im gleichen Verhältnis. Und wo es eben anging bildete man eigene Schwadronen und Bataillone.

1794 war Paderborn nicht in der Lage Truppen aufzubringen. Schließlich erlaubte der Kaiser Paderborn schon in seinen Subsidien stehende Truppen des Prinzen von Rohan zu \'übernehmen\'. Das führte dann zu einer ganz eigenen Stilblüte: Der Bischof bestand darauf, dass seine Truppen in der von ihm gewünschten Uniform in den Kampf zogen. Es gab also bei den Truppen des Prinzen (oder hatte er da schon den Fürstentitel?) von Rohan 153 Reiter und 313 Mann zu Fuß in einer anderen Uniform. (Als dann das übliche Triplum zum Quintuplum erweitert wurde schloss sich der Bischof dem Separatisten von Basel an. Damit war eigentlich schon 1795 die Unabhängigkeit des Hochstifts Paderborn beendet, weil auch der Beitrag zur Demarkationslinie ermäßigt oder von Preussen teils übernommen wurde, da müsste ich nochmal nachschauen.)

Damit sind wir auch bei dem Ruf der Kreistruppen. Die wurden in der Regel ja erst im Einsatz geschult. Aber die Verdienste der kleineren Reichsstände und Territorien wurden auch systematisch kleingeredet, während diese selbst ihre Truppen maßlos lobten. Der Hintergrund liegt darin, dass es bei der Besetzung und den Übernahmeversuchen durch größere Territorien immer ein Argument war, dass sich die kleinen Territorien nicht verteidigen können. In Abwehr eines Übernahmeversuchs durch Köln zählte das Paderborner Domkapitel Mitte des 15. Jahrhunderts sogar alle 40 Familien des stiftischen Adels auf. Moderne Statistik konnte für den Zeitpunkt 110 wehrfähige Mitglieder der genannten Familien nachweisen. Köln, Hessen, Hannover, Preussen, also alle größeren in Schlagweite versuchten mehrfach Paderborn zu übernehmen. Immer war die Problematik der Verteidigung Argument. 1648 blieb Paderborn nur selbständig, weil man auf Fürbitte des Domkapitel von Le Mans und wegen des Arguments, dass -nach einer falsch interpretierten Stelle der Einhardsannalen- Karl der Große das Paderborner Land mit Franken besiedelt habe und über Franzosen kein anderer weltlicher Monarch als der König von Frankreich herrschen dürfe, den kleinen Ludwig XIV. einen Schutzbrief für Paderborn ausstellen und mehrfach bestätigen ließ. Diese Gefahr war für alle kleinen Territorien, nicht nur für Paderborn, diese Gier für alle größeren Territorien gegeben. Da war die Leistung der Kreistruppen ein wichtiges Politikum.


Beurteilungen von Offizieren der Zeit sind mitunter differenzierter.


Bemerkenswert ist auch, dass kleine Territorien, z.B. Paderborn und Münster Ende des 17. Jahrhunderts durchaus wehrhaft waren. Erinnert sei an den Kanonenbischof von Münster, Christoph Bernhard von Galen, auch Bomben-Bernd genannt. Und auch der Paderborner Bischof Ferdinand von Fürstenberg unterhielt - im Gegensatz zu seinem damals internationalen Ruf als Wissenschaftler, Diplomat, Kunstförderer und Theologe - recht große Truppen, die durch Subsidien finanziert wurden und die er dem Münsteraner Bischof zur Verfügung stellte, um eine Anwartschaft auf seine Nachfolge zu bekommen. Dies war erfolgreich. Nach dem Tod Galens wurde er 1678 Administrator von Münster.


Auf die Größe der Schrift habe ich gerade keinen Einfluss.

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